Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfallgebühren. grundstücksbezogene Behältergebühr. Grundgebühr. einheitliche Zusatzgebühr für Restabfall und Bioabfall. Gleichheitsgrundsatz. Abgabengerechtigkeit. Belastungsgleichheit. Grundsatz der Leistungsproportionalität. Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit. Grundsatz der Typengerechtigkeit. Quersubventionierung der Biotonne. getrennte Entsorgung der Abfallfraktionen. Eigenkompostierer. Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang. problematischer Bioabfall. schadlose Abfallverwertung
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es dem kommunalen Satzungsgeber im Grundsatz nicht, die Grundgebühr für die Abfallentsorgung nach einem grundstücksbezogenen Maßstab zu erheben.
2. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich kein striktes Gebot der gebührenrechtlichen Leistungsproportionalität. Der Gesichtspunkt, dass die unterschiedliche Nutzung der öffentlichen Einrichtung (hier: der kommunalen Abfallwirtschaft) bis hin zur Nichtnutzung einzelner Teilleistungsbereiche reicht, verbietet die Erhebung einer einheitlichen Grundgebühr zumindest dann nicht, wenn dem Gebührenpflichtigen ein Wechsel zwischen den verschiedenen Teilleistungsbereichen jederzeit möglich ist (hier: Übergang von der Eigenkompostierung zur Nutzung der Biotonne).
3. Eine einheitliche Behältergebühr für die Abholung von Restabfall und von Bioabfall ist durch die nach Art. 3 Abs. 1 GG anzustrebende Belastungsgleichheit gerechtfertigt.
4. Eine Quersubventionierung der Biotonne durch die Freistellung der ersten 60 l Bioabfall von der behälterbezogenen Zusatzgebühr ist sowohl mit Art. 3 Abs. 1 GG wie auch mit § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG vereinbar.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; KrW-/AbfG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 2 Sätze 1, 4, § 11 Abs. 2, § 13 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1; NAbfG § 12 Abs. 4
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 20.01.2000; Aktenzeichen 9 L 636/99) |
VG Oldenburg (Entscheidung vom 23.07.1998; Aktenzeichen ZA 2847/96) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Abfallgebühren für das Jahr 1996. Mit Beginn dieses Jahres hat die beklagte Stadt Oldenburg ihr Abfallentsorgungssystem neu geordnet und die sog. Biotonne eingeführt. Die neue Abfallgebührensatzung (AGS) vom 18. Dezember 1995 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Weser-Ems vom 22. Dezember 1995, S. 1820) enthält u.a. folgende Regelung:
„§ 2
Gebührenmaßstab und Gebührensatz
(1) Für jedes gem. § 4 Abs. 1 angeschlossene Grundstück ist eine Grundgebühr zu entrichten. Daneben wird eine behälterbezogene Litergebühr erhoben, die sich nach dem Volumen und der Anzahl der Entleerungen der bereitgestellten Restabfall- und Bioabfallbehälter bemisst. Für die ersten 60 l Bioabfall ist je angeschlossenes Grundstück keine Litergebühr zu leisten. Mehrere gem. § 17 Abs. 7 AWS zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung zusammengeschlossene Grundstücke gelten als ein angeschlossenes Grundstück im Sinne dieser Satzung.
(2) …
(3) Die Gebühr nach Abs. 1 schließt die Entsorgung der getrennt gesammelten Abfälle nach §§ 7, 8, 9, 14, 15 und 16 AWS ein, soweit nicht besondere Gebühren gem. Abs. 7 und 8 erhoben werden.”
In der Satzung über die Höhe der Gebühren für die Benutzung der Straßenreinigung, Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung für das Haushaltsjahr 1996 (AGS-Höhe) vom 27. November/18. Dezember 1995 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Weser-Ems vom 22. Dezember 1995, S. 1819) ist u.a. Folgendes bestimmt:
„§ 3
Gem. § 2 der Satzung der Stadt Oldenburg (Oldb) über die Erhebung von Gebühren für die Abfallentsorgung (Abfallgebührensatzung) … werden die Gebühren für die Inanspruchnahme der Abfallentsorgung wie folgt festgesetzt:
(1) Die Grundgebühr für jedes angeschlossene Grundstück beträgt jährlich 129,00 DM.
