Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensfreibetrag bei Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung. Freibetrag vom Einkommen bei Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung. Sozialhilfe
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Prüfung nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG ist es nicht gerechtfertigt, Einkommensteile mit Rücksicht auf andere Sozialhilfebedarfe anrechnungsfrei zu lassen (Bestätigung von BVerwGE 117, 163).
Normenkette
BSHG § 85 Abs. 1 Nr. 3 S. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 29.09.2004; Aktenzeichen 4 LB 10/04) |
VG Hannover (Urteil vom 18.07.2003; Aktenzeichen 3 A 3137/01) |
Tenor
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. September 2004 wird aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 18. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Der im Jahr 1954 geborene Kläger ist seelisch behindert. Ab Februar 1998 erhielt er von der Beklagten Eingliederungshilfe gemäß §§ 39, 40, 41 BSHG durch stationäre Betreuung in einem Übergangswohnheim. Seit dem 15. November 2001 lebt der Kläger im Rahmen betreuten Wohnens in einer eigenen Wohnung. Er bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente.
Durch Bescheid vom 18. August 1998 zog die Beklagte den Kläger gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG zu einem Beitrag zu den Kosten des Heimaufenthalts heran und berücksichtigte dabei für die Zeit bis zum 30. Juni 2000 einen Freibetrag von seinem Einkommen in Höhe von 150 DM monatlich, weil der Kläger in einer Einrichtung betreut werde, die im Rahmen ihrer Konzeption den Wohnheimbewohnern einen entsprechenden wirtschaftlichen Freiraum einräume und die Bewohner auf eine selbstständige Lebensführung vorbereite.
Der Kläger erhob gegen die Befristung der Gewährung des Freibetrages erfolglos Widerspruch und Klage.
Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rechtliche Grundlage für die (weitere) Gewährung des begehrten Freibetrages sei § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG. Nach dessen Satz 1 könne die Aufbringung von Mitteln unter der Einkommensgrenze verlangt werden, soweit bei der Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung oder in einer Einrichtung zur teilstationären Betreuung Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart würden. Nach Satz 2 der Vorschrift solle die Aufbringung der Mittel in angemessenem Umfang verlangt werden von Personen, die auf voraussichtlich längere Zeit der Pflege in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung bedürften, solange sie nicht einen anderen überwiegend unterhielten. Es komme mithin darauf an, ob das Kriterium der „Angemessenheit” es zulasse bzw. gebiete, seelisch Behinderten, die in einem Übergangswohnheim betreut würden, bei der Heranziehung zu einem Kostenbeitrag für ihre Betreuung einen Freibetrag vom Einkommen nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG zu gewähren, um dadurch ihre Fähigkeit zu fördern, selbstständig zu wirtschaften, und ob der Kläger nach seinen persönlichen Verhältnissen zu dem genannten Kreis der seelisch Behinderten gehöre. Das Bundesverwaltungsgericht habe zwar in seinem Urteil vom 14. November 2002 – BVerwG 5 C 27.01 – (BVerwGE 117, 163 ≪165 ff.≫) einen Anspruch auf einen solchen „Freibetrag zum selbstständigen Wirtschaften” auf der Grundlage des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG verneint, jedoch überzeuge die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts nicht:
Die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene strikte Trennung der Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes in Hilferegelungen einerseits und Regelungen über den Einkommenseinsatz andererseits finde im Gesetz keine hinreichende Stütze. Vielmehr halte das Bundessozialhilfegesetz für die Hilfe in besonderen Lebenslagen differenzierende Regelungen vor; Bestimmungen über den Einsatz von Einkommen und Vermögen fänden sich nicht nur im 4. Abschnitt des BSHG, sondern auch in den Regelungen der einzelnen Hilfearten. §§ 76 ff. BSHG regelten nicht, dass Einkommen einzusetzen, sondern in erster Linie, in welchem Umfang es einzusetzen sei; sie konkretisierten den nach den Bestimmungen über die einzelnen Hilfearten dort bereits vorgesehenen Einsatz von Einkommen und Vermögen. § 43 BSHG enthalte für den Bereich der Eingliederungshilfe Regelungen über den Einkommenseinsatz. Auch sonst stünden die Vorschriften des 4. Abschnitts nicht losgelöst von den Hilfebestimmungen der vorstehenden Abschnitte, vielmehr seien sie eng mit den einzelnen Hilfearten verknüpft, indem für einzelne Hilfearten der Umfang des einzusetzenden Einkommens bestimmt und zum Teil dabei innerhalb der Hilfearten differenziert werde. Für die Hilfe in besonderen Lebenslagen sei der Einsatz des gesamten Einkommens regelmäßig nicht gefordert, sondern nur der Einsatz des Einkommens in angemessenem Umfang (§ 85 BSHG). Insoweit werde auf die besonderen Bedürfnisse Behinderter Rücksicht genommen. Das zeige sich deutlich im Vergleich mit der Regelung zur Hilfe zum Lebensunterhalt, bei der regelmäßig vorrangig das Einkommen – unter Berücksichtigung der Absetzungsbeträge – voll einzusetzen sei. Der Umfang des Einkommenseinsatzes bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen nach §§ 84, 85 BSHG sei mithin wesentlich anders geregelt als der Einsatz des Einkommens bei der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 76 BSHG.
