Entscheidungsstichwort (Thema)
Intensivtierhaltung. Putenmaststall. Umweltverträglichkeitsprüfung. Vorprüfung. Einzelfalluntersuchung. Schwellenwert. UVP-Richtlinie. unmittelbare Anwendung. Änderung. Erweiterung. Neuvorhaben. kumulierende Vorhaben. Kumulierung. Nachholung. Legalisierung. immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Gebot der Rücksichtnahme
Leitsatz (amtlich)
Eine UVP-Vorprüfung kann in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 und 2 VwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
Wird die Feststellung, dass nach dem Ergebnis der Vorprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleibt, entgegen § 3a Satz 2 UVPG nicht bekannt gegeben, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Genehmigungsentscheidung.
Normenkette
VwVfG § 45 Abs. 1-2; UVPG § 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a), Nr. 2 Buchst. a), § 3a Sätze 2, 4, § 3b Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 3 Sätze 1, 3, § 3c Sätze 1, 5, § 12; Anl. 1 Nr. 7.4; Anl. 2 Nr. 2; UVP-RL Art. 4 Abs. 2 S. 1, Abs. 4; Anh. II Nr. 1 Buchst. e); BauGB § 35 Abs. 1 Nrn. 1, 4, Abs. 3 S. 1 Nr. 3; BImSchG §§ 10, 19; 4. BImSchV § 1 Abs. 5 Nr. 7.1 Buchst. d) der Anlage; TA Luft 2002 Nr. 4.4.2; TA Luft 2002 Nr. 4.8
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 19.01.2007; Aktenzeichen 1 LC 319/04) |
VG Oldenburg (Entscheidung vom 28.10.2004; Aktenzeichen 4 A 2854/04) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Tatbestand
I
Die Kläger wenden sich gegen eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Putenmaststalls.
Der Kläger zu 1 ist Vollerwerbslandwirt, der Kläger zu 2 sein Altenteiler auf der im Außenbereich des Ortsteils H… der Gemeinde W… belegenen Hofstelle K… Straße 17.
Auf Antrag vom 6. Juni 2000 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 1. Juni 2001 eine Baugenehmigung für den Neubau eines Putenstalls (Grundfläche 120 m × 18 m) mit 8 500 Hennenplätzen auf dem ebenfalls im Außenbereich gelegenen Grundstück … der Gemarkung R… Ca… 150 m östlich der genehmigten Stallanlage sind bereits drei Putenställe des Beigeladenen mit insgesamt 12 000 Mastplätzen vorhanden. Für diese Ställe liegt eine Baugenehmigung vom 21. Februar 1990 vor. Die Entfernung zwischen dem westlich gelegenen Altenteilerwohnhaus und dem neu genehmigten Stall beträgt etwa 190 m; das Wohngebäude des Klägers zu 1 liegt etwas weiter entfernt.
Die Kläger erhoben Widerspruch gegen die Baugenehmigung und beantragten einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung machten sie u.a. geltend, ihre Gesundheit und ihre Landwirtschaft würden durch Staub- und sonstige Immissionen erheblich beeinträchtigt. Außerdem sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt worden. Eilantrag und Widerspruch blieben ohne Erfolg.
Während des Klageverfahrens legte der Beklagte eine “Prüfung der Erforderlichkeit einer UVP gemäß § 3c des UVPG” vom 6. September 2004 vor, die mit der Feststellung endet, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sei, weil keine nachteiligen erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten seien.
Das Verwaltungsgericht hat die Baugenehmigung und den Widerspruchsbescheid durch Urteil vom 28. Oktober 2004 aufgehoben. Zwar beeinträchtige das Vorhaben des Beigeladenen durch die Immissionen weder die Gesundheit der Kläger noch ihren landwirtschaftlichen Betrieb. Aufgrund unmittelbarer Anwendung der UVP-Richtlinie habe jedoch im Wege einer Einzelfalluntersuchung festgestellt werden müssen, ob das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfe. Die nachgeholte Vorprüfung sei nicht ausreichend, um den Verfahrensfehler zu heilen. Eine mögliche Beeinträchtigung des Naturdenkmals “Tonkuhle”, das ca. 350 m von dem genehmigten Standort entfernt sei und im Eigentum des Klägers zu 2 stehe, sei nicht berücksichtigt worden. Die Vorprüfung habe auch nicht hinreichend die Kumulierungen mit anderen Projekten berücksichtigt. Die Berechnung der Stickstoffdeposition in das Naturdenkmal “Tonkuhle” vom 29. November 2000 habe die Vorbelastung durch die vorhandenen Ställe für 12 000 Puten nicht berücksichtigt. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7. Januar 2004 (Rs. C-201/02, Delena Wells – Slg. 2004, I-723) könnten sich die Kläger auf die Verletzung der UVP-Richtlinie berufen.
Während des Berufungsverfahrens legte der Beklagte eine Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 20. Dezember 2004 vor, die sich mit der Stickstoffdeposition in das Naturdenkmal “Tonkuhle” unter Berücksichtigung der vorhandenen Putenställe befasst. Sie kommt auf der Grundlage der TA Luft 2002 zu dem Ergebnis, dass der Mindestabstand von 660 m nicht eingehalten sei; die in einem solchen Fall erforderliche Ausbreitungsrechnung ergebe jedoch, dass der Ammoniakkonzentrationswert im Bereich des Denkmals bei 1,0 bis 1,7 µg/m(3) und damit unterhalb des maßgebenden Wertes von 3 µg/m(3) liege.