(2) Die Gebühren für das 14-tägliche Einsammeln von Restabfall betragen jährlich für einen Abfallbehälter mit einem Füllraum von
1. |
20 l |
46,20 DM, |
2. |
35 l |
80,85 DM, |
3. |
50 l |
115,50 DM, |
4. |
60 l |
138,60 DM, |
…
(3) Die Gebühren für das 14-tägliche Einsammeln von Bioabfall betragen jährlich für
einen Abfallbehälter mit einem Füllraum von
Der Kläger, der Eigentümer eines im Stadtgebiet der Beklagten gelegenen Anwesens ist, das er mit seiner Familie (Ehefrau und ein Kind) bewohnt, nimmt die Entsorgung von Bioabfall nicht in Anspruch und kompostiert die in seinem Haushalt anfallenden Bioabfälle auf dem Grundstück. Durch Bescheid vom 12. Januar 1996 wurde er zusammen mit seiner Ehefrau für das Jahr 1996 zur Grundsteuer und zur Abfallgebühr herangezogen. Die Abfallgebühr in Höhe von 209,85 DM setzte sich aus der Grundgebühr von 129 DM und einer Zusatzgebühr von 80,85 DM für das 14-tägliche Einsammeln von Restabfall bei einem Abfallbehälter mit 35 l Füllraum zusammen.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein mit der Begründung, die Erhebung der Abfallgebühren verletze in mehreren Punkten den Gleichheitsgrundsatz. Am 27. Juni 1996 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage erhoben. Die Beklagte hat sodann den Widerspruch mit Bescheid vom 13. August 1996 zurückgewiesen.
Das Verwaltungsgericht hat der nunmehr auch gegen den Widerspruchsbescheid gerichteten Klage durch Urteil vom 23. Juli 1998 stattgegeben. Zur Begründung ist in diesem Urteil im Wesentlichen ausgeführt worden: Die Abfallgebührensatzung stelle keine wirksame Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu den streitigen Gebühren dar, weil die Erhebung einer Grundgebühr in Höhe von 129 DM jährlich für jedes angeschlossene Grundstück nicht im Einklang mit § 12 Abs. 2 NAbfG stehe. Dem darin normierten Gebot, bei der Gebührenausgestaltung einen Anreiz zur Abfallvermeidung zu schaffen, werde die Gebührenbemessung der Beklagten nicht gerecht. Die Heranziehung zu Grundgebühren sei auch deshalb rechtswidrig, weil der in § 3 Abs. 1 AGS gewählte Gebührenmaßstab mit § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NKAG unvereinbar sei. Es entspreche nicht in hinreichendem Maße dem landesrechtlich vorgegebenen Grundsatz der Leistungsbezogenheit von Gebührenbemessungen, dass für die Erhebung der Grundgebühr auf Grundstücke abgestellt werde und gänzlich unberücksichtigt bleibe, wie viele Personen zum Haushalt gehörten. Der von der Beklagten gewählte Grundstücksmaßstab begegne auch deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich der „Realitätsverlust” angesichts der Ausgestaltung der Höhe der Grundgebühr nicht mehr in engen Grenzen halte. Durch die im Verhältnis zur Grundgebühr der Höhe nach zu geringe behälterbezogene Zusatzgebühr werde – zumindest tendenziell – ein kaum noch spürbarer Anreiz zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung geschaffen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 23. Juli 1998 die Klage abzuweisen.