Darüber hinaus gehe die strikte Trennung des Bundesverwaltungsgerichts in Hilfenormen und Normen über den Einkommenseinsatz an der Bedarfssituation im Bereich der Eingliederungshilfe vorbei. Es bestehe keine aufteilbare Bedarfssituation. Es gehe gerade in Fällen der vorliegenden Art, in denen seelisch Behinderte durch die Betreuung in einer Wohneinrichtung und häufig auch an einer Arbeitsstelle wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden sollten, nicht darum, verschiedene Bedarfe zu decken (Schaffung eines Anreizes zur Arbeit einerseits, Förderung der Fähigkeit des Behinderten etwa zum häuslichen Wirtschaften andererseits), oder darum, sonstige Hilfen etwa für Bekleidung zu pauschalieren. Das Ziel der Hilfe sei einheitlich, nämlich die Festigung der Persönlichkeit des Hilfesuchenden derart, dass er in allen Bereichen des täglichen Lebens – im häuslichen Bereich ebenso wie im Arbeitsleben – wieder zu einer selbstständigen Lebensführung befähigt werde. Dafür sei entscheidend, dass er die Möglichkeit zu eigenständigem Wirtschaften erhalte. Der von dem Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang herangezogene § 87 BSHG regele diesen Fall gerade nicht. Die Vorschrift wäre nur einschlägig, wenn ein Bedarf an mehreren Hilfen in besonderen Lebenslagen zusammenträfe, sei aber nicht anzuwenden, wenn es – wie in Fällen der vorliegenden Art – nur um eine einheitliche Hilfeart gehe und die Hilfe dabei lediglich verschiedene Lebensbereiche erfasse.
Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Sie stützt sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November 2002, von dem die Vorinstanz abgewichen ist.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten, über die das Bundesverwaltungsgericht im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Die Vorinstanz hat der Berufung des Klägers unter Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) stattgegeben, indem es dem Kläger auf der Grundlage des § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG einen so genannten „Freibetrag zum selbstständigen Wirtschaften” eingeräumt hat. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO).
Der Senat hat in seinem von der Vorinstanz für korrekturbedürftig angesehenen Urteil vom 14. November 2002 ausgeführt, dass es im Rahmen der Bestimmungen des einzusetzenden Einkommens unter der Einkommensgrenze (§ 85 BSHG) nicht gerechtfertigt ist, bei der Prüfung des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG Einkommensteile in der Erwartung freizulassen, der Hilfeempfänger könne damit eigenständig noch offene sozialhilferechtliche Bedarfe decken. Die Unterscheidung zwischen Bedarfsermittlung einerseits und der Einkommensanrechnung andererseits sei auch beim Einsatz des Einkommens über (§ 84 BSHG) wie unter der Einkommensgrenze (§ 85 BSHG) zu beachten. Dieser rechtliche Gesichtspunkt gilt auch im vorliegenden Fall; denn auch hier geht es um die Frage, ob nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG ein „Freibetrag zum selbstständigen Wirtschaften” zuzugestehen ist, wenn der Hilfeempfänger über Einkommen – hier: aus einer Erwerbsunfähigkeitsrente – verfügt.