Das Oberverwaltungsgericht hat durch Urteil vom 19. Januar 2007 das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zwar sei bei Erteilung der Baugenehmigung eine Vorprüfung der Umweltverträglichkeit aufgrund unmittelbarer Anwendung von Gemeinschaftsrecht erforderlich gewesen. Die Richtlinie 97/11/EG reduziere das Ermessen der Mitgliedstaaten dahin, für Putenmastställe mit 8 500 Plätzen ohne große zugehörige Ländereien eine Vorprüfung vorzuschreiben. Das ergebe sich schon daraus, dass der Gesetzgeber bei Umsetzung der Richtlinie durch das Gesetz vom 27. Juli 2001 nicht über die Richtlinie habe hinausgehen wollen und in Anlage 1 Nr. 7.12 des UVPG eine Vorprüfung vorgesehen habe, wenn die Kapazität der Anlage 50 Großvieheinheiten (GV) und 2 GV je Hektar der vom Inhaber der Anlage regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Fläche übersteige. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Der Beklagte habe die Vorprüfung aber während des gerichtlichen Verfahrens wirksam nachgeholt. Eine solche Nachholung sei analog § 45 Abs. 2 VwVfG möglich. Die erfolgte Nachholung sei formal und inhaltlich nicht zu beanstanden. Eine aktive Bekanntmachung des negativen Ergebnisses der Vorprüfung verlange die Richtlinie nicht. Die teilweise fehlende Begründung sei durch die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 20. Dezember 2004 nachgeliefert worden. Das Vorprüfungsrecht erzwinge nicht, bei unterschrittenem Mindestabstand nach der TA Luft ohne Rücksicht auf eine genauere Ausbreitungsrechung eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen. Auch die weiteren umweltrelevanten Fragen, z.B. im Hinblick auf eine Uferschwalbenkolonie, seien von fachkundigen Stellen beurteilt worden. Die Staubimmissionen habe die Genehmigungsbehörde in der Vorprüfung nicht näher untersuchen müssen. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass Staubemissionen ab 180 m Abstand nicht mehr zu Gefahren oder erheblichen Beeinträchtigungen für Menschen oder Tiere in der Nachbarschaft führen. Ebenso wenig habe die Vorprüfung gesondert auf die Auswirkungen des Vorhabens auf den Frucht-anbau der Kläger eingehen müssen. Die Auswirkungen auf Nutzpflanzen fänden sich nicht unter den Beurteilungskriterien in Anhang III der UVP-Richtlinie. Deshalb müsse die Vorprüfung nur in Fällen naheliegender Auswirkungen auf diese Thematik eingehen. Die Behörde habe mithin auch unterstellen können, dass die Nutzpflanzen vor ihrem Verzehr gereinigt bzw. verarbeitet würden. An diesem Ergebnis ändere sich nichts, wenn sich die Kläger vertraglich verpflichtet hätten, ihren Abnehmern nur unbehandelte Feldfrüchte zu liefern. Auf derartige Besonderheiten, auf die der Bauherr keinen Einfluss nehmen könne, brauche er keine Rücksicht zu nehmen.
Selbst wenn man einen fortbestehenden Verfahrensfehler in dem Sinne unterstellen würde, dass die Vorprüfungsakten nicht zugänglich gewesen wären, wäre dieser Fehler gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich, weil im Ergebnis keine andere Entscheidung hätte ergehen können. Die Kläger hätten sich vor Inkrafttreten des hier nicht anwendbaren Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes auch nicht auf eine Verletzung von Vorprüfungsnormen als subjektive Rechte berufen können, weil es dafür an einer nationalen Rechtsgrundlage fehle.
Das Vorhaben sei zu Recht baurechtlich und nicht nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt worden. Die vorhandene Anlage mit 12 000 Mastplätzen sei allenfalls in dem Sinne erweitert worden, dass eine weitere Anlage hinzugetreten sei. Für eine Zusammenrechnung nach § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV fehle eine Verbindung der Einzelanlagen mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen.
Hinsichtlich der geltend gemachten Gesundheitsgefahren, Belästigungen und Einschränkungen für den Betrieb der Kläger aufgrund von Immissionen hätten sich gegenüber den Entscheidungen im Eilrechtsschutzverfahren keine Veränderungen ergeben, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten. Die Behauptung einer falschen Standortwahl sei nicht substantiiert begründet.
Die Kläger haben die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie machen geltend, dass die Vorprüfung des Einzelfalls, die auch mit Blick darauf erforderlich gewesen sei, dass der neue Putenstall zusammen mit den vorhandenen drei Ställen ein Gesamtvorhaben mit 20 500 Plätzen bilde, während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht habe nachgeholt werden können. Das Oberverwaltungsgericht gehe selbst davon aus, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung im gerichtlichen Verfahren nicht nachholbar sei. Für die Vorprüfung könne nichts anderes gelten. Im Übrigen genüge die nachgeholte Vorprüfung nicht den Anforderungen. Die Staubimmissionen und die Auswirkungen des Vorhabens auf den Fruchtanbau der Kläger seien nicht hinreichend untersucht worden. Außerdem sei das Ergebnis der Vorprüfung nicht öffentlich bekannt gemacht worden. Das Gesamtvorhaben beeinträchtige die Gesundheit und die Landwirtschaft der Kläger erheblich. Im Übrigen habe es einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedurft. Es überschreite mit 20 500 Mastplätzen die maßgebliche Grenze von 15 000 Plätzen.
Der Beklagte und der Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat ihre Klage zu Recht abgewiesen. Sie können nicht verlangen, dass die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung aufgehoben wird.
A. Die Baugenehmigung leidet nicht an Verfahrensfehlern, die zu einem Anspruch der Kläger auf Aufhebung der Genehmigung führen.
1. Bundes- oder gemeinschaftsrechtliche Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind jedenfalls im Ergebnis nicht verletzt. Inwieweit diese Vorschriften drittschützend sind, kann deshalb offen bleiben.
1.1 Der Senat unterstellt zugunsten der Kläger, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung (1. Juni 2001) im Wege einer Einzelfalluntersuchung hätte prüfen müssen, ob das Vorhaben des Beigeladenen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann und deshalb einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss (1.1.1), und dass diese Verpflichtung nicht durch das während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Gesetz zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vom 23. Oktober 2007 (BGBl I S. 2470) entfallen ist (1.1.2).
1.1.1 Aus dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in der am 1. Juni 2001 geltenden Fassung vom 12. Februar 1990, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung – BauROG – vom 18. August 1997 (BGBl I S. 2081), ergab sich die Pflicht, für das Vorhaben eine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen, allerdings nicht. Nach § 3 Abs. 1 UVPG 1990 i.V.m. Nr. 24 Buchst. c) des Anhangs unterlagen Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Geflügel der Umweltverträglichkeitsprüfung nur, wenn sie 84 000 oder mehr Mastgeflügelplätze hatten. Die Verpflichtung, für Anlagen geringerer Größe eine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen, bestand nicht. Die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl EG Nr. L 73 vom 14. März 1997 S. 5) war noch nicht umgesetzt.