Durch Urteil vom 20. Januar 2000 hat das Oberverwaltungsgericht diesem Antrag stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Festsetzung einer Grundgebühr für jedes angeschlossene Grundstück und die Zugrundelegung einer einheitlichen Litergebühr für die Entsorgung von Restabfall und – soweit mehr als die Freimenge anfalle – Bioabfall begegneten keinen rechtlichen Bedenken. Durch die Grundgebühr sollten die Bezieher geringer Leistungsmengen stärker an den invariablen Kosten (Fixkosten) der Leistungserstellung beteiligt werden als bei einer strikt mengenbezogenen Gebührenbemessung. Hierfür spreche der Gesichtspunkt, dass der Anteil der Verursachung der Vorhaltekosten nicht entsprechend der Verringerung der tatsächlichen Abfallmenge abnehme.
Ebenfalls nicht zu beanstanden sei es, dass die Beklagte für die Bemessung der Grundgebühr an das angeschlossene Grundstück anknüpfe. Der Maßstab für die Grundgebühr müsse – verbrauchsunabhängig – im Wesentlichen an Art und Umfang der aus der Lieferbereitschaft folgenden abrufbaren Arbeitsleistung ausgerichtet sein. Hierzu dürfe die Grundgebühr – bei Beachtung der Verwaltungspraktikabilität und der besonderen örtlichen Verhältnisse – nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis stehen. Da Abfälle typischerweise auf bewohnten Grundstücken und Gewerbegrundstücken anfielen und von diesen entsorgt würden, bestehe ein hinreichend enger Bezug zwischen dem Anknüpfungskriterium Grundstück und den durch das Abfallbeseitigungssystem vermittelten Vorteilen.
Die Beklagte sei nicht aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes verpflichtet gewesen, für die Grundgebühr einen genaueren Maßstab als denjenigen des Grundstücks zu wählen. Zwar führe die Erhebung einer gleich hohen Grundgebühr für alle angeschlossenen Grundstücke zu einer Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Denn Ein-Personen-Haushalte würden ebenso behandelt wie Mehr-Personen-Haushalte, obwohl Letztere das Abfallbeseitigungssystem typischerweise stärker in Anspruch nähmen. Auch würden Wohngrundstücke wie Gewerbegrundstücke behandelt, wobei unberücksichtigt bleibe, dass die Art und Menge des Abfalls bei beiden Gruppen unterschiedlich sein könne. Ferner würden gewerblich genutzte Grundstücke im Verhältnis zueinander gleich behandelt, obwohl sie bezüglich der Größe, der Zahl der im Betrieb Beschäftigten und/oder der Art der gewerblichen Betätigung erhebliche Unterschiede aufweisen könnten. Auch fehlten Sonderregelungen für sonstige Gewerbegrundstücke selbst in den Fällen, in denen bei solchen erheblich mehr Abfall anfalle als durchschnittlich bei gewerblich genutzten Grundstücken und Wohngrundstücken. Diese Gleichbehandlung aller Grundstücke durch die Erhebung einer pauschalen Grundgebühr sei indes gleichwohl grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Vorhaltekosten für die Abfallentsorgung seien unabhängig von der jeweils zu entsorgenden Menge an Abfall zu einem ganz wesentlichen Teil durch invariable Kosten für das Vorhalten des Abfallbeseitigungssystems bedingt. Bezogen auf die Fixkosten sei es relativ unerheblich, welches Volumen die auf den angeschlossenen Grundstücken bereitgestellten Abfallbehälter hätten. Erst wenn die Vorhaltekosten deshalb stiegen, weil das verstärkte Aufkommen von Abfall größere Vorhalteleistungen erfordere, so dass mehr Fahrzeuge eingesetzt und mehr Beschäftigte angestellt werden müssten, könne die sachliche Rechtfertigung dafür, auch die Erzeuger von wenig Abfall gleichermaßen über die Grundgebühr zu den Vorhaltekosten heranzuziehen, in Zweifel gezogen werden, weil die Vorhaltekosten dann nur bestimmten Gruppen zuzuordnen seien. Dieser Grenzbereich sei regelmäßig nicht überschritten, wenn über die Grundgebühr nicht mehr als 30 % der Gesamtkosten der Abfallbeseitigung abgedeckt würden. Diese Grenze habe die Beklagte bei der Erhebung der Grundgebühr für das Haushaltsjahr 1996 eingehalten. Denn von den Gesamtkosten der Müllabfuhr in Höhe von 16 744 927 DM habe sie lediglich 44,8 % der Fixkosten (3 895 800 DM) in die Ermittlung der Grundgebühr eingestellt; dieser Betrag mache lediglich einen Anteil von 23 % an den Gesamtkosten der Abfallbeseitigung aus.
