Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachtflugregelung. fachplanerisches Abwägungsgebot. Bedarfsprognose. „Angebotsplanung”. „Vorratsplanung”. Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes
Leitsatz (amtlich)
1. Betriebsregelungen zum Schutz gegen nächtlichen Fluglärm unterliegen den rechtlichen Anforderungen des fachplanerischen Abwägungsgebots.
2. Nachtflugregelungen für einen Verkehrsflughafen dürfen auf eine Bedarfslage ausgerichtet sein, die zwar noch nicht eingetreten ist, aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit erwartet werden kann.
3. Eine Nachtflugregelung, die im Vorgriff auf einen noch nicht absehbaren Bedarf erlassen wird, kann als reine „Vorratsplanung” abwägungsfehlerhaft sein. Im Fall einer vorzeitigen Planungsentscheidung erlangen die Lärmschutzbelange der Flughafenanwohner aus Rechtsschutzgründen ein besonders Gewicht.
4. Eine Nachtflugregelung ist nicht schon deshalb abwägungsfehlerhaft, weil sie die nächtlichen Flugbewegungen nicht durch eine zahlenförmige Höchstgrenze (Bewegungskontingent), sondern durch ein maximales nächtliches Lärmvolumen beschränkt.
Normenkette
LuftVG § 6 Abs. 1, 2 Sätze 3-4, Abs. 4
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 03.12.2002; Aktenzeichen 20 A 01.40019) |
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Dezember 2002 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Kläger wenden sich gegen die vom beklagten Freistaat mit Änderungsgenehmigung vom 23. März 2001 erlassene neue Nachtflugregelung für den Flughafen München.
Der Flughafen München (II) wurde am 9. Mai 1974 luftrechtlich genehmigt und am 8. Juli 1979 planfestgestellt. Die bisherige Nachtflugregelung war Gegenstand des 31. Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 7. August 1991. Danach waren in der Zeit von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr und zwischen 05.00 Uhr bis 06.00 Uhr (NachtRand-Stunden) bis zu 28 planmäßige Flugbewegungen im gewerblichen Linien- und Bedarfsluftverkehr und insgesamt bis zu 38 Flugbewegungen einschließlich der Verspätungsflüge generell zulässig. In der Kernzeit der Nacht (24.00 bis 5.00 Uhr) konnten Flugbewegungen nur in begründeten Ausnahmefällen gestattet werden.
Im September 1999 beantragte die beigeladene F. M. GmbH die Änderung der bestehenden Nachtflugregelung. Der Antrag zielte auf die Streichung des Bewegungskontingents von 38 Flugbewegungen in den Nachtrandstunden. Der Schutz einer weitgehend bewegungsfreien Kernzeit zwischen 24.00 bis 05.00 Uhr sollte beibehalten werden. Zur Begründung machte die Beigeladene unter Vorlage zahlreicher Gutachten geltend: Die Verkehrsentwicklung auf dem Flughafen und seine Verkehrsbedeutung hätten die Grundlagen der bisherigen Regelung obsolet werden lassen. Der Flughafen habe sich zu einem maßgeblichen Umsteigerflughafen in Europa entwickelt. Das führe zu einem Anstieg der Nachfrage nach Flugverbindungen in den Randstunden der Nacht. Seine Verkehrsfunktion als europäischer Luftverkehrsknotenpunkt könne der Flughafen nur ausfüllen, wenn – wie bei anderen Verkehrsflughäfen entsprechender Größenordnung auch – Luftverkehr in diesen Stunden verkehrs- und bedarfsgerecht abgewickelt werden könne. Dabei seien die besonderen luftverkehrlichen Belange derjenigen Luftverkehrsgesellschaften zu berücksichtigen, die den Flughafen München zum Heimatflughafen oder Wartungsschwerpunkt gewählt hätten.
Nach Einholung eines lärmpsychologischen und eines lärmphysikalischen Gutachtens änderte der Beklagte mit Bescheid vom 23. März 2001 die bisherige Nachtflugregelung für den Flughafen München ab. Die zahlenmäßige Begrenzung des nächtlichen Flugbetriebs in Form eines Bewegungskontingents entfällt. In den Randstunden der Nacht sind nunmehr bis zu 28 planmäßige Flugbewegungen sowie verspätete Landungen und Starts, verfrühte Landungen (von 05.00 bis 06.00 Uhr), Flüge von Luftfahrtunternehmen mit Wartungsschwerpunkt auf dem Flughafen München und planmäßige Starts oder Landungen von Flugzeugen, die an jeder einzelnen Lärmmessstelle in der Umgebung des Flughafens im Mittel keinen höheren Einzelschallpegel als 75 dB(A) erzeugen, generell zulässig. Die wie bisher von einigen Ausnahmen durchbrochene Freihaltung der Kernzeit der Nacht (24.00 bis 05.00 Uhr) wird beibehalten. Die Regelung der Betriebszeiten wird durch lärmbegrenzende Betriebsbeschränkungen ergänzt. Die Nachtflugbewegungen unterliegen in ihrer Gesamtheit einem Lärmkontingent, das für die Durchschnittsnacht eines Kalenderjahres für alle Starts und Landungen auf N(eq)= 105 festgesetzt wird und nicht überschritten werden darf. An den Schnittpunkten der Flugkorridore mit der jeweils äußeren Grenzlinie des ausgewiesenen kombinierten Tag-/Nachtschutzgebietes darf der Nachtflugverkehr den energieäquivalenten Dauerschallpegel von L(eq)= 50 dB(A) für die Durchschnittsnacht eines Kalenderjahres nicht überschreiten. Ab Sommerflugplan 2002 dürfen in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr nur noch Flugzeuge starten und landen, die in der jeweils aktuellen Bonusliste des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen geführt werden. Die Genehmigungsbehörde behält sich das Recht vor, die Bonusliste zu modifizieren. Passiver Lärmschutz wird auf der Grundlage einer mehr als sechsmaligen Überschreitung des Maximalpegels von 70 dB(A) außen nachts gewährt. Schutzziel ist die Verhinderung von höheren Einzelpegeln als 55 dB(A) im Rauminneren.
Der Beklagte begründete die Neuregelung im Wesentlichen wie folgt: Sie sei erforderlich geworden, um die gestiegene und weiter wachsende Nachfrage nach Nachtflugmöglichkeiten zu befriedigen und um die Problematik der verspäteten oder verfrühten nächtlichen Starts und Landungen zu lösen. Dabei sei bis zum Prognosejahr 2010 von 89 Flugbewegungen (mit einer Tendenz zu Werten bis bzw. über 100) in der Durchschnittsnacht des Kalenderjahres und von einer tatsächlichen Bewegungszahl von maximal rund 140 Bewegungen in der Einzelnacht auszugehen. Auf dieser Prognosegrundlage sei der Nachtflugbetrieb durch das Lärmkontingent, den Dauerschallpegel von 50 dB(A) an den Schutzgebietsgrenzen und die (modifizierte) Bonusliste begrenzt worden. Durch das Gesamtsystem des aktiven (betriebsbeschränkenden) und des passiven Lärmschutzes werde der erforderliche Lärmschutz der Bevölkerung in der Flughafenumgebung sichergestellt. Zusätzlicher Nachtfluglärm werde soweit wie möglich vermieden, unvermeidbarer Nachtfluglärm durch betriebseinschränkende Maßnahmen soweit wie möglich minimiert und noch verbleibender unzumutbarer Nachtfluglärm durch bauliche Schutzvorkehrungen auf ein zumutbares Maß gesenkt.