Nicht auszuschließen ist jedoch, dass der Beklagte aufgrund unmittelbarer Anwendung der Richtlinie 85/337/EWG in der durch die Richtlinie 97/11/EG geänderten Fassung (im Folgenden: UVP-Richtlinie) verpflichtet war, eine UVP-Vorprüfung für das Vorhaben des Beigeladenen durchzuführen. Gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der UVP-Richtlinie bestimmen die Mitgliedstaaten bei Projekten des Anhangs II vorbehaltlich des Art. 2 Abs. 3 anhand a) einer Einzelfalluntersuchung oder b) der von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien, ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Art. 5 bis 10 unterzogen werden muss. Der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die UVP-Richtlinie habe das Ermessen der Mitgliedstaaten dahin reduziert, dass für Putenmastställe mit 8 500 Plätzen ohne große zugehörige Ländereien eine Vorprüfung zwingend hätte vorgeschrieben werden müssen (UA S. 12), folgt der Senat allerdings nicht. Das Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1950) verlangte zwar in Nr. 7.12 der Anlage 1 des UVPG auch für Anlagen der Intensivtierhaltung, die den unteren, für Anlagen zur Intensivhaltung oder -aufzucht von Truthühnern auf 15 000 Plätze festgelegten Schwellenwert (Nr. 7.4.2) nicht erreichten, eine allgemeine Vorprüfung, wenn die Anlage – wie nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hier – Plätze für 50 Großvieheinheiten oder mehr und mehr als 2 Großvieheinheiten je Hektar der vom Inhaber der Anlage regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Fläche umfasste. Diese Regelung ist jedoch durch das Gesetz vom 23. Oktober 2007 ersatzlos aufgehoben worden. Dass ein Abstellen auf die vom Inhaber der Anlage landwirtschaftlich genutzte Fläche gemeinschaftsrechtlich geboten sein könnte, hat das Oberverwaltungsgericht nicht dargelegt. Gründe hierfür sind auch nicht ersichtlich. Das Flächenkriterium in Nr. 7.12 der Anlage 1 griff – wie die entsprechende Vorschrift in Spalte 2 Nr. 7.1 Buchst. b) der 4. BImSchV i.d.F. des Gesetzes vom 27. Juli 2001 – Regelungen des Steuerrechts (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 51 Abs. 1 BewG) und des Baurechts (§ 201 BauGB) zur Abgrenzung zwischen landwirtschaftlicher und gewerblicher Tierhaltung auf (vgl. BTDrucks 14/5750 S. 134). Ob die Tierhaltung im Rahmen einer Landwirtschaft betrieben wird oder nicht, ist für die Auswirkungen der Anlage auf die Umwelt nicht von entscheidender Bedeutung. Insbesondere Beeinträchtigungen der Umwelt durch Geruch und Staub entfallen nicht, wenn der Inhaber der Anlage größere Flächen landwirtschaftlich nutzt.
Der Senat geht auch nicht davon aus, dass Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) der UVP-Richtlinie das Ermessen des Gesetzgebers dahingehend reduziert, für Putenmastställe mit 8 500 Plätzen generell eine Vorprüfung des Einzelfalls vorzusehen. Eine Einzelfalluntersuchung derartiger Anlagen könnte jedoch aufgrund unmittelbarer Anwendung des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) der UVP-Richtlinie geboten gewesen sein. Ein Putenmaststall mit 8 500 Plätzen auf einer Fläche von 120 m × 18 m dürfte eine Anlage zur Intensivtierhaltung i.S.d. Anhangs II Nr. 1e der UVP-Richtlinie sein und damit in ihren Anwendungsbereich fallen. Dass der Mitgliedstaat Anlagen dieser Größenordnung durch Festlegung eines entsprechenden unteren Schwellenwertes von der Umweltverträglichkeitsprüfung wohl generell freistellen könnte, dürfte daran nichts ändern. Solange ein Mitgliedstaat – wie hier Deutschland im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung – von der durch Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b) der UVP-Richtlinie eröffneten Möglichkeit, Schwellenwerte oder Kriterien dafür festzulegen, ob das Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss, nicht oder nicht in Übereinstimmung mit der Richtlinie Gebrauch gemacht hat, dürfte er verpflichtet sein, im Wege einer Einzelfallprüfung nach Buchst. a) der Vorschrift zu prüfen, ob bei einem Projekt des Anhangs II mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, und, wenn dies der Fall ist, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen (vgl. EuGH, Urteile vom 24. Oktober 1996 – Rs. C-72/95, Kraaijeveld – Slg. 1996, I-5403 Rn. 61 und vom 16. September 1999 – Rs. C-435/97, Flughafen Bozen – Slg. 1999, I-5613 Rn. 70).
1.1.2 Die für den Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung unterstellte Pflicht, eine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen, könnte durch das Gesetz vom 23. Oktober 2007 entfallen sein. Das Revisionsgericht hat Rechtsänderungen, die während des Revisionsverfahrens eintreten, in gleichem Umfang zu berücksichtigen, wie sie die Vorinstanz zu berücksichtigen hätte, wenn sie jetzt entschiede (Urteil vom 21. Oktober 2004 – BVerwG 4 C 3.04 – BVerwGE 122, 117 ≪122≫ m.w.N.). Ob eine angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich zwar grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung; spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben, nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen (Beschluss vom 23. April 1998 – BVerwG 4 B 40.98 – NVwZ 1998, 1179). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (Urteil vom 5. Oktober 1965 – BVerwG 4 C 3.65 – BVerwGE 22, 129 ≪133≫; Beschluss vom 22. April 1996 – BVerwG 4 B 54.96 – BRS 58 Nr. 157).
