Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugangsverpflichtung bzw. Verhandlungsgebot zugunsten von Diensteanbietern als Frequenznutzungsbestimmung im Vergabeverfahren für sog. 5G-Frequenzen
Leitsatz (amtlich)
1. § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG entfaltet drittschützende Wirkung nicht nur zugunsten von Frequenzzuteilungsbewerbern, sondern auch von Diensteanbietern, die für ihre Tätigkeit auf dem Mobilfunk-Endkundenmarkt auf Infrastrukturvorleistungen der im Frequenzvergabeverfahren erfolgreichen Unternehmen angewiesen sind.
2. Die Auferlegung einer Verpflichtung, Diensteanbietern diskriminierungsfrei Zugang zu Mobilfunkdiensten zu gewähren (sog. Diensteanbieterverpflichtung), kann als Gegenstand einer Frequenznutzungsbestimmung grundsätzlich auf § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 61 Abs. 6 und § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG gestützt werden. Insoweit besteht weder eine Sperrwirkung der Vorschriften zur Marktregulierung noch eine Beschränkung der Verpflichtung auf solche Telekommunikationsdienste, die ausschließlich mit den konkret zur Vergabe gestellten Frequenzen erbracht werden.
3. Der Bundesnetzagentur steht bei der Festlegung der Vergabebedingungen nach § 61 Abs. 3 Satz 2 TKG - nicht auf der Tatbestandsseite, sondern auf der Rechtsfolgenseite der Norm - ein Ausgestaltungsspielraum zu, der einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung, s. Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 38).
4. Eine als Frequenznutzungsbestimmung gemäß § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG festgelegte und gegebenenfalls im Rahmen einer Nebenbestimmung zur Frequenzzuteilung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG umzusetzende Verpflichtung der Zuteilungsinhaber, mit geeigneten Diensteanbietern über die Mitnutzung von Funkkapazitäten diskriminierungsfrei zu verhandeln, genügt den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes (§ 37 Abs. 1 VwVfG).
5. Eine Weisung verletzt das in Art. 3 Abs. 3a Satz 1 der Rahmenrichtlinie enthaltene Gebot der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde umso eher, je weiter sie sich von den Merkmalen einer allgemeinen politischen Rahmenvorgabe entfernt und je detaillierter sie konkrete Entscheidungsinhalte vorgibt.
Verfahrensgang
VG Köln (Urteil vom 03.07.2019; Aktenzeichen 9 K 8489/18) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 3. Juli 2019 aufgehoben, soweit die Klage hinsichtlich des auf Neubescheidung gerichteten weiteren Hilfsantrags abgewiesen worden ist.
Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin bietet ihren Endkunden Mobilfunkleistungen an. Mangels eines eigenen Mobilfunknetzes bezieht sie hierfür Vorleistungen der Mobilfunknetzbetreiber.
Rz. 2
In der Vergangenheit waren die Lizenzen, die die Regulierungsbehörde den Netzbetreibern für den nach damaliger Rechtslage lizenzpflichtigen Betrieb ihrer Mobilfunknetze erteilt hatte, an die Verpflichtung geknüpft, Diensteanbietern diskriminierungsfrei Zugang zu Mobilfunkdiensten zu gewähren (sog. Diensteanbieterverpflichtungen). Eine entsprechende Verpflichtung der Netzbetreiber war in der 2004 außer Kraft getretenen Vorschrift des § 4 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung geregelt. Bis zum Auslaufen der sog. UMTS-Lizenzen Ende 2020 galten die damit eingegangenen Diensteanbieterverpflichtungen nach § 150 Abs. 4 TKG übergangsweise fort. Seit 2014 wird der Zugang zu den Vorleistungen, die für die Tätigkeit der Diensteanbieter auf dem Mobilfunk-Endkundenmarkt erforderlich sind, zudem durch Verpflichtungszusagen gewährleistet, die der Netzbetreiber Telefónica im Zuge des Zusammenschlusses mit E-Plus gegenüber der EU-Kommission abgegeben hat. Im Rahmen von Frequenzvergabeverfahren in den Jahren 2010 und 2015 verzichtete die Bundesnetzagentur auf die Auferlegung einer Diensteanbieterverpflichtung unter Hinweis darauf, sie sei hierzu in dem Verfahren nach § 61 TKG nicht befugt. Zudem bestehe wegen der fortgeltenden Diensteanbieterverpflichtungen in den UMTS-Lizenzen noch kein Entscheidungsbedarf. Schließlich verwies sie auf die erwähnten Selbstverpflichtungen der Telefónica.
Rz. 3
In den Jahren 2016 und 2017 veröffentlichte die Bundesnetzagentur mehrere - jeweils aufeinander aufbauende - Ausarbeitungen zum weiteren Ausbau digitaler Funkinfrastrukturen ("Frequenzkompass", "Orientierungspunkte", "Eckpunkte"). Darin hob sie im Zusammenhang mit der vorgesehenen Bereitstellung weiterer, insbesondere für den Ausbau von 5G-Infrastrukturen geeigneter Frequenzen die Bedeutung der bisherigen Diensteanbieterverpflichtung für die Stärkung des Wettbewerbs auf der Diensteebene hervor und stellte eine Prüfung des über das Jahr 2020 hinaus bestehenden regulativen Handlungsbedarfs in Aussicht. Ferner bezeichnete sie es als denkbar, den Mobilfunknetzbetreibern die Verpflichtung aufzuerlegen, Diensteanbietern sowie solchen Anbietern, die Mobilfunkdienstleistungen unter Einsatz eigener Netzinfrastruktur-Elemente erbringen (sog. Mobile Virtual Network Operators - MVNO) auch in Zukunft diskriminierungsfrei Vorleistungsprodukte zu Großhandelsbedingungen zu gewähren.
Rz. 4
Mit Beschluss vom 14. Mai 2018 ordnete die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur an, dass der Zuteilung von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang ein Vergabeverfahren voranzugehen habe, und bestimmte ferner, dieses als Versteigerungsverfahren durchzuführen.
Rz. 5
Am 12. Juli 2018 fand auf Einladung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ein sog. Mobilfunkgipfel statt, an dem neben den drei etablierten Mobilfunknetzbetreibern auch der Präsident der Bundesnetzagentur teilnahm. Unternehmen aus dem Kreis der Diensteanbieter waren nicht vertreten. In einer anschließend veröffentlichten Gemeinsamen Erklärung zum Mobilfunkgipfel wurde ausgeführt, dass Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände auf Initiative des BMVI mit den CEOs der Deutschen Telekom, der Vodafone Deutschland und der Telefónica Deutschland Maßnahmen vereinbart hätten, mit denen insbesondere die letzten Versorgungslücken in den besiedelten Gebieten weitgehend geschlossen werden könnten. Dazu solle "die Investitionstätigkeit der Mobilfunkunternehmen unterstützt und gefördert werden". Die Mobilfunknetzbetreiber erklärten sich bereit, "bei investitionsfördernden Rahmenbedingungen" Versorgungslücken in besiedelten Gebieten zu schließen, die nach einer Erfüllung der geltenden Versorgungsauflagen verblieben.
Rz. 6
Am 13. Juli 2018 führte die Bundesnetzagentur eine mündliche Anhörung zu den wesentlichen frequenzregulatorischen Aspekten des Verfahrens zur Vergabe der Frequenzen aus den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz sowie insbesondere der Themen Versorgungsverpflichtung und Diensteanbieterregelung durch. Den interessierten Kreisen wurde im Anschluss Gelegenheit zur schriftlichen Ergänzung ihres Vorbringens gegeben. Die Klägerin führte unter dem 20. Juli 2018 aus, dass eine Diensteanbieterverpflichtung unverzichtbar sei, und beantragte, eine im Einzelnen von ihr ausformulierte Regelung in die Vergabebedingungen aufzunehmen. Mit Schreiben vom 7. September 2018 ergänzte sie ihre Stellungnahme.
Rz. 7
Am 24. September 2018 veröffentlichte die Bundesnetzagentur einen Konsultationsentwurf der Entscheidung der Präsidentenkammer über die Vergabebedingungen und Auktionsregeln. Darin war zugunsten der Diensteanbieter ein Verhandlungsgebot vorgesehen. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2018 verwies die Klägerin darauf, für ihr Diensteanbietergeschäft bestehe bei einer bloßen Verhandlungspflicht der Mobilfunknetzbetreiber keine sichere Rechtsgrundlage. Ferner wiederholte sie den Antrag auf Aufnahme einer von ihr konkret ausformulierten Diensteanbieterverpflichtung in die Vergabebedingungen und beantragte hilfsweise die Auferlegung einer Diensteanbieterverpflichtung nach dem Vorbild der UMTS-Lizenzen.
Rz. 8
Mit Beschluss der Präsidentenkammer vom 26. November 2018 erließ die Bundesnetzagentur die Entscheidung über die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) und über die Festlegungen und Regelungen für die Durchführung des Verfahrens (Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen aus den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten. Die Vergaberegeln umfassen u.a. die Voraussetzungen für die Zulassung zum Versteigerungsverfahren (Ziffer III.1), die Bestimmung der Frequenznutzung, für die die zu vergebenden Frequenzen unter Beachtung des Frequenzplans verwendet werden dürfen (Ziffer III.2) sowie das Mindestgebot (Ziffer III.5). Teil der Vergaberegeln sind ferner die Frequenznutzungsbestimmungen, die u.a. Versorgungspflichten (Ziffern III.4.3 bis III.4.12) und Verhandlungspflichten (Ziffern III.4.15 bis III.4.17) festlegen. Ziffer III.4.15 enthält folgende Regelung: "Zuteilungsinhaber haben mit geeigneten Diensteanbietern über die Mitnutzung von Funkkapazitäten zu verhandeln. Die Verhandlungen sollen diskriminierungsfrei sein und die bereitzustellenden Kapazitäten nicht auf bestimmte Dienste, Funktechniken oder Anwendungen beschränkt werden."
Rz. 9
In den Gründen des Beschlusses wird im Rahmen der Begründung der Festlegungen und Regeln des Vergabeverfahrens zur Diensteanbieterregelung (Ziffer III.4.15) unter anderem ausgeführt:
Das für die Auferlegung einer Zugangsverpflichtung gemäß § 21 TKG erforderliche Vorliegen beträchtlicher Marktmacht sei in Bezug auf die Netzbetreiber bislang nicht festgestellt worden. Die in den Stellungnahmen umstrittene Rechtsfrage, ob weitergehende Auflagen in Bezug auf Roaming oder Diensteanbieter den Bereich der §§ 19 oder 21 TKG berühren würden und sich hieraus eine Sperrwirkung ergäbe, könne mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung der Auflage dahinstehen. Denn das Verhandlungsgebot berühre den Regelungsbereich der genannten Vorschriften nicht. Die Auflage sei in ihrer derzeitigen Form geeignet, die Interessen der Marktbeteiligten gleichermaßen zu wahren und strengere regulatorische Vorabverpflichtungen zu vermeiden. Das Verhandlungsgebot umfasse nicht nur die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, sondern auch die Ausgestaltung der Konditionen mit dem jeweiligen Nachfrager. Zuteilungsinhaber würden aber nicht zu einer Gleichbehandlung im Sinne des § 19 TKG verpflichtet. Ihnen müsse das Recht zu vorstoßendem Wettbewerb beim Vertrieb ihres Produkts zuerkannt werden, solange die Diensteanbieter die Chance hätten, diesen Wettbewerbsvorsprung wieder einzuholen. Da kein Abschluss- und Kontrahierungszwang bestehe, könnten Zuteilungsinhaber nicht verpflichtet werden, mit jedem Interessenten sowie ungeachtet der jeweiligen Bedingungen einen Vertrag abzuschließen. Das Verhandlungsgebot beinhalte jedoch das Ziel, in privatautonomen Verhandlungen einen Vertragsschluss zu erreichen. Ohne einen intendierten Vertragsschluss wäre ein Verhandlungsgebot nicht geeignet, die Regulierungsziele des Telekommunikationsgesetzes zu fördern. In Fällen von Verstößen gegen das Verhandlungsgebot könne die Bundesnetzagentur zum Schutz des Wettbewerbs eine "Schiedsrichterrolle" ausüben. Erforderlichenfalls könne sie Verstöße gegen das Verhandlungsgebot unter Festsetzung eines Zwangsgelds untersagen und im Einzelfall vorläufige Maßnahmen ergreifen. Die Diensteanbieterregelung sei geeignet, die grundrechtlich geschützten Interessen der Zuteilungsinhaber auf der einen sowie der Diensteanbieter auf der anderen Seite zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Sie greife zwar grundsätzlich in die Privatautonomie der Beteiligten ein und berühre die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit der Zuteilungsinhaber. Sie diene jedoch der im Allgemeininteresse stehenden Förderung der Regulierungsziele des Telekommunikationsgesetzes. Den Zuteilungsinhabern werde ein knappes und volkswirtschaftlich bedeutendes öffentliches Gut zugeteilt, das im Sinne einer ökonomisch effizienten Frequenznutzung mittelbar auch den Diensteanbietern bereitzustellen sei. Zudem könnten sich die Zuteilungspetenten in Kenntnis der mit den Frequenznutzungsrechten verbundenen Bedingungen für eine Teilnahme an dem Versteigerungsverfahren entscheiden und die Diensteanbieterregelung in ihre Gebote mit einberechnen.
Rz. 10
Die Klägerin hat gegen den Beschluss vom 26. November 2018 Klage erhoben und mit ihrem Hauptantrag im Wesentlichen die Verpflichtung der Beklagten begehrt, in die Entscheidung der Präsidentenkammer eine Regelung aufzunehmen, nach der Zuteilungsinhaber sicherzustellen haben, dass Anbieter von Telekommunikationsdiensten zur Vermarktung an eigene Endkunden oder an Telekommunikationsunternehmen zum Weiterverkauf alle Telekommunikationsdienste und -leistungen des Zuteilungsinhabers im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreiben können. Zudem sei die Beklagte zur Aufnahme einer Regelung zu verpflichten, derzufolge Zuteilungsinhaber ein Angebot zu angemessenen Bedingungen zu machen haben und Anbieter insbesondere nicht unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Anbietern, ihrem eigenen Vertrieb oder ihren jeweils verbundenen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandeln dürfen. Zu ergänzen sei die Regelung durch drei Tatbestände, bei deren Erfüllung eine unbillige Behinderung insbesondere vorliegen soll. Hilfsweise hat die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten zur Aufnahme einer Regelung beantragt, derzufolge Zuteilungsinhaber verpflichtet sind, - wie aufgrund der früheren UMTS-Lizenzen - ihr Leistungsangebot so zu gestalten, dass geeignete Diensteanbieter die Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreiben und ihren Kunden anbieten können, es sei denn, dass die Verpflichtung im Einzelfall sachlich nicht gerechtfertigt ist. Ferner sei zu regeln, dass Zuteilungsinhaber Diensteanbieter weder ausschließlich noch unverhältnismäßig lange an sich binden noch hinsichtlich ihrer eigenen Preis- und Konditionengestaltung oder hinsichtlich anderer Betätigungsfelder einschränken dürfen und Diensteanbietern ferner keine ungünstigeren Bedingungen einräumen dürfen als dem eigenen Vertrieb oder verbundenen Unternehmen, es sei denn, dass dies sachlich gerechtfertigt ist. Mit weiterem Hilfsantrag hat die Klägerin begehrt, die Beklagte zu verpflichten, ihren Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Rz. 11
Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Soweit die Klägerin mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag jeweils eine Verpflichtung der Bundesnetzagentur begehre, eine von ihr im Einzelnen ausformulierte Regelung als Frequenznutzungsbestimmung aufzuerlegen, fehle ihr die erforderliche Klagebefugnis.
Rz. 12
Das Diskriminierungsverbot des § 55 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 61 Abs. 7 Satz 1 TKG entfalte drittschützende Wirkung nur für denjenigen, der sich an der Frequenzvergabe beteilige oder beteiligen wolle und sich auf seinen Anspruch auf chancengleiche Teilnahme berufe. Im Anwendungsbereich des § 61 Abs. 3 Satz 2 TKG seien öffentliche Interessen sowie private Interessen der Zuteilungsbewerber, nicht aber private Interessen Dritter zu berücksichtigen. Auch der in § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG enthaltene Begriff der effizienten und störungsfreien Nutzung der Frequenzen, der den möglichen Inhalt der Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG konkretisiere, vermittele der Klägerin keine subjektiven Rechte. Gleiches gelte für die in § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG in Bezug genommenen Regulierungsziele. Mit dem in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG niedergelegten Regulierungsziel der Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs seien nicht die Interessen einzelner Wettbewerber, sondern der Wettbewerb als Institution gemeint. Der Regulierungsgrundsatz des § 2 Abs. 3 Nr. 3 TKG erweitere allenfalls die Möglichkeit von Klagen durch Verbraucher. Ob § 2 Abs. 3 Nr. 2 TKG mit der Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit als Regulierungsziel subjektive Rechte der Betreiber von Telekommunikationsnetzen und Anbieter von Telekommunikationsdiensten begründe, könne dahinstehen; denn unabhängig davon sei offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen, dass der Klägerin auf der Grundlage dieser Regelung der von ihr im Hauptantrag geltend gemachte Anspruch tatsächlich zustehe, weil keine Reduzierung des der Bundesnetzagentur bei der Bestimmung der Frequenznutzungsbestimmungen gemäß § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG zustehenden Ausgestaltungsspielraums auf Null vorliege. Eine Klagebefugnis könne die Klägerin auch nicht aus den Vorgaben des Unionsrechts herleiten. Zwar habe der Gerichtshof der Europäischen Union mit Blick auf den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes i.V.m. Art. 4 der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) anerkannt, dass Telekommunikationsanbieter, die Rechte aus der Unionsordnung herleiten könnten und durch eine Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde in diesen Rechten berührt seien, hiergegen unter bestimmten Umständen Rechtsschutz erlangen könnten, auch wenn die Entscheidung nicht an sie adressiert sei. Die Situation der Klägerin sei jedoch mit keiner der vom Gerichtshof behandelten Fallgruppen vergleichbar. Schließlich könne sich die Klägerin auch nicht auf das Grundrecht der Berufsfreiheit berufen. Insbesondere verleihe Art. 12 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung der Wettbewerbsbedingungen.
Rz. 13
Soweit die Klägerin mit ihrem zweiten Hilfsantrag eine Neubescheidung ihres im Verwaltungsverfahren gestellten Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts begehre, bedürfe keiner Entscheidung, ob der Klägerin auch insoweit die erforderliche Klagebefugnis fehle. Denn dieser Hilfsantrag sei deshalb unzulässig, weil die Präsidentenkammerentscheidung nicht in der insoweit vorausgesetzten Weise teilbar sei. Wegen des Erfordernisses einer komplexen Gesamtabwägung seien einzelne Frequenznutzungsbestimmungen nicht in der Weise abtrennbar, dass die Präsidentenkammerentscheidung im Übrigen ohne Änderung ihres Inhalts in sinnvoller und rechtmäßiger Weise bestehen könnte. Im Zusammenhang mit Ziffer III.4.15 der Präsidentenkammerentscheidung sei die Bundesnetzagentur davon ausgegangen, dass das dort geregelte Verhandlungsgebot ebenso wie die übrigen Frequenznutzungsbestimmungen die Entscheidung für die Teilnahme am Versteigerungsverfahren determiniere und die Abgabe von Geboten in der Auktion präge.