Die Kläger, mehrere Gemeinden und Flughafenanwohner, sind überwiegend Eigentümer von Wohngrundstücken innerhalb oder außerhalb des vom Beklagten geringfügig erweiterten Tag- und Nachtschutzgebietes. Sie haben Anfechtungsklage erhoben und (zum überwiegenden Teil) hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verpflichten, die Änderungsgenehmigung um Auflagen des aktiven oder passiven Lärmschutzes zu ergänzen bzw. über eine angemessene Entschädigung wegen fluglärmbedingter Wertminderung ihrer Wohnanwesen neu zu entscheiden: Die Neuregelung verletze ihre Rechte auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit, auf Schutz ihres Eigentums sowie die gemeindliche Planungshoheit der beteiligten Gebietskörperschaften. Die Änderungsgenehmigung leide zudem an Abwägungsfehlern. Sie berücksichtige das Vertrauen der Kläger auf die Fortgeltung der bisherigen Regelung nicht angemessen. Der Beklagte hätte ein zahlenförmiges Bewegungskontingent festlegen müssen. Die vom Beklagten angeführten Gründe, das Problem der Verspätungsflüge zu lösen, die Konkurrenzfähigkeit des Flughafens München zu erhalten und die wirtschaftliche Entwicklung des Raums München zu fördern, seien nicht tragfähig und nicht geeignet, den Vorrang des aktiven vor dem passiven Lärmschutz zu überwinden. Die Neuregelung verletze auch die Lärmschutzvorgaben der Regionalplanung für den Raum München. Sie sei schließlich zu unbestimmt und so schwer nachvollziehbar, dass sie keine zeitnahe und effektive Kontrolle ermögliche.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Gutachter des Beklagten als Sachverständige geladen und ebenso wie die Gutachter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung zu ihren Gutachten und weiteren Fragen gehört. Mit Urteil vom 3. Dezember 2002 (BayVBl 2003, 691) hat er die erhobenen Klagen zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung:
Die Neuregelung finde ihre Rechtsgrundlage in § 8 Abs. 4 Satz 2 und § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG (i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. März 1999, BGBl I S. 550) und sei rechtmäßig. Sie verletze weder verfassungsrechtlich verbürgte Rechte der Kläger (Gesundheit, Eigentum, gemeindliche Planungshoheit) noch ihren luftverkehrsrechtlichen Anspruch auf gerechte Abwägung ihrer eigenen Belange. Das Lärmschutzkonzept des Beklagten verletze das fachplanerische Abwägungsgebot nicht. Es erfülle in medizinischer, psychologischer und lärmphysikalischer Hinsicht die Anforderungen der Lärmwirkungsforschung an den Schutz vor unzumutbarem nächtlichem Fluglärm. Das geltende Recht kenne weder ein absolutes Nachtflugverbot für internationale Großflughäfen noch einen Vorrang aktiver vor passiven Lärmschutzmaßnahmen. Der Beklagte habe die für eine Neuregelung des Nachtflugbetriebs sprechenden Belange und die ihr entgegenstehenden Lärmschutzbelange der Kläger ordnungsgemäß ermittelt und miteinander abgewogen. Das gelte auch für die Lärmbeeinträchtigungen, die bei Einhaltung der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwellen noch verblieben. Die Neuregelung enthalte eine Angebotsplanung, die nach allgemeinen fachplanungsrechtlichen Grundsätzen zulässig sei. Dem Beklagten könne jedenfalls nicht vorgeworfen werden, er habe gänzlich am Bedarf vorbei geplant. Der Nachtfluglärm werde zwar erheblich ansteigen. Die technischen Fortschritte bei der Verringerung des Fluglärms kämen ganz überwiegend dem Flughafen zugute, dem weit höhere Bewegungszahlen als bisher gestattet würden. Das sei aus allgemeiner fachplanerischer Sicht jedoch nicht abwägungsfehlerhaft. Allerdings habe der Beklagte die Lärmschutzvorgaben des Regionalplans für die Umgebung des Flughafens München nicht hinreichend bedacht. Er habe nämlich nicht geprüft, ob aus raumordnerischer Sicht eine maßvollere Erhöhung der Nachtflugbewegungen vorzuziehen gewesen wäre. Ein echter Konflikt zwischen den beteiligten Belangen, der eine so weitgehende Öffnung für den Nachtflugverkehr erzwungen oder auch nur nahe gelegt hätte, sei derzeit nämlich kaum erkennbar. Eine spätere Anpassung an einen etwa gestiegenen Nachtflugbedarf sei jederzeit unschwer möglich. Dies hätte gewährleistet, dass eine Abwägung dann stattfinde, wenn ein Konflikt der Belange absehbar sei und nicht nur abstrakt vermutet werde. Es dränge sich auf, dass der Beklagte das objektive Gewicht der regionalplanerischen Lärmschutzvorgaben in seiner Abwägung verkannt und hinter den Verkehrsinteressen in unverhältnismäßiger Weise zurückgestellt habe. Letztlich sei darüber jedoch nicht zu entscheiden, da die Lärmschutzvorgaben des Regionalplans einen öffentlichen Belang darstellten, der keine Rechte der Kläger begründe und auf dessen Verletzung sie sich nicht berufen könnten.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger zu 4, 5, 7, 8, 12, 15, 19, 20, 24, 29, 30 und 34, das angefochtene Urteil verletze § 6 Abs. 2 Satz 1 und 3 LuftVG, das fachplanungsrechtliche Abwägungsgebot und das Bestimmtheitsgebot, die Verletzung raumordnungsrechtlicher Vorschriften sowie des Gleichheitssatzes. Die Klägerinnen zu 4 und 5 rügen die Verletzung ihrer kommunalen Planungshoheit. Sie machen zusammengefasst geltend: Der Verwaltungsgerichtshof habe verkannt, dass das Konzept des Beklagten keinen ausreichenden Schutz vor nächtlichem Fluglärm gewährleiste. Es sei unzureichend, weil es die für den effektiven Schutz letztlich entscheidende Anzahl der Flugbewegungen völlig außer Acht lasse, durch die fehlerhafte Bildung von Bezugszeiträumen und die damit verbundenen Mittelungen das Schutzniveau in unzulässiger Weise mindere und auf ein Lärmvolumen abstelle, das keinen Schutz bewirke und nur unzureichend kontrolliert werden könne. Der Verwaltungsgerichtshof habe ferner den vom Beklagten und der Beigeladenen prognostizierten Verkehrsbedarf nicht ausreichend überprüft. Die Zahl von 89 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht des Kalenderjahres sei „gegriffen” und stelle nur eine Mindestzahl dar. Das komme einer unzulässigen Angebotsplanung gleich. Da die Dringlichkeit des Nachtflugbedarfs nicht nachgewiesen sei, könne ihm in der Abwägung auch kein besonderes Gewicht zukommen. Die Kläger erheben ferner zahlreiche Aufklärungsrügen und machen geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe ihre in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge zu Unrecht abgelehnt. Sie verfolgen ihr Aufhebungsbegehren und ihre hilfsweise in erster Instanz gestellten Anträge auf Ergänzung der Änderungsgenehmigung weiter.
Die Kläger zu 35 bis 38 rügen außerdem einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 14 und 20 a GG: Sie hätten ihr Wohnhaus im Vertrauen darauf errichtet, dass die Nachtflugregelung von 1991 bestehen bleibe, jedenfalls aber die nächtliche Lärmbelastung sich nicht verschlechtern werde. Aufgrund der Neuregelung lägen ihre Grundstücke nunmehr im Nachtschutzgebiet und seien damit unzumutbarem Fluglärm ausgesetzt. Ihre Lärmbelastung habe sich wesentlich verschlechtert. Für den Wertverlust ihres Grundstücks und die gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien sie zu entschädigen. Sie erstreben die Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung ihres Lärmschutzbegehrens und verfolgen hilfsweise ebenfalls Anträge auf Ergänzung der neuen Nachtflugregelung.
Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Kläger ist begründet. Das angefochtene Urteil wird den rechtlichen Anforderungen, die das fachplanerische Abwägungsgebot an die Neuregelung des Nachtflugbetriebes auf dem Verkehrsflughafen München stellt, nicht in jeder Hinsicht gerecht und verletzt insoweit Bundesrecht. Die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs lassen im Revisionsverfahren keine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Änderungsgenehmigung und damit über den in erster Linie gestellten Aufhebungs- bzw. Neubescheidungsantrag der Kläger zu. Eine Entscheidung in der Sache erfordert eine weitere Aufklärung des Sachverhalts, die dem Revisionsgericht verwehrt ist. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Über die Hilfsanträge der Kläger war nicht zu entscheiden.
1. Die angefochtene Änderungsgenehmigung unterliegt den rechtlichen Anforderungen an eine fachplanerische Abwägungsentscheidung.
1.1 Sie findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 8 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG (i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. März 1999, BGBl I S. 550). Danach bedarf die Änderung einer betrieblichen Regelung, die – wie hier die umstrittene Nachtflugregelung – zuvor Gegenstand einer Änderungsplanfeststellung war, keiner erneuten Planfeststellung, sondern (nur) einer Genehmigung entsprechend § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG. Nach dieser Vorschrift ist eine Änderung der Genehmigung erforderlich, wenn die Anlage oder der Betrieb des Flugplatzes wesentlich erweitert oder geändert werden soll. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Ob der nächtliche Flugbetrieb „wesentlich” erweitert wird, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und bemisst sich u.a. danach, ob und inwieweit Betriebsänderungen die Lärmbelastung in der Umgebung des Flugplatzes erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1988 – BVerwG 4 C 40.86 – BVerwGE 81, 95 ≪104 f.≫). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist überall in der Nachbarschaft des Flughafens München, vor allem aber innerhalb des Nachtschutzgebiets, mit einer teilweise erheblichen Steigerung des tatsächlichen nächtlichen Fluglärms zu rechnen.
1.2 Die luftverkehrsrechtliche Genehmigung oder deren Änderung, der keine Planfeststellung nach § 8 LuftVG nachfolgt, ist durch eine Doppelnatur gekennzeichnet. Sie ist einerseits Unternehmergenehmigung, andererseits aber auch Planungsentscheidung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. November 1996 – BVerwG 4 B 170.96 – Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 13; Urteil vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 u.a. – BVerwGE 56, 110 ≪135 f.≫). Das gilt auch für die hier angegriffene Änderungsgenehmigung, soweit sie die Erhöhung und zeitliche Verteilung der für die Nacht zugelassenen Flugbewegungen und das geänderte Lärmschutzkonzept des Beklagten festlegt. Betriebsregelungen zum Schutz vor nächtlichem Fluglärm sind Gegenstand der planerischen Gestaltungsfreiheit der Genehmigungsbehörde (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – BVerwGE 87, 332 ≪366≫). Sie stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der „Konzeption des Flughafens und der Gesamtplanung seiner Verwendung” (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 1989 – BVerwG 4 C 35.88 – BVerwGE 82, 246 ≪250≫).
1.3 Bei der Ausübung ihrer Gestaltungsfreiheit unterliegt die Genehmigungsbehörde den Bindungen des fachplanerischen Abwägungsgebots (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 2002 – BVerwG 9 B 63.01 – Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 32 S. 3; Urteil vom 26. Juli 1989 – BVerwG 4 C 35.88 – a.a.O. S. 250). Als Lärmbetroffene können Anwohner und kommunale Gebietskörperschaften in der Flughafenumgebung geltend machen, die Genehmigungsbehörde habe das Abwägungsgebot verletzt. Lärmbetroffenen steht ein subjektiv-öffentliches Recht auf gerechte Abwägung ihrer eigenen Belange zu. Dieser Anspruch umfasst auch den Schutz vor nächtlichem Fluglärm. Abwägungserheblich ist jede nicht nur geringfügige Lärmbelastung. In diesem Umfang besitzen die fachplanungsrechtlichen Abwägungsvorschriften nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Gunsten der Lärmbetroffenen „drittschützende Wirkung” (zum Luftverkehrsrecht vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 u.a. – a.a.O. S. 123; Urteil vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – a.a.O. S. 342; Urteil vom 27. Oktober 1998 – BVerwG 11 A 1.97 – BVerwGE 107, 313). Das gilt auch für die fachplanerischen Bestandteile einer Änderungsgenehmigung im Rahmen von § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG.