Nach dem Gesetz vom 23. Oktober 2007 sind Anlagen zur Intensivhaltung oder -aufzucht von Truthühnern mit weniger als 15 000 Plätzen unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Inhaber der Anlage Flächen landwirtschaftlich nutzt, nicht mehr vorprüfungspflichtig (Nr. 7.4.3 der Anlage 1 des UVPG). Die Grenze von 15 000 Plätzen wäre jedoch überschritten, wenn die in den drei benachbarten Putenmastställen bereits vorhandenen 12 000 Plätze den neu beantragten 8 500 Plätzen hinzuzurechnen wären. Die bestehenden Putenmastställe des Beigeladenen wären gemäß § 3c Satz 5 i.V.m. § 3b Abs. 3 Satz 1 UVPG bei der Berechnung der Tierplatzzahl zu berücksichtigen, wenn das neu beantragte Vorhaben als Änderung oder Erweiterung der vorhandenen Ställe i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) UVPG zu qualifizieren wäre und entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 14 f.) die Ausnahmevorschrift des § 3b Abs. 3 Satz 3 UVPG nicht eingriffe. Gemäß § 3b Abs. 3 Satz 3 UVPG bleibt der in den jeweiligen Anwendungsbereich der Richtlinien 85/337/EWG und 97/11/EG fallende, aber vor Ablauf der jeweiligen Umsetzungsfristen erreichte Bestand hinsichtlich des Erreichens oder Überschreitens der Größen- und Leistungswerte unberücksichtigt. Diese Ausnahmevoraussetzungen wären nur erfüllt, wenn der vorhandene Bestand von 12 000 Plätzen, dessen Genehmigung am 2. November 1989 und damit zwar vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 97/11/EG (14. März 1999), aber nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 85/337/EWG (3. Juli 1988) beantragt wurde, – wie das Oberverwaltungsgericht stillschweigend vorausgesetzt hat – nur in den Anwendungsbereich der Richtlinie 97/11/EG und nicht bereits der Richtlinie 85/337/EWG fiel. Sollte das Vorhaben hingegen als selbständiges Neuvorhaben i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) UVPG zu qualifizieren sein, wären die Plätze gemäß § 3c Satz 5 i.V.m. § 3b Abs. 2 Satz 1 und 2 UVPG nur zusammenzurechnen, wenn es sich um kumulierende Vorhaben handelte. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts fehlt es hierfür an den erforderlichen gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen (§ 3b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG – UA S. 24). Ob das Vorhaben als selbständige Anlage oder als Erweiterung der vorhandenen Putenmastställe zu qualifizieren ist und ob, wenn letzteres der Fall sein sollte, die Ausnahmevorschrift des § 3b Abs. 3 Satz 3 UVPG eingreift, kann offen bleiben, weil der Senat zugunsten der Kläger unterstellt, dass die Erforderlichkeit einer UVP-Vorprüfung durch das Gesetz vom 23. Oktober 2007 nicht entfallen ist.
1.2 Dass der Beklagte die als erforderlich unterstellte Einzelfallprüfung vor Erteilung der Baugenehmigung nicht durchgeführt hat, ist unbeachtlich, weil er die Vorprüfung in einer den Anforderungen des § 3c UVPG entsprechenden Weise im gerichtlichen Verfahren nachgeholt hat.
1.2.1 Eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls kann in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 und 2 VwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Davon sind auch das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Gemäß § 45 Abs. 1 VwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 VwVfG nichtig macht, unbeachtlich, wenn die in Nr. 1 bis 5 genannten Verfahrenserfordernisse nachträglich erfüllt werden. Gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG können Handlungen nach Absatz 1 bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Die Nachholung einer erforderlichen UVP-Vorprüfung des Einzelfalls ist in § 45 Abs. 1 VwVfG nicht genannt. Die Vorschrift ist jedoch einer entsprechenden Anwendung auf andere Verfahrenserfordernisse zugänglich. Das entspricht, soweit es um die Nachholung von Verfahrenshandlungen bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens geht, einhelliger Auffassung (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 45 Rn. 9; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 45 Rn. 135 – 139; Ziekow, VwVfG, 2006, § 45 Rn. 2; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 45 Rn. 6; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, Verwaltungsrecht – Handkommentar, 2006, § 45 VwVfG II.2; Meyer, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 45 Rn. 21). Ein Grund, die entsprechende Anwendung auf § 45 Abs. 1 VwVfG zu beschränken (so Ramsauer a.a.O.), ist nicht ersichtlich. Andere als die in Absatz 1 genannten Verfahrenshandlungen können bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden, wenn und soweit der mit dem Verfahrenserfordernis verfolgte Zweck auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, d.h. ohne Aufhebung oder jedenfalls Feststellung der Nichtvollziehbarkeit der Verwaltungsentscheidung, erreicht werden kann. Das ist bei der UVP-Vorprüfung der Fall.
Die Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3c UVPG dient dem Zweck festzustellen, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann und deshalb einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist oder nicht. Insoweit unterscheidet sich die Einzelfallprüfung nicht von der Prüfung der Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung anhand der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien. Die Prüfung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, kann ihren Zweck auch dann noch erfüllen, wenn die Behörde sie erst bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachholt. Davon geht auch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes aus, der auf das vorliegende, vor dem 25. Juni 2005 eingeleitete (vgl. § 5 URG) Verfahren noch nicht anwendbar ist. Nach dieser Vorschrift kann, wenn eine erforderliche Vorprüfung nicht durchgeführt worden ist, die Aufhebung der Zulassungsentscheidung nur verlangt werden, wenn die Vorprüfung nicht nachgeholt worden ist. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich auf die in § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 URG genannte Möglichkeit hingewiesen, das gerichtliche Verfahren auszusetzen, damit die zuständige Behörde die Vorprüfung nachholen kann und als für die Heilung in Betracht kommende Rechtsgrundlage u.a. § 45 Abs. 2 VwVfG genannt (BTDrucks 16/2495 S. 14). Führt die fehlerfreie Nachholung der Vorprüfung zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht unterzogen werden muss, so ist die Fehlerkorrektur abgeschlossen; das Genehmigungsverfahren muss nicht neu durchgeführt werden (Ziekow, NVwZ 2007, 259 ≪265≫; Kment, NVwZ 2007, 274 ≪277≫; ders., in: Hoppe, UVPG, 3. Aufl. 2007, Vorbemerkungen Rn. 71).