Rz. 14
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren im Wesentlichen weiter. Das Verwaltungsgericht habe ihre Klagebefugnis zu Unrecht verneint. Sowohl aus dem nationalen Recht als auch aus dem Unionsrecht ergebe sich, dass die Entscheidung, ob und in welchem Umfang den Zuteilungsinhabern eine Diensteanbieterverpflichtung auferlegt werde, zu Gunsten der Diensteanbieter drittschützend sei. Die Klage sei mit dem Hauptantrag, jedenfalls aber mit den Hilfsanträgen begründet. Die Beklagte könne ihre auch gegenüber der Klägerin bestehende Verpflichtung, eine effiziente Frequenznutzung und einen chancengleichen Wettbewerb zu sichern, nur durch die Aufnahme der begehrten Diensteanbieterverpflichtung in die Vergabebedingungen fehlerfrei erfüllen. Das von der Beklagten auferlegte Verhandlungsgebot sei hierzu ungeeignet, da dessen Inhalt und Reichweite völlig unbestimmt seien und der Vertragsschluss letztlich in das Ermessen des Zuteilungsinhabers gestellt werde. Zumindest sei die Beklagte zu verpflichten, die Anträge der Klägerin neu zu bescheiden. Die Präsidentenkammerentscheidung beruhe auf der unzutreffenden Annahme, einer Diensteanbieterverpflichtung stehe schon die Sperrwirkung der Marktregulierung entgegen. Zudem sei es im Rahmen des vom BMVI veranstalteten Mobilfunkgipfels und damit außerhalb des Verfahrens der Vergabe der für 5G-Anwendungen bestimmten Frequenzen zu einem "Deal" mit dem Inhalt gekommen, dass die Mobilfunknetzbetreiber im Gegenzug für die von ihnen geforderte Abkehr von einer "harten" Diensteanbieterverpflichtung zugesagt hätten, bestehende Lücken bei der Mobilfunkversorgung durch den Ausbau ihrer 4G-Netze zu schließen. Die Mitwirkung und Teilnahme des Präsidenten der Bundesnetzagentur am Mobilfunkgipfel und sein Eingehen auf die Forderung des BMVI, auf eine "harte" Diensteanbieterverpflichtung zu verzichten, begründe die Besorgnis seiner Befangenheit. Zudem seien die Beteiligtenrechte der Klägerin nach § 135 TKG verletzt worden, da die Ergebnisse des Gipfels nicht förmlich in das Verwaltungsverfahren eingeführt worden seien. Dass über die Diensteanbieterverpflichtung de facto das BMVI - zudem aufgrund eines sachfremden Gesichtspunkts - entschieden habe, führe zu einem Ermessensfehler. Schließlich verletze die Vorgehensweise des BMVI das unionsrechtliche Gebot der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde (Art. 3 Abs. 3a Unterabs. 1 RRL).
Rz. 15
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des VG Köln vom 03. Juli 2019, Az. 9 K 8489/18, zu verpflichten,
1. unter Änderung ihrer Entscheidung in die Entscheidung u.a. über die Festlegungen und Regeln im Einzelnen (Vergaberegeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz vom 26. November 2018, Az. BK1-17/001, ("Entscheidung Vergaberegeln") folgende Regelung aufzunehmen:
"15.1.
Zuteilungsinhaber haben sicherzustellen, dass Anbieter von Telekommunikationsdiensten zur Vermarktung an eigene Endkunden oder an Telekommunikationsunternehmen zum Weiterverkauf alle Telekommunikationsdienste und -leistungen des Zuteilungsinhabers im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreiben können.
15.2.
Zuteilungsinhaber haben ein Angebot zu angemessenen Bedingungen zu machen und dürfen Anbieter im Sinne von Ziffer 15.1 insbesondere nicht unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Anbietern, ihrem eigenen Vertrieb oder ihren jeweils verbundenen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandeln. Eine unbillige Behinderung im Sinne von Satz 1 liegt insbesondere vor, wenn der Zuteilungsinhaber
a) Anbieter im Sinne von Ziffer 15.1 ausschließlich oder unverhältnismäßig lange an sich bindet;
b) die Migration des Endkundenbestandes eines Anbieters im Sinne von Ziffer 15.1 zu anderen Zuteilungsinhabern sowie zu Diensteanbietern mit eigenen Netzbestandteilen ('Mobile Virtual Network Operators') behindert oder untersagt oder den Anbieter im Sinne von Ziffer 15.1 hierbei nicht im erforderlichen Umfang unterstützt;
c) Anbieter im Sinne von Ziffer 15.1 hinsichtlich ihrer eigenen Preis- und Konditionengestaltung oder hinsichtlich anderer Betätigungsfelder einschränkt",
hilfsweise
2. unter Änderung ihrer Entscheidung in die Entscheidung Vergaberegeln folgende Regelung aufzunehmen:
"15. Zuteilungsinhaber sind verpflichtet, ihr Leistungsangebot so zu gestalten, dass Diensteanbieter die Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreiben und ihren Kunden anbieten können. Dies gilt nicht, wenn die Verpflichtung im Einzelfall sachlich nicht gerechtfertigt ist. Zuteilungsinhaber dürfen Diensteanbieter weder ausschließlich noch unverhältnismäßig lange an sich binden noch hinsichtlich ihrer eigenen Preis- und Konditionengestaltung oder hinsichtlich anderer Betätigungsfelder einschränken. Zuteilungsinhaber dürfen Diensteanbietern keine ungünstigeren Bedingungen einräumen als dem eigenen Vertrieb oder verbundenen Unternehmen, es sei denn, dass dies sachlich gerechtfertigt ist.",
weiter hilfsweise
3. unter Änderung ihrer Entscheidung in die Entscheidung Vergaberegeln eine Verpflichtung der Zuteilungsinhaber aufzunehmen, Diensteanbieter diskriminierungsfrei zuzulassen und sicherzustellen, dass die Diensteanbieter die Mobilfunkleistungen diskriminierungsfrei im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreiben und ihren Kunden anbieten können,
weiter hilfsweise
4. unter Änderung ihrer Entscheidung Vergaberegeln den Antrag der Klägerin vom 20. Juli 2018 (Bd. 16, Bl. 10952 VA, gleichlautend vom 12. Oktober 2018, Bd. 20, Bl. 012932 VA, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Rz. 16
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision. Sie verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts. Die Klage sei mit Haupt- und Hilfsanträgen nicht nur unzulässig, sondern zudem auch unbegründet. Einflussnahmeversuchen aus dem BMVI habe sich die Präsidentenkammer widersetzt und nach eigenständiger Abwägung aller relevanten Belange autonom ihre Entscheidung getroffen.
Entscheidungsgründe
Rz. 17
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO), soweit das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags (Revisionsanträge zu 1. und 2.) abgewiesen hat (1.). Hinsichtlich des erstmals im Revisionsverfahren hilfsweise gestellten Antrags zu 3. ist die Revision unzulässig (2.). Soweit die Klage auch hinsichtlich des auf Neubescheidung gerichteten weiteren Hilfsantrags (Revisionsantrag zu 4.) abgewiesen worden ist, hat die Revision mit der Maßgabe Erfolg, dass das vorinstanzliche Urteil insoweit aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (3.).
Rz. 18
1. Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg, soweit das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags (Revisionsanträge zu 1. und 2.) abgewiesen hat. Das vorinstanzliche Urteil verletzt insoweit zwar revisibles Recht, weil das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht mangels Klagebefugnis für unzulässig gehalten hat (a). In Bezug auf diese beiden Anträge stellt sich die Entscheidung jedoch im Ergebnis als richtig dar, weil die von der Klägerin geltend gemachten Verpflichtungsansprüche in der Sache nicht bestehen (b).
Rz. 19
a) Soweit das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags (Revisionsanträge zu 1. und 2.) mit der Begründung als unzulässig abgewiesen hat, der Klägerin fehle die erforderliche Klagebefugnis, verletzt das vorinstanzliche Urteil revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Denn die Klägerin kann sich auf § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190) - TKG -, für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 10 Abs. 12 Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen vom 30. November 2017 (BGBl. I S. 3618) als drittschützende Norm berufen.
Rz. 20
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Klagebefugnis setzt voraus, dass die Verletzung eigener Rechte des Klägers auf der Grundlage des Klagevorbringens als möglich erscheint. Diese Möglichkeit ist dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 17, vom 5. August 2015 - 6 C 8.14 - BVerwGE 152, 355 Rn. 11 und vom 15. Juli 2020 - 6 C 6.19 - BVerwGE 169, 177 Rn. 15, jeweils m.w.N.).
Rz. 21
aa) Die Klagebefugnis für die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage kann nicht schon darauf gestützt werden, dass die Beklagte in dem Beschluss vom 26. November 2018 den im Verwaltungsverfahren gestellten Anträgen der Klägerin vom 20. Juli und 12. Oktober 2018 auf Ergänzung der Frequenznutzungsbestimmungen nicht stattgegeben hat. Denn allein aus der - ausdrücklichen oder konkludenten - Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts ergibt sich grundsätzlich kein zur Klage befugendes subjektives Recht (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 91a; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 384; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 42 Rn. 69). Die Klägerin ist überdies - nicht anders als diejenigen Unternehmen, denen aufgrund ihres Erfolgs bei der späteren Versteigerung Frequenzen zugeteilt worden sind (vgl. hierzu den die Beiladung eines solchen Unternehmens ablehnenden Beschluss des Senats vom 19. März 2021 Rn. 6) - keine Adressatin der Präsidentenkammerentscheidung vom 26. November 2018. Bei der Festlegung von Vergabe- und Versteigerungsregeln nach § 61 Abs. 3 und 4 TKG handelt es sich um Verwaltungsakte in der Gestalt von Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 Alt. 1 VwVfG, nämlich um "konkret-generelle" Regelungen, die sich aus einem konkreten Vergabeanlass an einen noch unbestimmten, aber bestimmbaren Personenkreis richten (BVerwG, Urteil vom 17. August 2011 - 6 C 9.10 - BVerwGE 140, 221 Rn. 51; vgl. auch Urteil vom 24. Juni 2020 - 6 C 3.19 - BVerwGE 169, 1 Rn. 15). Denn zum Erlasszeitpunkt dieser Regelungen steht regelmäßig noch nicht fest, welche Telekommunikationsunternehmen an einer Beteiligung an dem Vergabeverfahren interessiert sind und daher von dem Geltungsanspruch des die Vergabe- und Versteigerungsregeln festlegenden Verwaltungsakts erfasst werden (vgl. allgemein zu personenbezogenen Allgemeinverfügungen: BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2021 - 6 C 26.19 - NVwZ 2021, 896 Rn. 27). Daran ändert sich auch dann nichts, wenn das Vergabeverfahren zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - wie hier - bereits durchgeführt worden ist.
Rz. 22
bb) Die Klägerin kann sich jedoch für eine Klagebefugnis hinsichtlich der von ihr beantragten Ergänzungen der in dem Beschluss vom 26. November 2018 geregelten Vergabebedingungen auf die Ermächtigungsgrundlage in § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG stützen. Hierbei handelt es sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts um eine öffentlich-rechtliche Norm, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm auch Diensteanbieter wie die Klägerin als von der Allgemeinheit zu unterscheidenden Personenkreis schützt (vgl. zu dieser Voraussetzung z.B. BVerwG, Urteil vom 21. September 2018 - 6 C 50.16 - BVerwGE 163, 136 Rn. 12).
Rz. 23
Der Hinweis des Verwaltungsgerichts, nach der Rechtsprechung des Senats seien im Anwendungsbereich der Vorschrift des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG öffentliche Interessen sowie private Interessen der Zuteilungsbewerber, nicht aber private Interessen Dritter zu berücksichtigen, greift zu kurz. Die maßgeblichen Erwägungen in dem Urteil des Senats vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - (BVerwGE 144, 284 Rn. 37 f.) betrafen den Drittschutz Störungsbetroffener und können nicht in der vom Verwaltungsgericht angenommenen Weise verallgemeinert werden. Die Auslegung des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG ergibt vielmehr, dass die Norm im Hinblick auf den Zweck der effizienten Frequenznutzung einen drittschützenden Gehalt zu Gunsten von Diensteanbietern aufweist, die für ihre Tätigkeit auf dem Mobilfunk-Endkundenmarkt auf Infrastrukturvorleistungen der im Frequenzvergabeverfahren erfolgreichen Unternehmen angewiesen sind.
Rz. 24
(1) Dem Wortlaut der Vorschrift ist allerdings nicht zu entnehmen, dass die Belange von Diensteanbietern, deren Teilnahme am Mobilfunk-Endkundenmarkt von Infrastrukturvorleistungen der im Frequenzvergabeverfahren erfolgreichen Netzbetreiber abhängt, Bestandteil des normativen Entscheidungsprogramms sind. Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 10. Oktober 2012 zu § 61 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 TKG in der bis 2012 geltenden Fassung (a.F.) hervorgehoben hat, nennt § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG als möglichen Inhalt der Frequenznutzungsbestimmungen lediglich den Versorgungsgrad bei der Frequenznutzung und seine zeitliche Umsetzung. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die ausschließlich öffentliche Interessen wie die Verwirklichung des gesetzlichen Zwecks, flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten (§ 1 TKG) sowie das Regulierungsziel der Wahrung der Nutzer-, insbesondere der Verbraucherinteressen auf dem Gebiet der Telekommunikation nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG betreffen (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 30). Private Interessen einschließlich solcher von Unternehmen, die die zu vergebenden Frequenzen nicht selbst nutzen wollen, sondern lediglich unter Nutzung dieser Frequenzen erbrachte Infrastrukturvorleistungen zur Erbringung von Telekommunikationsdiensten in Anspruch nehmen wollen, werden im Gesetzeswortlaut nicht erwähnt.
Rz. 25
(2) Anders als in dem vom Senat entschiedenen Fall, in dem es um den Schutz solcher Drittbetroffener ging, die Störungen des Rundfunkempfangs durch die spätere Nutzung der zu vergebenden Frequenzen befürchteten, sprechen jedoch Zweck und Systematik des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG in der vorliegenden Fallkonstellation für eine drittschützende Wirkung der Vorschrift im dargelegten Sinne.
Rz. 26
(a) Die Entscheidung, ob und ggf. in welchem Umfang ein Netzbetreiber Diensteanbietern Zugang zu gewähren hat, kann - anders als die Entscheidung über Vorkehrungen, die dem Schutz vor den durch die Nutzung der zu vergebenden Frequenzen möglicherweise verursachten Störungen dienen (dazu BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 31) - nicht auf das spätere Frequenzzuteilungsverfahren verlagert werden, sondern muss grundsätzlich vor der Durchführung des Vergabeverfahrens getroffen werden. Denn für die Berücksichtigung der Belange von Diensteanbietern, die den Zugang zu Vorleistungen der späteren Zuteilungsinhaber erstreben, enthält § 55 TKG keine rechtliche Grundlage. Zwar kann die Frequenzzuteilung zur Sicherung einer effizienten und störungsfreien Nutzung der Frequenzen sowie der weiteren in § 2 TKG genannten Regulierungsziele nach § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG mit Nebenbestimmungen versehen werden. Ist der Zuteilung - wie hier - ein Vergabeverfahren vorgeschaltet (§ 61 TKG), dürfen jedoch grundsätzlich nur solche Verpflichtungen zum Gegenstand von Nebenbestimmungen nach § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG gemacht werden, die bereits vor Durchführung des Vergabeverfahrens in den Vergabebedingungen nach § 61 Abs. 3 Satz 2 TKG geregelt worden sind. Denn insbesondere das Versteigerungsverfahren könnte seinen Zweck, im Interesse einer optimalen Allokation knapper öffentlicher Ressourcen den Marktpreis der Frequenzen zu erzielen (vgl. hierzu Hahn/Hartl/Dorsch, in: Scheurle/Mayen, TKG, 3. Aufl. 2018, § 61 Rn. 12), nicht erfüllen, wenn die (potentiellen) Netzbetreiber die Entscheidung über die Höhe ihrer Gebote in Unkenntnis darüber treffen müssten, ob ihnen auf der nachgelagerten Stufe der Frequenzzuteilung eine Pflicht zur Zulassung von Diensteanbietern auferlegt wird und damit zusätzliche, nicht "eingepreiste" Belastungen entstehen. Ist die Bundesnetzagentur aber aus den dargelegten Gründen rechtlich daran gehindert, im Rahmen der Zuteilung der Frequenzen nach § 55 TKG - ggf. in Form von Nebenbestimmungen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 TKG) - Zugangspflichten aufzuerlegen, die keine Grundlage in den Vergabebedingungen haben, kann den Belangen der durch die spätere Frequenznutzung Betroffenen nur auf der vorgelagerten Ebene der Frequenznutzungsbestimmungen Rechnung getragen werden.
Rz. 27
(b) Dass Diensteanbieter wie die Klägerin in den Schutzbereich des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG einbezogen sind, wird durch die teleologische Auslegung bestätigt. Ziel des Vergabeverfahrens ist nach § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG die Feststellung, welcher oder welche der Antragsteller am besten geeignet sind, die zu vergebenden Frequenzen effizient zu nutzen. Dies korrespondiert mit dem in § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG normierten, auf Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der Rahmenrichtlinie (Richtlinie 2002/21/EG in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2009/140/EG, im Folgenden: RRL) basierenden Regulierungsziel. Die besondere Bedeutung der effizienten Frequenznutzung ergibt sich daraus, dass es sich bei Funkfrequenzen um ein öffentliches Gut handelt, das eine knappe Ressource darstellt (vgl. EuGH, Urteile vom 21. März 2013 - C-375/11 [ECLI:EU:C:2013:185], Belgacom u.a. - Rn. 50 und vom 6. Oktober 2020 - C-443/19 [ECLI:EU:C:2020:798], Vodafone España - Rn. 52). Für die Effizienz der Frequenznutzung sind nicht nur die technischen Gegebenheiten, sondern auch ökonomische Gesichtspunkte maßgebend (Ruthig, in: Fetzer/Scherer/Graulich ≪Hrsg.≫, TKG, 3. Aufl. 2021, § 2 Rn. 27; Gärditz, in: Scheurle/Mayen, TKG, 3. Aufl. 2018, § 2 Rn. 43). Dies bestätigen die Gesetzesmaterialien. Dass mit dem Versteigerungsverfahren als Auswahlverfahren die Effizienz der Frequenznutzung als ein wesentliches Regulierungsziel realisiert werden könne, wird damit begründet, das erfolgreiche Gebot belege typischerweise die Bereitschaft und die Fähigkeit, die zuzuteilende Frequenz im marktwirtschaftlichen Wettbewerb der Dienstleistungsangebote möglichst optimal einzusetzen und sich um eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung der Frequenz zu bemühen. Gleichzeitig diene das frequenzökonomische Auswahlkriterium dem regulierungspolitischen Ziel, den Wettbewerb zu fördern. Um dieses Ziel nachhaltig zu gewährleisten, seien besondere Versteigerungsbedingungen vorgesehen (BT-Drs. 15/2316 S. 80). Die Effizienz der Frequenznutzung ist deshalb grundsätzlich umso höher einzuschätzen, je umfassender trotz der natürlichen Knappheit der Frequenzressource den Regulierungszielen und Regulierungsgrundsätzen nach § 2 TKG und insbesondere dem Belang der Wettbewerbsförderung (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 und 3 sowie Abs. 3 Nr. 3, 4 und 5 TKG) Rechnung getragen werden kann. Dementsprechend verdeutlicht das frequenzökonomische Auswahlkriterium des effizienten Nutzers in § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG, dass der Zweck der Wettbewerbsförderung einer effizienten Frequenznutzung gleichsam immanent ist (vgl. Ludwigs, N&R 2018, 262 ≪266≫). Ob ein Antragsteller i.S.v. § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG geeignet ist, die zu vergebenden Frequenzen effizient zu nutzen, kann deshalb auch davon abhängen, inwieweit er gewährleistet, dass andere Unternehmen ohne eigene Frequenznutzungsrechte durch den Zugang zu entsprechenden Vorleistungsprodukten die Möglichkeit haben, in den Wettbewerb einzutreten und damit zur Auslastung der Netzkapazitäten beizutragen.