Einen Rechtsanspruch auf Fortbestand der bisherigen Nachtflugregelung haben Lärmbetroffene nicht. Sie können lediglich beanspruchen, dass bei der Änderung der Regelung die Vorschriften und Grundsätze beachtet werden, die ihrem Schutz dienen. Dabei ist auch das Interesse der Betroffenen an der Erhaltung wesentlicher Bestandteile des bisherigen Lärmschutzkonzepts gegen das Interesse des Flughafenbetreibers an der beabsichtigten Änderung abzuwägen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 14. September 1992 – BVerwG 4 C 34-38.89 – BVerwGE 91, 17 ≪19≫).
Lärmbetroffene können ferner beanspruchen, dass ihre Lärmschutzbelange mit dem ihnen zustehenden Gewicht in die planerische Abwägung der Genehmigungsbehörde eingestellt und mit den für das Vorhaben angeführten öffentlichen Verkehrsbelangen in einen Ausgleich gebracht werden, der zur objektiven Gewichtigkeit ihrer Belange nicht außer Verhältnis steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2001 – BVerwG 11 C 14.00 – BVerwGE 114, 364 ≪367≫). Setzen sie sich gegen eine erweiterte Nachtflugregelung zur Wehr, sind sie nicht auf den Einwand beschränkt, die Genehmigungsbehörde habe ihre Lärmbelastung nicht ordnungsgemäß ermittelt oder unterbewertet. Das Gewicht individueller Lärmschutzbelange und das Maß ihrer Zurückstellung stehen notwendig in einer Wechselbeziehung zu dem Gewicht der für die Neuregelung angeführten öffentlichen Verkehrsinteressen (in diesem Sinne bereits BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1975 – BVerwG 4 C 21.74 – BVerwGE 48, 56 ≪66 f.≫ – zum Immissionsschutz in der Straßenplanung). Mit dem Gewicht der Lärmschutzbelange steigen die Anforderungen an die Darlegung des Verkehrsbedarfs, der eine Erweiterung der Nachtflugmöglichkeiten rechtfertigen soll. Je dringlicher ein bestimmter Nachtflugbedarf tatsächlich ist, desto bedeutsamer ist sein Gewicht im Rahmen der Abwägung (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – a.a.O. S. 368). Umgekehrt gilt: Die Zulassung eines erhöhten Nachtflugbetriebs kann sich gegenüber Lärmbetroffenen als unverhältnismäßig erweisen, wenn die Genehmigungsbehörde den Nachtflugbedarf zu hoch angesetzt und überbewertet hat. Auch unter diesem Gesichtspunkt können Lärmbetroffene die gerichtliche Überprüfung einer erweiterten Nachtflugregelung beanspruchen. Das vorliegende Revisionsverfahren gibt Gelegenheit, die rechtlichen Voraussetzungen zu konkretisieren, die einen solchen Gewichtungsfehler zu Lasten der Flughafenanwohner begründen können.
2. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ist mit Bundesrecht nicht vereinbar, weil es bei der Überprüfung des vom Beklagten angeführten gesteigerten Nachtflugbedarfs hinter den Anforderungen des fachplanungsrechtlichen Abwägungsgebots zurückbleibt. Die Vorinstanz zieht das Ausmaß, in dem die Nachtflugmöglichkeiten erweitert werden, unter dem Gesichtspunkt der Dringlichkeit zwar ernsthaft in Zweifel, lässt aber im Ergebnis offen, ob die Änderungsgenehmigung aus diesem Grund an einem durchgreifenden Abwägungsfehler leidet. Dabei verkennt der Verwaltungsgerichtshof die rechtlichen Schranken, die das fachplanerische Abwägungsgebot einer Nachtflugregelung zieht. Von seinem unzutreffenden materiellrechtlichen Prüfungsansatz aus unterlässt er es, den vom Beklagten angenommenen Verkehrsbedarf in der gebotenen Weise zu überprüfen.
2.1 Der Verwaltungsgerichtshof befasst sich mit der vom Beklagten angeführten Steigerung des Nachtflugbedarfs zunächst aus der Sicht des allgemeinen Fachplanungsrechts und sodann – in einem weiteren Abschnitt – aus dem Blickwinkel der Raumordnung. Im ersten Teil seiner Ausführungen stellt er fest, dass die tatsächlichen Nachtflugbewegungen im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch weit von der rechtlich möglichen Bewegungszahl entfernt seien. Durch das nunmehr eröffnete (Nachtflug-)Angebot werde eine möglicherweise noch nicht vorhandene Nachfrage erst stimuliert. Aus allgemeiner fachplanerischer Sicht sei eine solche „Angebotsplanung” zulässig, wenn sie sich auf besondere Gründe stützen könne. Angesichts der vom Beklagten prognostizierten jährlichen Steigerung der Flugbewegungen bis zum Jahr 2010 könne dem Beklagten jedenfalls nicht vorgeworfen werden, er habe die erweiterten Nachtflugmöglichkeiten „gänzlich am Bedarf vorbei verfügt”.
Erhebliche rechtliche Bedenken gegen die „Angebotsplanung” des Beklagten formuliert der Verwaltungsgerichtshof aus der Sicht der Raumordnung. Beurteilungsmaßstab sind die landes- und regionalplanerischen Festsetzungen zum Flughafen München. Im Landesentwicklungsprogramm Bayern vom 25. Januar 1994 (GVBl S. 25) heißt es unter B X 5.1: „Der Verkehrsflughafen München … soll die interkontinentale Luftverkehrsanbindung ganz Bayerns und die nationale und kontinentale Luftverkehrsanbindung Südbayerns langfristig sicherstellen”. Ferner wird bestimmt, dass die Belastung der Bevölkerung durch zivilen und militärischen Fluglärm zu senken ist (B XIII 3.2). Der Regionalplan für die Region 14 (München) i.d.F. vom 15. Februar 1987 legt fest: „Auf eine nachhaltige Verringerung der Lärmbelastung durch Flugbetrieb soll hingewirkt werden. Die Lärmbelastungen durch den neuen Verkehrsflughafen München sollen nachts so gering wie möglich gehalten werden” (B XII 2.5.4 – ebenso die Planfassung vom 1. August 2002 unter B II 6.4). Der Verwaltungsgerichtshof sieht hierin Grundsätze der Raumordnung im Sinne von § 2 Abs. 2 ROG a.F. (vgl. nunmehr § 3 Nr. 3 ROG 1998) und entnimmt ihnen „ein Lärmminderungsgebot oder zumindest ein Lärmerhöhungsverbot”, das dem Fachplanungsrecht so nicht bekannt sei und durch die angefochtene Genehmigung verletzt werde. Das für die Nachtflugregelung von 1991 prognostizierte Lärmvolumen werde nach der Neuregelung um fast das Doppelte übertroffen. Hieraus folgert er:
Der Beklagte habe die Lärmschutzvorgaben des Regionalplans in seiner Abwägung allenfalls mit Rücksicht auf das im Landesentwicklungsprogramm abgesicherte Luftverkehrsinteresse Bayerns zurückdrängen dürfen. Die Genehmigungsbehörde habe jedoch die Frage außer Acht gelassen, ob nicht eine maßvollere Erhöhung der Nachtflugbewegungen vorzuziehen gewesen wäre. Ein echter Konflikt zwischen den beteiligten Belangen, der eine so weitgehende Öffnung erzwungen und auch nur nahe gelegt hätte, sei derzeit kaum erkennbar. Eine spätere Anpassung der Nachtflugregelung an einen etwa gestiegenen Bedarf sei technisch unschwer möglich. Sie hätte gewährleistet, dass eine Abwägung dann stattfinde, wenn ein Konflikt der Belange absehbar sei und nicht nur abstrakt vermutet werde. Es dränge sich daher der Eindruck auf, dass der Beklagte den Ausgleich zwischen Verkehrsbedarf und Lärmschutz in einer Weise vorgenommen habe, die zur objektiven Gewichtigkeit der Lärmschutzbelange außer Verhältnis stehe. Einer abschließenden Entscheidung hierzu bedürfe es indessen nicht, weil die Lärmschutzvorgaben des Regionalplans einen öffentlichen Belang darstellten, dessen Berücksichtigung im Rahmen der luftverkehrsrechtlichen Abwägung die Kläger nicht beanspruchen könnten. Der Regionalplan entfalte insoweit keine Schutzwirkung zu Gunsten Privater.
Die bundesrechtlichen Bedenken, denen diese Erwägungen ausgesetzt sind, betreffen nicht die Auslegung der regionalplanerischen Vorgaben. Sie gehören dem nicht revisiblen Landesrecht an. An ihre Auslegung durch die Vorinstanz ist das Revisionsgericht gebunden (§ 173 VwGO, § 560 ZPO). Hier ist auch nicht zu entscheiden, ob Lärmschutzvorgaben eines Regionalplans für die Umgebung eines bestimmten Flughafens unter der Geltung von § 7 Abs. 7 Satz 2 ROG 1998, der ausdrücklich auch private Belange in die raumordnerische Abwägung einbezieht, in ihrer rechtlichen Tragweite stets angemessen erfasst werden, wenn sie ausschließlich als Ausdruck öffentlicher Raumordnungsbelange ohne individualrechtliche Schutzwirkung gewertet werden. Zu beanstanden ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den erheblichen Bedenken an der Ausgewogenheit der neuen Nachtflugregelung, die er aus raumordnungsrechtlicher Sicht äußert, im Rahmen seiner vorangestellten „allgemeinen” fachplanungsrechtlichen Abwägungskontrolle nicht auf den Grund gegangen ist.