Ergibt die nachgeholte Vorprüfung hingegen, dass das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, eine Umweltverträglichkeitsprüfung also hätte durchgeführt werden müssen, wird die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Regel im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden können. Die Umweltverträglichkeitsprüfung soll gewährleisten, dass die Umweltauswirkungen frühzeitig (§ 1 Nr. 1 UVPG) ermittelt, beschrieben und bewertet werden. Es soll eine auf die Umweltbelange zentrierte Vorabprüfung unter Ausschluss der sonstigen Belange, die sich für oder gegen das Vorhaben ins Feld führen lassen, erfolgen (Urteil vom 18. November 2004 – BVerwG 4 CN 11.03 – BVerwGE 122, 207 ≪211≫). Die Öffentlichkeit ist zu beteiligen (§ 9 UVPG). Das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung ist bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens zu berücksichtigen (§ 12 UVPG). Auch das Gemeinschaftsrecht (Art. 2 Abs. 1 UVP-Richtlinie) verlangt, die Umweltverträglichkeit von Projekten, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor Erteilung der Genehmigung zu prüfen (EuGH, Urteile vom 3. Juli 2008 – Rs. C-215/06, Irland – Rn. 49 und vom 25. Juli 2008 – Rs. C-142/07, Ecologistas en Acción – CODA – Rn. 33; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 30. April 2008 – Rs. C-142/07 – Rn. 62). Maßnahmen, die erst im Anschluss an eine Genehmigung getroffen wurden, sind unbeachtlich (Schlussanträge Kokott a.a.O.). Daraus folgt entgegen der Auffassung der Kläger jedoch nicht, dass auch die Vorprüfung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Tatsacheninstanzen nicht mehr nachgeholt werden kann. Die Vorprüfung hat eine andere Funktion als die Umweltverträglichkeitsprüfung. Sie soll eine Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung ermöglichen; eine darüber hinausgehende Bedeutung für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens kommt ihr nicht zu. Die Öffentlichkeit muss an der Vorprüfung nicht beteiligt werden. Der Gefahr, dass eine Behörde, die die Vorprüfung erst im gerichtlichen Verfahren nachholt, die Umweltauswirkungen nicht ergebnisoffen prüft, wird durch die tatrichterliche Kontrolle der Vorprüfung im bereits anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren entgegen gewirkt. Ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt worden ist, insbesondere ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit der Umweltauswirkungen zutreffend ausgelegt hat (Urteil vom 13. Dezember 2007 – BVerwG 4 C 9.06 – zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen, NVwZ 2008, 563, Rn. 34), und ob das Ergebnis der Vorprüfung nachvollziehbar ist, unterliegt gemäß § 3a Satz 4 UVPG der gerichtlichen Kontrolle. Über eine gesicherte Rechtsposition verfügt der Bauherr vor Unanfechtbarkeit der Baugenehmigung nicht.
Die entsprechende Anwendung des § 45 Abs. 1 und 2 VwVfG auf die Nachholung einer UVP-Vorprüfung steht auch mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang. Daran besteht auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, insbesondere des Urteils vom 3. Juli 2008 (Rs. C-215/06, Kommission ./. Irland), kein vernünftiger Zweifel (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs. C-283/81, CILFIT – Slg. 1982, I-3415). In dem Urteil vom 3. Juli 2008 hat der Gerichtshof festgestellt, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 2, 4 und 5 bis 10 der Richtlinie 85/337/EWG verstoßen hat, dass es nicht alle Maßnahmen getroffen hat, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass die in den Geltungsbereich dieser Richtlinie – sowohl in ihrer ursprünglichen als auch in der durch die Richtlinie 97/11/EG geänderten Fassung – fallenden Projekte, bevor sie vollständig oder teilweise ausgeführt werden, im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung geprüft werden und, wenn aufgrund ihrer Art, Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen nach den Art. 5 bis 10 der Richtlinie unterzogen werden. Den Anlass für diese Verurteilung gab eine Vorschrift des irischen Rechts, die die Möglichkeit einer Genehmigung zur Legalisierung eines nicht genehmigten Projekts vorsah (a.a.O. Rn. 24). Der Gerichtshof beanstandete, dass nach dieser Vorschrift auch solche nicht genehmigten Projekte legalisiert werden können, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätten unterzogen werden müssen. Er sah es als mit der Richtlinie unvereinbar an, dass ein Antragsteller, der die erforderliche Genehmigung nicht beantragt und erhalten und die Umweltverträglichkeitsprüfung, sofern sie erforderlich ist, nicht durchgeführt hat, die Arbeiten an dem fraglichen Projekt beginnen kann (a.a.O. Rn. 51).
Um die Legalisierung von Projekten, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätten unterzogen werden müssen, geht es bei der Nachholung einer UVP-Vorprüfung nicht. Ergibt die nachgeholte Vorprüfung, dass das Projekt vor Erteilung der Genehmigung einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätte unterzogen werden müssen, und ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung weder förmlich durchgeführt noch durch gleichwertige, den Mindestanforderungen des Art. 3 sowie der Art. 5 bis 10 der UVP-Richtlinie genügende Maßnahmen ersetzt worden (vgl. EuGH, Urteile vom 11. August 1995 – Rs. C-431/92, Großkrotzenburg – Slg. 1995, I-2189 Rn. 41 ff., vom 16. September 2004 – Rs. C-227/01, Kommission ./. Spanien – Slg. 2004, I-8253 Rn. 56 und vom 25. Juli 2008 – Rs. C-142/07, Ecologistas en Acción – CODA – Rn. 50; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 30. April 2008 – Rs. C-142/07 – Rn. 62), muss die Genehmigung – wie dargelegt – grundsätzlich aufgehoben oder jedenfalls ihre Nichtvollziehbarkeit festgestellt werden (vgl. EuGH, Urteile vom 7. Januar 2004 – C-201/02, Delena Wells – Slg. 2004, I-723 Rn. 65 und vom 3. Juli 2008 a.a.O. Rn. 59). Führt die fehlerfrei nachgeholte Vorprüfung hingegen zu dem Ergebnis, dass bei dem Projekt mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt nicht zu rechnen ist, steht fest, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich war und die Durchführung des Projekts die Ziele der Richtlinie nicht beeinträchtigt.