Rz. 28
(c) Der aus dem Auswahlkriterium der effizienten Frequenznutzung in dem dargelegten umfassenden Sinne folgenden Annahme einer Schutzwirkung zu Gunsten der Anbieter von Telekommunikationsdiensten steht nicht entgegen, dass der Wortlaut des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG - wie bereits ausgeführt - keine auf diesen Personenkreis bezogenen individualisierenden Merkmale enthält. Denn sowohl das Telekommunikationsgesetz als auch das zugrundeliegende Unionsrecht setzen voraus, dass es sich bei den Diensteanbietern um einen überschaubaren, von der Allgemeinheit zu unterscheidenden Personenkreis handelt, so dass mit § 42 Abs. 2 VwGO unvereinbare "Popularklagen" nichtbetroffener Dritter ausgeschlossen sind. Das Geschäftsmodell, bestimmte von einem Netzbetreiber angebotene Dienste zu Großhandelsbedingungen zu beziehen, um diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung weiterzuvertreiben (sog. Resale), wird in § 21 Abs. 2 Nr. 3 TKG sowie in Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d der Zugangsrichtlinie (Richtlinie 2002/19/EG in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2009/140/EG, im Folgenden: ZRL) als potenziell schutzbedürftig anerkannt. Die wettbewerbsfördernde Wirkung des Resale beruht im Wesentlichen darauf, dass die entsprechenden Anbieter unter Nutzung der nachgefragten Leistungen mit vergleichsweise geringen Kosten neue Produkte herstellen und auf den Markt bringen sowie bei niedrigen Investitionskosten kurzfristig und flächendeckend Telekommunikationsdienstleistungen zu günstigen Preisen anbieten können (BVerwG, Urteile vom 3. Dezember 2003 - 6 C 20.02 - BVerwGE 119, 282 ≪296≫ und vom 12. Juni 2013 - 6 C 10.12 - Buchholz 442.066 § 21 TKG Nr. 3 Rn. 46). Mit ihrer Teilnahme am Wettbewerb auf dem Mobilfunk-Endkundenmarkt tragen die betreffenden Diensteanbieter zugleich zur Auslastung der Netzkapazitäten und damit zur effizienten Frequenznutzung bei. Dies rechtfertigt ihre Einbeziehung in den Schutzbereich des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG.
Rz. 29
(d) Hinzu kommt, dass die von der Bundesnetzagentur nach § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG vor Durchführung eines Vergabeverfahrens zu treffende Entscheidung über die Frequenznutzungsbestimmungen nicht nur die (späteren) Netzbetreiber, sondern auch die Diensteanbieter in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG berühren kann. Denn die zumindest mittelbare Nutzung von Funkfrequenzen ist für die berufliche Tätigkeit im Bereich der Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen auf dem Mobilfunk-Endkundenmarkt unverzichtbar. Die Ausgestaltung und Vergabe der Frequenznutzungsrechte durch die Bundesnetzagentur führt zwar entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dazu, dass es sich bei dem Mobilfunk-Endkundenmarkt um einen staatlich regulierten Markt handelt, der - wie im Bereich der Krankenhausplanung und -finanzierung (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Juni 1990 - 1 BvR 355/86 - BVerfGE 82, 209 ≪227≫ und vom 23. April 2009 - 1 BvR 3405/08 - NVwZ 2009, 977) oder im System des Vertragsarztrechts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. August 2004 - 1 BvR 378/00 - NJW 2005, 273) - durch eine Bedarfsprüfung, die Verteilung staatlicher Investitionsfördermittel oder eine Budgetierung der Gesamtvergütung gekennzeichnet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 3 C 41.10 - Buchholz 418.20 Allgemeines Apothekenrecht Nr. 33 Rn. 19 zum Fehlen dieser Merkmale in Bezug auf den Apothekenmarkt). Durch die Ausgestaltung der Frequenzvergabe nimmt der Staat jedoch entscheidenden Einfluss auf die Möglichkeit des Marktzutritts. Auch in der Literatur wird hervorgehoben, Versteigerungsverfahren führten tendenziell zu höheren Marktzutrittskosten, die einen funktionierenden Wettbewerb erschwerten und etablierte Telekommunikationsunternehmen begünstigten (Ruthig, in: Fetzer/Scherer/Graulich ≪Hrsg.≫, TKG, 3. Aufl. 2021, § 61 Rn. 5 m.w.N.). Ordnet der Staat gleichwohl - in der Annahme, hierdurch die zur effizienten Nutzung der Frequenzen am besten geeigneten Bewerber zu ermitteln - ein solches Verfahren an und schwächt damit zugleich die Marktzutrittschancen der weniger finanzkräftigen Bewerber, muss die Bundesnetzagentur mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG zumindest prüfen, ob Kompensationsmaßnahmen erforderlich sind, die den betroffenen Unternehmen die mittelbare Nutzung der vergebenen Frequenzen und damit den Zugang zum Mobilfunk-Endkundenmarkt ermöglichen. Diese grundrechtlich fundierte Prüfpflicht der Bundesnetzagentur spricht ebenfalls dafür, die einfachgesetzliche Ermächtigungsnorm des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG mit Blick auf ihren Sinn und Zweck so auszulegen, dass sie nicht nur zugunsten der Zuteilungsbewerber, sondern auch der Diensteanbieter drittschützende Wirkung entfaltet.
Rz. 30
b) Die Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht erweist sich jedoch in Bezug auf den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), denn der Klägerin stehen die insoweit geltend gemachten Verpflichtungsansprüche nicht zu. Zwar könnte die von ihr begehrte Auferlegung einer Diensteanbieterverpflichtung einschließlich der damit verbundenen Behinderungs- und Diskriminierungsverbote grundsätzlich auf § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 61 Abs. 6 und § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG als tragfähige Rechtsgrundlage gestützt werden (aa). Dem mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag verfolgten Ziel, die Beklagte zur Aufnahme konkret ausformulierter Regelungen zu verpflichten, steht jedoch die fehlende Spruchreife der Sache im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO entgegen (bb).
Rz. 31
aa) Die von der Klägerin mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag begehrte Diensteanbieterverpflichtung einschließlich der damit verbundenen Behinderungs- und Diskriminierungsverbote könnte grundsätzlich im Rahmen von Frequenznutzungsbestimmungen auferlegt werden.
Rz. 32
(1) Normativer Kern der Ermächtigungsgrundlage für die Auferlegung einer solchen Verpflichtung ist § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG. Die Anordnung eines Vergabeverfahrens nach § 55 Abs. 10 TKG als tatbestandliche Voraussetzungen für den Erlass von Frequenznutzungsbestimmungen liegt hier vor. Mit Beschluss vom 14. Mai 2018 hat die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur über die Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang entschieden. Sie hat gemäß § 55 Abs. 10 TKG angeordnet, dass der Zuteilung der Frequenzen für den drahtlosen Netzzugang in den Bereichen von 1 920 MHz bis 1 980 MHz (Unterband) und von 2 110 MHz bis 2 170 MHz (Oberband) sowie von 3 400 MHz bis 3 700 MHz ein Vergabeverfahren nach § 61 Abs. 1 TKG voranzugehen hat (Entscheidung I), und ferner bestimmt, dass dieses Verfahren als Versteigerungsverfahren nach § 61 Abs. 2 TKG durchgeführt wird (Entscheidung II).
Rz. 33
Der mögliche Gegenstand von Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG erschließt sich - wovon auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen ist - aus dem normativen Zusammenhang mit § 61 Abs. 6 sowie § 60 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 TKG. Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG können grundsätzlich diejenigen Vorgaben enthalten, die auch zum Gegenstand von Inhaltsbestimmungen nach § 60 Abs. 1 Satz 1 TKG oder Nebenbestimmungen gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG gemacht werden können. Dies ergibt sich aus dem normativen Zusammenhang zwischen § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 und Abs. 6 TKG sowie § 60 TKG und zudem aus Anhang B Nr. 7 der Genehmigungsrichtlinie (Richtlinie 2002/20/EG in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2009/140/EG, im Folgenden: GRL), dessen Umsetzung die Regelung des § 61 Abs. 6 TKG ausweislich der Gesetzesmaterialien dient (vgl. BT-Drs. 15/2316 S. 81).
Rz. 34
Die Regelung des § 61 Abs. 6 TKG, wonach Verpflichtungen, die Antragsteller im Lauf eines Versteigerungs- oder Ausschreibungsverfahrens eingegangen sind, Bestandteile der Frequenzzuteilung werden, erfasst alle Verpflichtungen, die der Zuteilungspetent mit seiner Bewerbung um die Frequenzzuteilung bewusst akzeptiert hat. Dies gilt - wie der Senat zu der früheren, noch auf dem Lizenzsystem beruhenden Rechtslage ausgeführt hat - nicht nur für solche Bedingungen, die der Antragsteller selbst angeboten hat, sondern auch für solche, die sich aus den Vergabebedingungen im Sinne von § 61 Abs. 3 Satz 2 TKG ergeben (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 3 Rn. 24). Die Vergabebedingungen haben dann eine unmittelbare rechtsgestaltende Wirkung für die spätere Frequenznutzung der erfolgreichen Bieter (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 31). § 61 Abs. 6 TKG steht seinerseits in einem engen systematischen Zusammenhang mit § 60 TKG. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 TKG sind im Rahmen der Frequenzzuteilung insbesondere die Art und der Umfang der Frequenznutzung festzulegen, soweit dies zur Sicherung einer effizienten und störungsfreien Nutzung der Frequenzen erforderlich ist. Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG kann die Frequenzzuteilung zur Sicherung einer effizienten und störungsfreien Nutzung der Frequenzen sowie der weiteren in § 2 TKG genannten Regulierungsziele mit Nebenbestimmungen versehen werden. Wird der Zuteilung gemäß § 55 Abs. 10 i.V.m. § 61 TKG wegen einer Frequenzknappheit ein Vergabeverfahren vorgeschaltet, müssen die Hauptregelungen und die wesentlichen Nebenbestimmungen, die die Bundesnetzagentur gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 TKG in die Frequenzzuteilung aufzunehmen beabsichtigt, bereits im Rahmen der Frequenznutzungsbestimmungen nach § 60 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG "vorgezogen" werden. Vorgaben, die nach § 60 Abs. 1 und 2 TKG nicht Regelungsteil eines Frequenzzuteilungsbescheids werden können, dürfen in diesen auch nicht über § 61 Abs. 6 TKG als Bestandteile von Frequenznutzungsbestimmungen im Sinne des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG Eingang finden. Nur wenn die Inhalts- und Nebenbestimmungen der späteren Frequenzzuteilungen zumindest in den für den Wert der Frequenzen relevanten Punkten den Frequenznutzungsbestimmungen entsprechen, ist zudem gewährleistet, dass den interessierten Unternehmen eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Teilnahme am Vergabeverfahren zur Verfügung steht, und damit das in § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG genannte Ziel dieses Verfahrens erreicht werden kann, diejenigen Bewerber zu ermitteln, welche am besten geeignet sind, die zu vergebenden Frequenzen effizient zu nutzen. Art und Umfang der späteren Frequenznutzung sowie die wesentlichen Nebenbestimmungen der Frequenzzuteilungsbescheide müssen als Bezugspunkte der im Rahmen des Verfahrens abgegebenen Gebote oder (Verpflichtungs-)Erklärungen der Bewerber feststehen.
Rz. 35
Diese Auslegung der Rechtsgrundlage des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG trägt den unionsrechtlichen Vorgaben Rechnung. Nach Art. 6 Abs. 1 GRL dürfen die Rechte zur Nutzung von Funkfrequenzen nur an die in Teil B des Anhangs der hier noch anwendbaren Genehmigungsrichtlinie - Anh. B GRL - genannten Bedingungen geknüpft werden (vgl. inhaltlich im Wesentlichen entsprechend nunmehr Teil D des Anhangs I der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation ≪ABl. L 321 S. 36, ber. ABl. 2019 L 334 S. 164≫). Der Katalog dieser Bedingungen ist abschließend (EuGH, Urteile vom 4. September 2014 - C-256/13 u.a. [ECLI:EU:C:2014:2149], Belgacom u.a. - Rn. 28 und vom 17. Dezember 2015 - C-517/13 [ECLI:EU:C:2015:820], Proximus - Rn. 29; im Ergebnis auch: BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 - Buchholz 442.066 § 61 TKG Nr. 1 Rn. 21). Die Bedingungen müssen gemäß Art. 6 Abs. 1 GRL nicht diskriminierend, verhältnismäßig und transparent sein und mit Art. 9 RRL in Einklang stehen. Nach Art. 9 Abs. 1 RRL sorgen die Mitgliedstaaten für die effiziente Verwaltung der Funkfrequenzen für elektronische Kommunikationsdienste in ihrem Hoheitsgebiet im Einklang mit den Art. 8 und 8a RRL, also mit den Regulierungszielen und -grundsätzen, wobei sie gebührend berücksichtigen, dass die Funkfrequenzen ein öffentliches Gut von hohem gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Wert sind (Satz 1); sie gewährleisten, dass die Zuteilung von Funkfrequenzen für elektronische Kommunikationsdienste und die Erteilung von Allgemeingenehmigungen oder individuellen Nutzungsrechten für solche Funkfrequenzen durch die zuständigen nationalen Behörden auf objektiven, transparenten, nicht diskriminierenden und angemessenen Kriterien beruhen (Satz 2). Insoweit gehen die sich aus Art. 9 RRL mittelbar ergebenden Anforderungen nicht wesentlich über die direkt in Art. 6 Abs. 1 GRL verankerten Vorgaben der Diskriminierungsfreiheit, Verhältnismäßigkeit und Transparenz hinaus.
Rz. 36
Zu den Bedingungen, die an Frequenznutzungsrechte geknüpft werden können, gehören gemäß Nr. 7 Anh. B GRL Verpflichtungen, die das Unternehmen, das die Nutzungsrechte erwirbt, im Laufe eines auf Wettbewerb oder auf Vergleich beruhenden Auswahlverfahrens eingegangen ist. Wie der Senat - wenn auch im Rahmen eines obiter dictum - bereits früher ausgeführt hat, werden hierdurch nicht nur solche Bedingungen erfasst, die ein Unternehmen selbst angeboten hat, sondern auch solche, die (in einem Ausschreibungsverfahren) aus den Ausschreibungsunterlagen hervorgingen oder (in einem Versteigerungsverfahren) vom Auktionator bekanntgegeben wurden (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 3 Rn. 24). Dass die Verwendung des Wortes "eingegangen" insbesondere unter Berücksichtigung der englischen Fassung ("make a commitment") eine Beschränkung auf solche Verpflichtungen nahelegen soll, die freiwillig im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens von einem Teilnehmer angeboten würden, um eine positive Zuteilungsentscheidung zu erreichen (in diesem Sinne Fetzer, MMR 2018, 63 ≪67≫), ist nicht nachvollziehbar. Das vom Senat zugrunde gelegte weite Verständnis von Nr. 7 Anh. B GRL führt nicht dazu, dass der abschließende Charakter des Katalogs in Anh. B der GRL ausgehebelt würde (so aber Fetzer, MMR 2018, 63 ≪67≫). Denn die in Nr. 1 bis 6 sowie Nr. 8 und 9 Anh. B GRL genannten Bedingungen können grundsätzlich auch ohne die vorherige Durchführung eines Ausschreibungs- oder Versteigerungsverfahrens an die Erteilung individueller Frequenznutzungsrechte, nach deutschem Recht also insbesondere an die Frequenzzuteilung nach § 55 TKG geknüpft werden.
Rz. 37
Die in § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 61 Abs. 6 und Nr. 7 Anh. B GRL enthaltene Ermächtigungsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Diensteanbieterverpflichtung wird nicht durch § 60 Abs. 1 Satz 1 TKG, sondern durch § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG vervollständigt (a.A. im Ergebnis Wagner, CR 2017, 604 ≪606≫). Denn es handelt sich nicht um eine Festlegung von Art und Umfang der Frequenznutzung, also um eine Inhaltsbestimmung der Frequenzzuteilung, sondern um eine Nebenbestimmung in Gestalt einer Auflage i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. Die begehrte Diensteanbieterverpflichtung konkretisiert nicht, wie der Zuteilungsinhaber einer Frequenz diese nutzen kann, sondern legt ihm eine hiervon unabhängige Verpflichtung auf (vgl. Fetzer, MMR 2018, 63 ≪64≫). Demgegenüber bezieht sich § 60 Abs. 1 Satz 1 TKG nach den Gesetzesmaterialien typischerweise auf solche Regelungsbestandteile der Frequenzzuteilung, die technische Parameter oder Nutzungsbeschränkungen im Hinblick auf die Verträglichkeit mit anderen Frequenznutzungen enthalten (vgl. BT-Drs. 15/2316 S. 79 zu § 58 des Gesetzentwurfs).
Rz. 38
(2) Dem Erlass der von der Klägerin mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag begehrten Diensteanbieterverpflichtung im Rahmen von Frequenznutzungsbestimmungen nach § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 61 Abs. 6 und § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG steht nicht entgegen, dass diese Verpflichtung auf die Möglichkeit der Vermarktung "aller" Telekommunikationsdienste und -leistungen des Zuteilungsinhabers im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gerichtet ist und sich somit nicht nur auf die in dem konkreten Verfahren vergebenen Frequenzen in den Bereichen von 2 GHz und 3,4 bis 3,7 GHz bezieht.
Rz. 39
In Bezug auf die in Frequenznutzungsbestimmungen enthaltenen Versorgungspflichten hat der Senat bereits früher entschieden, in § 61 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 TKG a.F., der Vorgängernorm des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG finde sich keine Festlegung dahin, dass ein zur Erreichung der Regulierungsziele notwendiger Versorgungsgrad von dem einzelnen Zuteilungsinhaber gerade durch die konkret zur Vergabe gestellten Frequenzen erreicht werden müsse (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 - Buchholz 442.066 § 61 TKG Nr. 1 Rn. 41). Diese Feststellung lässt sich verallgemeinern und auf Verpflichtungen zur Zulassung von Diensteanbietern übertragen, wie sie die Klägerin als Bestandteil der Frequenznutzungsbestimmungen begehrt.
Rz. 40
Der Gesetzeswortlaut verlangt nicht, dass in Frequenznutzungsbestimmungen nach § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG vorgegebene Verpflichtungen der späteren Zuteilungsinhaber gerade mit den verfahrensgegenständlichen Frequenzen erfüllt werden müssen. Die Gesetzeshistorie deutet darauf hin, dass diese Verpflichtungen einen unternehmens- und keinen frequenzbezogenen Charakter haben sollen. § 61 TKG entspricht im Wesentlichen § 11 TKG 1996 (vgl. BT-Drs. 15/2316 S. 80 sowie Hahn/Hartl/Dorsch, in: Scheurle/Mayen, TKG, 3. Aufl. 2018, § 61 Rn. 2). Nach damaliger Rechtslage setzte die Frequenznutzung zwar ebenfalls eine Frequenzzuteilung voraus (vgl. § 47 TKG 1996), war jedoch zugleich an die Erteilung einer Lizenz im Sinne der §§ 6, 8 TKG 1996 für den Betrieb von Übertragungswegen für Telekommunikationsdienstleistungen geknüpft. Die Lizenzpflicht hatte der Gesetzgeber wegen des vielfach bestehenden Erfordernisses einer einzelfallbezogenen Beschreibung der Verpflichtungen des jeweiligen Lizenznehmers für notwendig gehalten (vgl. BT-Drs. 13/3609 S. 34, 37). Soweit § 11 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 TKG 1996 vorsah, dass die Regulierungsbehörde vor Durchführung des Versteigerungsverfahrens die Lizenzbestimmungen einschließlich des räumlichen Versorgungsgrads bei der Frequenznutzung und seiner zeitlichen Umsetzung sowie die zu beachtenden Frequenznutzungsbestimmungen der künftigen Lizenz bestimmt, handelte es sich im Rahmen dieses Lizenzsystems somit der Sache nach nicht um frequenzbezogene, sondern um tätigkeits- bzw. unternehmensbezogene Pflichten. Nach der Übergangsvorschrift des § 150 Abs. 4 Satz 1 TKG gelten die mit der Vergabe der damals erteilten Frequenznutzungs- und Lizenzrechte verbundenen Rechte und Verpflichtungen fort; dies gilt insbesondere auch für die im Zeitpunkt der Erteilung der Mobilfunklizenzen geltende Verpflichtung, Diensteanbieter zuzulassen (§ 150 Abs. 4 Satz 2 TKG). Der Gesetzgeber ist also davon ausgegangen, dass die in den Lizenzbestimmungen enthaltenen tätigkeits- bzw. unternehmensbezogenen Pflichten einschließlich der Diensteanbieterverpflichtung nach dem Wegfall des Lizenzsystems den zugeteilten Frequenzen zugeordnet werden können.