2.2 Der Verwaltungsgerichtshof sieht in der angegriffenen Nachtflugregelung eine „Angebotsplanung”, die aus fachplanungsrechtlicher Sicht zulässig ist. Unter „Angebotsplanung” versteht er die Planung eines Vorhabens, das eine noch nicht vorhandene Nachfrage erst „stimulieren” soll. Diesem Ausgangspunkt ist zuzustimmen. Eine Nachtflugregelung, die ein solches „Angebot” enthält, kann unter noch näher zu bestimmenden Voraussetzungen zulässig sein. Die Auffassung der Revision, im luftverkehrsrechtlichen Fachplanungsrecht sei eine so verstandene „Angebotsplanung” unzulässig, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu.
Der Begriff der „Angebotsplanung” ist im vorliegenden Zusammenhang allerdings missverständlich und irreführend. Der Begriff dient allgemein dazu, Unterschiede zwischen der Bebauungsplanung (Bauleitplanung) und der Planfeststellung im Fachplanungsrecht (Infrastrukturvorhaben) zu kennzeichnen. Ein Bebauungsplan stellt eine Angebotsplanung dar, weil er durch die Grundeigentümer nicht ausgenutzt werden muss und noch nicht über die Zulässigkeit eines konkreten Bauvorhabens entscheidet. Fachplanung ist Projektplanung, mit der über die Zulässigkeit eines konkreten Vorhabens entschieden wird. Das stellen der Verwaltungsgerichtshof und die Beteiligten auch nicht in Frage. Soweit sie die angegriffene Nachtflugregelung mit dem Begriff der „Angebotsplanung” verbinden, werfen sie die Frage nach den fachplanungsrechtlichen Grenzen nachfrageorientierter Betriebsregelungen unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eines Wettbewerbssystems auf.
Verkehrsflughäfen sind zwar Bestandteil der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur. Sie werden ungeachtet ihrer privatrechtlichen Organisationsform im öffentlichen Interesse betrieben. Legt die luftverkehrsrechtliche Genehmigung die Eigenschaft als „Verkehrsflughafen” fest, soll dieser Flughafen „dem allgemeinen Verkehr dienen” (vgl. § 6 Abs. 3 LuftVG). Mit dieser Zweckbestimmung erfüllen Verkehrsflughäfen ebenso wie öffentliche Straßen öffentliche Zwecke (BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 u.a. – a.a.O. S. 119). Anders als im Falle öffentlicher Straßen manifestiert sich der Verkehrsbedarf im Luftverkehr jedoch in der Nachfrage nach gewerblichen Verkehrsleistungen, die im Allgemeinen von den Luftverkehrsgesellschaften an die Verkehrsflughäfen herangetragen wird. Der Umfang der Nachfrage bestimmt die Anforderungen an die Kapazitäten und das Betriebsregime eines Verkehrsflughafens.
Nachtflugbedarf kann sich nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Vorausschau künftiger Entwicklungen. Insoweit fließen Einschätzungen und Prognosen in die Planung ein. Nachtflugregelungen für einen Verkehrsflughafen dürfen zukunftsorientiert sein und es dem Flughafenbetreiber im Vorgriff auf künftige Entwicklungen ermöglichen, einer Bedarfslage gerecht zu werden, die zwar noch nicht eingetreten ist, aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit erwartet werden kann. Dabei ist zu bedenken, dass Verkehrsflughäfen von privatrechtlich organisierten Unternehmen betrieben werden, die als Anbieter von Flughafenleistungen in einem bundes- und europaweiten, teilweise auch globalen Wettbewerb stehen, in dem es nicht zuletzt um die Sicherung und Förderung von Wirtschaftsstandorten geht. Die Situation ist ferner dadurch gekennzeichnet, dass eine rechtsverbindliche Flughafennetz- und Bedarfsplanung, die auftretende Kapazitäts- und Verteilungsprobleme auf der Grundlage einer luftverkehrspolitischen Gesamtkonzeption löst und einen „Verteilungskampf” der Flughafenbetreiber in geordnete Bahnen lenkt, weder auf europäischer noch nationaler Ebene existiert (vgl. allerdings das Flughafenkonzept der Bundesregierung vom 30. August 2000). Unter diesen Rahmenbedingungen kann es einem Flughafenbetreiber nicht von vornherein verwehrt sein, bestehende Nachtflugmöglichkeiten zu erweitern, um sich für einen prognostizierten allgemeinen Anstieg der Nachfrage im Personen- und Frachtflugverkehr „zu rüsten”. Eine Genehmigungsbehörde verhält sich systemkonform, wenn sie über Nachtflugregelungen Einfluss auf die Angebots- und Nachfragestruktur im Luftverkehr nimmt und das Verkehrsangebot auf diese Weise voraussehbaren Entwicklungen anpasst.
2.3 Das Gewicht, das der Nachfrage nach neuen Nachtflugmöglichkeiten in der behördlichen Abwägung zukommt, ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Abwägungsrelevant sind insbesondere die betrieblichen und wirtschaftlichen Erfordernisse des Nachtflugverkehrs (Kontinental- und Interkontinentalverkehr, Personen- oder Frachtflugverkehr, Chartertourismus), die sich aus der jeweiligen Verkehrsfunktion des Flughafens und seiner Stellung im Luftverkehrsnetz (Regionalflughafen, internationaler Flughafen mit Zubringer- oder Drehkreuzfunktion) ergeben. Von Gewicht kann ferner sein, ob ein von der Genehmigungsbehörde angeführter zusätzlicher Nachtflugbedarf von anderen Flughäfen nachfragegerecht gedeckt werden könnte und ob die neuen Nachtflugbewegungen „ohne Not” auf die Nacht verteilt worden sind, obwohl für sie noch Raum in den späten oder frühen Tagesstunden gewesen wäre.
Zu diesen Bewertungskriterien tritt der Umstand hinzu, dass die Dringlichkeit eines erweiterten „Nachtflugangebots” in dem Maße abnimmt, in dem die Bedarfsprognose weiter in die Zukunft greift und es zunehmend unsicherer wird, ob und wann das zulässige Lärmvolumen erreicht wird. Vorkehrungen zur Deckung eines ungesicherten Bedarfs sind nicht dringlich. Eine Nachtflugregelung, die im Vorgriff auf einen noch nicht absehbaren Bedarf erlassen wird, ist vorzeitig und kann als reine „Vorratsplanung” abwägungsfehlerhaft sein. Ein solcher Abwägungsfehler ist nicht davon abhängig, dass ein Raumordnungsplan Lärmschutzvorgaben für die Flughafenumgebung enthält. Der Gesichtspunkt der Vorzeitigkeit einer planerischen Entscheidung verlangt schon nach allgemeinen fachplanungsrechtlichen Grundsätzen Beachtung. Die Lockerung von Nachtflugverboten kann das Abwägungsgebot verletzen, weil der Nachtflugbedarf noch nicht konkret absehbar ist und der möglicherweise in Zukunft einmal entstehende Lärmkonflikt im Wege der Abwägung gegenwärtig nicht so bewältigt werden kann, wie dies möglich wäre und geboten sein könnte, wenn die Abwägungsentscheidung erst zu gegebener Zeit auf der Grundlage der dann maßgebenden abwägungserheblichen Gesichtspunkte getroffen würde (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998 – BVerwG 11 A 1.97 – a.a.O. S. 325 mit Hinweis auf das Urteil vom 5. Juli 1974 – BVerwG 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 ≪321≫).
Dies rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass die Lärmschutzbelange der Flughafenanwohner im Falle einer vorzeitigen Planungsentscheidung aus Rechtsschutzgründen ein besonderes Gewicht erlangen. Solange die erweiterten Nachtflugmöglichkeiten nicht voll ausgeschöpft werden, bleibt ihre tatsächliche Beeinträchtigung zwar hinter der Lärmbelastung im genehmigten Endzustand zurück. Das kann dem Anspruch der Betroffenen auf eine gerichtliche Überprüfung des Nachtflugbedarfs im Rahmen der Abwägungskontrolle jedoch nicht entgegengehalten werden. Die Betroffenen setzen sich mit ihrer Klage nicht gegen das derzeitige Bewegungsaufkommen, sondern gegen die Öffnung des Nachtflugverkehrs im genehmigten Umfang zur Wehr. Diesen Angriff müssen sie bei Erlass der Änderungsgenehmigung führen, um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern. Ihre Rechtsstellung verschlechtert sich, wenn sie bis zu dem Zeitpunkt abwarten, in dem sich die Verkehrsprognose der Genehmigungsbehörde – sei es im Prognosejahr oder bereits vorher – erfüllt und die volle Lärmbelastung eingetreten ist.