Die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 3 AGS, wonach mehrere gemäß § 17 Abs. 7 AWS zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung zusammengeschlossene Grundstücke als ein angeschlossenes Grundstück im Sinne dieser Satzung zu gelten hätten, sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden. Denn die Vorhaltekosten der Abfallbeseitigung seien im Wesentlichen geprägt durch die mit dem Einsammeln der Abfälle verbundenen (Personal-)Kosten. Würden mehrere Grundstücke zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung zusammengeschlossen, so verfügten sie über einen gemeinsamen Abfallbehälter, und ein mehrfaches Anfahren und Transportieren von Mülltonnen entfalle. Bezogen auf die in die Grundgebühr nur einfließenden Fixkosten der Abfallbeseitigung könne dieser Zusammenschluss von Grundstücken deshalb ebenso betrachtet werden wie das einzelne Grundstück.
Der Festlegung einer einheitlichen Grundgebühr sowie einer identischen Litergebühr für Restabfall und – soweit die Freimenge überschritten werde – Bioabfall stehe auch nicht entgegen, dass in den Kosten, die deren Ermittlung zugrunde gelegt würden, Anteile für die Bioabfallentsorgung eingestellt würden mit der Folge, dass auch diejenigen Abfallbesitzer, die keinen Abfallbehälter für Bioabfall besäßen, an den Kosten der Bioabfallentsorgung beteiligt würden. Die damit beabsichtigte „Quersubventionierung” der Entsorgung von Bioabfall über die Grundgebühr – Gleiches gelte für die Quersubventionierung über die Zusatzgebühr für Restabfall – sei durch die Vorschrift des § 12 Abs. 4 NAbfG gedeckt, wonach bei der Ermittlung der Aufwendungen für die Entsorgung ungetrennt überlassener Abfälle (d.h. der Restabfälle) die Aufwendungen für die Entsorgung getrennt überlassener Abfälle einbezogen werden könnten. § 12 Abs. 4 NAbfG stelle eine spezielle Ausformung der Grundnorm des § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG dar, wonach die Gebühren so zu gestalten seien, dass die Vermeidung und die Verwertung von Abfällen gefördert würden. Denn es liege auf der Hand, dass eine Gebührenfreistellung bzw. mindestens herabgestufte Gebührensätze einen nachhaltigen (finanziellen) Anreiz dafür schaffen könnten, Abfälle getrennt zu überlassen, wodurch nicht nur die Verwertung der – getrennt überlassenen – Abfälle gefördert, sondern zugleich das anfallende – in der Regel nicht verwertbare – Restabfallvolumen reduziert werde. Der Anreiz zur Sortierung von Abfällen nehme zu, wenn dem Gebührenpflichtigen für die Entsorgung des getrennten Abfalls keine oder niedrige Kosten entstünden. Soweit in der Rechtsprechung anderer Obergerichte eine „Quersubventionierung” der Bioabfallentsorgung durch die Ausgestaltung des Gebührensystems für die (Rest-)Abfallbeseitigung für unzulässig gehalten werde (vgl. OVG NW, Urteil vom 17. März 1998 – 9 A 3871/96 – KStZ 1999, 37; Urteil vom 17. März 1998 – 9 A 1430/96 – NVwZ-RR 1998, 775; Hess. VGH, Urteil vom 27. April 1999 – 5 N 3909/98 – DWW 1999, 387; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16. Juni 1999 – 2 S 782/98 – NVwZ-RR 2000, 51), beruhe dies darauf, dass in den dort anzuwendenden Landesabfallgesetzen eine dem § 12 Abs. 4 NAbfG entsprechende Bestimmung fehle.