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, das Bundesverwaltungsgericht gehe von einer strengen Trennung der Regelungen über die Leistungsgewährung einerseits und der Regelungen über den Einsatz des Einkommens andererseits aus und berücksichtige nicht, dass sich Bestimmungen über den Einsatz von Einkommen und Vermögen nicht nur im 4. Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes, sondern auch in den §§ 2, 11, 28, 29 und 43 BSHG fänden. Von einer Verbindung zwischen dem sozialhilferechtlichen Bedarf und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen geht selbstverständlich auch das Bundesverwaltungsgericht aus. So wird in den vom Berufungsgericht genannten Normen geregelt, d a s s Einkommen und Vermögen auf den Bedarf anzurechnen ist. Entsprechend hat der Senat entschieden, dass derjenige Sozialhilfebedarf durch Leistung zu decken ist, der über das anrechenbare Einkommen und Vermögen hinausgeht (a.a.O., S. 165 Abs. 2, S. 166 Abs. 1). W a s aber im Einzelnen Bedarf und w a s im Einzelnen einzusetzendes Einkommen und Vermögen ist, wird einerseits in den Normen zum Bedarf, z.B. § 12 BSHG in Bezug auf die Hilfe zum Lebensunterhalt und §§ 39 ff. BSHG in Bezug auf die Eingliederungshilfe, und andererseits in den Normen zum Einsatz von Einkommen und Vermögen in §§ 76 ff. BSHG geregelt. Dazu hat der Senat bereits klargestellt, dass sich zwar die Einkommensanrechnung immer auf den geltend gemachten Sozialhilfebedarf bezieht und sich ihr Umfang nach der Art dieses Bedarfs bzw. dieser Hilfe (vgl. nur §§ 79 ff. BSHG für die Hilfe in besonderen Lebenslagen) bemisst, dass unterschiedliche Anrechnungsregelungen aber die grundsätzliche Unterscheidung zwischen dem sozialhilferechtlich relevanten Bedarf einerseits und einem darauf bezogenen Einkommenseinsatz andererseits nicht aufheben (a.a.O., S. 165).
Zwar geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass der Umfang des Einkommenseinsatzes bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen nach §§ 79 ff. BSHG anders geregelt ist als der Einsatz des Einkommens bei der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 76 BSHG. Dies ändert aber nichts daran, dass die §§ 76 ff. BSHG allein die Einkommensanrechnung und nicht die Bedarfsbestimmung regeln. Nicht gerechtfertigt ist die Annahme der Vorinstanz, in §§ 76 ff. BSHG würden Einkommensteile für eine selbstständige Deckung eines sozialhilferechtlich relevanten Bedarfs anrechnungsfrei gestellt. Soweit die §§ 76 ff. BSHG Einkommen freistellen – gleichgültig für welchen Hilfebedarf – liegt dem die Wertung des Gesetzgebers zugrunde, dass insoweit Einkommen nicht zur Deckung des sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bedarfs einzusetzen ist, nicht aber die Zielrichtung, dass dieses Einkommen für einen (ggf. anderen) anzuerkennenden sozialhilferechtlichen Bedarf einzusetzen ist. Deshalb hat der Senat entschieden (a.a.O., S. 165 Abs. 3), dass in §§ 76 ff. BSHG keine Einkommensteile für die selbstständige Deckung eines sozialhilferechtlich relevanten Bedarfs anrechnungsfrei gestellt werden. Eine solche Freilassung bestimmt – wie der Senat ausgeführt hat (a.a.O., S. 166 Abs. 1 letzter Halbsatz) – lediglich § 21 Abs. 3 Satz 5 BSHG, der aber auf andere Fälle und Bedarfe gerade nicht verallgemeinernd übertragbar ist.
Soweit der Senat dabei „noch offene sozialhilferechtliche Bedarfe” angesprochen hat (a.a.O. S. 165 Abs. 1) und im Folgenden von möglicherweise mehr als einem Bedarf ausgegangen ist (a.a.O., S. 166 Abs. 3), geschah dies mit Rücksicht auf einen auch vom Berufungsgericht herangezogenen Vortrag des Klägers, der Freibetrag könnte zur Beschaffung eines in der Einrichtung nicht gewährten Lebensunterhalts – soweit er ungeachtet § 27 Abs. 3 BSHG nicht von der Eingliederungshilfe umfasst (s. dazu BVerwG, Urteil vom 22. März 1990 – BVerwG 5 C 58.86 – Buchholz 436.0 § 27 BSHG Nr. 2; BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 1992 – BVerwG 5 B 128.92 – Buchholz 436.0 § 88 BSHG Nr. 30) und daher auch nicht § 43 Abs. 1 BSHG gemäß „in vollem Umfang” zu gewähren sein sollte – verwandt werden. Der Senat hat sich dabei gerade nicht zu der Frage verhalten, ob bzw. in welcher Hinsicht ein solcher Bedarf tatsächlich bestand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Senat in seiner Entscheidung auch die Bedarfssituation innerhalb der Eingliederungshilfe berücksichtigt. Dazu hat er ausgeführt (a.a.O., S. 167 Abs. 1):
„Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht die Konzeption der Einrichtung und das Ziel der Eingliederungshilfe, hier in einem Übergangswohnheim, dem Hilfebedürftigen ‚einen wirtschaftlichen Freiraum (einzuräumen), damit er sich durch eigenständige Entscheidungen im engeren Lebensbereich Schritt für Schritt auf ein selbständiges Leben außerhalb der Einrichtung vorbereiten kann’. Denn wenn es die Konzeption der Einrichtung und das Ziel der Eingliederungshilfe ist, zu selbständigem Wirtschaften zu befähigen, so entfällt hierauf ein Teilbedarf der Eingliederungshilfe, für den vorhandenes Einkommen einzusetzen ist. Eine andere Frage ist, in welcher Form die Hilfe zum selbständigen Wirtschaften zu leisten ist. Diese Frage betrifft aber nicht die Einkommens-, sondern die Leistungsseite, nämlich die Hilfegestaltung.”