Das Lärmschutzkonzept bestandskräftiger Nachtflugregelungen, die in Form einer allgemeinen Auflage (§ 6 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 4 Satz 1 LuftVG) ergangen sind, kann später nur in beschränktem Umfang mit der Begründung angegriffen werden, es habe sich etwa aufgrund gewandelter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, veränderter Fluglärmpegel (z.B. Anstieg der Bewegungszahlen bei Rückgang besonders lauter Schallereignisse) oder infolge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung als unzureichend erwiesen. Widerrufsgründe sind nur Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet wird (§ 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 LuftVG). Darunter fällt nur der Fluglärm, der unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsgefahr grundrechtsrelevant ist (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Diese Widerrufsschwelle ist hoch und wird häufig nicht erreicht. Zum Schutz vor einem erheblichen Anstieg des nächtlichen Fluglärms kommen zwar auch Ansprüche auf eine nachträgliche Genehmigungsergänzung entsprechend § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG in Betracht (BVerwG, Urteil vom 15. September 1999 – BVerwG 11 A 22.98 – Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 17 S. 4). Einen Rechtsanspruch auf aktive Schutzmaßnahmen in Form von Flugbetriebsregelungen (Bewegungs- oder Lärmkontingente) können Lärmbetroffene daraus aber nicht ableiten. Es liegt im planerischen Ermessen der Genehmigungsbehörde, ob sie zusätzliche nächtliche Betriebsbeschränkungen (§ 6 Abs. 1 Satz 4 LuftVG) verfügt oder ob sie den Flughafenbetreiber zur Ausdehnung des passiven Lärmschutzes verpflichtet und die Lärmbetroffenen ergänzend auf einen Entschädigungsanspruch verweist, um einen den Flughafenbetrieb stärker belastenden Eingriff aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu vermeiden.
2.4 Der Verwaltungsgerichtshof hat den vom Beklagten bis zum Jahr 2010 prognostizierten Nachtflugbedarf nicht in der gebotenen Weise überprüft. Er lässt letztlich offen, ob eine maßvollere Erhöhung der Nachtflugbewegungen zum Schutz der Kläger vor den Rechtsnachteilen einer vorzeitigen Planung vorzugswürdig und die neue Nachtflugregelung abwägungsfehlerhaft ist, weil ein „echter Konflikt” zwischen den beteiligten Belangen, der eine so weitgehende Öffnung erzwungen oder auch nur nahe gelegt hätte, noch kaum erkennbar ist. Dem Revisionsgericht ist eine Entscheidung in der Sache verwehrt. Sie setzt eine erneute Sachverhaltswürdigung voraus, die dem Tatrichter vorbehalten ist. Das nötigt zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Für die Überprüfung eines prognostizierten nachfrageorientierten Nachtflugbedarfs gilt wie allgemein für die Kontrolle von Verkehrsprognosen im Fachplanungsrecht: Das Gericht hat (nur) zu prüfen, ob die Prognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und ob das Ergebnis einleuchtend begründet ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2001 – BverwG 11 C 14.00 – a.a.O. S. 378; vom 27. Oktober 1998 – BVerwG 11 A 1.97 – a.a.O. S. 326; vom 5. Dezember 1986 – BVerwG 4 C 13.85 – BVerwGE 75, 214 ≪234≫; vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 u.a. – a.a.O. S. 121). Ob die Nachfrage nach Nachtflugmöglichkeiten einem berechtigten Anliegen der Flugreisenden entspringt, liegt jenseits richterlicher Kontrolle. Eine Bedürfnisprüfung in diesem Sinne, wie sie der Revision hinsichtlich nächtlicher „Touristikflüge bzw. Pauschalreiseflüge” vorschwebt, findet nicht statt.
Der Beklagte stützt seine Bedarfsprognose vor allem auf die Entwicklung des Flughafens München zum nationalen und internationalen Drehkreuz. Er legt in der Änderungsgenehmigung ausführlich dar, aus welchen Gründen er sich im Wesentlichen die Verkehrsprognosen der Beigeladenen und des von ihr vorgelegten Gutachtens der A. R. C. GmbH vom Juni 1999 betreffend die strukturellen Anforderungen an einen „Hub München” in den Randstunden der Nacht zu Eigen gemacht hat. Die Zahl von 89 Flugbewegungen führt er u.a. auf potentielle Nachfragen der Luftverkehrsgesellschaften nach mehr Start- und Landemöglichkeiten in diesen Stunden zurück. Er verweist dazu auf die weltweit gestiegene Verkehrsnachfrage und die günstigen flugbetrieblichen und abfertigungstechnischen Rahmenbedingungen, die den Flughafen München kennzeichneten. Er stützt sich ferner auf Äußerungen des Flugplankoordinators sowie auf eine vergleichende Analyse vorhandener Flugpläne anderer internationaler Verkehrsflughäfen. Auf dieser Grundlage wird der künftige Nachtflugbedarf nach Verkehrssegmenten (Interkontinental- und Kontinentalverkehr, Chartertourismus, Frachtverkehr, Nachtluftpost und Verspätungsflüge) aufgeschlüsselt und dem Lärmschutzkonzept rechnerisch zugrunde gelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof stellt hierzu zwar fest, dass das bisherige Bewegungskontingent von 38 zulässigen Nachtflügen angesichts der tatsächlichen Entwicklung des Luftverkehrsaufkommens am Flughafen München seit seiner Inbetriebnahme im Jahre 1992 schon bisher nicht ausreichend gewesen sei und angesichts des bis zum Jahre 2010 prognostizierten Wachstums von jährlich 5 % auch in Zukunft nicht ausreichend sein werde. Nach den Angaben der Beigeladenen in ihrem Änderungsantrag sei schon 1998 in 40 % der Nächte das Kontingent von 38 Nachtflügen erreicht bzw. überschritten worden. Hieraus wird deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Erhöhung der Nachtflugmöglichkeiten für gerechtfertigt hält. Im Folgenden lässt er es jedoch mit der Feststellung bewenden, die erweiterten Nachtflugmöglichkeiten seien nicht „gänzlich am Bedarf vorbei verfügt”. Aus den für Deutschland bis zum Jahr 2010 errechneten jährlich Steigerungsraten des Personenverkehrs (3,7 %) und der Flugbewegungen (3,4 %) sei die Annahme des Beklagten, diese Steigerung werden auch zu zusätzlichem Nachtflugbedarf auf dem Flughafen München führen, nachvollziehbar. Bei dieser Einschätzung bleibt die vom Verwaltungsgerichtshof selbst aufgeworfene und auch nach Ansicht des erkennenden Senats entscheidungserhebliche Frage offen, ob die prognostizierte Durchschnittszahl von 89 Flugbewegungen tatsächlich – wie die Vorinstanz meint – „in hohem Maße Angebotsplanung” darstellt und zu Lasten der lärmbetroffenen Kläger der Verkehrsentwicklung zu weit vorausgreift.
Die vom Verwaltungsgerichtshof nach eigenen Ermittlungen getroffene Feststellung, die tatsächlichen nächtlichen Flugbewegungen seien im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch weit von der rechtlich zulässigen Bewegungszahl entfernt, rechtfertigt nicht den Schluss, der Beklagte habe sich auf ungesicherte oder unrealistische Prognosezahlen verlassen. Es ist im Übrigen grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte eine Prognose darauf zu überprüfen, ob sie durch die spätere tatsächliche Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist (BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 u.a. – a.a.O. S. 121 f.). Ein Überschreiten des planerischen Gestaltungsspielraums liegt auch nicht darin, dass die Behörde die Entwicklung des Luftverkehrsaufkommens anders beurteilt als das Gericht (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 – BVerwG 4 C 13.85 – a.a.O. S. 234). Im Einzelfall kann das Auseinanderklaffen zwischen Prognose und nachträglicher Entwicklung zwar als Indiz für eine unsachgemäße Prognose in Betracht zu ziehen seien. Eine abschließende Entscheidung über die Vorzeitigkeit einer neuen Nachtflugregelung wird sich darauf in der Regel jedoch nicht stützen lassen. Das gilt umso mehr, als die Vorinstanz ihr Urteil bereits etwa 20 Monate nach Erlass der Neuregelung gefällt hat.
Zur Klarstellung sei angemerkt: Der Verwaltungsgerichtshof entnimmt dem Urteil des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2001 – BVerwG 11 C 14.00 – (BVerwGE 114, 364 ≪374≫ – Flughafen Bitburg) die Aussage, dass sich die „Widmung eines Verkehrsflughafens auch auf die Nacht erstreckt und deshalb die einzelnen Nachtflüge nicht einer besonderen Prüfung auf ihre Rechtfertigung unterzogen werden dürfen” (Urteilsabschrift S. 23). Sollte dies der Grund für die Zurückhaltung bei der Überprüfung des vom Beklagten angeführten Nachtflugbedarfs gewesen sein, wäre die Vorinstanz einem Missverständnis erlegen. Der 9. Senat ist der Ansicht, dass es einer gesonderten Planrechtfertigung für den Nachtflugbetrieb ebenso wenig bedürfe wie einer „Rechtfertigung des Tagflugbetriebes” (a.a.O. S. 374). Ein Vorhaben sei unter dem Aspekt der Planrechtfertigung nicht in einzelne Teilaspekte aufzufächern, die jeweils eine eigenständige Rechtsgrundlage erforderten. Diese Ausführungen dürfen nicht aus ihrem argumentativen Zusammenhang herausgelöst werden; sie sind auf die Entscheidungsgründe des oberverwaltungsgerichtlichen Urteils zugeschnitten, das Gegenstand jenes Revisionsverfahrens war. Die Ausführungen im Urteil zum Flughafen Bitburg sind nicht dahin zu verstehen, dass ein von der Behörde prognostizierter Nachtflugbedarf im Rahmen der Abwägungskontrolle keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Auch der 9. Senat trennt deutlich zwischen der Überprüfung der Planrechtfertigung und der Abwägungskontrolle, die eine gerichtliche Überprüfung der behördlichen Verkehrsprognosen einschließt (a.a.O. S. 375, 378 unter cc).