Die Heranziehung des Klägers sei schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Gebührenhöhe für das Jahr 1996 zur Folge habe, dass Abfallbesitzer, die einen Restabfallbehälter mit einem Füllraum von 35 bis 50 l bereit hielten, hierfür zu jährlichen Gebühren von 80,85 DM bzw. 115,50 DM herangezogen würden, während die Grundgebühr in beiden Fällen nur 129 DM jährlich betrage. Zwar entspreche eine Grundgebühr für die (Rest-)Abfallentsorgung, deren Höhe 50 v.H. der gesamten Gebührenbelastung des Gebührenpflichtigen übersteige, nicht den Anforderungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG. Insofern bedürfe die zur reinen Restabfallentsorgung insoweit ergangene Senatsrechtsprechung jedoch der Modifizierung, wenn und soweit die Kommune neben der Restabfallentsorgung – wie hier – eine getrennte Entsorgung von Bioabfällen durchführe. Denn § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG beschränke sich nicht auf das Gebot, durch die Gebührengestaltung die Vermeidung von Abfällen zu fördern. Die abfallbeseitigungspflichtige Körperschaft sei vielmehr gleichermaßen aufgefordert, die Gebühren so zu gestalten, dass (auch) die Verwertung von Abfällen gefördert werde. Dabei stehe es in ihrem Ermessen, wie sie beiden Zielen des Gesetzgebers durch die Gestaltung des Gebührenmaßstabs Rechnung tragen wolle. Ein Ermessensfehler der Beklagten sei insoweit nicht feststellbar.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt, die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts verletze Bundesrecht. Die „Quersubventionierung” der Biomüllentsorgung zu Lasten der Eigenkompostierer sei nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt und damit willkürlich. Durch § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG werde bei Eigenkompostierung eine Freistellung von der Überlassungspflicht im Teilleistungsbereich Bioabfall normiert. Sinngemäß bedeute dies ein Verbot der Gebührenerhebung zur „Quersubventionierung” der Biomüllentsorgung. Soweit das Berufungsgericht Gegenteiliges aus der Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 NAbfG herleiten wolle, werde verkannt, dass § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG eine Rangordnung zwischen vorrangiger Abfallvermeidung und nachrangiger Abfallverwertung herstelle, die ohne Verstoß gegen Bundesrecht nicht durch eine Gebührenregelung umgekehrt werden könne. Viele Möglichkeiten zur Bioabfallvermeidung (z.B. Verringerung von Rasenschnitt durch Düngerreduktion, Verzicht auf mineralische Dünger, Einkauf von knochenlosem Fleisch) fänden in dem durch viele Gärten und Grünflächen geprägten Entsorgungsgebiet der Beklagten kaum Anwendung, weil für die überwiegende Anzahl der Grundstücke das freigestellte Volumen für die Entsorgung des gesamten auf den jeweiligen Grundstücken anfallenden Bioabfalls ausreiche. Darüber hinaus stelle die hohe Freistellungsmenge beim Bioabfall einen erheblichen Anreiz zur sachwidrigen Restabfallentsorgung über die Biotonne dar und kollidiere insoweit mit dem durch § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG verfolgten Ziel der Getrennthaltung und -behandlung der zu entsorgenden Abfälle. Das Berufungsgericht verkenne, dass er als Eigenkompostierer nach den §§ 5, 13 Abs. 1 KrW-/AbfG verpflichtet sei, die Verwertung des Bioabfalls vorzunehmen. Die in § 2 Abs. 1 Satz 4 AGS vorgesehene Zusammenveranlagung mehrerer Grundstücke sei zu beanstanden, weil sie dazu führen würde, dass er die Biotonne mitbenutzen müsse und damit dem Regelungszweck der genannten Vorschriften des Kreislaufswirtschafts- und Abfallgesetzes zuwider an die Biotonne angeschlossen würde.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2000 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 23. Juli 1998 zurückzuweisen.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Klageabweisung verstößt nicht gegen revisibles Recht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO).
1. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die grundstücksbezogene Bemessung der Grundgebühr für zulässig erachtet hat, sind aus bundesrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Von der Revision sind insoweit Einwände nicht vorgebracht worden, so dass der Senat sich auf folgenden Hinweis beschränken kann:
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass dem Satzungsgeber bei der Bemessung von Abfallgebühren ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet ist, dessen Grenzen mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erst dann überschritten sind, wenn die Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Von daher gesehen kann der kommunale Satzungsgeber je nach den Umständen des Einzelfalles eine Auswahl unter den verschiedensten Gebührenmodellen treffen, ohne dass sich aus dem Gleichheitsgrundsatz eine Präferenz für einen bestimmten Gebührenmaßstab ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1994 – BVerwG 8 C 21.92 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 71 S. 21 f.). Zur Wahl stehen neben mengen- oder gewichtsorientierten auch personen-, haushalts- oder grundstücksbezogene Gebührenmaßstäbe. Wie die von ihm in diesem Zusammenhang angeführten Beispiele belegen, hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass mit der Entscheidung für einen grundstücksbezogenen Maßstab ein „Realitätsverlust” einhergeht, der eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte zur Folge hat. Dieser „Realitätsverlust” wird im vorliegenden Fall aber zum einen durch die Kombination mit der behälterbezogenen – und damit nutzungsabhängigen – Zusatzgebühr entscheidend gemildert. Zum anderen hat das Berufungsgericht zutreffend eine sachliche Rechtfertigung für den (teilweise) grundstücksbezogenen Maßstab darin gesehen, dass die Vorhalteleistungen der kommunalen Abfallentsorgung, die von der Grundgebühr anteilig abgedeckt werden sollen, zu einem erheblichen Teil dadurch bedingt sind, dass jedes einzelne Grundstück – unabhängig von dem konkret dort anfallenden Abfall – mit dem Müllwagen zwecks Leerung der Abfallbehälter angefahren werden muss. Die insoweit vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die für das Revisionsgericht bindend sind (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO), lassen im Übrigen keinen Ansatzpunkt dafür erkennen, dass im vorliegenden Fall örtliche Besonderheiten hätten Berücksichtigung finden müssen, die für eine unterschiedliche Intensität der Vorhalteleistungen je nach Art der Grundstücksnutzung sprechen (vgl. dazu Queitsch, ZKF 2000, 80 ≪84≫). So ist insbesondere der Vortrag der Beklagten unwidersprochen geblieben, dass ihr Stadtgebiet eine relativ homogene Siedlungsstruktur aufweise, die von Ein- und Zweifamilienhäusern geprägt sei und in der ausgeprochene Wohngroßanlagen und größere Gewerbegebiete eine atypische Ausnahme darstellten.
2. Streitig ist im Revisionsverfahren, ob und inwieweit Kosten, die für die Bioabfallentsorgung anfallen, bei der Kalkulation der Restmüllgebühr angesetzt werden dürfen. Das Berufungsgericht hat darin, dass die Kosten der Bioabfallentsorgung teilweise von der Grundgebühr, aber auch von der Zusatzgebühr für Restabfall gedeckt werden, eine Durchbrechung des Grundsatzes der gebührenrechtlichen Leistungsproportionalität gesehen. Dieser soll besagen, dass bei der Bildung von Teilleistungsbereichen mit getrennten Gebührensätzen und -maßstäben die jeweils in einem Teilbereich anfallenden Kosten nur diesem Bereich zugeordnet werden dürfen, dass also Kosten in einem Teilleistungsbereich nicht durch eine Erhöhung der Gebühr für einen anderen Teilleistungsbereich refinanziert werden dürfen. Die Durchbrechung dieses Grundsatzes zugunsten der Bioabfallentsorgung bezeichnet das Berufungsgericht als „Quersubventionierung”.