Nicht also der Senat, sondern das Berufungsgericht hat einen „Freibetrag zum selbstständigen Wirtschaften” dem § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG und damit den Regelungen über den Einkommenseinsatz zugeordnet. Der Regelung des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG lässt sich aber ein Bedarf zum selbstständigen Wirtschaften mit dem Ziel der Verselbstständigung eines seelisch Behinderten nicht entnehmen. Wegen der gebotenen systematischen Unterscheidung zwischen Bedarfs- und Einkommensseite lässt sich ein gesetzlicher Hinweis auf die Möglichkeit, einen solchen Bedarf zu berücksichtigen, auch nicht aus dem unbestimmten Gesetzesbegriff der „Angemessenheit” im Sinne von § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG herauslesen. Besteht für seelisch Behinderte in einem Übergangswohnheim ein „Eingliederungshilfebedarf zum selbstständigen Wirtschaften” in dem Sinne, dass die Beschaffung der zur Deckung sozialhilferechtlich anzuerkennender Bedarfe erforderlichen Güter oder Dienstleistungen dem Hilfebedürftigen selbst – und sei es unter Anleitung oder Hilfestellung durch die Einrichtung – aus diesem zur Verfügung stehenden Mitteln überlassen bleiben soll, so besteht er nicht nur für die, die eigenes Einkommen haben. Dass auf diesen Bedarf eigenes Einkommen nach Maßgabe der §§ 79 ff. BSHG anzurechnen ist, beruht nicht auf einer paternalistischen Sicht des Senats (so Fahlbusch NDV 2003, 464), sondern auf § 43 Abs. 1 BSHG, wonach Eingliederungshilfe in einer Einrichtung auch dann in vollem Umfang zu gewähren ist, wenn den in § 28 BSHG genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist. Soweit in der Praxis Geldleistungen des Hilfeträgers zum selbstständigen Wirtschaften einerseits und Geldleistungen des Hilfeempfängers als Kostenbeitrag andererseits gegengerechnet werden und deshalb nicht zur Auszahlung gelangen, ändert das nichts an deren jeweiligen rechtlichen Einordnung, sondern betrifft es nur deren abrechnungstechnische Abwicklung.
Soweit aufgrund eines solchen Bedarfs, den das Berufungsgericht nach Grund und Höhe gerade nicht näher konkretisiert und bestimmt hat, die Leistungen des Sozialhilfeträgers hier entgegen § 43 Abs. 1 BSHG nicht „in vollem Umfange” gewährt worden sein sollten, folgt hieraus nicht, dass eine etwa rechtswidrig unzureichende Leistungsgewährung durch einen § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG widersprechenden entsprechenden Verzicht auf einen Kostenbeitrag auszugleichen wäre. Ob oder in welchem Umfange der Kläger einen auch weiterhin noch durchsetzbaren Anspruch auf weitere Leistungen gegen die Beklagte haben könnte, bedarf mithin für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits keiner Entscheidung.
Ist hiernach bereits dem Grunde nach ein „Freibetrag zum selbstständigen Wirtschaften” bei der Festsetzung des Kostenbeitrages nicht zu berücksichtigen, kann dahinstehen, ob die von der Beklagten unter Berufung auf Verwaltungsvorschriften vorgenommene Befristung der Gewährung des Freibetrages auf zwei Jahre zulässig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
FamRZ 2006, 947 |
DÖV 2006, 742 |
DVBl. 2006, 979 |
ZfSSV 2007, 120 |
info-also 2006, 142 |
info-also 2006, 286 |