3. Soweit die Revision rügt, das angegriffene Urteil verletze Bundesrecht, weil der Verwaltungsgerichtshof verkannt habe, dass die Lärmschutzkriterien der neuen Nachtflugregelung keinen ausreichenden Lärmschutz der Kläger gewährleisteten, muss sie erfolglos bleiben.
3.1 Der Einwand der Kläger, die Änderungsgenehmigung sei abwägungsfehlerhaft, weil sie kein zahlenförmiges, numerisch-präzises Bewegungskontingent für nächtliche Starts und Landungen enthalte, greift nicht durch. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Vorwurf zu Recht zurückgewiesen. Er weist darauf hin, dass zahlenförmige Bewegungskontingente kein Selbstzweck seien, sondern wegen ihrer betrieblichen Auswirkungen zum Schutz der Lärmbetroffenen gerechtfertigt sein müssten: Sie seien zwar grundsätzlich zulässig, mit Blick auf die Funktion des Flughafens als öffentliche Verkehrsanlage aber nicht „zwingend” geboten, wenn der Schutz der Betroffenen auf andere Weise sichergestellt werde.
Dem ist beizupflichten. Kann dem Lärmschutz ohne zahlenmäßige Nachtflugbeschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden, wäre die Aufhebung einer Nachtflugregelung wegen Fehlens eines Zahlenkontingents ein Eingriff in die planerische Gestaltungsfreiheit der Genehmigungsbehörde. Entgegen der Revision kann dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 1998 – BVerwG 11 A 1.97 – (BVerwGE 107, 313 ≪325≫) nicht entnommen werden, dass ein effektiver Lärmschutz „eine wirksame Beschränkung der Anzahl der Flugbewegungen und ihrer Häufigkeit in einem bestimmten Zeitraum” voraussetzt.
Der Verwaltungsgerichtshof kommt nach eingehender Analyse zu dem Ergebnis, dass das System und die Struktur der vom Beklagten gewählten Schutzkriterien in lärmphysikalischer Hinsicht stimmig und sachgerecht seien. Er stellt heraus, dass das Lärmvolumen (bestehend aus der Summe aller nach Lärmauswirkungen gewichteten Start- und Landungszahlen in der Durchschnittsnacht eines Kalenderjahres) und das Dauerschallkriterium (50 dB(A) an den Schnittpunkten der Flugkorridore mit den Grenzen des Nachtschutzgebietes) betriebsbeschränkend wirkten und deshalb als Instrument des aktiven Lärmschutzes aufzufassen seien. Der Einwand der Kläger, das vom Beklagten verfügte ortsunabhängige Lärmkontingent gewährleiste keinen Lärmschutz, trifft nicht zu. Der Beklagte hat die aus seiner Sicht bestehenden Vorteile eines Lärmkontingents gegenüber einem numerisch-präzisen „starren”) Zahlenkontingent in der Änderungsgenehmigung verdeutlicht und im Revisionsverfahren noch einmal hervorgehoben: Eine zahlenmäßige Obergrenze könne die Zunahme von Fluglärm nicht verhindern. Der Lärm könne sich durch den Einsatz lauterer Flugzeuge bei gleicher Zahl jederzeit erhöhen. Ein maximales Lärmkontingent wirke hingegen nicht nur lärmbegrenzend, sondern auch lärmmindernd, indem es einen Anreiz biete, innerhalb des festgelegten Lärmvolumens besonders laute Flugzeuge gegen eine höhere Anzahl wesentlich leiserer Flugzeuge auszutauschen. Eine solche Kompensation „Pegelminderung gegen Zahlerhöhung” wird nach Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, der insoweit dem in der mündlichen Verhandlung angehörten lärmpsychologischen Sachverständigen folgt, dem Belästigungsempfinden der Betroffenen gerecht und kann durch ein Dauerschallkriterium, das einer starken Zunahme der nächtlichen Flugbewegungen entgegenwirkt, sinnvoll abgesichert werden.
Im Übrigen sind lärmbetroffene Flughafenanwohner einer Erhöhung des Lärmkontingents nicht rechtsschutzlos ausgesetzt. Ein rechtsverbindlich festgelegtes Lärmvolumen besitzt für die Dauer seiner Geltung lärmbegrenzende und lärmmindernde Wirkung. Gegen eine Änderung des Lärmvolumens, die sich für die Betroffenen lärmerhöhend auswirken würde, könnten diese sich mit rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen. Die Problematik eines Lärmkontingents liegt nicht in seiner grundsätzlichen Eignung als Element des aktiven Lärmschutzes oder in seiner Ausrichtung am Verkehrsbedarf, sondern in der eingesetzten Summe der Flugbewegungen, die naturgemäß auf einer Bedarfsprognose beruht und prognostisch abgesichert sein muss. Das ist im Übrigen bei einem zahlenmäßigen Bewegungskontingent nicht anders.
3.2 Die Einwände der Revision gegen die vorinstanzliche Überprüfung des vom Beklagten festgesetzten Dauerschallkriteriums verhelfen der Revision ebenfalls nicht zum Erfolg.
Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführt, besteht der energieäquivalente Dauerschallpegel L(eq)= 50 dB(A) aus drei Komponenten: Dem durchschnittlichen Einzelereignispegel, der logarithmierten Bewegungszahl und der logarithmierten relativen Einwirkungsdauer bezogen auf die Nachtzeit von acht Stunden (22.00 bis 06.00 Uhr) in der Durchschnittsnacht eines Kalenderjahres. Das Dauerschallkriterium ist nach Ansicht der Vorinstanz eng mit dem Zweck der umstrittenen Neuregelung verknüpft, angesichts der unerwartet stark gesunkenen Lärmpegel der Flugzeuge die zulässigen Flugbewegungszahlen deutlich zu erhöhen. Der Beklagte sieht auch im Dauerschallkriterium einen langfristig wirkenden Anreiz zum Einsatz leiseren Fluggeräts.
3.2.1 Die Revision hält den Bezugszeitraum der 8-Stunden-Nacht für nicht sachgerecht, weil er kein adäquates Belastungsbild ergebe. Es bleibe unberücksichtigt, dass der Nachtflugverkehr (89 Flugbewegungen in der Durchschnittsnacht) hauptsächlich in der Zeit von 22.00 bis 23.30 Uhr und zwischen 05.00 und 06.00 Uhr abgewickelt werden solle, während auf die Kernzeit (24.00 bis 05.00 Uhr) nur wenige Flüge (Nachtpost, Vermessungsflüge, Ausnahme- und Katastrophenfälle) entfielen. Die Konzentration der Lärmbelastungen in den Nacht-Rand-Stunden werde nicht zutreffend erfasst, wenn der Fluglärm dieser Stunden durch Einbeziehung der verkehrsarmen fünfstündigen Kernzeit „weggemittelt” werde.
Der Verwaltungsgerichtshof ist diesem Einwand nachgegangen. Er räumt ein, dass der Bezugszeitraum für die einzelne Nacht nicht ohne weiteres als 8-stündiger Zeitraum angesetzt werden könne, weil die Kernstunden weitgehend verkehrsfrei blieben und die zugelassenen Nachtflüge sich deshalb zwangsläufig am Anfang und am Ende der Nacht „zusammendrängen”. Er hält dies aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen der Gesamtkonzeption aller Lärmschutzmaßnahmen des Beklagten für hinnehmbar. Dabei stützt er sich auf die Aussagen der Lärmsachverständigen in der mündlichen Verhandlung und zieht den Zwischenbericht (Dezember 2001) zu einer Untersuchung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) heran. Danach seien gerade die ersten Stunden der Nacht hinsichtlich der Weckreaktionen weniger störanfällig als die späteren Stunden. Außerdem gewährleiste das Pegelhäufigkeitskriterium, das einen Anspruch auf passiven Schallschutz bei mehr als sechs Maximalpegel über 55 dB(A) innen in der 8-Stunden-Nacht begründe, im Zusammenwirken mit der weitgehenden Freihaltung der Kernstunden der Nacht einen insgesamt ausgewogenen Lärmschutz. Lärmbeschwerden Betroffener zielten meistens auf die Sommermonate und den Aufenthalt im Freien und damit auf einen Gesichtspunkt, der in der Abwägung zwar zu berücksichtigen sei, ihr aber keine absolute Grenze setze. Diese Einschätzung beruht auf tatsächlichen Feststellungen und deren tatrichterlichen Würdigung, an die das Revisionsgericht gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO).
3.2.2 Die Revision rügt ferner, dass das verfügte Dauerschallkriterium auf den Durchschnitt aller Nächte eines Kalenderjahres abstellt: Unterschiedliche Belegungen einzelner Flugrouten und die Saisonabhängigkeit des Flugbetriebes führten über längere Zeiträume zu starken Schwankungen des Flugbetriebes. In den Ferienzeiten, insbesondere während der Sommermonate, in denen auch der Außenwohnbereich genutzt werde, sei die Nachfrage nach Flügen wesentlich größer als in der übrigen Jahreszeit. Als Bezugszeitraum angemessen seien die sechs verkehrsreichsten Monate des Jahres.