Der Gerichtshof hat ausdrücklich anerkannt, dass das Gemeinschaftsrecht nationalen Rechtsvorschriften, die unter bestimmten Umständen die Legalisierung gemeinschaftsrechtswidriger Vorgänge oder Handlungen zulassen, nicht entgegensteht; eine solche Möglichkeit darf jedoch nur eingeräumt werden, wenn sie den Betroffenen keine Gelegenheit bietet, das Gemeinschaftsrecht zu umgehen oder es nicht anzuwenden, und wenn sie die Ausnahme bleibt (Urteil vom 3. Juli 2008 a.a.O. Rn. 57). Diese Voraussetzungen sind, soweit es um die Nachholung einer erforderlichen Vorprüfung in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 und 2 VwVfG geht, erfüllt. Rechtsverstöße des Projektträgers werden nicht geheilt. Die Feststellung der UVP-Pflicht anhand der gesetzlichen Vorgaben obliegt der zuständigen Behörde (§ 3a Satz 1 UVPG). Die Nachholung der Vorprüfung bleibt auch die Ausnahme. Nach § 3a Satz 1, § 3c UVPG ist die Vorprüfung vor Erteilung der Genehmigung durchzuführen. Auf der Grundlage der seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 27. Juli 2001 in der Anlage 1 des UVPG festgelegten Schwellenwerte wird die Behörde die Erforderlichkeit einer Vorprüfung nur in seltenen Fällen unrichtig beurteilen. Vor Inkrafttreten des Gesetzes war die Gefahr, dass eine seit dem 14. März 1999 aufgrund unmittelbarer Anwendung der UVP-Richtlinie erforderliche Vorprüfung unterblieb, zwar größer; auch diese Fälle bilden aber, da sie eine abgeschlossene Übergangsphase betreffen, die Ausnahme.
1.2.2 Der Beklagte hat die Vorprüfung vor Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG nachgeholt. Davon ist das Oberverwaltungsgericht zu Recht ausgegangen (UA S. 17).
Gemäß § 3c Satz 1 UVPG ist, sofern in der Anlage 1 für ein Vorhaben – wie bei Nachholung der Vorprüfung in Nr. 7.12 der Anlage 1 des UVPG – eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Ob Vorhaben im Sinne dieser Vorschrift die Erweiterung der vorhandenen Putenställe des Beigeladenen oder ob der neue Stall ein eigenständiges, mit den vorhandenen Ställen nicht kumulierendes Vorhaben ist, kann auch in diesem Zusammenhang offen bleiben. Die Vorprüfung hat sich selbst dann auf die Umweltverträglichkeit des neuen Stalls unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen der vorhandenen Putenställe zu erstrecken, wenn der neue Stall als selbständiges, mit den vorhandenen Ställen nicht i.S.d. § 3b Abs. 2 Satz 1 und 2 UVPG kumulierendes Vorhaben zu qualifizieren sein sollte. Nach § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Anlage 2 Nr. 2 ist die ökologische Empfindlichkeit eines Gebiets, das durch ein Vorhaben möglicherweise beeinträchtigt wird, unter Berücksichtigung der Kumulierung mit anderen Vorhaben in ihrem gemeinsamen Einwirkungsbereich zu beurteilen. Nach dieser Vorschrift ist die Kumulierung mit anderen selbständigen Anlagen auch dann zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen des § 3b Abs. 2 Satz 1 und 2 UVPG nicht vorliegen.
Hiervon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht das Ergebnis der Vorprüfung, dass keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen zu erwarten seien, bestätigt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1.2.2.1 Erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen auf das ca. 350 m südlich vom genehmigten Standort gelegene Naturdenkmal “Tonkuhle” hat das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage der im Berufungsverfahren vorgelegten gutachtlichen Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 20. Dezember 2004 verneint. Der Gutachter hat die Ammoniak-Immissionen, die von dem Vorhaben und den vorhandenen Putenställen des Beigeladenen herrühren, auf der Grundlage der TA Luft 2002 und, soweit es um den in der Tonkuhle vorhandenen Wald geht, eines Erlasses des Niedersächsischen Umweltministeriums vom 8. Februar 2002 beurteilt. Die TA Luft legt einen Immissionswert für Ammoniak zum Schutz vor erheblichen Nachteilen nicht fest, sondern verlangt eine Prüfung nach Nr. 4.8, bei der Anhang 1 Abbildung 4 heranzuziehen ist (Nr. 4.4.2). Die Unterschreitung der aus Abbildung 4 abgeleiteten Mindestabstände gibt einen Anhaltspunkt für das Vorliegen erheblicher Nachteile (Nr. 4.8). Wird jedoch über eine Ausbreitungsrechnung nach Anhang 3 unter Berücksichtigung der Haltungsbedingungen nachgewiesen, dass bei einem geringeren als nach Abbildung 4 zu ermittelnden Abstand eine Zusatzbelastung für Ammoniak von 3 µg/m(3) an keinem maßgeblichen Beurteilungspunkt überschritten wird, gibt erst das Unterschreiten dieses neu ermittelten geringeren Abstandes einen Anhaltspunkt für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme auf Grund der Einwirkung von Ammoniak (Anhang 1). Der Gutachter hat wegen einer Unterschreitung des Mindestabstands von 660 m eine Ausbreitungsrechnung vorgenommen mit dem Ergebnis, dass die Stickstoffzusatzdeposition im Bereich des Naturdenkmals bei 1,0 bis 1,7 µg/m(3) liege.
Eine solche Zusatzbelastung ist nicht erheblich i.S.d. § 3c Satz 1 UVPG. Nachteilige Umweltauswirkungen sind erheblich im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie nach § 12 UVPG bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens zu berücksichtigen wären; der Maßstab für die Erheblichkeit ist dem materiellen Zulassungsrecht zu entnehmen (Urteil vom 13. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 34). Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich, das schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG hervorrufen kann, jedenfalls wenn diese Einwirkungen durch Einhaltung größerer Abstände vermeidbar sind, nicht genehmigungsfähig (Urteil vom 29. August 2007 – BVerwG 4 C 2.07 – BVerwGE 129, 209 ≪Rn. 11, 35≫). Nach Anhang 1, auf den Nr. 4.4.2 i.V.m. Nr. 4.8 verweist, gibt eine Stickstoffzusatzbelastung zwischen 1,0 und 1,7 µg/m(3) keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen erheblicher Nachteile.
