Entscheidungsstichwort (Thema)
Schaden: Zinsen aus Kontokorrentkredit als Dienstpflichtverletzung. Entstehung eines Dienstpflichtverletzung in der Person des Rechtsnachfolgers. Deutsche Post AG als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost
Leitsatz (amtlich)
Schadensersatzansprüche der ehemaligen Deutschen Bundespost gegen einen vormals im Postdienst tätigen Beamten sind auf die Deutsche Post AG übergegangen.
Die Rechtsnachfolgerin kann als Schaden auch den ihr entstandenen Zinsaufwand wegen der von dem Beamten entzogenen Gelder geltend machen (im Anschluss an BVerwGE 115, 15).
Normenkette
BBG § 78; PostUmwG § 2 Abs. 1; PostPersRG § 2 Nr. 3 S. 3, § 7 Abs. 2; BGB § 367
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 09.05.2001; Aktenzeichen 2 L 3836/00) |
VG Hannover (Urteil vom 16.09.1999; Aktenzeichen 2 A 2150/98) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Mai 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger war Posthauptsekretär bei der Deutschen Bundespost POSTDIENST. Zwischen 1991 und 1994 unterschlug er zum Nachteil der ehemaligen Deutschen Bundespost 469 792,37 DM. Er wurde deshalb im Mai 1997 rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Mit Leistungsbescheid vom 12. Dezember 1996 verlangte die Deutsche Post AG von ihm Schadensersatz in Höhe des unterschlagenen Betrages zuzüglich bis dahin aufgelaufener Zinsen von 129 305,93 DM aus einem mit 5,5 v.H. verzinslichen Kontokorrentkredit, den die Deutsche Bundespost POSTDIENST bei der Deutschen Bundespost POSTBANK in Höhe zumindest des unterschlagenen Betrages in Anspruch nahm.
Der Kläger, der Zahlungen in einer den unterschlagenen Betrag übersteigenden Höhe geleistet hat, wendet sich nach erfolglosem Widerspruch mit seiner Klage dagegen, dass von ihm auch Zinsen verlangt werden.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg, soweit das Verwaltungsgericht das Verlangen nach Zinsen für die Zeit ab dem 1. Januar 1995 als rechtswidrig angesehen hat.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Den Zinsschaden, den die Deutsche Post AG ab dem 1. Januar 1995 erlitten habe, müsse der Kläger nach § 78 BBG in Verbindung mit § 7 Abs. 2 PostPersRG ersetzen.
Die Deutsche Post AG habe in der Zeit ab dem 1. Januar 1995 ständig einen den veruntreuten Betrag übersteigenden Kontokorrentkredit bei der Postbank AG in Anspruch genommen und dafür die im Widerspruchsbescheid angegebenen Zinsen zahlen müssen. Ein Kausalzusammenhang zwischen der pflichtwidrigen Handlung des Klägers und der Inanspruchnahme des zinsverursachenden Kredits brauche die Beklagte nicht darzutun. Die Beklagte sei auch befugt gewesen, die eingehenden Zahlungen gemäß § 367 Abs. 1 BGB zunächst auf die rückständigen Zinsen und erst dann auf die Hauptforderung anzurechnen.
Zu Recht sei der Anspruch aus § 7 Abs. 2 PostPersRG in Verbindung mit § 78 BBG durch Leistungsbescheid geltend gemacht worden. Als Beliehene habe die Deutsche Post AG in Wahrnehmung der bei der Bundesrepublik Deutschland verbliebenen Dienstherrenbefugnisse diesen dem Dienstherrn zustehenden Anspruch geltend machen können.
Der Aufstellung, die dem Widerspruchsbescheid beigegeben sei, lasse sich entnehmen, dass am 11. August 1997 die Hauptschuld noch in Höhe von 46 409,46 DM offen gewesen sei; dieser Betrag sei “bis auf weiteres” zu verzinsen.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Mai 2001 aufzuheben, soweit es der Berufung der Beklagten stattgegeben hat, und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 16. September 1999 in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger auf die Hauptforderung noch 46 409,46 DM zahlen muss, weil er neben dem unterschlagenen Betrag auch 5,5 v.H. Zinsen ab dem 1. Januar 1995 schuldet und deshalb die als Schadensersatz geleisteten Beträge die Hauptforderung nicht vollständig zu tilgen vermochten.