Rz. 41
Für eine Entkopplung der durch Frequenznutzungsbestimmungen auferlegten Verpflichtungen von den in einem konkreten Verfahren zur Vergabe gestellten Frequenzen spricht ferner die Gesetzessystematik. Denn gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG können Frequenzzuteilungen nicht nur zur Sicherung einer effizienten und störungsfreien Nutzung der Frequenzen, sondern darüber hinaus zur Sicherung der weiteren in § 2 TKG genannten Regulierungsziele mit Nebenbestimmungen versehen und deshalb - wie ausgeführt - auch Frequenznutzungsbestimmungen nach § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG mit einem entsprechenden Inhalt erlassen werden. Der Bundesnetzagentur ist die Befugnis hierzu durch die Änderung des § 60 Abs. 2 TKG im Rahmen der TKG-Novelle im Jahr 2012 zuerkannt worden, damit sie ihrer Aufgabe zur Sicherstellung sämtlicher Regulierungsziele auch im Bereich der Frequenzregulierung umfassend nachkommen kann (BT-Drs. 17/5707 S. 74). Die Wahrnehmung dieser Aufgabe wäre nicht sinnvoll möglich, wenn bei dem Erlass von Frequenznutzungsbestimmungen jeweils nur das von einem konkreten Vergabeverfahren umfasste Frequenzspektrum betrachtet werden dürfte. Eine Beschränkung der auferlegten Verpflichtungen auf die in dem konkreten Verfahren vergebenen Frequenzen stünde deshalb schließlich auch mit dem Zweck des Vergabeverfahrens nicht in Einklang, dem die nach § 61 Abs. 3 Satz 2 TKG zu treffenden Festlegungen dienen und der gemäß § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG auf eine Bestenauslese unter dem Gesichtspunkt der effizienten Nutzung der zu vergebenden Frequenzen unter Berücksichtigung auch der anderen Regulierungsziele des § 2 TKG gerichtet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 31). Hat sich die Auswahl daran auszurichten, dass den Regulierungszielen und Regulierungsgrundsätzen nach § 2 TKG trotz der natürlichen Knappheit der Frequenzressource bestmöglich Rechnung getragen wird, kann hierbei die Bereitschaft und Fähigkeit eines Bewerbers, zur Erfüllung der Auflagen auf andere Frequenzen in seinem Bestand zurückzugreifen, nicht ausgeblendet werden.
Rz. 42
(3) Der auf § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 61 Abs. 6 und § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG gestützte Erlass der von der Klägerin mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag begehrten Diensteanbieterverpflichtung sowie des hiermit verbundenen Behinderungs- und Diskriminierungsverbots ist schließlich nicht wegen einer - in der Präsidentenkammerentscheidung vom 26. November 2018 für möglich gehaltenen (Rn. 491) - Sperrwirkung der Bestimmungen zur Marktregulierung ausgeschlossen. Dabei ist entgegen der Auffassung der Präsidentenkammer (Rn. 490 f., 574 f., 581 und 611 des Beschlusses vom 26. November 2018) auch nicht zwischen Zugangsgewährungspflichten und bloßen Verhandlungsgeboten zu differenzieren.
Rz. 43
Der Gesetzeswortlaut liefert keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Vorschriften über die Marktregulierung - insbesondere § 21 TKG - enthielten hinsichtlich der Auferlegung von Zugangsverpflichtungen eine abschließende Regelung, aus der sich eine Sperrwirkung für entsprechende, nicht an das Vorliegen beträchtlicher Marktmacht geknüpfter Verpflichtungen im Rahmen der Frequenzregulierung ergebe. Den Gesetzgebungsmaterialien kann zwar entnommen werden, dass im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes im Jahr 2004 bewusst keine dem früheren § 4 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) vom 11. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2910) entsprechende Regelung über eine allgemeine Diensteanbieterverpflichtung aufgenommen worden ist. Denn die Einfügung der Vorschrift in die Außerkrafttretensregelung des § 151 Abs. 2 TKG (im Entwurf: § 149 Abs. 2), die erst im Gesetzgebungsverfahren vorgenommen wurde, ist in dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit in der Weise begründet worden, dass die umfassende Resale-Verpflichtung in § 4 TKV mit Blick auf die ausdrücklichen Regelungen über die Zulassung von Diensteanbietern aus Gründen der Rechtsklarheit mit Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgehoben werde (BT-Drs. 15/2679 S. 19). Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass eine Diensteanbieterverpflichtung nur noch im Rahmen der Marktregulierung als eine Form des Netzzugangs Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auferlegt werden dürfe (so aber Fetzer, MMR 2018, 63 ≪65≫). Dem Willen des Gesetzgebers, keine allgemeine Diensteanbieterverpflichtung mehr vorzusehen, sondern ihre Auferlegung im Regelfall von der Feststellung der beträchtlichen Marktmacht abhängig zu machen, läuft es nicht zuwider, wenn Vorschriften mit einem anderen Normzweck wie etwa § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG, Diensteanbieterverpflichtungen auch unabhängig von einer festgestellten Marktbeherrschung ermöglichen (vgl. Trute/Kuhlmann, K&R Beilage 2018, Nr. 1, S. 7; Wagner, CR 2017, 604 ≪606≫).
Rz. 44
Aus der Gesetzessystematik ergibt sich nichts Anderes. Zwar enthält Teil 2 des Telekommunikationsgesetzes ein ausdifferenziertes System einer asymmetrischen Regulierung, dessen zentrales Eingriffskriterium für die Auferlegung von Vorabverpflichtungen einschließlich der Gewährung von Netzzugang im Sinne von § 21 Abs. 1 TKG das der beträchtlichen Marktmacht ist, die in einem formalen Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahren (vgl. §§ 10 ff. TKG) festgestellt werden muss. Dies steht jedoch nicht der Annahme entgegen, dass auf der Grundlage des § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG eine Diensteanbieterverpflichtung als Nebenbestimmung einer Frequenzzuteilung - und damit auch im Rahmen von Frequenznutzungsbestimmungen nach § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG - erlassen werden kann (a.A. Fetzer, MMR 2018, 63 ≪65 f.≫). Auch das Regelungssystem der Marktregulierung weist in Bezug auf die Voraussetzung der beträchtlichen Marktmacht Differenzierungen auf. So geht § 18 Abs. 1 Satz 2 TKG davon aus, dass Betreibern, die den Zugang zu Endnutzern kontrollieren, die gleichen Zugangsverpflichtungen auferlegt werden können wie den Betreibern mit beträchtlicher Marktmacht (vgl. Scherer, in: Fetzer/Scherer/Graulich ≪Hrsg.≫, TKG, 3. Aufl. 2021, § 18 Rn. 9; Hölscher, in: Scheurle/Mayen, TKG, 3. Aufl. 2018, § 18 Rn. 40 f.). Selbst wenn der Verzicht auf das Erfordernis des Vorliegens beträchtlicher Marktmacht für die Auferlegung von Zugangsverpflichtungen danach nur unter besonderen Voraussetzungen gilt (Fetzer, MMR 2018, 63 ≪65 f.≫), zeigt sich, dass das System der Marktregulierung Ausnahmen von dem Grundsatz zulässt, dass Zugangsverpflichtungen nur bei Vorliegen beträchtlicher Marktmacht auferlegt werden können.
Rz. 45
Unabhängig hiervon stehen die Vorschriften über die Marktregulierung mit dem Ziel der Beseitigung der nachteiligen Auswirkungen beträchtlicher Marktmacht im 2. Teil des Telekommunikationsgesetzes und diejenigen über die Regulierung der knappen Ressource der Frequenzen im 5. Teil des Gesetzes mit den jeweils vorgesehenen Ermächtigungen gesetzessystematisch selbständig nebeneinander. Vor diesem Hintergrund führt die Annahme, Zugangsverpflichtungen könnten auf der Grundlage von § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1 und § 61 Abs. 6 TKG erlassen werden, auch nicht zu einem systematischen Widerspruch zu § 2 Abs. 3 Nr. 6 TKG. Diese Bestimmung bezieht sich nur auf regulatorische Vorabverpflichtungen im Sinne des Teils 2 des Telekommunikationsgesetzes, die an die Feststellung beträchtlicher Marktmacht anknüpfen. Hinter diesem Regulierungsgrundsatz steht nach der Gesetzesbegründung die Erwägung, dass die Bundesnetzagentur beim Vorliegen beträchtlicher Marktmacht die Intensität der auferlegten Regulierungsmaßnahmen an die konkrete Marktsituation anzupassen hat (BT-Drs. 17/5707 S. 48). Dieser Gedanke trägt jedoch nicht in Bezug auf solche Verpflichtungen, die - wie Nebenbestimmungen der Frequenzzuteilung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG oder Frequenznutzungsbestimmungen nach § 60 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG - gerade ohne Rücksicht auf die sich wandelnden Marktverhältnisse auferlegt werden (Wagner, CR 2017, 604 ___LT_g_GT___; vgl. auch Trute/Kuhlmann, K&R Beilage 2018, Nr. 1, S. 10).
Rz. 46
Soweit geltend gemacht wird, Wettbewerbserwägungen könnten die Auferlegung von Nebenbestimmungen auf der Grundlage von § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG nicht rechtfertigen, weil nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG das übergeordnete Ziel der Frequenzregulierung die Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung von Frequenzen bleibe (Fetzer, MMR 2018, 63 ≪66≫), ist diese teleologische Erwägung im Ergebnis ebenfalls nicht tragfähig. Zum einen fordert das Gebot der effizienten Frequenznutzung - wie bereits ausgeführt - die möglichst weitgehende Auslastung der Netzkapazitäten auch in wirtschaftlicher Hinsicht, wozu eine Diensteanbieterverpflichtung beitragen kann. Zum anderen hat der Gesetzgeber durch die Aufnahme der "weiteren in § 2 genannten Regulierungsziele" als alternativ genannten Zweck von Nebenbestimmungen in § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG klar zum Ausdruck gebracht, dass die Frequenzzuteilung auch dann mit Nebenbestimmungen versehen werden kann, wenn diese nicht der Sicherung einer effizienten und störungsfreien Nutzung der Frequenzen dienen. Nebenbestimmungen können daher insbesondere auch zum Zweck der Wettbewerbsförderung i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG in eine Frequenzzuteilung aufgenommen werden. Ein Rangverhältnis zwischen den Zwecken, die mit dem Erlass von Nebenbestimmungen nach § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG verfolgt werden dürfen, ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen und sollte durch die gesetzgeberische Entscheidung, mit § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG eine weit gefasste Ermächtigung für die Auferlegung frequenzregulatorischer Nebenbestimmungen zu schaffen (vgl. Ludwigs, N&R 2018, 262 ≪266≫), gerade ausgeschlossen werden.
Rz. 47
Die Annahme einer Sperrwirkung der Bestimmungen zur Marktregulierung lässt sich schließlich nicht auf die unionsrechtlichen Vorgaben stützen. Zwar macht Art. 8 Abs. 2 ZRL die Auferlegung der in Art. 9 bis 13 ZRL genannten Verpflichtungen (einschließlich der sog. Resale-Verpflichtung des Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d ZRL) grundsätzlich davon abhängig, dass der Adressat auf dem betreffenden Markt als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft ist. Wie der Senat bereits früher ausgeführt hat, gilt die Regel, dass derartige Verpflichtungen lediglich marktmächtigen Betreibern auferlegt werden dürfen, jedoch nach Art. 8 Abs. 3 ZRL nur unbeschadet der bereits erwähnten Bedingung Nr. 7 Anh. B GRL, die gemäß Art. 6 Abs. 1 GRL angewandt wird (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 3 Rn. 23).
Rz. 48
bb) Dem von der Klägerin mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag verfolgten Ziel, die Beklagte zur Aufnahme konkret ausformulierter Diensteanbieterverpflichtungen zu verpflichten, steht jedoch die fehlende Spruchreife der Sache im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO entgegen.
Rz. 49
Nach der Rechtsprechung des Senats bringt das Gesetz mit dem Bestimmungsrecht in § 61 Abs. 3 Satz 2 TKG zum Ausdruck, dass der Behörde bei der Festlegung der Vergabebedingungen - nicht auf der Tatbestandsseite, sondern auf der Rechtsfolgenseite der Norm - ein Ausgestaltungsspielraum zusteht, der einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (BVerwG, Urteile vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 - Buchholz 442.066 § 61 TKG Nr. 1 Rn. 15 und vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 38 zu der gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 61 Abs. 4 S. 2 TKG a.F., vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. April 2014 - 1 BvR 2160/11 - NVwZ 2014, 1226 ≪1227≫). Wegen dieses Ausgestaltungsspielraums der Bundesnetzagentur bei der Festlegung der Vergabebedingungen ist im Grundsatz davon auszugehen, dass bei Vorliegen von Verfahrens- oder Abwägungsfehlern nur ein Bescheidungsurteil gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO ergehen kann. Eine abschließende Entscheidung über die mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag von der Klägerin geltend gemachten Verpflichtungsbegehren käme daher nur in Betracht, wenn der Ausgestaltungsspielraum der Bundesnetzagentur auf Null reduziert wäre. Nur wenn sich die Handlungsmöglichkeiten der Bundesnetzagentur zweifelsfrei dahingehend verdichtet hätten, dass jede Entscheidung, die von der von der Klägerin formulierten Regelung abwiche, abwägungsfehlerhaft oder aus anderen Gründen rechtswidrig wäre, könnten der Hauptantrag oder der erste Hilfsantrag Erfolg haben. Das Verwaltungsgericht hat dies - wenn auch rechtsfehlerhaft bereits im Rahmen der Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 12. Mai 2020 - 6 B 53.19 - juris Rn. 10 in dem vorangegangenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren) - im Ergebnis zutreffend verneint. Denn auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen ist es nicht offensichtlich, dass es keine Alternative zu der Aufnahme der von der Klägerin im Einzelnen ausformulierten Regelungen in die durch den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 26. November 2018 festgelegten Frequenznutzungsbestimmungen gibt.
Rz. 50
Selbst wenn im Sinne der Klägerin davon auszugehen wäre, dass die Beklagte ihre gesetzlichen Verpflichtungen zur Gewährleistung einer effizienten und diskriminierungsfreien Frequenznutzung sowie zur Umsetzung der wettbewerberbezogenen Regulierungsziele oder auch zur Erfüllung eines grundrechtlich verbürgten Teilhabeanspruchs der Klägerin nur durch die Aufnahme einer Diensteanbieterverpflichtung in die Frequenznutzungsbestimmungen erfüllen könnte, blieben in Bezug auf die Ausgestaltung dieser Regelung Spielräume. Diese betreffen etwa die Frage einer näheren Bestimmung des begünstigten Personenkreises als Alternative zu den im Hauptantrag der Klägerin allgemein genannten "Anbietern von Telekommunikationsdiensten". Weshalb etwa Unternehmen, die Telekommunikationsdienste über eine eigene Netzinfrastruktur erbringen, oder Betreiber von firmeninternen Telekommunikationsanlagen aus Gründen der effizienten Frequenznutzung oder der Wettbewerbsförderung zwingend in den Kreis der von der Diensteanbieterverpflichtung Begünstigten einbezogen werden müssen, erschließt sich nicht. Ferner ist nicht ersichtlich, weshalb es abwägungsfehlerhaft sein sollte, bestimmte Anforderungen an die Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde der Anbieter aufzustellen. Inhaltliche Beschränkungen des Zugangsanspruchs wie z.B. der Ausschluss der Weitervermarktung als Vorleistungen sind ebenfalls nicht von vornherein abwägungsfehlerhaft.
Rz. 51
Eine Reduzierung des Ausgestaltungsermessens lässt sich auch nicht mit der Erwägung der Klägerin begründen, die mit dem Antrag zu 2. begehrte Frequenznutzungsbestimmung übernehme - bis auf sprachliche Anpassungen - die Diensteanbieterverpflichtung aus den geltenden UMTS-Lizenzen, so dass es sich nur um eine Fortführung des status quo der Diensteanbieter-Regulierung handele. Eine Selbstbindung der Bundesnetzagentur durch eine ständige Verwaltungspraxis (Art. 3 Abs. 1 GG) - sollte eine solche bei der Ausgestaltung von Frequenznutzungsbestimmungen im Rahmen eines Vergabeverfahrens überhaupt eintreten können - scheidet schon deshalb aus, weil sich das normative Umfeld seit der Vergabe der UMTS-Lizenzen, die noch auf der Grundlage des TKG 1996 sowie der außer Kraft getretenen Telekommunikations-Kundenschutzverordnung erfolgt ist, durch das Außerkrafttreten der in § 4 TKV geregelten Diensteanbieterverpflichtung grundlegend geändert hat. Auch in Bezug auf die neben der "Grundverpflichtung" von der Klägerin mit dem Hauptantrag begehrte Aufnahme eines detailliert ausformulierten Behinderungs- und Diskriminierungsverbots ist im Übrigen nicht offensichtlich, dass Regelungsalternativen ausgeschlossen sind.
Rz. 52
2. Hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrags zu 3. ist die Revision unzulässig. Denn da die Klägerin einen Antrag mit diesem Inhalt im erstinstanzlichen Verfahren nicht gestellt hat, handelt es sich um eine in der Revisionsinstanz gemäß § 142 Abs. 1 VwGO unzulässige Klageänderung i.S.d. § 91 VwGO. Selbst wenn der Antrag zu 3. in der Sache auf eine gegenüber dem Haupt- und dem ersten Hilfsantrag reduzierte "Kernverpflichtung" der Beklagten gerichtet sein mag und die Ausgestaltung der Regelung im Einzelnen der Beklagten überlässt, begehrt die Klägerin auch mit diesem Hilfsantrag die Verpflichtung der Beklagten zur Aufnahme einer Regelung mit einem jedenfalls in einzelnen Punkten konkret ausformulierten Inhalt. Da sich die Regelung nicht lediglich als in dem Hauptantrag oder dem ersten Hilfsantrag enthaltenes Minus, sondern als ein aliud darstellt, hat das Verwaltungsgericht bisher keine Gelegenheit gehabt, den nunmehr geltend gemachten weiteren Hilfsantrag zu prüfen.
Rz. 53
3. Soweit die Klage auch hinsichtlich des auf Neubescheidung gerichteten weiteren Hilfsantrags (Revisionsantrag zu 4.) abgewiesen worden ist, hat die Revision mit der Maßgabe Erfolg, dass das vorinstanzliche Urteil insoweit aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Soweit das Verwaltungsgericht die Klage auch hinsichtlich dieses Hilfsantrags als unzulässig abgewiesen hat, weil die streitgegenständliche Präsidentenkammerentscheidung nicht in der insoweit vorausgesetzten Weise teilbar sei, verletzt das vorinstanzliche Urteil revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (a). Ob die Abweisung der Klage sich auch in Bezug auf diesen Hilfsantrag dennoch jedenfalls im Ergebnis als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann im Revisionsverfahren nicht abschließend entschieden werden (b).