Der Verwaltungsgerichtshof hält den Bezugszeitraum des Kalenderjahres zwar für problematisch, im Ergebnis aber für unbedenklich: Die Neuregelung gehe zwar über den im Fluglärmschutz weitgehend üblichen Bezugszeitraum der sechs verkehrsreichsten Monate des Jahres hinaus. Das falle hier zu Ungunsten der Kläger jedoch nur geringfügig mit 0,4 dB(A) ins Gewicht. Das Dauerschallkriterium berücksichtige zwar nicht, dass je nach der vorherrschenden Windrichtung oft über einen längeren Zeitraum hinweg nur in eine Richtung (Ost oder West) gestartet und gelandet werde. Isoliert betrachtet ermögliche das die „Verrechnung” unzumutbarer Belastungen mit ruhigeren Zeiträumen. Im Gesamtgefüge der Schutzkriterien sei das jedoch nicht fehlerhaft, weil das Pegelhäufigkeitskriterium die Kläger im Bezugszeitraum stärker schütze. Es setze die beiden Betriebsrichtungen im Verhältnis 100:100 an; Bezugszeitraum sei auch nicht die jahresdurchschnittliche Lärmbelastung von 89 Nachtflügen, sondern eine Belastung mit bis zu 140 Nachtflügen, die an der Grenze zum sog. seltenen Ereignis auftreten könne. Es sei nicht zu erwarten, dass sich an einem Einwirkungsort gleichsam am Pegelhäufigkeitskriterium vorbei, das gerade auf hohe Belastungen ziele, unzumutbare Belastungen entwickelten, die nach den beiden anderen Kriterien (Lärmvolumen, Dauerschallkriterium) in der langfristigen Verrechnung weggemittelt würden.
Mit der Einschätzung, dass sich die Abkehr von den sechs verkehrsreichsten Monaten des Jahres mit 0,4 dB(A) „nur geringfügig” auswirke, bewegt der Verwaltungsgerichtshof sich im Bereich tatrichterlicher Würdigung, die der Senat hinzunehmen hat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Es ist nachvollziehbar, dass die Wahl des Kalenderjahres als Bezugszeitraum jedenfalls dann keinen Missgriff darstellt, wenn sich die Flugbewegungen ohne signifikante Schwankungen relativ gleichmäßig auf alle Monate des Jahres verteilen. Aus bundesrechtlicher Sicht ist auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz den Schwächen des Dauerschallkriteriums „im Gesamtgefüge der Kriterien” zum Ausgleich die stärkere Schutzwirkung des Pegelhäufigkeitskriteriums (als Element des passiven Lärmschutzes) gegenüberstellt und aus den Pegelhäufigkeitsstatistiken folgert, dass die langfristige Verrechnung hoher Pegel in der Einzelnacht über die Dauer eines Kalenderjahres unwahrscheinlich sei. Auch dies ist das Ergebnis einer tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls.
3.3 Die Revision rügt, das angefochtene Urteil verletze das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Verwaltungsgerichtshof habe die überdurchschnittliche Lärmempfindlichkeit sog. vulnerabler Gruppen (Kinder, alte und kranke Menschen) außer Acht gelassen. Die Zumutbarkeitsschwelle beim Pegelhäufigkeits- und beim Dauerschallkriterium sei daher zu hoch angesetzt. Es könne nicht angehen, dass der Beklagte mit Kindern, Kranken und älteren Menschen einen Großteil der Bevölkerung bei der Bewertung der Zumutbarkeit von Fluglärm unberücksichtigt lasse.
Der Einwand ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt an, dass gruppenspezifische Abweichungen in der Lärmempfindlichkeit zu berücksichtigen sind, sieht die vom Beklagten angesetzten Werte (6 × 70 dB(A), 50 dB(A) – Dauerschallpegel) jedoch lärmmedizinisch und lärmpsychologisch als gut abgesichert an. Er stützt sich dabei vor allem auf die Erfahrungswerte des Lärmsachverständigen Dr. K. (Gutachten März 2001) sowie darauf, dass der Beklagte das Pegelhäufigkeitskriterium mit einem vom Gutachter so nicht vorgesehenen Sicherheitsabschlag festgelegt habe. Möglich sind zwar Festsetzungen des passiven nächtlichen Lärmschutzes für bestimmte schutzbedürftige Einrichtungen (Krankenhäuser, Seniorenheime, Schulen und Tagesstätten, Bildungseinrichtungen). Dazu trägt die Revision jedoch nichts vor. Bei einigen dieser Einrichtungen geht es allein um den Schutz vor Fluglärm in den Tagesstunden. Für Krankenhäuser und Seniorenheime kann ein erhöhter Schutz vor nächtlichem Fluglärm geboten sein. Die Revision macht aber nicht geltend, dass die klagenden Gemeinden in dieser Hinsicht Abwägungsfehler rügen. Tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz fehlen hierzu. Verfahrensrügen erhebt die Revision insoweit nicht.
3.4 Nach Ansicht der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof verkannt, dass die angefochtene Neuregelung inhaltlich zu unbestimmt sei und daher § 37 Abs. 1 VwVfG verletze. Die Lärmbelastungen könnten (wenn überhaupt) erst im Nachhinein nach Ablauf eines Kalenderjahres überprüft werden. Nur bei einer absoluten Bewegungsobergrenze sei für die Beigeladene und die zuständige Aufsichtsbehörde klar erkennbar, wann das Höchstmaß an zulässigem Flugverkehr in der Einzelnacht erreicht sei. Die Neuregelung entziehe sich einer effektiven behördlichen und gerichtlichen Kontrolle und erschwere den Rechtsschutz Lärmbetroffener unzumutbar.
Die Einwände überzeugen nicht. Das Bestimmtheitsgebot in § 37 Abs. 1 VwVfG bedeutet zum einen, dass der Adressat des Verwaltungsakts in der Lage sein muss, das von ihm Geforderte zu erkennen. Zum anderen muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – BVerwG 4 C 41.87 – BVerwGE 84, 335 ≪338≫).
Es trifft sicher zu, dass die neue Nachtflugregelung deutlich differenzierter und komplizierter ist als die bisherige Regelung mit ihrer zahlenförmigen Bewegungsobergrenze. Die Neuregelung ist aber nicht schon deshalb rechtswidrig, weil sei für „ein breites Publikum” nur schwer verständlich ist. Die Kompliziertheit der Regelung ist nach Ansicht der Vorinstanz Folge eines sinnvoll aufgebauten Schutzsystems. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat der Beklagte Interpretationserklärungen zur Verlegung von Messstellen und zu den Folgen einer Flugroutenverlegung für das Pegelhäufigkeitskriterium abgegeben, die Unklarheiten in der Neuregelung beseitigen (vgl. Verhandlungsniederschriften vom 11. bis 13. November 2002, S. 11 und 16). In den Urteilsgründen nimmt der Verwaltungsgerichtshof eine weitere rechtliche Ergänzung zur Bildung von Flugzeuggruppen bei der Errechnung des Lärmvolumens vor. Dieses Verfahren nachträglicher Klarstellungen zum Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheides ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Das Rechtsschutzinteresse der Kläger an einer wirksamen Vollzugskontrolle ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs auch im Übrigen gewahrt. Die Erfahrungen mit der bisherigen Regelung hätten ergeben, dass sich eine unmittelbare Kontrolle vor Ort, insbesondere des Pegelhäufigkeitskriteriums, jedenfalls in größerem Maßstab kaum durchführen lasse. Die Kontrolle müsse daher in den langfristigen Bereich verlagert werden und bei einer Überprüfung des Lärmvolumens und des Dauerschallkriteriums und auf der Seite des Flughafens bei der Gestaltung des Flugplans ansetzen. Wie sich aus dem Verfügenden Teil (II 1 und 2) der Neuregelung im Einzelnen ergibt, wird die Einhaltung des Lärmvolumens und des Dauerschallkriteriums auf der Basis der Betriebsdaten des abgelaufenen Kalenderjahres durch die zuständigen Luftfahrtbehörden und die Fluglärmkommission überwacht. Nach Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs werden die damit verbundenen zeitlichen Nachteile für die Kläger durch die „Vorwarn-Regelung” (II 1.2 des Verfügenden Teils) und die laufend veröffentlichten Immissionsberichte der Beigeladenen gemildert. Diese Erwägungen lassen Auslegungsfehler nicht erkennen. Eine eigene Würdigung der angegriffenen Neuregelung ist dem Revisionsgericht insoweit verwehrt.
4. Die Verfahrensrügen der Revision greifen nicht durch.
Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht dadurch verletzt, dass er die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge abgelehnt und davon abgesehen hat, nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO Sachverständigengutachten bzw. gutachterliche Stellungnahmen einzuholen.
4.1 Der erste Vorwurf der Kläger betrifft die Grundlagen des Pegelhäufigkeitskriteriums. Der Verwaltungsgerichtshof stütze sich allein auf das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten J./Sch. (September 1999). Danach gefährde nächtlicher Fluglärm die Gesundheit erst dann, wenn in einer Nacht mehr als sechs Flugereignisse über 60 dB(A) am Ohr des Schläfers stattfänden. Diesen Standpunkt hätten die Kläger substantiiert bestritten. Die Rüge geht ins Leere. Die Änderungsgenehmigung gewährt passiven Schallschutz bei einer mehr als sechsmaligen Überschreitung des Maximalpegels von 70 dB(A) außen. Das entspricht einem Innenpegel von 55 dB(A). Auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs liegt ein Innenpegel von 60 dB(A) „zu weit” im gesundheitsgefährdenden Bereich. Er führt aus, dass die Gutachter der Beigeladenen den Bedenken gegen das sog. „Jansen-Kriterium” (6 × 75 dB(A) außen) inzwischen durch die Hinzunahme des Dauerschallkriteriums sowie vor allem dadurch Rechnung trügen, dass der Aufwachgrenze 60 dB(A) ein Streubereich von +/- 7 dB(A) beigegeben werde, in dessen unterer Hälfte nunmehr der Pegel von 55 dB(A) als „Präventivwert” vorgeschlagen werde.