In Auslegung und Anwendung von § 12 Abs. 4 NAbfG hält das Berufungsgericht diese Quersubventionierung in der näheren Ausgestaltung, die sie vorliegend in der Abfallgebührensatzung der Beklagten gefunden hat, für gerechtfertigt. Insoweit beruht das angefochtene Urteil auf irrevisiblem Landesrecht. Einer revisionsgerichtlichen Prüfung zugänglich bleibt die Frage, ob das so ausgelegte Landesrecht mit Bundesrecht vereinbar ist. Die Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG hat das Berufungsgericht selbst geprüft und zu Recht bejaht (nachfolgend 2.1). Die weitere – vom Berufungsgericht nicht untersuchte – Frage, ob die Quersubventionierung im vorliegenden Fall gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG verstößt, ist zu verneinen. Insoweit erweist sich das angefochtene Urteil gemäß § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis als richtig (nachfolgend 2.2).
2.1 Der Grundsatz der Leistungsproportionalität – verschiedentlich auch als Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit bezeichnet – wird als landesrechtliche Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes verstanden (vgl. z.B. HessVGH, Urteil vom 27. April 1999 – 5 N 3909/98 – DWW 1999, 387 ≪391≫ unter Hinweis auf OVG NW, Urteil vom 17. März 1998 – 9 A 1430/96 – NVwZ-RR 1998, 775). Dagegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern, wenn damit nicht die Vorstellung verbunden ist, aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebe sich ein striktes Gebot der gebührenrechtlichen Leistungsproportionalität. Letzteres trifft nicht zu. Der Gleichheitsgrundsatz verbietet vielmehr eine Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung auch insoweit nur, wenn sie sachlich nicht gerechtfertigt ist.
Hieraus folgt, dass der Satzungsgeber, soweit er nicht durch landesrechtliche Vorgaben gebunden ist, auch bei der Finanzierung der Teilleistungsbereiche einer öffentlichen Einrichtung die Wahl zwischen einer Vielfalt von Gebührenmodellen hat. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet es lediglich, bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfasst werden können, die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt (so BVerfGE 50, 217 ≪227≫). Mit anderen Worten ausgedrückt bedeutet dies, dass einzelne Gebührenschuldner im Verhältnis zu anderen nicht übermäßig hoch belastet werden dürfen. Anerkannt ist ferner, dass die anzustrebende Belastungsgleichheit der Gebührenpflichtigen dem Satzungsgeber dennoch die Befugnis belässt, mit seiner Gebührenregelung eine begrenzte Verhaltenssteuerung zu verbinden (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪226≫; 97, 332 ≪345≫). Ausgehend von diesen Maßstäben ist die Abfallgebührensatzung der Beklagten nicht wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz zu beanstanden.
2.1.1 Es begegnet zunächst keinen Bedenken, dass der Kläger uneingeschränkt zu der Grundgebühr herangezogen wird, obwohl diese nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts einen Anteil von rund 38 DM (= 30 %) enthält, der zur Finanzierung der Bioabfallentsorgung beiträgt.
Es ist missverständlich, wenn das Berufungsgericht – in Anlehnung an den gängigen Sprachgebrauch in der Literatur (z.B. Birk/Kretz, VBlBW 1999, 7 ≪12≫; Klöck, NuR 1999, 441 ≪445≫; Quaas, KStZ 1999, 141 ≪146, 153≫) – auch insofern von einer „Quersubventionierung” spricht. Soweit der Satzungsgeber für die Abfallentsorgung eine Grundgebühr erhebt, verzichtet er bewusst auf eine Anknüpfung an einzelne Teilleistungsbereiche. Die Grundgebühr wird für die Inanspruchnahme der Lieferungs- und Betriebsbereitschaft der kommunalen Abfallwirtschaft insgesamt erhoben. Allein wegen des Umstandes, dass nicht jeder Gebührenschuldner sämtliche von der Grundgebühr abgedeckte Teilleistungsbereiche der Abfallwirtschaft gleichermaßen in Anspruch nimmt, kann noch nicht die Rede davon sein, dass einzelne Teilleistungsbereiche über die Grundgebühr bezuschusst werden.