Rz. 54
a) Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts ist auch der mit dem (jetzigen) Antrag zu 4. gestellte Neubescheidungsantrag, den die Klägerin in der Vorinstanz als zweiten Hilfsantrag gestellt hatte, unzulässig. Dabei bedürfe keiner Entscheidung, ob der Klägerin auch insoweit die erforderliche Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO fehle. Denn die Unzulässigkeit dieses Antrags ergebe sich daraus, dass die streitgegenständliche Präsidentenkammerentscheidung nicht in der insoweit vorausgesetzten Weise teilbar sei. Diese Annahme verstößt gegen revisibles Prozessrecht. Denn wie der Senat bereits im Beschluss vom 12. Mai 2021 (6 B 53.19), mit dem die Revision der Klägerin zugelassen worden ist, ausgeführt hat, hat das Verwaltungsgericht das mit dem Antrag verfolgte Rechtsschutzziel der Klägerin verkannt und hierdurch die Pflicht zur sachgemäßen Auslegung von Anträgen und Prozesserklärungen (§ 88 VwGO) sowie das rechtliche Gehör verletzt. Der Klägerin ging es erkennbar um eine Verpflichtung der Beklagten zumindest zur Neubescheidung ihres Antrags auf Aufnahme einer Diensteanbieterverpflichtung. Mit Blick darauf hat sie die Aufhebung der Präsidentenkammerentscheidung der Sache nach in dem Umfang begehrt, der erforderlich ist, um die beantragte Verpflichtung zu erreichen. Soweit in der Formulierung "unter Aufhebung der insoweit entgegenstehenden Regelungen in Ziff. III.4.15" lediglich das Ziel einer Teilaufhebung zum Ausdruck kommt, hat dies für die Festlegung des Klagebegehrens der Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage keine konstitutive Bedeutung.
Rz. 55
b) Ob sich das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts gleichwohl auch in Bezug auf diesen Hilfsantrag jedenfalls im Ergebnis als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann im Revisionsverfahren nicht abschließend entschieden werden. Zwar kann sich die Klägerin auch für den Neubescheidungsantrag aus den dargelegten Gründen auf § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG als drittschützende Norm berufen und ist daher auch insoweit klagebefugt. In der Sache kann der Senat jedoch, ausgehend von den Maßstäben, die bei der gerichtlichen Überprüfung auf der Grundlage von § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG erlassener Frequenznutzungsbestimmungen anzulegen sind (aa), nicht abschließend beurteilen, ob die Entscheidung der Präsidentenkammer, zu Gunsten der Diensteanbieter eine bloße Verhandlungspflicht mit dem in Ziffer III.4.15 des Beschlusses vom 26. November 2018 geregelten Inhalt statt einer zwingenden Zugangsverpflichtung aufzuerlegen, mit revisiblem Recht in Einklang steht und deshalb ein Anspruch der Klägerin auf Neubescheidung ausscheidet. Zwar ist die getroffene Diensteanbieterregelung hinreichend bestimmt (bb). Es kann jedoch auf der Grundlage der vorliegenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts weder ausgeschlossen werden, dass ein Verstoß gegen die gültigen Verfahrensbestimmungen vorliegt (cc), noch dass die Abwägung wegen einer faktischen Vorfestlegung fehlerhaft ist (dd).
Rz. 56
aa) Bei der gerichtlichen Kontrolle der Ausfüllung des der Bundesnetzagentur auf der Rechtsfolgenseite der Ermächtigungsnorm des § 61 Abs. 3 Satz 2 TKG eingeräumten Ausgestaltungsspielraums orientiert sich der Senat an den Kriterien, die er bei der Überprüfung von (tatbestandlichen) Beurteilungsspielräumen anlegt (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 6 C 40.10 - Buchholz 442.066 § 61 TKG Nr. 1 Rn. 15 f.; vgl. auch Urteil vom 23. März 2011 - 6 C 6.10 - BVerwGE 139, 226 Rn. 37 f. zu den Regeln für die Durchführung des Versteigerungsverfahrens nach § 61 Abs. 4 TKG). Die Ausübung eines regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums ist zunächst - wie bei derartigen behördlichen Letztentscheidungsrechten generell - daraufhin zu überprüfen, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat. Besteht - wie im vorliegenden Fall der Festlegung von Vergabebedingungen - das Erfordernis einer Abwägung widerstreitender Ziele und sonstiger Belange der Regulierung, ist darüber hinaus zu prüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat (Abwägungsausfall), in die Abwägung an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste (Abwägungsdefizit), die Bedeutung der betroffenen Belange nicht verkannt worden ist (Abwägungsfehleinschätzung) und der Ausgleich zwischen ihnen zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange nicht außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität). Da maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle des regulierungsrechtlichen Beurteilungsspielraums allein die Begründung der Behördenentscheidung ist, prüft das Gericht, ob die Bundesnetzagentur im Hinblick auf die Kriterien, die in den relevanten Rechtsnormen ausdrücklich hervorgehoben oder doch angelegt sind, plausibel und erschöpfend argumentiert hat (BVerwG, Urteile vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 33 ff., vom 17. August 2016 - 6 C 50.15 - BVerwGE 156, 75 Rn. 24 und vom 29. März 2017 - 6 C 1.16 - BVerwGE 158, 301 Rn. 32).
Rz. 57
bb) Die in Ziffer III.4.15 der Präsidentenkammerentscheidung getroffene Diensteanbieterregelung ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht mangels Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit rechtlich unzulässig.
Rz. 58
Nach § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitsgebot verlangt, dass der Adressat in die Lage versetzt wird, zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 - BVerwGE 166, 45 Rn. 10 m.w.N.). Bei der Konkretisierung der Bestimmtheitsanforderungen kann auch Entscheidungsspielräumen Rechnung zu tragen sein, die sich aus den Grundrechten des Adressaten des Verwaltungsakts ergeben (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335 ≪338 f.≫ in Bezug auf Baugebote). Ferner kann es unter Bestimmtheitsaspekten zulässig sein, dass die Behörde im Verwaltungsakt zunächst nur das Ziel eines Gebots festlegt, von der Bestimmung des Mittels jedoch absieht bzw. dieses dem Betroffenen überlässt (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1983 - 7 C 41.80 - NVwZ 1984, 724 ≪725≫ in Bezug auf eine immissionsschutzrechtliche Anordnung). Hiervon ausgehend weisen die Tatbestandsmerkmale der in Ziffer III.4.15 des Beschlusses vom 26. November 2018 festgelegten Diensteanbieterregelung unter Berücksichtigung insbesondere der Begründung des Beschlusses vom 26. November 2018 und des Verständnisses vergleichbarer, normativ vorgegebener Verhandlungspflichten einen hinreichend bestimmten Inhalt auf.
Rz. 59
(1) Die Verhandlungspflicht der Zuteilungsinhaber besteht zum einen nur gegenüber "geeigneten" Diensteanbietern. Nach der Begründung der Präsidentenkammerentscheidung müssen nicht jedem Interessenten Kapazitäten gewährt werden. Soweit im Einzelfall eine Zusammenarbeit unzumutbar sei oder der Zuteilungsinhaber befürchte, dass der Diensteanbieter die Kapazitäten für sachfremde Zwecke verwenden könnte, soll die Zusammenarbeit verweigert, beendet oder vertraglich eingeschränkt werden können (Rn. 534 des Beschlusses vom 26. November 2018). Als ein Grund für die Unzumutbarkeit dürften etwa technische Schwierigkeiten bei der Zusammenschaltung anzusehen sein. Dies folgt daraus, dass sich nach der Begründung im Wesentlichen nur Unternehmen auf das Verhandlungsgebot stützen können, die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Mobilfunkdienste anbieten und hierbei nicht über eigene Mobilfunknetz-Infrastruktur verfügen. Unternehmen mit eigenen Netzbestandteilen ("Mobile Virtual Network Operators", MVNO) seien zwar dem Wortlaut des § 3 Nr. 6 TKG nach erfasst, jedoch besonders zu behandeln. Die Anbindung eines MVNO an das Netz eines Zuteilungsinhabers sei - z.B. mit Blick auf die physische Verbindung der Netze - mit hohen Anforderungen verbunden. Dies könne - insbesondere bei einer potenziellen Vielzahl von MVNO - zu hohen Belastungen der Zuteilungsinhaber führen und potenziell Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Zuteilungsinhabers betreffen (Rn. 496 f. des Beschlusses). Aus diesen Ausführungen folgt, dass der Begriff der "geeigneten" Diensteanbieter i.S.d. Ziffer III.4.15 grundsätzlich nur Unternehmen erfasst, die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Mobilfunkdienste anbieten und deren Zugangsbegehren keine zusätzlichen Anpassungsmaßnahmen zur Anbindung von Netzbestandteilen voraussetzen oder aus vergleichbaren Gründen zu erhöhten Belastungen für den betreffenden Zuteilungsinhaber führen.
Rz. 60
(2) Gegenstand der in Ziffer III.4.15 des Beschlusses festgelegten Verhandlungspflicht der Zuteilungsinhaber ist die "Mitnutzung von Funkkapazitäten". Hiermit ist die Inanspruchnahme von Vorleistungsprodukten gemeint, die der Zuteilungsinhaber mittels seiner eigenen Netzinfrastruktur erstellt. Denn die bereitzustellenden Kapazitäten sollen nicht auf bestimmte Dienste, Funktechniken oder Anwendungen beschränkt werden (Ziffer III.4.15 Satz 2 Halbs. 2 des Beschlusses). Nach der Begründung der Präsidentenkammerentscheidung soll den begünstigten Diensteanbietern vielmehr der Zugang zu "Kapazitäten für Mobilfunkdienste" umfassend und unter Beachtung der Grundsätze der Technologie- und Diensteneutralität ermöglicht werden (Rn. 494 des Beschlusses). Diensteanbieter sollen folglich nicht auf ein bloßes Reselling von Diensten der Zuteilungsinhaber beschränkt sein, sondern eigene Endkundenprodukte entwickeln können.
Rz. 61
(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind auch die konkreten Verhaltensgebote hinreichend deutlich erkennbar, die sich im Einzelnen aus der in Ziffer III.4.15 Satz 1 des Beschlusses vom 26. November 2018 festgelegten Verpflichtung der Zuteilungsinhaber ergeben, mit geeigneten Diensteanbietern über die Mitnutzung von Funkkapazitäten zu "verhandeln". Der Inhalt der Verhandlungspflicht erschließt sich nicht nur aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch aus der Vorgabe der Diskriminierungsfreiheit in Satz 2 der Regelung sowie der vergleichenden Betrachtung der Ausgestaltung von Verhandlungspflichten sowohl im Telekommunikationsrecht als auch in der übrigen Rechtsordnung.
Rz. 62
(a) Der Begriff des "Verhandelns" enthält sowohl eine objektive, handlungsbezogene als auch eine subjektive, zielbezogene Komponente. Zu dem - äußerlich wahrnehmbaren - Vorgang der Erörterung, Besprechung bzw. Beratung muss die Absicht hinzukommen, eine Einigung zu erzielen. Hierbei handelt es sich um eine innere Tatsache, deren Vorliegen sich in der Regel nur im Wege des Rückschlusses aus äußeren Anhaltspunkten feststellen lässt. Dabei müssen die Gesamtumstände und insbesondere auch das konkrete Verhalten des jeweils anderen Beteiligten in den Blick genommen werden. Als Indizien für einen Einigungswillen des Verpflichteten kommt etwa der Umstand in Betracht, dass er dem Wunsch nach Aufnahme von Verhandlungen zeitnah nachkommt und diese zügig durchführt, ein Vertragsangebot vorlegt, das inhaltlich auf eine konkrete Nachfrage des anderen Beteiligten eingeht, oder zumindest partiell Änderungswünsche des nachfragenden Beteiligten akzeptiert. Weitere Anhaltspunkte für die vorhandene Absicht, eine Einigung zu erzielen, können darin zu sehen sein, dass keine offensichtlich unangemessenen Bedingungen und Entgelte gefordert werden und im Fall des Scheiterns der Verhandlungen die gegen den Vertragsschluss sprechenden Gründe im Einzelnen überprüfbar dargelegt werden. Die in Ziffer III.4.15 der angefochtenen Entscheidung festgelegte Pflicht zum Verhandeln enthält nach alledem keinen Kontrahierungszwang in dem Sinne, dass mit jedem Zugangsnachfrager ein Vertrag geschlossen werden muss. Vielmehr muss eine Auswahlentscheidung des Verpflichteten möglich bleiben. Die Verhandlungspflicht umfasst jedoch das Verbot, die Mitnutzung von Funkkapazitäten grundsätzlich zu verweigern, oder Bedingungen und Entgelte zu fordern, die offensichtlich unangemessen sind. Schließlich muss der in Anspruch genommene Netzbetreiber einen sachlichen Grund benennen können, wenn er keinen Zugang gewährt. Es gilt der allgemeine Maßstab von Treu und Glauben.
Rz. 63
Dieses Verständnis des Inhalts der Verhandlungspflicht liegt auch der Begründung der Präsidentenkammerentscheidung zugrunde. Darin wird klargestellt, dass ein Abschluss- und Kontrahierungszwang mit der Verhandlungspflicht nicht verbunden sei. Zuteilungsinhaber könnten daher nicht verpflichtet werden, mit jedem Interessenten sowie ungeachtet der jeweiligen Bedingungen einen Vertrag abzuschließen. Allerdings beinhalte das Verhandlungsgebot das Ziel, in privatautonomen Verhandlungen einen Vertragsschluss zu erreichen. Ohne einen intendierten Vertragsschluss wäre ein Verhandlungsgebot gegenstandslos und nicht geeignet, die Regulierungsziele des TKG zu fördern (Rn. 502 des Beschlusses). Die Präsidentenkammer unterstreicht somit die subjektive, zielbezogene Komponente der Verhandlungspflicht und lässt lediglich offen, anhand welcher Kriterien der geforderte Einigungswille der Zuteilungsinhaber ggf. festzustellen ist.
Rz. 64
(b) Der Inhalt der Verhandlungspflicht wird ferner durch Ziffer III.4.15 Satz 2 Halbs. 1 des Beschlusses vom 26. November 2018 konkretisiert. Danach sollen die Verhandlungen "diskriminierungsfrei" sein. In der Begründung der Präsidentenkammerentscheidung wird diese Vorgabe dahingehend erläutert, dass sich Zuteilungsinhaber bei Verhandlungen nicht willkürlich verhalten sollten und auf Verlangen der Bundesnetzagentur transparent Auskunft über den Verhandlungsverlauf zu geben hätten (§ 127 TKG). Die diskriminierungsfreien Verhandlungen sollten dazu führen, dass für beide Verhandlungsparteien zumutbare Bedingungen vereinbart würden, die nicht einseitig benachteiligend seien. So solle beispielsweise ausgeschlossen werden, dass gegenüber geeigneten Diensteanbietern Verhandlungen über Mitnutzungen - auch bezogen auf einzelne Produkte und Technologien - schlechterdings verweigert, missbräuchlich geführt oder nachgefragte Leistungen an unbillige Konditionen geknüpft werden (Rn. 498 des Beschlusses). Als unbillige Vertragskonditionen dürften nach der Begründung der Präsidentenkammerentscheidung z.B. Regelungen anzusehen sein, durch die der Zuteilungsnehmer einen Diensteanbieter ausschließlich oder unverhältnismäßig lang an sich bindet und dessen Freiheit einschränkt, Neukunden über ein anderes Mobilfunknetz zu versorgen oder Bestandskunden in ein anderes Mobilfunknetz zu migrieren (Rn. 520 des Beschlusses). Auf der anderen Seite weist die Präsidentenkammer darauf hin, dass Zuteilungsinhaber nicht zu einer Gleichbehandlung i.S.d. § 19 TKG verpflichtet würden. So müsse einem Mobilfunknetzbetreiber z.B. das Recht zu vorstoßendem Wettbewerb beim Vertrieb seines Produktes zuerkannt werden, solange die Diensteanbieter die Chance hätten, diesen Wettbewerbsvorsprung wieder einzuholen und somit kein dauerhaftes Alleinstellungsmerkmal des Mobilfunknetzbetreibers entstehe (Rn. 500 des Beschlusses). Insgesamt bleibt die Vorgabe der Diskriminierungsfreiheit nach Ziffer III.4.15 Satz 2 Halbs. 1 der Präsidentenkammerentscheidung damit hinter dem allgemeinen Missbrauchs- und Diskriminierungsverbot des § 42 TKG zurück, das es einem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht verwehrt, die Bedingungen des Zugangs zu Leistungen für Unternehmen, die gleichartige Dienste erbringen, unter den gleichen Umständen anders auszugestalten als für sich selbst.
Rz. 65
(c) Weder im Telekommunikationsrecht (aa) noch im allgemeinen Wettbewerbsrecht (bb) sind Verhandlungspflichten ungewöhnlich oder in ihrem rechtlichen Gehalt unklar.
Rz. 66
(aa) Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 ZRL sind Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze berechtigt und auf Antrag von hierzu befugten Unternehmen verpflichtet, über die Zusammenschaltung zwecks Erbringung der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste zu verhandeln, um die gemeinschaftsweite Bereitstellung von Diensten sowie deren Interoperabilität zu gewährleisten. Der Gerichtshof der Europäischen Union setzt voraus, dass der Inhalt dieser Verhandlungspflicht unter Berücksichtigung allgemeiner Wertungsgrundsätze ("Treu und Glauben") hinreichend bestimmbar ist. So kann ein Verstoß gegen die in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 ZRL vorgesehene Verhandlungspflicht vorliegen, wenn ein Vertragsschluss zu einseitigen Bedingungen angeboten wird, die geeignet sind, die Entwicklung eines wettbewerbsorientierten Marktes auf Endverbraucherebene zu behindern, weil diese Bedingungen die Kunden des anderen Unternehmens daran hindern, dessen Dienste zu nutzen (EuGH, Urteil vom 12. November 2009 - C-192/08 [ECLI:EU:C:2009:696], TeliaSonera Finland Oyj. - Rn. 55).
Rz. 67
(bb) Der Bundesgerichtshof hat die hinreichende Bestimmtheit von Verhandlungsgeboten in seiner Rechtsprechung zu kartellbehördlichen Verfügungen bei Verstößen gegen das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 GWB) ebenfalls nicht in Frage gestellt. Hierbei ist er von den sich aus § 37 Abs. 1 VwVfG ergebenden Anforderungen ausgegangen. So sei z.B. eine Verfügung des Bundeskartellamts, mit der einem Pharmagroßhandelsunternehmen untersagt worden war, sich zu weigern, Importarzneimittel "nach großhandelsüblichen Bedingungen" zu beziehen, unter Bestimmtheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Das betroffene Unternehmen verstoße gegen die Verfügung nur, wenn es sich überhaupt weigere, solche Verträge abzuschließen, oder wenn es in den Verhandlungen seinem Partner Bedingungen stelle, die nicht mehr als großhandelsüblich bezeichnet werden könnten (BGH, Beschluss vom 21. Februar 1995 - KVR 11/94 - juris Rn. 12). In einem anderen Fall hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass selbst solche kartellbehördlichen Verfügungen, die sich auf das Verbot beschränken, einen Zugangsanspruch überhaupt zu verneinen, hinreichend bestimmt sein können. Dem Verbot der Zugangsverweigerung könne das verpflichtete Unternehmen entweder durch die Aufnahme von Verhandlungen oder die Unterbreitung eines Angebots nachkommen. Es bleibe damit erforderlichenfalls einem weiteren kartellbehördlichen Verfahren oder auch einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung vorbehalten, zu klären, ob letztlich angebotene Bedingungen tatsächlich angemessen seien oder nicht (BGH, Beschluss vom 24. September 2002 - KVR 15/01 - BGHZ 152, 84 ≪88 f.≫ - Fährhafen Puttgarden I). Verhandlungsgebote sind nach Ansicht des Bundesgerichtshofs gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie den Freiraum des Gebotsadressaten nicht mehr als notwendig einengen. Könne ein beanstandeter Missbrauch durch unterschiedliche vertragliche Gestaltungen oder sonstige Maßnahmen abgestellt werden, dürften dem marktbeherrschenden Unternehmen die Zugangsbedingungen regelmäßig nicht vorgeschrieben werden. Die Kartellbehörde habe sich dann darauf zu beschränken, die unternehmerische Grundsatzentscheidung zu korrigieren und die Einzelheiten der Beziehung den Verhandlungen und der Einigung der Parteien zu überlassen. Sie dürfe den Rahmen für die Vertragsgestaltung durch das betroffene Unternehmen und seinen Vertragspartner nicht stärker einschränken, als dies durch den Zweck, den Missbrauch zu beseitigen, vorgegeben sei (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2012 - KVR 7/12 - NJW 2013, 1095 Rn. 30 - Puttgarden II; vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. November 1994 - KVR 29/93 - BGHZ 128, 17 ≪24 f.≫ - Gasdurchleitung).