Die beklagte Bundesrepublik Deutschland ist für das Begehren auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide passiv legitimiert. Ihr werden die Bescheide zugerechnet, die die Deutsche Post AG in Ausübung der – als solche bei der Beklagten verbliebenen – Dienstherrenbefugnis erlassen hat (Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG; vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 2 C 28.98 – BVerwGE 108, 274 ≪275 ff.≫).
Die Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Ersatz der Zinsen, die aufgrund des bestehenden Kontokorrentkreditverhältnisses wegen des Betrages anfallen, den ihr der Kläger entzogen und nicht ersetzt hat.
Vom Kläger wird der Ersatz eines Schadens verlangt, den er durch eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung verursacht hat. Ein derartiger Schaden kann grundsätzlich auch die aus der Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits entstehenden Zinsen auf das entzogene und zu ersetzende Kapital umfassen. Der durch eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung entstandene und von dem Beamten nach § 78 BBG grundsätzlich zu ersetzende Schaden besteht in dem Unterschied zwischen der Vermögenslage, wie sie sich infolge der schuldhaften Dienstpflichtverletzung ergeben hat, und derjenigen Vermögenslage, die bestanden hätte, wenn die Dienstpflichtverletzung unterblieben wäre (BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2001 – BVerwG 2 C 42.00 –BVerwGE 115, 15 ≪16≫ m.w.N.). Der durch die Straftat des Klägers verursachte Schaden umfasst auch die Vermögenseinbußen, die sich daraus ergeben, dass der Geschädigte zum Ausgleich der entzogenen Geldbeträge Kredite in Anspruch genommen hat. Es bedarf nicht des konkreten Nachweises, dass der Pflichtverstoß des Beamten ursächlich für eine bestimmte Kapitalmaßnahme des Dienstherrn gewesen ist. Es reicht aus, dass der Geschädigte in dem genannten Zeitraum Bankkredite benötigt hat (BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2001, a.a.O. m.w.N.). Dass die Deutsche Post AG seit dem 1. Januar 1995 ständig einen Kontokorrentkredit bei der Postbank AG in Anspruch genommen hat und laufend Zinsen zahlen musste, hat das Berufungsgericht festgestellt.
Die Schadensersatzverpflichtung des Klägers erstreckt sich auf die Darlehnszinsen, die zu Lasten der Deutschen Post AG entstanden sind, nachdem auf sie das ehemalige Teilsondervermögen Deutsche Bundespost POSTDIENST übergegangen war. Zwar hat der Schädiger grundsätzlich den Schaden zu ersetzen, den der Verletzte selbst erlitten hat, so dass der Gesamtrechtsnachfolger nur diejenigen Ersatzansprüche gegen den Schädiger hat, die auch der Rechtsvorgänger bereits besaß (vgl. BGH, Urteile vom 20. Februar 1962 – VI ZR 65/61 – NJW 1962, 911 und vom 8. Januar 1968 – III ZR 32/67 – FamRZ 1968, 308, jeweils zur erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge).
Jedenfalls bei dem Rechtsübergang anlässlich der Privatisierung der ehemaligen Deutschen Bundespost erstreckt sich die Schadensersatzpflicht auch auf solche Vermögenseinbußen, die nicht aufgrund spezifischer Gegebenheiten des Rechtsnachfolgers eintreten, sondern die sich ausschließlich aufgrund der Umwandlung verlagern. Der Zinsaufwand ist kein weiterer selbständiger Schaden, sondern unmittelbare Folge des Entzugs und der Vorenthaltung des Kapitalbetrages. Er ist bereits durch die Unterschlagung angelegt und wie ein dem Rechtsvorgänger entstandener Schaden zu bewerten. Der den Schaden sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unberührt lassende Wechsel der Rechtsform begründet keinerlei Vorteile für den Schädiger. Insbesondere werden durch die Privatisierung die Rechte und Pflichten des früher bei der Deutschen Post tätigen Beamten nicht nachträglich modifiziert; seine Haftung für den von ihm verursachten Schaden besteht unverändert fort.