Die Revision macht ferner geltend, auch sechs zulässige Überschreitungen eines maximalen Innenpegels von 55 dB(A) außerhalb des Nachtschutzgebietes seien „gesundheitlich nicht mehr tolerabel”. Anzusetzen sei ein Maximalpegel von 45 dB(A) innen. Das ergebe sich aus einer Studie von O. und W. (Umweltbundesamt, Berlin 2000), die das angefochtene Urteil unzutreffend als Außenseitermeinung bezeichne. Dem Verwaltungsgerichtshof habe sich aufdrängen müssen, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen von unterhalb der Weckschwelle liegenden Fluglärmereignissen gutachterlich klären zu lassen. Das trifft nicht zu. Die Vorinstanz begründet ausführlich, dass die Werte, die der Beklagte in das Pegelhäufigkeitskriterium eingesetzt habe, angesichts des gegenwärtigen Standes der Lärmwirkungsforschung aus medizinischen und psychologischen Gründen nicht zu beanstanden seien. Das wissenschaftliche Meinungsspektrum rechtfertige im Wesentlichen die von den Klägern angezweifelte Größenordnung eines Schutzziels von 55 dB(A) innen. Vor dem Hintergrund dieser Analyse erweist sich die Aufklärungsrüge der Revision als Angriff gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung. Die Kläger stellen die sachliche Richtigkeit des angegriffenen Urteils in Frage, indem sie der tatrichterlichen Beweiswürdigung unter Rückgriff auf eine Literaturmeinung eine eigene abweichende Bewertung der Sachlage entgegensetzen. Mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann jedoch ein Verfahrensmangel grundsätzlich nicht dargelegt werden.
4.2 Die Revision sieht ferner einen Verfahrensmangel darin, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht aufgeklärt habe, wie sich die sechs in der Gesamtnacht außerhalb des Nachtschutzgebiets zugelassenen Fluglärmereignisse über 55 dB(A) innen auf die Gesundheit einzelner Kläger auswirkten. Die Maximalpegel träten gehäuft in den Nacht-Rand-Stunden auf.
Die Rüge zielt auf die Struktur des Pegelhäufigkeitskriteriums, das für den Anspruch auf passiven Schallschutz maßgebend ist. Der Verwaltungsgerichtshof bezeichnet die Struktur dieses Kriteriums nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand als unstreitig. Danach trete ein „Weckereignis” erst bei mehr als sechs Innenpegeln von 55 dB(A) in der 8-Stunden-Nacht ein. Die Vorinstanz berücksichtigt dabei, dass Innenpegel über 55 dB(A) infolge der weitgehend flugfreien Kernzeit überwiegend in die Randstunden der Nacht fallen, und stützt sich auf das vom Beklagten eingeholte Gutachten des Lärmpsychologen Dr. K. (März 2001), der in einer vergleichenden Untersuchung die Schlafgewohnheiten in der Umgebung von Flughäfen (München, Frankfurt, Düsseldorf, Köln/Bonn) und die fluglärmbedingten Aufwachreaktionen in der Gesamtnacht ermittelt hat. Sie wertet das Untersuchungsergebnis ebenso wie der Gutachter als repräsentatives Abbild der Belastungssituation und zieht es mehrfach zur Überprüfung des Pegelhäufigkeitskriteriums heran. Methodische und sonstige Bedenken gegen das Pegelhäufigkeitskriterium weist sie unter Hinweis auf das im Auftrag des Beklagten erstellte lärmphysikalische Gutachten des Dipl. Phys. T. J. M. (März 2001) und dessen Erklärungen in der mündlichen Verhandlung zurück. Die Revision legt nicht dar, dass das methodische Vorgehen der Gutachter deshalb fehlerhaft sein könnte, weil sie die zeitliche Abfolge der sechs Innenpegel über 55 dB(A), die nach der Neuregelung außerhalb des Nachtschutzgebiets zulässig sind, nicht im Einzelnen auf die acht Nachtstunden verteilt haben. Ein gerichtlicher Aufklärungsmangel ist somit nicht dargetan.
4.3 Die weiteren zum Dauerschall- und zum Pegelhäufigkeitskriterium erhobenen Verfahrensrügen bleiben ebenfalls erfolglos. Die Revision fordert, entgegen dem Gutachten J./Sch. 1999 sei aus Gründen des Gesundheitsschutzes ein Dauerschallpegel außen von 45 dB(A) einzuhalten. Außerdem bestünden erhebliche Zweifel an der These der Gutachter, dass Störungen durch Maximalpegel, die zu Aufweckreaktionen führten, durch eine spätere störungsfreie Schlafphase kompensiert werden könnten. Die Revision beruft sich auch hierzu auf eine Veröffentlichung von O./W. (Umweltbundesamt, Berlin 2000) sowie auf neuere Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung. Hier habe noch Aufklärungsbedarf bestanden. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder der Gebote richterlicher Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist damit nicht dargetan. Es unterliegt der tatrichterlichen Würdigung, ob sich neue Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt und allgemeine Anerkennung gefunden haben. Ein neuer Stand der Wissenschaft ist noch nicht erreicht, solange bisher anerkannte wissenschaftliche Aussagen kritisch hinterfragt und kontrovers diskutiert werden, ohne dass sich in der Forschung ein neuer Grundkonsens abzeichnet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2004 – BVerwG 4 B 82.03 – NVwZ 2004, 618 ≪619≫).
4.4 Die Revision sieht weiteren Aufklärungsbedarf in der Frage, ob ein gekippt geöffnetes Fenster ein bewertetes Schalldämmmaß R'w = 15 dB(A) erreicht.
Der Verwaltungsgerichtshof geht bei seiner Überprüfung des Pegelhäufigkeitskriteriums davon aus, dass ein (normales) „gekipptes Fenster” (kein Schallschutzfenster mit Lüftungseinrichtung) in Schlafräumen eine Lärmminderung von 15 dB(A) bewirkt. Er sieht darin einen „realitätsnahen Pauschalwert” und berücksichtigt, dass nicht nur das Fenster, sondern auch die übrigen Teile des Hauses (Fassade, Dach) sowie die Gestaltung des Rauminneren zur Lärmminderung beitragen. Er stützt die Differenz von 15 dB(A) vor allem auf „eine gerichtsbekannte Praxis” über den Flughafen München hinaus, auf die VDI-Richtlinie 2719 (August 1987, Nr. 10.2) und die Anlage zu § 3 des Entwurfes eines neuen Fluglärmgesetzes sowie auf die lärmpsychologischen Untersuchungen des Sachverständigen Dr. K. zum Belästigungsempfinden der Betroffenen im Münchner Flughafen-Umland. Auf dieser Grundlage hat er von einer weiteren Beweiserhebung abgesehen. Das ist nicht zu beanstanden. Das Bundesverwaltungsgericht ist bisher ebenfalls davon ausgegangen, dass ein „gekipptes Fenster” den Lärmpegel um 15 dB(A) mindert (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – BVerwGE 87, 332 ≪376≫ – Flughafen München II; Urteil vom 27. Oktober 1998 – BVerwG 11 A 1.97 – BVerwGE 107, 313 ≪326≫ – Flughafen Erfurt).
4.5 Die Revision rügt, der Sachverständige M. habe in seinem Gutachten (März 2001) Abflugprofile zu Grunde gelegt, die der Abflughöhe für schwere Flugzeuggruppen (Airbus A 340, Boeing B 747) nicht entsprächen und ab einer Flughöhe von ca. 500 m über Grund erheblich von den Kurven abwichen, die nach dem neuen Entwurf des Umweltbundesamts zur AzB (Anleitung zu Berechnung von Lärmschutzbereichen nach dem Fluglärmgesetz) zu berechnen seien. Die Steigprofile schwerer Maschinen seien daher weiter aufzuklären gewesen. Die Rüge ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof sah keinen Anlass für eine weitere Beweiserhebung, weil der Sachverständige seine maßgeblichen Annahmen über die Steigprofile einschließlich Schubreduktion auf eigene statistisch abgesicherte Messdaten, und zwar auf 70 000 Messdaten an 13 Messstellen unterschiedlicher Flughäfen gestützt habe, die im Übrigen durch Erkenntnisse der Flugsicherung abgesichert seien. Danach war eine Überprüfung der vom Gutachter angesetzten Steigprofile anhand der AzB nicht veranlasst.
4.6 Die Revision sieht schließlich einen Verfahrensfehler darin, dass der Verwaltungsgerichtshof die Sachverständigen Dr. K. und M. angehört habe, obwohl sie im Genehmigungsverfahren als sachverständige Beistände des Beklagten mitgewirkt hätten. Er habe den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Kläger, die Sachverständigen „in analoger Anwendung” des § 54 Abs. 2 VwGO auszuschließen, zu Unrecht abgelehnt. Die Rüge geht fehl. Ein Gericht kann auch Gutachten verwerten, die von der Behörde im vorangegangenen Verwaltungsverfahren eingeholt wurden. Es kann auch Gutachter, die bereits im Verwaltungsverfahren tätig waren, im Gerichtsverfahren zu ihren Gutachten hören und auch selbst als Gutachter für das gerichtliche Verfahren bestellen. § 54 Abs. 2 VwGO ist insoweit nicht analog auf Sachverständige anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 u.a. – a.a.O. S. 127; Urteil vom 23. Mai 1986 – BVerwG 8 C 10.84 – BVerwGE 74, 222 ≪223 f.≫).
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Gatz, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen
Haufe-Index 1377571 |
BVerwGE 2006, 261 |
BVerwGE |
BauR 2005, 1816 |
NuR 2005, 713 |
VR 2005, 323 |
DVBl. 2005, 1046 |
UPR 2005, 356 |
EurUP 2005, 146 |
IWR 2005, 69 |