Rz. 68
(d) Das in Ziffer III.4.15 des Beschlusses vom 26. November 2018 festgelegte Verhandlungsgebot verfehlt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deshalb die Bestimmtheitsanforderungen, weil es als Grundlage für Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung ungeeignet wäre.
Rz. 69
(aa) Verstöße gegen das Verhandlungsgebot kann die Bundesnetzagentur, worauf die Begründung der Präsidentenkammerentscheidung zutreffend hinweist (Rn. 505 des Beschlusses vom 26. November 2018), auf der Grundlage des § 126 TKG unter Festsetzung eines Zwangsgelds untersagen. In bestimmten Fällen kann sie auch kurzfristig vorläufige Maßnahmen ergreifen. Zwar ist es ihr verwehrt, ein Verhandlungsergebnis bzw. den Abschluss eines konkreten Diensteanbietervertrages zu erzwingen. Sie kann jedoch an die Verpflichtung anknüpfen, Verhandlungen nach Treu und Glauben zu führen, und mit Maßnahmen nach § 126 TKG darauf reagieren, wenn der Vertragsschluss ohne sachliche Begründung grundsätzlich verweigert wird oder unangemessene Bedingungen oder Entgelte gefordert werden, die objektiv wie eine Weigerung zu bewerten sind. Eine auf § 126 Abs. 2 TKG gestützte aufsichtliche Anordnung, die gemäß § 137 Abs. 1 TKG sofort vollziehbar wäre und ggf. auch mit der Androhung eines Zwangsgelds verbunden werden könnte (§ 126 Abs. 5 TKG i.V.m. § 6 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 1 und 2 VwVG), könnte etwa in der Anordnung liegen, sich zu dem abgelehnten Zugangsbegehren eines Diensteanbieters inhaltlich zu äußern und gegebenenfalls die Gründe darzulegen, die einem Vertragsschluss entgegenstehen. Wird der Abschluss von Zugangsvereinbarungen ohne Rücksicht auf die Modalitäten generell verweigert, kann die Bundesnetzagentur dem Verpflichteten aufgeben, dem Diensteanbieter die wesentlichen Bedingungen für eine Vereinbarung zu nennen. Kommt ein Vertragsschluss deshalb nicht zustande, weil der Zuteilungsinhaber objektiv unangemessene Bedingungen oder Entgelte fordert, die dem Diensteanbieter das Angebot wettbewerbsfähiger Endkundenprodukte unmöglich machen würden, kann die Bundesnetzagentur zwar keine konkreten Vertragsmodalitäten oder Entgelte anordnen, dem Zuteilungsinhaber jedoch aufgeben, ein modifiziertes Angebot vorzulegen. Dieses Vorgehen kann ggf. wiederholt werden, falls auch das modifizierte Angebot objektiv unangemessene Bedingungen oder Entgelte enthält. Führt die Dauer dieses Verfahrens dazu, dass einem Diensteanbieter der Zugang zu den benötigten Vorleistungsprodukten vorläufig versperrt bleibt und legt der Anbieter dar, dass hierdurch die wettbewerbsfähige Fortsetzung seiner Tätigkeit auf dem relevanten Endkundenmarkt erheblich gefährdet wird, kann die Bundesnetzagentur zur Durchsetzung der Verhandlungspflicht, auf § 126 Abs. 4 Satz 1 TKG gestützt, als ultima ratio auch die vorübergehende Zugangsgewährung und die hierfür anzuwendenden Bedingungen und Entgelte anordnen.
Rz. 70
(bb) Darüber hinaus ist in den hier in den Blick zu nehmenden Fällen grundsätzlich § 133 TKG anwendbar. Diese Vorschrift hat in Umsetzung von Art. 20, 21 RRL die Funktion einer generalklauselartigen Auffangnorm für eine umfassende Streitbeilegungskompetenz der Bundesnetzagentur (Gurlit, in: Säcker ≪Hrsg.≫, TKG-Kommentar, 3. Aufl. 2013, § 133 Rn. 1; Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, 3. Aufl. 2018, § 133 Rn. 3). Gegen die Anwendung des Streitbeilegungsverfahrens in den Fällen von Verstößen gegen das Verhandlungsgebot bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Bei der in Ziffer III.4.15 des Beschlusses vom 26. November 2018 festgelegten Verpflichtung der Zuteilungsinhaber, mit geeigneten Diensteanbietern über die Mitnutzung von Funkkapazitäten diskriminierungsfrei zu verhandeln, handelt es sich um eine Verpflichtung aufgrund des Telekommunikationsgesetzes, nämlich des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 i.V.m. § 61 Abs. 6 sowie § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG. In Bezug auf die Streitigkeiten zwischen Diensteanbietern und Frequenzzuteilungsinhabern über die Erfüllung der Verhandlungspflicht tritt § 133 TKG auch nicht hinter eine andere gesetzliche Regelung zurück. Denn wenn ein Unternehmen mit einem Antrag gegenüber der Bundesnetzagentur die Verletzung eigener subjektiver Rechte geltend macht, hat § 126 TKG jedenfalls keinen Vorrang vor § 133 TKG (BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 3 Rn. 26).
Rz. 71
Das Streitbeilegungsverfahren kann bei einem angenommenen Verstoß eines Zuteilungsinhabers gegen die in Ziffer III.4.15 Satz 1 der Präsidentenkammerentscheidung festgelegte und gegebenenfalls im Rahmen einer Nebenbestimmung zur Frequenzzuteilung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 TKG umgesetzte Verhandlungspflicht durch den Antrag eines betroffenen Diensteanbieters eingeleitet werden. Der Antrag wäre darauf zu richten, dass die Bundesnetzagentur die die Erfüllung der Verhandlungspflicht betreffende Streitigkeit durch den Erlass einer bestimmt bezeichneten Maßnahme schlichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 6 C 47.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 3 Rn. 19). Da ein Kontrahierungszwang durch Ziffer III.4.15 der Präsidentenkammerentscheidung nicht begründet wird, wäre zwar ein Antrag unzulässig, der darauf gerichtet ist, den Abschluss eines Vertrages bestimmten Inhalts aufzugeben. Erst recht könnte ein Diensteanbieter nicht verlangen, dass ein solcher Vertrag - wie bei einer Zusammenschaltungsanordnung nach § 25 TKG (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 24.15 - BVerwGE 156, 59 Rn. 36; ebenso zur früheren Rechtslage nach § 37 TKG 1996: BVerwG, Urteil vom 31. März 2004 - 6 C 11.03 - BVerwGE 120, 263 ≪267 f.≫) - unmittelbar privatrechtsgestaltend angeordnet wird (vgl. zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Rechtswirkung der Streitbeilegungsentscheidung: Gurlit, in: Säcker ≪Hrsg.≫, TKG-Kommentar, 3. Aufl. 2013, § 133 Rn. 19 f.). In Betracht kommt aber etwa die Anordnung, überhaupt in Verhandlungen mit dem nachfragenden Diensteanbieter einzutreten oder ein modifiziertes Angebot vorzulegen. Letztlich haben es die betroffenen Diensteanbieter selbst in der Hand, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles konkrete Handlungspflichten der Zuteilungsinhaber, die sich aus dem Verhandlungsgebot ergeben, zum Gegenstand eines Antrags nach § 133 Abs. 1 Satz 1 TKG zu machen und damit die "Schiedsrichterfunktion" der Bundesnetzagentur einzufordern.
Rz. 72
cc) Im Revisionsverfahren kann jedoch auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht abschließend geklärt werden, ob die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur bei dem Erlass des Beschlusses vom 26. November 2018 die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat.
Rz. 73
Zwar bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bundesnetzagentur die bei der Festlegung der Vergabebedingungen gemäß § 61 Abs. 3 Satz 2 TKG einzuhaltenden Verfahrensschritte nicht beachtet haben könnte. Die gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 TKG zuständige Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur hat am 13. Juli 2018 die nach § 135 Abs. 3 Satz 1 TKG im Regelfall erforderliche mündliche Verhandlung durchgeführt und entsprechend § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, § 132 Abs. 4 Satz 3 und § 120 Nr. 2 TKG im Benehmen mit dem Beirat der Bundesnetzagentur entschieden. Vor und nach Erstellung des Konsultationsentwurfs vom 24. September 2018 hat die Präsidentenkammer entsprechend dem in § 61 Abs. 1 Satz 1 TKG vorgesehenen Erfordernis einer Anhörung der betroffenen Kreise, das sich auch auf die Festlegung der Vergabebedingungen bezieht (vgl. Göddel/Geppert, in: Geppert/Schütz ≪Hrsg.≫, Beck'scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 61 Rn. 7; Sörries, in: Säcker ≪Hrsg.≫, TKG, 3. Aufl. 2013, § 61 Rn. 15) den interessierten Unternehmen Gelegenheit zu schriftlichen Stellungnahmen gegeben.
Rz. 74
Ein Verfahrensverstoß läge indes dann vor, wenn der Präsident der Bundesnetzagentur und Vorsitzende der Präsidentenkammer an der streitgegenständlichen Entscheidung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht hätte mitwirken dürfen (1) oder es im Verwaltungsverfahren zu einem Verstoß gegen die durch Art. 3 RRL unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde gekommen wäre (2). Dies erscheint im Hinblick auf die von der Revision geltend gemachten Anhaltspunkte nicht von vornherein ausgeschlossen und bedarf deshalb der Aufklärung durch das Tatsachengericht.
Rz. 75
(1) Die Revision macht geltend, der Präsident der Bundesnetzagentur und Vorsitzende der Präsidentenkammer hätte an der streitgegenständlichen Entscheidung wegen bestehender Besorgnis der Befangenheit nicht mitwirken dürfen. Anlass zu Misstrauen in seine Unparteilichkeit gebe seine Teilnahme an dem vom Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur am 12. Juli 2018 veranstalteten so genannten Mobilfunkgipfel. Im Anschluss an den Gipfel, an dem lediglich die Mobilfunknetzbetreiber, nicht jedoch Diensteanbieter hätten teilnehmen können, habe die Bundesnetzagentur anders als zuvor nur noch ein Verhandlungsgebot befürwortet. Aus dem Wortlaut der Gipfelerklärung ergebe sich ein "Deal" zwischen Politik und Netzbetreibern, den die Bundesnetzagentur umgesetzt habe. Danach habe mit "investitionsfördernden Rahmenbedingungen" der 5G-Frequenzvergabe die Bereitschaft der Netzbetreiber zum 4G-Netzausbau gefördert werden sollen. Hierzu habe der Verzicht auf die Diensteanbieterverpflichtung gezählt. Über die 5G-Vergabemodalitäten sei folglich außerhalb des dafür bestimmten Verwaltungsverfahrens verhandelt worden. Der Präsident der Bundesnetzagentur habe wegen seiner Teilnahme an dem Gipfel nicht mehr mit der gebotenen Distanz, Unbefangenheit und Objektivität gegenüber den Belangen aller Marktteilnehmer, also auch der Diensteanbieter, entscheiden können.
Rz. 76
Ob die Mitglieder der Präsidentenkammer oder einer anderen Beschlusskammer der Bundesnetzagentur daran gehindert sind, an einer Entscheidung dieses Kollegiums mitzuwirken, richtet sich nach den Regelungen der §§ 20, 21 VwVfG. Da die Beschlusskammern als unselbständige Organisationseinheiten innerhalb der Bundesnetzagentur Ausschüsse i.S. von § 88 VwVfG sind, bedarf es für den Ausschluss eines Mitglieds gemäß § 21 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 4 VwVfG einer konstitutiven Entscheidung der Kammer über den Ausschluss (Gurlit, in: Säcker ≪Hrsg.≫, TKG-Kommentar, 3. Aufl. 2013, vor § 132 Rn. 4, 11 f.). Unterbleibt - wie hier - eine solche Entscheidung, können die Beteiligten den Einwand, es habe ein Ausschussmitglied mitgewirkt, bei dem die Besorgnis der Befangenheit bestehe, im Zusammenhang mit der Anfechtung der Endentscheidung geltend machen (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 20 Rn. 52; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 20 Rn. 54). Ein Grund im Sinne des § 21 Abs. 1 VwVfG, der geeignet ist, Misstrauen gegen die unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, liegt vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen für die Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht nicht aus (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2016 - 9 A 4.15 - Buchholz 407.4 § 17a FStrG Nr. 12 Rn. 26).
Rz. 77
Die Teilnahme des Präsidenten der Bundesnetzagentur an dem zuvor vom Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur veranstalteten Mobilfunkgipfel konnte eine solche Besorgnis zwar nicht ohne weiteres rechtfertigen. Da die Veranstaltung die Förderung des 4G-Netzausbaus mit dem Ziel der Schließung von Versorgungslücken durch die vorhandenen Mobilfunknetzbetreiber betraf, unterschied sie sich thematisch von dem zeitlich parallel geführten und durch den streitgegenständlichen Beschluss der Präsidentenkammer vom 26. November 2018 abgeschlossenen Verfahren über die Festlegung der Vergabebedingungen für die für den Ausbau von 5G-Infrastrukturen besonders geeigneten Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,4 bis 3,7 GHz. Die Veranstaltungsteilnahme des Präsidenten der Bundesnetzagentur als Leiter der zuständigen Regulierungsbehörde hielt sich zudem im Rahmen von deren gesetzlichen Aufgaben, die sich allgemein auf die Förderung leistungsfähiger Telekommunikationsinfrastrukturen erstrecken (vgl. § 1 TKG).
Rz. 78
Die thematische Trennung zwischen dem Mobilfunkgipfel zum 4G-Netzausbau auf der einen Seite und den - hier verfahrensgegenständlichen - Regeln für die Vergabe der Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,4 bis 3,7 GHz auf der anderen Seite wird indes durch die Ausführungen in der Gemeinsamen Erklärung zum Mobilfunkgipfel relativiert, die Eingang in die Verfahrensakten gefunden hat. Danach haben Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände auf Initiative des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur mit den CEOs der Deutschen Telekom, der Vodafone Deutschland und der Telefónica Deutschland gemeinsam Maßnahmen vereinbart, mit denen insbesondere die letzten Versorgungslücken in den besiedelten Gebieten weitgehend geschlossen werden können. Dazu soll "die Investitionstätigkeit der Mobilfunkunternehmen unterstützt und gefördert werden". Ferner wird ausgeführt, dass sich die Mobilfunknetzbetreiber bereiterklären, "bei investitionsfördernden Rahmenbedingungen" Versorgungslücken in besiedelten Gebieten zu schließen, die nach einer Erfüllung der geltenden Versorgungsauflagen verbleiben. Es erscheint nicht fernliegend, dass mit dem Hinweis auf die investitionsfördernden Rahmenbedingungen eine Verbindung zu der Ausgestaltung der Regeln für die Vergabe der für 5G-Infrastrukturen besonders geeigneten Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,4 bis 3,7 GHz hergestellt werden sollte.
Rz. 79
Gegen eine strikte Trennung beider Komplexe spricht auch das von der Klägerin vorgelegte "Vorbereitungspapier des BMVI zu Knackpunkten der Gemeinsamen Erklärung zum Mobilfunkgipfel". Darin wird festgehalten, dass die Mobilfunknetzbetreiber im Gegenzug zum Ausbau in den weißen Flecken investitionsfördernde Rahmenbedingungen gefordert hätten, die im Rahmen des parallel laufenden Frequenzvergabeverfahrens festgelegt werden sollten. Konkret hätten sie unter anderem eine Abkehr von einer Diensteanbieterverpflichtung gefordert. Zwar enthält das genannte Vorbereitungspapier zugleich die Klarstellung, dass über diese Fragen letztendlich die Bundesnetzagentur als zuständige unabhängige Regulierungsbehörde entscheide und diese Aspekte daher aus rechtlichen Erwägungen nicht Gegenstand der Verhandlungen sein könnten und sollten. Jene Klarstellung wird jedoch wiederum dadurch abgeschwächt, dass es in dem Papier weiter heißt, die Bundesnetzagentur habe informell angedeutet, eine allen Interessen Rechnung tragende ausgewogene Entscheidung dieser Behörde könnte den Forderungen der Mobilfunknetzbetreiber in einem vertretbaren Maß Rechnung tragen. Unter anderem wäre eine reine Verhandlungspflicht auf kommerzieller Basis mit dem Vorbehalt denkbar, nachträglich eine Diensteanbieterverpflichtung aufzuerlegen, sollte das auf Freiwilligkeit basierende Regime nicht ausreichen. Dass die als Abschlussdokument veröffentlichte Gemeinsame Erklärung hierauf nicht eingeht, der Präsident der Bundesnetzagentur die Erklärung nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten auch nicht mitunterzeichnet hat und zudem im Verwaltungsvorgang mehrfach festgehalten wird, dass die auf dem Gipfel getroffenen Ergebnisse die Präsidentenkammerentscheidung mit ihren Abwägungen nicht präjudizieren dürften, kann jedenfalls den äußeren Anschein einer im Rahmen des Mobilfunkgipfels abgestimmten thematischen Verknüpfung zwischen dem 4G-Netzausbau auf der einen Seite und dem Vergabeverfahren für die Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,4 bis 3,7 GHz auf der anderen Seite nicht vollständig entkräften.
Rz. 80
Ob für die Klägerin und andere Diensteanbieter aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen bei vernünftiger Würdigung aller Umstände die Besorgnis nicht auszuschließen war, der Präsident der Bundesnetzagentur werde wegen seiner Teilnahme an dem Mobilfunkgipfel in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden, hängt vor diesem Hintergrund letztlich von der Tatsachenfrage ab, wie sich der Präsident der Bundesnetzagentur zu möglichen Einflussnahmeversuchen des BMVI verhalten und welche Erklärungen er im Rahmen des Mobilfunkgipfels gegenüber dem BMVI und den Netzbetreibern abgegeben hat. Hierzu bedarf es einer - bisher vollständig unterbliebenen - Sachverhaltsermittlung durch das Verwaltungsgericht.
Rz. 81
(2) Darüber hinaus ist zu klären, ob es aufgrund von Einflussnahmeversuchen des BMVI zu einem Verstoß gegen die durch Art. 3 RRL unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur als nationaler Regulierungsbehörde gekommen ist.