Entgegen der Auffassung der Kläger muss die Ausbreitungsrechnung nicht zwingend einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung vorbehalten bleiben. Der sich aus Anhang 1 Abbildung 4 der TA Luft ergebende Mindestabstand ist – wie dargelegt – kein Grenzwert, bei dessen Unterschreitung davon auszugehen ist, dass die Ammoniakimmissionen erheblich i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG sind. Bei der Frage, ob die vom Vorhabenträger vorgelegten Unterlagen (und die eigenen Informationen der Behörde) eine geeignete Grundlage bilden, um unverzüglich (vgl. § 3a Satz 1 UVPG) aufgrund überschlägiger Prüfung über die UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens zu entscheiden, kommt der Behörde ein Einschätzungsspielraum zu (Urteil vom 7. Dezember 2006 – BVerwG 4 C 16.04 – BVerwGE 127, 208 ≪Rn. 49≫). Die Behörde darf in begründeten Fällen auch eine sachverständige Stellungnahme einer anderen öffentlichen Stelle einholen (Bunge, in: Storm/Bunge, Handbuch der Umweltverträglichkeitsprüfung, § 3c UVPG Rn. 41 – Stand: August 2003; Peters, in: Peters/Balla, Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung – Handkommentar, 3. Aufl. 2006, § 3c Rn. 5; Dienes, in: Hoppe, UVPG, 3. Aufl. 2007, § 3c Rn. 12). Die Vorprüfung darf eine eventuell erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung, die anders als die Vorprüfung während des gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich nicht nachgeholt werden kann, jedoch nicht vorwegnehmen. Dass der Beklagte hier seinen Einschätzungsspielraum nicht dem Zweck der Ermächtigung entsprechend gebraucht haben könnte, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht ersichtlich. Die Landwirtschaftskammer hatte zu dem Vorhaben im Laufe des Verfahrens bereits mehrfach Stellung genommen (Stellungnahmen vom 12. Januar, 19. April und 8. August 2001). Eine ergänzende Stellungnahme hat der Beklagte lediglich zu den Fragen in Auftrag gegeben, deren fehlende Prüfung im Rahmen der Vorprüfung das Verwaltungsgericht gerügt hatte. Dass der Gutachter es mit der Feststellung, dass die aus Anhang 1 Abbildung 4 der TA Luft abgeleiteten Mindestabstände nicht eingehalten seien, nicht hat bewenden lassen, ist nicht zu beanstanden. Die für die Ausbreitungsrechnung erforderlichen Eingangsdaten lagen ihm vor. Die Rechnung erforderte keinen größeren Aufwand und führte für das Naturdenkmal “Tonkuhle” zu einem eindeutigen Ergebnis.
1.2.2.2 Dass das Vorhaben durch seine Staubentwicklung – gegebenenfalls gemeinsam mit den vorhandenen Putenställen – erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen auf die westlich und damit außerhalb der Hauptwindrichtung gelegene Hofstelle haben könnte, durfte der Beklagte ausschließen, weil nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts davon ausgegangen werden kann, dass Staubemissionen ab 180 m Abstand nicht mehr zu Gefahren oder erheblichen Nachteilen für Menschen oder Tiere in der Nachbarschaft führen (UA S. 20). Diese Auffassung sei im einstweiligen Rechtsschutzverfahren und in der erstinstanzlichen Entscheidung bestätigt worden. Die Kläger hätten im Berufungsverfahren keine greifbaren Anhaltspunkte vorgetragen, die zu einer anderen Beurteilung führten. An diese tatsächlichen Feststellungen, gegen die die Kläger zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht haben, ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Anhaltspunkte dafür, dass der Immissionsgrenzwert für Partikel (PM(10) – § 4 der 22. BImSchV) überschritten sein könnte, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt.
1.2.2.3 Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Vorprüfung nicht gesondert auf die Auswirkungen des Vorhabens auf den nahegelegenen Fruchtanbau der Kläger eingehen musste, ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Begründung, dass die Auswirkung auf Nutzpflanzen sich nicht unter den Beurteilungskriterien in Anhang III der UVP-Richtlinie finde und die Vorprüfung deswegen nur in Fällen naheliegender Auswirkungen auf diese Thematik eingehen müsse (UA S. 20), ist nicht dahingehend zu verstehen, dass derartige Auswirkungen aus Rechtsgründen nicht oder nur unter besonderen Voraussetzungen Gegenstand der Vorprüfung sein müssen. Wenn es tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Auswirkungen eines Vorhabens auf die in seiner Umgebung ausgeübte landwirtschaftliche Nutzung erheblich sein könnten, muss die Behörde im Rahmen der Vorprüfung untersuchen, ob diese Möglichkeit ohne ins Einzelne gehende, einer Umweltverträglichkeitsprüfung vorbehaltene Ermittlungen ausgeschlossen werden kann. Denn die ökologische Empfindlichkeit des möglicherweise beeinträchtigten Raums muss unter Berücksichtigung der “bestehenden Landnutzung” (Nr. 2 1. Anstrich des Anhangs III der UVP-Richtlinie) bzw. der bestehenden Nutzung des Gebiets als Fläche u.a. für landwirtschaftliche Nutzungen (Nr. 2.1 der Anlage 2 des UVPG) beurteilt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Erforderlichkeit einer näheren Untersuchung der Auswirkungen des Vorhabens auf den Fruchtanbau der Kläger aus tatsächlichen Gründen verneint. Die Landwirtschaftskammer hatte in einer Stellungnahme zu dem Vorhaben des Beigeladenen vom 8. August 2001 Kulturen, die – wie z.B. Kartoffeln – vor dem Verzehr noch weiter behandelt werden, als unproblematisch betrachtet und für den Anbau von Pflanzen, die als Ganzes oder in Teilen dem direkten menschlichen Verzehr dienen (z.B. Kohl, Erdbeeren), einen Mindestabstand von 50 m empfohlen. Gestützt auf diese Stellungnahme und unter Hinweis darauf, dass der Kläger zu 1 nicht dargelegt habe, darauf angewiesen zu sein, in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem streitigen Stallgebäude Gemüse zum direkten Verkauf oder Eigenverzehr anzubauen, hatte das Oberverwaltungsgericht bereits im Eilverfahren – wie vor ihm das Verwaltungsgericht – erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Fruchtanbau des Klägers zu 1 verneint. Im angefochtenen Urteil hat es festgestellt, dass sich hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Einschränkungen für den Betrieb der Kläger aufgrund von Immissionen gegenüber den Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keine Veränderung ergeben habe, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könne (UA S. 24 f.). An diese Sachverhaltswürdigung, die die Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen haben, ist das Revisionsgericht gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Inwieweit eine ausgeübte landwirtschaftliche Nutzung, die besonderen ökologischen Standards genügen soll, des besonderen Schutzes und deshalb bereits bei geringeren Schadstoffeinträgen gesonderter Betrachtung im Rahmen einer Vorprüfung bedarf, kann dahinstehen. Denn dass die Kläger ihren Anbau darauf ausgerichtet hätten, besondere ökologische Standards einzuhalten, haben sie nicht geltend gemacht. Dass das Vorhaben erhebliche nachteilige Auswirkungen auf ihren herkömmlichen Anbau haben kann, hat das Oberverwaltungsgericht verneint.