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Gesetzes zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (Postumwandlungsgesetz – PostUmwG) vom 14. September 1994 (BGBl I S. 2325, 2339) sind die Teilsondervermögen Deutsche Bundespost POSTDIENST, Deutsche Bundespost POSTBANK und Deutsche Bundespost TELEKOM auf die Aktiengesellschaften an dem Tag, an dem diese in das Handelsregister eingetragen worden sind, übergegangen. Rechte und Pflichten gehen nach § 2 Abs. 1 Satz 4 bis 9 sowie Abs. 2 bis 5 PostUmwG vollständig und lückenlos über; das Erlöschen eines Rechts oder einer Pflicht ist nicht vorgesehen. Weiterhin haben die früher bei der ehemaligen Deutschen Bundespost und nunmehr bei den Aktiengesellschaften beschäftigten Beamten ihre Rechtsstellung behalten; die ihnen gegen den Dienstherrn zustehenden Ansprüche richten sich – nach wie vor – gegen den Bund, § 2 Abs. 3 S. 3 PostPersRG. Schließlich bestimmt § 7 Abs. 2 PostPersRG, dass der bei einer Aktiengesellschaft beschäftigte Beamte, wenn er seine Dienstpflicht verletzt, unter den Voraussetzungen, unter denen er nach § 78 BBG einen Schaden seines Dienstherrn zu ersetzen hätte, den Schaden zu ersetzen hat, der der Aktiengesellschaft entsteht. Diese Bestimmungen lassen in ihrer Gesamtschau erkennen, dass die Privatisierung der ehemaligen Deutschen Bundespost unter weitest möglicher Wahrung der bestehenden Rechtsbeziehungen von statten gehen und dass insbesondere der dienstrechtliche Rechts- und Pflichtenkreis der betroffenen Bundesbeamten soweit wie möglich unverändert bleiben soll. Dies bedeutet, dass der Rechts- und Pflichtenübergang auf die Deutsche Post AG auch eine nach § 78 BBG bestehende Verpflichtung zum Schadensersatz inhaltlich nicht zu verändern vermochte. Die Ersatzverpflichtung soll so gestaltet sein wie sie es wäre, wenn die Deutsche Post AG nicht an die Stelle der ehemaligen Sondervermögen Deutsche Bundespost und Deutsche Bundespost POSTDIENST getreten wäre. Bestünde die Deutsche Bundespost noch, müsste der Kläger die nach dem 1. Januar 1995 infolge des Kontokorrentkredits angefallenen und anfallenden Zinsen als Teil des verursachten Schadens nach § 78 BBG ersetzen. Dieselbe Verpflichtung trifft ihn nach dem Übergang des Sondervermögens Deutsche Bundespost POSTDIENST auf die Deutsche Post AG.
Der Ersatzanspruch besteht ungeachtet der bisherigen, den unterschlagenen Betrag übersteigenden Zahlungen des Klägers. Diese Zahlungen haben nicht zur vollständigen Tilgung der Hauptschuld geführt. Der Betrag, der nicht ausreicht, die Hauptschuld und die aufgelaufenen Zinsen zu begleichen, war gemäß § 367 Abs. 1 BGB zunächst auf die aufgelaufenen Zinsen anzurechnen. Diese Vorschrift ist bei Zahlungen des Schuldners öffentlich-rechtlicher Geldforderungen entsprechend anwendbar (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 1982 – IV 213/77 – ZBR 1983, 44; Staudinger/Olzen, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2000, § 367 Rn. 13). § 367 Abs. 1 BGB gilt auch, wenn – wie hier – die verlangten Zinsen Teil des geltend gemachten Schadens sind und deshalb mit dem Hauptsachebetrag eine Einheit bilden (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 1991 – VI ZR 241/90 – NJW 1991, 2295).
Die Beteiligten haben keine von § 367 Abs. 1 BGB abweichende Anrechnung vereinbart. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass keine der Erklärungen, die der Kläger gegenüber der Beklagten zu seinen Zahlungen abgegeben hat, dahin ging, die gezahlten Beträge sollten zuerst auf die Hauptschuld angerechnet werden. Diese tatrichterlichen Feststellungen zum Inhalt der materiellrechtlichen Erklärungen der Beteiligten binden das Revisionsgericht (vgl. Urteil vom 1. Dezember 1989 – BVerwG 8 C 17.87 – BVerwGE 84, 157 ≪161 ff.≫ m.w.N.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Fundstellen
ZBR 2003, 249 |
ZTR 2003, 259 |
DÖV 2003, 467 |
PersV 2003, 269 |