Rz. 82
Anlass für die Prüfung dieser Frage gibt bereits der sich aus den Verfahrensakten ergebende Umstand, dass der Präsident und der Vizepräsident der Bundesnetzagentur am 18. Oktober 2018 an einer Besprechung mit den Bundesministern B., A. und S. sowie dem Staatssekretär G. im BMVI teilgenommen haben, deren Thema das Zurückbleiben der in dem Konsultationsentwurf vom 24. September 2018 vorgesehenen Versorgungsverpflichtungen hinter den Zielvorstellungen des Koalitionsvertrags der die Bundesregierung tragenden Parteien war. In der Besprechung wurde eine - offenbar zuvor von Seiten der Ministerien verfasste - Ausarbeitung mit dem Titel "Fünf-Punkte-Plan zur Sicherstellung der KoaV-Ziele im Bereich Mobilfunk" verteilt. Ausweislich der Akten hat der Präsident der Bundesnetzagentur eine ergebnisoffene Prüfung der Punkte zugesagt (vgl. Protokollnotiz des Vizepräsidenten Dr. E. vom 18. Oktober 2018 mit anliegendem "Fünf-Punkte-Plan zur Sicherstellung der KoaV-Ziele im Bereich Mobilfunk", VV Bl. 13520 ff.). In den Verfahrensakten gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Präsidentenkammer jedenfalls die in dem Fünf-Punkte-Plan enthaltenen Vorschläge zu der längsten Frist - Ende 2024 - für die Erfüllung der Versorgungsverpflichtungen für Bundesstraßen und Landesstraßen unter Bezugnahme auf diesen Plan in die Ziffern III.4.5 und III.4.6 des Beschlusses vom 26. November 2018 aufgenommen hat (vgl. das Positionspapier "Kernpunkte Präsidentenkammerentscheidung III und IV" vom 2. November 2018, VV Bl. 13753, 13756). Eine solche Verbindung könnte auch für die Vorgabe einer Latenz von nicht mehr als 10 ms in den Versorgungsverpflichtungen für Bundesautobahnen und Bundesstraßen nach den Ziffern III.4.4 und III.4.5 des Beschlusses bestehen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Präsidentenkammer mit dieser Verfahrensweise konkreten Weisungen der Bundesregierung nachgekommen ist. Schon wegen des bei der Festlegung der Vergabebedingungen bestehenden Erfordernisses einer komplexen Gesamtabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36. 11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 37 f.) könnte sich dies auch auf die Ausgestaltung der Diensteanbieterregelung ausgewirkt haben.
Rz. 83
Verstärkt werden die sich bereits aus den Verfahrensakten ergebenden Anhaltspunkte für eine möglicherweise unzulässige Einflussnahme auf die Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Vergaberegeln durch die von der Revision vorgelegten weiteren Unterlagen aus dem Bereich des BMVI. Hierzu gehört insbesondere der Sprechzettel zur Vorbereitung eines Gesprächs des Bundesministers S. mit dem Präsidenten und Vizepräsidenten der Bundesnetzagentur am 3. September 2018. Dort wird unter anderem ausgeführt: "Ich sage es in aller Deutlichkeit: Ich bitte Sie einen Weg zu finden, dass Ende September im Konsultationsentwurf ambitioniertere Auflagen (insb. hinsichtlich Versorgungsauflagen und Kooperationsanreizen) zur Anhörung gestellt werden. Dies schließt auch ein, dass der Konsultationsentwurf keine Regelungen enthalten darf, die zu Überschneidungen mit den im Rahmen des Mobilfunkgipfels in Aussicht gestellten Erschließungszusagen führen (...). Bitte sehen Sie sich deshalb die Vorschläge (s. Anlage 1) [an], wie aus Sicht meines Hauses ein politisch vertretbares und nach unseren Erkenntnissen auch wirtschaftlich machbares Niveau für die Versorgungsauflagen (inkl. Kooperationsanreizen) aussehen könnte." In einem weiteren Sprechzettel für ein Gespräch des Bundesministers S. mit dem Chef des Bundeskanzleramtes B. und dem Bundesminister A. am 11. Oktober 2018 heißt es: "Wir müssen allerdings schnell agieren und unseren 'Optimierungskatalog' schnellstmöglich an BNetzA übergeben. Zudem sollten wir von Präs H. einfordern, dass die Umsetzung dieser Punkte durch die BNetzA in enger Abstimmung mit unseren Fachabteilungen vorgenommen wird. Insofern hielte ich auch die Ankündigung eines 'Kontrolltermins' Anfang November für angezeigt".
Rz. 84
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann der Inhalt der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht als im Revisionsverfahren unbeachtliches Tatsachenvorbringen qualifiziert werden. Wegen der Bindung an die von der Vorinstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist es dem Revisionsgericht zwar grundsätzlich verwehrt, den nach Maßgabe des angefochtenen Urteils vorgefundenen Tatsachenstoff durch eigene Tatsachenerhebungen zu erweitern. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz indes in der Annahme der Unzulässigkeit der Klage bisher überhaupt keine Tatsachenwürdigung in Bezug auf mögliche Verfahrensverstöße vorgenommen. Da die Annahme der Unzulässigkeit der Klage - wie ausgeführt - revisibles Recht verletzt, kann das Revisionsgericht ohnehin allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen davon absehen, die Sache zur Nachholung der zur Subsumtion unter die einschlägigen Normen erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zurückzuverweisen. Für die revisionsgerichtliche Prüfung, ob sich die vorinstanzliche Entscheidung im Ergebnis als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), ist vielmehr maßgeblich, ob auch bei unterstelltem Vorliegen der von der Klägerin geltend gemachten Tatsachen die Klage keinen Erfolg gehabt hätte und das Verwaltungsgericht daher, hätte es die Klage nicht als unzulässig abgewiesen, keinen Anlass gehabt hätte, die geltend gemachten tatsächlichen Umstände aufzuklären.
Rz. 85
Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die auf das laufende Vergabeverfahren bezogene Vorgehensweise des BMVI, für die sich aus den Verfahrensakten sowie den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen mehrere Anhaltspunkte ergeben, das unionsrechtliche Gebot der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde verletzt hat. Nach Art. 3 Abs. 3a Unterabs. 1 Satz 1 RRL handeln die für die Vorabregulierung des Marktes oder für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen nach Art. 20 oder 21 RRL zuständigen nationalen Regulierungsbehörden unabhängig und holen im Zusammenhang mit der laufenden Erfüllung der ihnen nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts übertragenen Aufgaben weder Weisungen ein noch nehmen sie solche entgegen. Fachaufsichtliche Einzelweisungen, die Regulierungsentscheidungen beeinflussen können, sind hiernach nicht zulässig. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass Art. 3 Abs. 3a RRL fachliche Einzelweisungen nicht nur in Bezug auf Entscheidungen der Regulierungsbehörde ausschließt, die in einem eng verstandenen Sinne die Vorabregulierung des Markts betreffen. Vielmehr erstreckt sich der Anwendungsbereich der Vorschrift auf sämtliche Entscheidungen, die die Regulierungsbehörde im Rahmen der ihr durch Art. 8 bis 13 RRL zugewiesenen Regulierungsaufgaben trifft und zu denen nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 RRL auch die Vergabe von Funkfrequenzen für elektronische Kommunikationsdienste gehört (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-560/15 [ECLI:EU:C:2017:593], Persidera - Rn. 54 f.).
Rz. 86
Soweit nach Art. 3 Abs. 3a Unterabs. 1 Satz 2 RRL eine Aufsicht im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht nicht ausgeschlossen ist, ist bislang nicht geklärt, wie weit dieser Vorbehalt reicht. Teilweise werden hierunter Maßnahmen der Rechtsaufsicht (vgl. Mayen, in: Scheurle/Mayen ≪Hrsg.≫, TKG, 3. Aufl. 2018, § 116 Rn. 16) oder darüber hinaus auch fachaufsichtliche Maßnahmen verstanden, die verfassungsrechtlich geboten sind und keine Rückwirkung auf Regulierungsentscheidungen haben (vgl. Ruffert/Schmidt, in: Säcker ≪Hrsg.≫, TKG, 3. Aufl. 2013, § 116 Rn. 18 ff., § 117 Rn. 3). Dass eine Maßnahme der Gewährleistung flächendeckend angemessener und ausreichender Dienstleistungen (Art. 87f Abs. 1 GG) dient, reicht vor dem Hintergrund des weiten Verständnisses, das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Bezug auf die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden geboten ist (vgl. zu den energierechtlichen Richtlinien: EuGH, Urteile vom 11. Juni 2020 - C-378/19 [ECLI:EU:C:2020:462], Prezident Slovenskej republiky - Rn. 32 f., 50 ff. und vom 2. September 2021 - C-718/18 [ECLI:EU:C:2021:662], Kommission./. Bundesrepublik Deutschland - Rn. 108, 123 ff.), ersichtlich nicht aus.
Rz. 87
Wo genau die Grenze zwischen noch zulässigen und unzulässigen Einflussnahmen verläuft, lässt sich angesichts der Vielgestaltigkeit der möglichen Fallkonstellationen kaum abstrakt bestimmen und bedürfte gegebenenfalls einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union. Grundsätzlich dürfte allerdings davon auszugehen sein, dass eine Weisung das unionsrechtliche Gebot der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde umso eher verletzt, je weiter sie sich von den Merkmalen einer allgemeinen politischen Rahmenvorgabe entfernt und je detaillierter sie konkrete Entscheidungsinhalte vorgibt. Bei der Beurteilung, ob eine unzulässige fachaufsichtliche Einzelweisung vorliegt, ist ferner zu berücksichtigen, wie die Regulierungsbehörde auf eine an sie gerichtete Forderung reagiert hat. Deswegen dürfte es hilfreich sein, den Umgang mit Einflussnahmeversuchen im Verwaltungsvorgang zu dokumentieren.
Rz. 88
Vor diesem Hintergrund bedarf es zunächst jedenfalls einer Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts und einer tatrichterlichen Beurteilung der tatsächlichen Umstände durch das Verwaltungsgericht. An die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen anknüpfend wird hierbei insbesondere zu ermitteln sein, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Präsident der Bundesnetzagentur mit den in den gesprächsvorbereitenden Sprechzetteln für den Bundesminister S. zum Ausdruck kommenden Forderungen und Vorhaltungen des BMVI konfrontiert worden ist und wie er hierauf im Einzelnen reagiert hat. Auf dieser Grundlage wird das Verwaltungsgericht zu würdigen haben, ob die Grenze zu einer nach Art. 3 Abs. 3a Unterabs. 1 Satz 1 RRL unzulässigen fachaufsichtlichen Einzelweisung überschritten worden ist.
Rz. 89
dd) Schließlich kann im Revisionsverfahren auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch nicht abschließend entschieden werden, ob die der Präsidentenkammerentscheidung zugrunde liegende Abwägung fehlerfrei ist.
Rz. 90
In Bezug auf das Regulierungsermessen hat der Senat in ständiger Rechtsprechung in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Planungsermessen einen Abwägungsfehler angenommen, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat - Abwägungsausfall -, in die Abwägung nicht an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste - Abwägungsdefizit -, die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden ist - Abwägungsfehleinschätzung - oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht - Abwägungsdisproportionalität - (BVerwG, Urteile vom 2. April 2008 - 6 C 15.07 - BVerwGE 131, 41 Rn. 47 und vom 21. September 2018 - 6 C 50.16 - BVerwGE 163, 136 Rn. 43 und - 6 C 8.17 - BVerwGE 163, 181 Rn. 45). Ausgehend von diesen Prüfungsschritten, die entsprechend auf den der Bundesnetzagentur im Rahmen der Entscheidung über die Vergaberegeln nach § 61 Abs. 3 Satz 2 TKG zustehenden Ausgestaltungsspielraum übertragbar sind, liegt hier jedenfalls kein Abwägungsausfall vor (1). Auch sind die wesentlichen abwägungserheblichen Belange mit zutreffendem Gewicht in die Abwägung eingestellt worden (2) und das Abwägungsergebnis ist als solches nicht zu beanstanden (3). Hingegen lässt sich im Revisionsverfahren mangels tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob gleichwohl ein Abwägungsdefizit unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Vorfestlegung besteht (4).
Rz. 91
(1) Die Präsidentenkammer hat eine Abwägung von Regulierungszielen und sonstigen Belangen vorgenommen. Insbesondere ist kein - zumindest partieller - Abwägungsausfall aus dem von der Klägerin geltend gemachten Grund anzunehmen, für das Entscheidungsergebnis sei die unzutreffende Annahme der Präsidentenkammer maßgeblich gewesen, einer Diensteanbieterverpflichtung stehe schon die Sperrwirkung der Marktregulierung entgegen. Zwar kann die unzutreffende Annahme einer zwingenden rechtlichen Vorgabe des Entscheidungsergebnisses zu einem Abwägungsausfall führen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2009 - 6 C 39.07 - Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 3 Rn. 40). In der Begründung des angefochtenen Beschlusses wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, die in den Stellungnahmen zum Konsultationsentwurf kontrovers behandelte Rechtsfrage, ob weitergehende Auflagen in Bezug auf Roaming oder Diensteanbieter den Bereich der §§ 19 oder 21 TKG berühren würden und sich hieraus eine Sperrwirkung ergäbe, könne mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung der Auflage dahinstehen (Rn. 491 des Beschlusses). Die Präsidentenkammer hat damit zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Abwägungsentscheidung unabhängig von der Frage der Sperrwirkung der Marktregulierung getroffen hat. Diesem Befund stehen auch weder die von der Klägerin in diesem Zusammenhang erwähnten öffentlichen Verlautbarungen des Präsidenten sowie des Vizepräsidenten der Bundesnetzagentur noch die internen Bewertungen in früheren Verfahrensstadien entgegen, nach denen es keine Rechtsgrundlage für einen Kontrahierungszwang gebe. Denn nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ist für die Prüfung, ob Abwägungsfehler vorliegen, allein die Begründung der Behördenentscheidung maßgebend (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. November 2011 - 6 C 11.10 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 5 Rn. 40; vom 25. September 2013 - 6 C 13.12 - BVerwGE 148, 48 Rn. 35 und vom 21. September 2018 - 6 C 50.16 - BVerwGE 163, 136 Rn. 43 sowie - 6 C 8.17 - BVerwGE 163, 181 Rn. 45). Auf möglicherweise abweichende Rechtsansichten, die innerhalb der Behörde vertreten werden oder die an der Entscheidung beteiligte Personen außerhalb des Verfahrens äußern, kommt es daher grundsätzlich nicht an.
Rz. 92
(2) Die Präsidentenkammer hat in Bezug auf die Aufnahme der Diensteanbieterregelung in die Frequenznutzungsbestimmungen auch die für die Entscheidung erheblichen Belange rechtlich zutreffend und vollständig berücksichtigt.
Rz. 93
Die Präsidentenkammer hat zunächst die maßgeblichen öffentlichen Belange, insbesondere die Regulierungsziele und -grundsätze (§ 2 Abs. 2 und 3 TKG) vollständig in den Blick genommen (Rn. 508 ff. des Beschlusses). Die Diensteanbieterregelung soll zum einen dazu dienen, die Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung von Frequenzen nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG zu fördern. Daneben wird der Zweck der Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs und der Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte der Telekommunikation nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG verfolgt. Die Diensteanbieterregelung soll dazu beitragen, dass der Wettbewerb auf der Diensteebene erhalten bleibt und gefördert wird. Weiter werden die Wahrung der Nutzer-, insbesondere der Verbraucherinteressen auf dem Gebiet der Telekommunikation nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG sowie - hiermit zusammenhängend - die Erbringung des größtmöglichen Nutzens für den Nutzer in Bezug auf Auswahl, Preise und Qualität (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 2 TKG) als Ziele der Diensteanbieterregelung genannt. Relevanz erlangt damit auch der Regulierungsgrundsatz des § 2 Abs. 3 Nr. 3 TKG, wonach die Bundesnetzagentur den Wettbewerb zum Nutzen der Verbraucher schützt. Zudem wird die Förderung des Allgemeininteresses an flächendeckenden ausreichenden Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation (Art. 87f GG) hervorgehoben. Als diesen Belangen partiell gegenläufig hat die Präsidentenkammer das Regulierungsziel der Beschleunigung des Ausbaus hochleistungsfähiger Telekommunikationsnetze der nächsten Generation gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG in den Blick genommen (Rn. 527 des Beschlusses).
Rz. 94
Als relevante private Belange werden in der Begründung der Präsidentenkammerentscheidung zu Recht die Privatautonomie sowie die Berufsfreiheit genannt (Rn. 537 f. des Beschlusses). Vergabebedingungen, die - wie hier - im Rahmen von Frequenznutzungsbestimmungen nach § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 TKG den Zugriff auf Frequenzen als Grundlage für die berufliche Tätigkeit als Telekommunikationsunternehmen an die Verpflichtung knüpfen, mit geeigneten Diensteanbietern über die Mitnutzung von Funkkapazitäten zu verhandeln, sind als Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zu qualifizieren (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. April 2014 - 1 BvR 2160/11 - NVwZ 2014, 1226 Rn. 20 f. zu Vergabebedingungen i.S.v. § 61 Abs. 3 Nr. 1 TKG). Ferner ist auch die Vertragsfreiheit und damit die grundrechtlich gewährleistete Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) berührt. Dass im Zusammenhang mit den abwägungsrelevanten privaten Belangen der Netzbetreiber das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) in der Begründung des Beschlusses vom 26. November 2018 nicht ausdrücklich erwähnt wird, führt nicht zu einem Abwägungsdefizit. Zwar ist der Schutzbereich des Art. 14 GG eröffnet, da die Diensteanbieterregelung auch die Mitnutzung bereits früher zugeteilter Frequenzen sowie der auf dieser Grundlage errichteten technischen Infrastruktur erfasst. Allerdings ergeben sich hieraus keine weitergehenden Abwehrrechte, die nicht bereits aus Art. 12 Abs. 1 GG folgen. Anders als das Verwaltungsgericht hat die Präsidentenkammer auch nicht verkannt, dass sie in ihre Entscheidung die individuellen Belange der Diensteanbieter einbeziehen musste. Dies ergibt sich aus ihrer Bewertung, die Diensteanbieterregelung sei geeignet, die grundrechtlich geschützten Interessen der Zuteilungsinhaber auf der einen sowie der Diensteanbieter auf der anderen Seite zu einem schonenden Ausgleich zu bringen (Rn. 537 des Beschlusses). Vertiefender Ausführungen bedurfte es jedoch wegen des weitgehenden inhaltlichen Gleichlaufs mit den maßgeblichen öffentlichen Belangen nicht, insbesondere den Regulierungszielen der Sicherstellung einer effizienten Frequenznutzung (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG), der Wettbewerbsförderung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) und der Wahrung der Nutzer- und Verbraucherinteressen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG).