1.2.2.4 Die weiteren umweltrelevanten Fragen, insbesondere die Auswirkungen des Vorhabens auf die Uferschwalbenkolonie, sind nach den – ebenfalls gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden – Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts von fachkundigen Stellen (Untere Naturschutzbehörde) beurteilt worden (UA S. 20). Auch insoweit haben sich keine Anhaltspunkte für erhebliche nachteilige Auswirkungen ergeben.
1.2.3 Dass der Beklagte das Ergebnis der Vorprüfung nicht bekannt gegeben hat, führt entgegen der Auffassung der Kläger nicht zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung.
Wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Ergebnis der Vorprüfung unterbleiben soll, ist dies gemäß § 3a Satz 2 UVPG bekannt zu geben. Nach Art. 4 Abs. 4 der UVP-Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die gemäß Art. 4 Abs. 2 UVP-Richtlinie getroffenen Entscheidungen der zuständigen Behörden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Weder der UVP-Richtlinie noch dem UVPG ist zu entnehmen, dass die Behörde das Vorhaben erst genehmigen darf, wenn sie ihre Entscheidung, eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchzuführen, bereits bekannt bzw. der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Vor Erteilung der Genehmigung müssen die Mitgliedstaaten nur die Maßnahmen treffen, die erforderlich sind, um die Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung im Hinblick auf diese Auswirkungen zu unterziehen (Art. 2 Abs. 1 der UVP-Richtlinie). Die Bekanntgabe des negativen Ergebnisses einer Vorprüfung gehört nicht zu diesen Maßnahmen. Sie dient nicht dem Rechtsschutz der am Genehmigungsverfahren Beteiligten, sondern der Information der Öffentlichkeit (Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 3a UVPG Rn. 2 – Stand: Mai 2007). Selbst wenn der Öffentlichkeit ein Anspruch auf aktive Bekanntgabe des negativen Ergebnisses einer Vorprüfung zustehen sollte, wäre dieser Anspruch – wie der Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen (vgl. Beschluss vom 12. Juni 2007 – BVerwG 7 VR 1.07 – NVwZ 2007, 1095 ≪Rn. 10≫) – außerhalb des Baugenehmigungsverfahrens zu erfüllen.
2. Ob das Vorhaben immissionsschutzrechtlich hätte genehmigt werden müssen, kann dahinstehen. Der Vorbehalt einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG, in dem die Öffentlichkeit nicht beteiligt werden muss, ist nicht drittschützend (Urteil vom 5. Oktober 1990 – BVerwG 7 C 55. und 56.89 – BVerwGE 85, 368 ≪374 ff.≫). Jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts bedurfte das Vorhaben allenfalls einer Genehmigung nach § 19 BImSchG (Nr. 7.1 Buchst d) der Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV). Einer Genehmigung nach § 10 BImSchG bedürfen Anlagen zum Halten von Geflügel seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 23. Oktober 2007 nicht mehr ab 20 000, sondern erst ab 40 000 Truthühnermastplätzen (Nr. 7.1 Buchst. d) der Spalte 1 des Anhangs der 4. BImSchV). Auch die Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl EG Nr. L 257 vom 10. Oktober 1996 S. 26) verlangt die Beteiligung der Öffentlichkeit am Genehmigungsverfahren für Anlagen zur Intensivhaltung von Geflügel erst ab 40 000 Plätzen (Anhang I Nr. 6.6 Buchst. a). Dieser Schwellenwert wäre selbst dann nicht überschritten, wenn das Vorhaben gemäß § 1 Abs. 5 der 4. BImSchV als Erweiterung einer bestehenden Anlage mit 12 000 Plätzen anzusehen sein sollte mit der Folge, dass die gesamte Anlage mit 20 500 Plätzen der Genehmigung bedürfte.
B. Die Baugenehmigung leidet auch nicht an materiellen Fehlern. Sie ist mit § 35 BauGB vereinbar. Das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht sind davon ausgegangen, dass das Vorhaben des Beigeladenen gemäß Nr. 1 oder Nr. 4 des § 35 Abs. 1 BauGB dem Außenbereich zugewiesen ist. Die Kläger haben diese Auffassung im Berufungs- und im Revisionsverfahren nicht mehr in Frage gestellt. Gemäß § 35 Abs. 1 BauGB sind im Außenbereich auch privilegierte Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird. Das ist nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht der Fall (UA S. 24 f.). Soweit sich der Kläger zu 1 gegen das an seine Hofstelle heranrückende Vorhaben gewandt hatte, weil es die Erweiterung seines eigenen Betriebs, insbesondere den beabsichtigten Bau eines Hähnchenmaststalles behindere, hat das Oberverwaltungsgericht einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht festgestellt, sondern die Behauptung einer falschen Standortwahl als nicht substantiiert begründet zurückgewiesen (UA S. 25). An diese Würdigung des Sachverhalts ist das Revisionsgericht gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch, Dr. Philipp, Dr. Bumke
Fundstellen
BVerwGE 2009, 352 |
BauR 2009, 68 |
DVP 2011, 347 |
NuR 2008, 857 |
VR 2009, 33 |
ZUR 2009, 25 |
ZfBR 2008, 790 |
BayVBl. 2009, 248 |
DVBl. 2008, 1445 |
UPR 2009, 32 |
BBB 2009, 40 |
BRS-ID 2008, 13 |
FSt 2009, 819 |
FuB 2008, 287 |