Rz. 95
Der Begründung der Entscheidung lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die Präsidentenkammer die in die Abwägung einzustellenden Belange fehlerhaft gewichtet haben könnte. Sie hat in der Erhaltung des Dienstewettbewerbs ein wichtiges Gemeinschaftsgut gesehen, das im Hinblick auf die Regulierungsziele der Sicherstellung einer effizienten Frequenznutzung (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG), der Wettbewerbsförderung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) und der Wahrung der Nutzer- und Verbraucherinteressen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG) auch einen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Zuteilungsinhaber grundsätzlich rechtfertigt. Dabei ist sie von den plausiblen Annahmen ausgegangen, dass die Zuteilungsinhaber mit den Frequenzen ein knappes Gut von besonders hohem volkswirtschaftlichem Wert erhalten (Rn. 254 des Beschlusses), dass der Marktzutritt nicht frei ist, weil es nur einer beschränkten Zahl von Unternehmen auf dem Markt möglich ist, selbst Frequenzen zu erwerben (Rn. 492 des Beschlusses), und dass die möglichst optimale Ausschöpfung des ökonomischen Potenzials der knappen Frequenzressource voraussetzt, dass möglichst viele Endnutzer die Möglichkeit haben, auf die durch die Frequenzen bereitgestellten Dienste zuzugreifen (Rn. 511 des Beschlusses). Die Einschätzung, ohne eine regulatorische Absicherung bestehe das Risiko, dass Diensteanbieter in der Zukunft keine wettbewerbsfähigen Konditionen erhalten (Rn. 517 f. des Beschlusses), ist vor dem Hintergrund der durch die Frequenzknappheit hervorgerufenen Abhängigkeit der Anbieter von den Vorleistungsprodukten der Netzbetreiber nachvollziehbar. Deshalb entspricht es einer sachgerechten Gewichtung der genannten Regulierungsziele, dass die Präsidentenkammer das Ziel verfolgt hat, zu verhindern, dass die unabhängigen Diensteanbieter mit ihrem legitimen Geschäftsmodell aus dem Markt ausscheiden oder aufgrund unzureichender Angebote seitens der Mobilfunknetzbetreiber in ihrer Wettbewerbsfähigkeit geschwächt werden und sich der Wettbewerb zunehmend auf die drei (bisherigen) Mobilfunknetzbetreiber sowie deren Vertriebswege konzentriert (Rn. 519 des Beschlusses). Die Präsidentenkammer hat auf der anderen Seite auch nicht das Gewicht des Regulierungsziels der Beschleunigung des Ausbaus hochleistungsfähiger Telekommunikationsnetze der nächsten Generation vernachlässigt. Die Erhaltung der Investitionsfähigkeit der Zuteilungsinhaber wird ausdrücklich als Voraussetzung für den Netzausbau hervorgehoben (Rn. 528 des Beschlusses). Insoweit verweist die Präsidentenkammer darauf, eine Diensteanbieterregelung könne, so etwa im Fall von Kooperationen zwischen Diensteanbietern und Zuteilungsinhabern in einer bestimmten Region, sogar einen Anreiz setzen (Rn. 513 f. des Beschlusses). Das Ausmaß der mit der Diensteanbieterregelung verbundenen Beeinträchtigung der individuellen Interessen der Zuteilungsinhaber wird in der Begründung des angefochtenen Beschlusses ebenfalls hinreichend konkret in den Blick genommen. So wird insbesondere das Recht auf vorstoßenden Wettbewerb beim Vertrieb eigener Produkte hervorgehoben (Rn. 500, 526 des Beschlusses). Auch das Interesse der Zuteilungsinhaber, besondere Belastungen zu vermeiden, die durch die physische Verbindung mit ihren Netzen entstehen oder ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betreffen, hebt die Präsidentenkammer hervor (Rn. 497 des Beschlusses).
Rz. 96
(3) Das Ergebnis der Abwägung ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Die Präsidentenkammer hat den Ausgleich zwischen den betroffenen Belangen in einer Weise vorgenommen, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange nicht außer Verhältnis steht. Insbesondere ist sie zu Recht davon ausgegangen, dass die Aufnahme der Verhandlungspflicht in Ziffer III.4.15 der angefochtenen Entscheidung eine Maßnahme darstellt, die geeignet (a) und erforderlich (b) ist, um die Regulierungsziele der Sicherstellung einer effizienten Frequenznutzung (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG), der Wettbewerbsförderung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) und der Wahrung der Nutzer- und Verbraucherinteressen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG) zu erreichen, und im Hinblick auf die grundrechtlich geschützten Belange der Netzbetreiber auch nicht unangemessen ist (c).
Rz. 97
(a) Zu Unrecht bestreitet die Klägerin die vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorausgesetzte Geeignetheit der Verhandlungspflicht zur Erreichung der genannten Regulierungsziele. Die für die Geeignetheit erforderliche Bestimmtheit der in Ziffer III.4.15 der angefochtenen Präsidentenkammerentscheidung getroffenen Diensteanbieterregelung ist vielmehr aus den bereits dargelegten Gründen zu bejahen.
Rz. 98
Dass den Frequenzzuteilungsinhabern ein Entscheidungsspielraum verbleibt, ob und ggf. mit welchen Konditionen sie mit einem nachfragenden Diensteanbieter einen Vertrag über die Mitnutzung von Mobilfunkkapazitäten abschließen, stellt die grundsätzliche Geeignetheit der Verhandlungspflicht in Ziffer III.4.15 der angefochtenen Entscheidung zur Erreichung der genannten Regulierungsziele ebenfalls nicht in Frage. Schon das durch die Verhandlungspflicht begründete Erfordernis, Bedingungen für einen Vertragsschluss gegenüber dem Diensteanbieter zu benennen und diese ggf. nachzubessern sowie die Ablehnung eines Vertragsschlusses inhaltlich zu begründen, insbesondere aber die Möglichkeit der Auferlegung einer vorübergehenden Zugangsgewährung nach § 126 Abs. 4 Satz 1 TKG entfalten für den betroffenen Zuteilungsinhaber eine Anreizwirkung dahingehend, zu einer Vereinbarung zu gelangen und dadurch aufsichtliche Maßnahmen der Regulierungsbehörde zu vermeiden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine beharrliche Verweigerungshaltung bei zukünftigen - bereits absehbaren (vgl. S. 3 des Beschlusses vom 26. November 2018) - Frequenzvergabeverfahren vermutlich zu der Auferlegung einer strikten Diensteanbieterverpflichtung im Sinne der Klägerin führen würde. Dies wäre auch nach dann geltender Rechtslage weiterhin zulässig (vgl. § 100 Abs. 4 Nr. 4 i.V.m. § 99 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und § 100 Abs. 7 Satz 2 TKG in der ab dem 1. Dezember 2021 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23. Juni 2021, GVBl. I S. 1858).
Rz. 99
(b) Die Präsidentenkammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Aufnahme der Verhandlungspflicht in Ziffer III.4.15 des Beschlusses zur Verfolgung der Regulierungsziele der Sicherstellung einer effizienten Frequenznutzung (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 TKG), der Wettbewerbsförderung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) und der Wahrung der Nutzer- und Verbraucherinteressen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG) auch erforderlich ist. Angesichts des erheblichen Entscheidungsspielraums, den die konkrete Diensteanbieterregelung den beteiligten Unternehmen in Bezug auf die Ausgestaltung der Vertragskonditionen lässt, könnte eine weniger eingriffsintensive Maßnahme allenfalls darin bestehen, die Verpflichtung, Verhandlungen über die Mitnutzung von Funkkapazitäten zu führen, durch eine Regelung mit bloßem Empfehlungscharakter zu ersetzen. Dies hätte zur Folge, dass Sanktionsmöglichkeiten der Bundesnetzagentur (§ 126 TKG) oder Streitbeilegungsverfahren (§ 133 TKG) vollständig - also etwa auch in Bezug auf die (Teil-)Pflichten zur Begründung bei Ablehnung eines Vertragsschlusses, zur Bekanntgabe der Bedingungen für eine Vereinbarung oder zur Vorlage eines modifizierten Vertragsangebots - ausscheiden würden. In einem solchen Fall wäre der mit der Frequenznutzungsbestimmung angestrebte Anreiz für Zuteilungsinhaber, sich mit den Diensteanbietern auf Konditionen zu einigen, nicht gegeben. Die Erforderlichkeit der Diensteanbieterregelung entfällt auch nicht im Hinblick auf die im Rahmen des Zusammenschlusses mit dem Mobilfunknetzbetreiber E-Plus eingegangenen Selbstverpflichtungen der Telefónica gegenüber der Europäischen Kommission. Wie die Präsidentenkammer nachvollziehbar ausführt, geben diese zeitlich befristeten Selbstverpflichtungen den Diensteanbietern zwar übergangsweise die regulatorische Sicherheit, zumindest eines der drei bestehenden Mobilfunknetze nutzen zu können. Eine umfassendere Diensteanbieterregelung können sie jedoch nicht ersetzen (Rn. 535 des Beschlusses vom 26. November 2018).
Rz. 100
(c) Die Präsidentenkammer ist bei ihrer Abwägung schließlich auch zu einem sachgerechten und verhältnismäßigen Ausgleich der gegenläufigen öffentlichen und privaten Belange gelangt. Vor dem Hintergrund der gegensätzlichen Interessen und Rechtsstandpunkte, die im Rahmen des der Entscheidung über die Vergabebedingungen vorausgegangenen Verfahrens zu der Frage der Beibehaltung bzw. Fortentwicklung der bisherigen Diensteanbieterverpflichtung zutage getreten waren, hat die Kammer davon abgesehen, einseitig entweder den Belangen der Diensteanbieter oder denen der Frequenzzuteilungsinhaber Vorrang einzuräumen. Vielmehr hat sie ihren Ausgestaltungsspielraum bei der Festlegung der Frequenznutzungsbestimmung im Sinne einer "Kompromisslösung" mit dem Ziel ausgefüllt, die Interessen der Marktbeteiligten gleichermaßen zu wahren und strengere regulatorische Vorabverpflichtungen zu vermeiden (Rn. 491 des Beschlusses vom 26. November 2018).
Rz. 101
Die grundsätzliche Entscheidung der Präsidentenkammer für eine Regelung zur Erhaltung und Förderung des Dienstewettbewerbs überschreitet nicht wegen der Intensität des Eingriffs in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Netzbetreiber den Rahmen des Vertretbaren. Als Regelung der Berufsausübung ist die Diensteanbieterregelung durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Bei dem in § 2 Abs. 2 Nr. 7 und § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG erwähnten Ziel einer effizienten und störungsfreien Frequenznutzung handelt es sich um ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. April 2014 - 1 BvR 2160/11 - NVwZ 2014, 1226 Rn. 28). Gleiches gilt für die in § 2 TKG niedergelegten Regulierungsziele der Wahrung der Nutzer- bzw. Verbraucherinteressen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG) sowie die Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG). Der Gewährleistung des Wettbewerbs kommt dabei auch vor dem Hintergrund des Art. 87f GG ein besonderes Gewicht zu (vgl. Trute/Kuhlmann, K&R Beilage 2018, Nr. 1, S. 7).
Rz. 102
Im Hinblick auf den damit verbundenen Eingriff in die Grundrechte der Zuteilungsinhaber sowie zur Wahrung der Innovationskraft der Netzbetreiber hat sich die Präsidentenkammer auf der anderen Seite gegen die Fortführung des bisher in den UMTS-Lizenzen vorgegebenen Abschluss- und Kontrahierungszwanges entschieden und dadurch den Verhandlungsspielraum der Zuteilungsinhaber erweitert. Diese Änderung des bisherigen Rechtszustands zu Lasten der Diensteanbieter kann entgegen dem Revisionsvorbringen nicht als abwägungsfehlerhaft beanstandet werden. Das Telekommunikationsgesetz lässt es - wie ausgeführt - zwar grundsätzlich zu, dass nicht nur marktbeherrschende Unternehmen im Rahmen der Marktregulierung, sondern auch Netzbetreiber, die sich im Rahmen eines Vergabeverfahrens um knappe Frequenzressourcen bewerben, durch Frequenznutzungsbestimmungen verpflichtet werden können, ihr Mobilfunknetz für andere Unternehmen zu öffnen. Bei der in jedem Fall vorzunehmenden Interessenabwägung muss jedoch der grundsätzlichen Betätigungsfreiheit des in Anspruch genommenen Unternehmens mit Rücksicht auf das Grundrecht aus Art. 12 GG nicht nur bei der Entscheidung über das "Ob" einer Regelung, sondern auch bei deren konkreter Ausgestaltung so weit wie möglich Rechnung getragen werden.
Rz. 103
Eine als Abwägungsfehler zu beanstandende Verlagerung der maßgeblichen Interessenkonflikte auf eine nachfolgende Ebene liegt ebenfalls nicht vor. Im Rahmen der Entscheidung über die Auferlegung von Regulierungsverpflichtungen darf nach der Rechtsprechung des Senats von einer abschließenden Konfliktbewältigung abgesehen werden, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen in nachfolgenden Verfahren sichergestellt ist (BVerwG, Urteile vom 27. Januar 2010 - 6 C 22.08 - Buchholz 442.066 § 21 TKG Nr. 1 Rn. 26, vom 11. Dezember 2013 - 6 C 23.12 - Buchholz 442.066 § 21 TKG Nr. 4 Rn. 38 sowie - 6 C 24.12 - NVwZ 2014, 942 Rn. 57 und vom 21. September 2018 - 6 C 50.16 - BVerwGE 163, 136 Rn. 74 sowie - 6 C 8.17 - BVerwGE 163, 181 Rn. 117). Dabei kommt dem Umstand maßgebliche Bedeutung zu, ob es die Bundesnetzagentur selbst in der Hand hat, bei der Umsetzung die Beachtung der in der Regulierungsverfügung allgemein aufgestellten Anforderungen sicherzustellen (BVerwG, Urteile vom 21. September 2018 - 6 C 50.16 - BVerwGE 163, 136 Rn. 78 sowie - 6 C 8.17 - BVerwGE 163, 181 Rn. 120). Ob diese Vorgaben im Hinblick auf den fehlenden Planungscharakter der Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Festlegung von Vergabebedingungen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 6 C 36.11 - BVerwGE 144, 284 Rn. 35 ff.; Beschluss vom 6. November 2020 - 6 B 31.20 - juris Rn. 32 ff.) bei der Ausfüllung des Ausgestaltungsspielraums der Bundesnetzagentur überhaupt einschlägig sind, kann dahinstehen. Denn jedenfalls wird durch den Verzicht auf eine verbindlich ausgestaltete Diensteanbieterverpflichtung nicht in unzulässiger Weise Konfliktpotenzial in nachfolgende Verfahren verlagert. Die Bundesnetzagentur kann - wie ausgeführt - sowohl in aufsichtsbehördlichen Verfahren nach § 126 TKG als auch - auf Antrag eines Diensteanbieters - im Rahmen von Streitbeilegungsverfahren nach § 133 TKG sicherstellen, dass die Verhandlungspflicht nicht leerläuft, sondern von den Zuteilungsinhabern diskriminierungsfrei erfüllt wird.
Rz. 104
Dass die Präsidentenkammer den von ihr angestrebten sachgerechten und verhältnismäßigen Ausgleich der gegenläufigen öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung verfehlt haben könnte, ergibt sich schließlich auch nicht aus einer Gesamtbetrachtung der Frequenznutzungsbestimmungen in dem Beschluss vom 26. November 2018. Zwar werden die (späteren) Frequenzzuteilungsinhaber nicht nur durch die Diensteanbieterregelung nach Ziffer III.4.15 belastet, sondern etwa auch durch die Verhandlungsgebote nach Ziffer III.4.16 (Spektrumsüberlassung) und Ziffer III.4.17 (Roaming und Infrastruktur-Sharing) sowie insbesondere die Versorgungsauflagen nach Ziffern III.4.3 bis III.4.11 des Beschlusses. Auch in ihrem Zusammenwirken führen diese Vergaberegeln jedoch vor dem Hintergrund des Marktwerts der zu vergebenden Frequenzen und der im Vergleich mit dem Konsultationsentwurf stark verringerten Höhe der Mindestgebote nach Ziffer III.5 nicht zu einem unangemessenen Belastungsniveau. Denn für die an dem Vergabeverfahren teilnehmenden Unternehmen bestand vom Ansatz her die Möglichkeit, die Kosten der Verpflichtungen in die im Rahmen der Auktion abzugebenden Gebote einzupreisen. Jenseits dieser Grenze gilt die Maßgabe, dass sich in dem Bietwettbewerb der ökonomisch "richtige" Marktpreis herausbildet (BVerwG, Urteil vom 17. August 2011 - 6 C 9.10 - BVerwGE 140, 221 Rn. 30, 44 f.).
Rz. 105
(4) Ungeachtet des rechtlich nicht zu beanstandenden Ergebnisses der Abwägung der Präsidentenkammerentscheidung erscheint es jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Entscheidung ein - mangels Reduzierung des Ausgestaltungsspielraums auf Null nicht unbeachtlicher - Fehler im Abwägungsvorgang unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Vorfestlegung zugrunde liegt. Dies lässt sich im Revisionsverfahren mangels tatsächlicher Feststellungen der Vorinstanz nicht abschließend entscheiden.
Rz. 106
Die Abwägungsentscheidung der Präsidentenkammer beruht auch dann auf einem Abwägungsdefizit, wenn der Ausgestaltungsspielraum faktisch vorgeprägt und dadurch verkürzt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2018 - 6 C 8.17 - BVerwGE 163, 181 Rn. 74 in Bezug auf das durch § 13 TKG eingeräumte Regulierungsermessen). Eine derartige unzulässige Determinierung des behördlichen Entscheidungsspielraums aufgrund einer faktischen Vorabfestlegung der Behörde könnte hier deshalb vorgelegen haben, weil sich - wie bereits ausgeführt - aus den Verfahrensakten sowie den von der Klägerin im Revisionsverfahren vorgelegten Unterlagen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Präsidentenkammer im Rahmen ihrer Entscheidung über die Festlegung der Vergabebedingungen an Forderungen und konkrete Regelungsvorschläge gebunden gesehen haben könnte, die dem Präsidenten bzw. dem Vizepräsidenten der Bundesnetzagentur im Rahmen des sog. Mobilfunkgipfels am 12. Juli 2018 sowie anlässlich verschiedener Besprechungen mit dem Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie anderen Bundesministern unterbreitet worden sind. Hierfür könnte insbesondere der Umstand sprechen, dass die Ausgestaltung der Versorgungspflichten in dem Beschluss vom 26. November 2018 jedenfalls zum Teil übereinstimmt mit dem Inhalt des bereits erwähnten "Fünf-Punkte-Plans zur Sicherstellung der KoaV-Ziele im Bereich Mobilfunk", der in der Besprechung vom 18. Oktober 2018, an der neben dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Bundesnetzagentur unter anderem die Bundesminister B., A. und S. teilgenommen haben, verteilt worden war. In Bezug auf die in die Ziffern III.4.5 und III.4.6 des Beschlusses vom 26. November 2018 aufgenommenen Regelungen zu der längsten Frist für die Erfüllung der Versorgungsverpflichtungen für Bundesstraßen und Landesstraßen findet sich im Verwaltungsvorgang - wie ausgeführt - sogar eine Bezugnahme auf den Vorschlag des Fünf-Punkte-Plans.
Rz. 107
Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergeben sich zudem weitere tatsächliche Anhaltspunkte dafür, mit welchem Nachdruck insbesondere der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur versucht hat, auf die Entscheidung über die Vergaberegeln dahingehend Einfluss zu nehmen, die Versorgungspflichten für die Zuteilungsinhaber zu verschärfen. Zugleich lässt vor allem das von der Klägerin vorgelegte "Vorbereitungspapier des BMVI zu Knackpunkten der Gemeinsamen Erklärung zum Mobilfunkgipfel" erkennen, dass die Mobilfunknetzbetreiber im Gegenzug zum Ausbau in den weißen Flecken insbesondere den Verzicht auf eine Diensteanbieterverpflichtung im Rahmen der Festlegungen des Frequenzvergabeverfahrens gefordert haben. Ob die Präsidentenkammer bei der Ausgestaltung der Vergabebedingungen den außerhalb des gesetzlich geregelten Verfahrens aus dem Bereich der Bundesregierung an sie herangetragenen Forderungen und Erwartungen in der Annahme einer faktischen Bindung nachgekommen ist und sich die Abwägung deshalb als defizitär erweist, kann ohne eine - bisher unterbliebene - Feststellung und Würdigung der maßgeblichen Tatsachen durch das Verwaltungsgericht nicht entschieden werden. Auch insoweit wird es insbesondere auf die konkreten Umstände der einzelnen Besprechungen ankommen, an denen Mitglieder der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur gemeinsam mit den genannten Bundesministern und teilweise auch mit Vertretern der Mobilfunknetzbetreiber teilgenommen haben. Die Sache ist somit auch aus diesem Grund zur Ermittlung des Sachverhalts an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Rz. 108
4. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten.
Fundstellen
BVerwGE 2022, 1 |
DÖV 2022, 428 |
MMR 2022, 323 |