Die Ungleichbehandlung, die darin liegt, dass von jedem Gebührenschuldner die Grundgebühr erhoben wird, obwohl die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung durchaus unterschiedlich sein wird, ist mit Blick auf den Gleichheitssatz schon dadurch gerechtfertigt, dass die Bereitstellung einer betriebsbereiten Abfallentsorgungseinrichtung Vorhaltekosten verursacht, die bei einer geringeren Inanspruchnahme durch einzelne Gebührenpflichtige nicht in gleichem Maße abnehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. August 1981 – BVerwG 8 B 20.81 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 44). Dieser Gesichtspunkt schlägt auch dann durch, wenn die unterschiedliche Nutzung bis hin zur Nichtnutzung einzelner Teilleistungsbereiche reicht. Das gilt zumindest dann, wenn es sich bei dem Teilleistungsbereich um eine typischerweise anfallende Leistung (hier: Biomüllentsorgung) handelt, der hierfür anzusetzende Kostenanteil nicht in krassem Missverhältnis zu den Gesamtkosten steht und dem Gebührenpflichtigen ein Wechsel zwischen den verschiedenen Teilleistungsbereichen jederzeit möglich ist. Letzteres trifft bei dem Kläger zu, der seine Entscheidung, Bioabfall ausnahmslos auf seinem Grundstück zu kompostieren, von einem Tag zum anderen aufgeben kann. Der Kläger kann jederzeit eine Biotonne aufstellen und damit gegenüber der Beklagten den Anspruch erwerben, dass diese alle 14 Tage geleert wird. Anhaltspunkte für ein krasses Missverhältnis der Kostenanteile sind hier nicht erkennbar.
2.1.2 Das Berufungsgericht geht davon aus, dass auch die Zusatzgebühr für Restabfall teilweise dazu dient, Unkosten der Bioabfallentsorgung zu decken. Es hält dies für vereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG. Dagegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.
Die Beklagte hat die behälterbezogene Litergebühr für Restabfall- und Bioabfallbehälter gleicher Größe gleich hoch angesetzt (z.B. 60 l = 138,60 DM bei 14-täglicher Leerung). Dabei beginnt die Gebührenstaffelung bei den Bioabfallbehältern allerdings erst bei 60 l Füllraum, während Restabfallbehälter auch mit kleinerem Volumen (20, 35 und 50 l) zugelassen sind. Umgekehrt endet die Gebührenstaffel bei den Bioabfallbehältern bei einem Volumen von 240 l, während für Restabfall auch noch größere Behälter (770 und 1 100 l) zulässig sind. Für diesen Weg, die Belastungsgleichheit herzustellen, lässt sich zunächst als Rechtfertigung anführen, dass aus der Sicht des Gebührenschuldners der Abholdienst entscheidend den Wert der in Anspruch genommenen Leistung der Beklagten bestimmt. Indem er einen von der Beklagten zugelassenen Behälter mit Abfall füllt, entledigt er sich in rechtmäßiger Weise seines Abfalls. Diese Entledigungsmöglichkeit – und nicht der weitere Verbleib des Abfalls – interessiert ihn als Abfallbesitzer. Auch bei getrennter Entsorgung verschiedener Abfallfraktionen ist für ihn daher die Belastung mit einer einheitlichen Behältergebühr ohne weiteres einleuchtend.
Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Entsorgung der unterschiedlichen Abfallfraktionen verschieden hohe Kosten verursacht, wenn man den Entsorgungsweg zu Ende verfolgt. Soweit dies im vorliegenden Fall für den Bioabfall und den Restabfall zutrifft, zwingt dies den Satzungsgeber nicht, von der Erhebung einer einheitlichen Behältergebühr abzusehen (a.A. anscheinend OVG NW, Urteil vom 17. März 1998 – 9 A 1430/96 – a.a.O., S. 776; HessVGH, Urteil vom 18. August 1999 – 5 UE 251/97 – NVwZ-RR 2000, 387 ≪388 f.≫). Das Bundesverwaltungsgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz es nicht verlangen, dass Benutzungsgebühren strikt nach dem Maß der durch die jeweilige Benutzung verursachten Kosten erhoben werden müssen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 1977 – BVerwG 7 C 4.76 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 37 S. 39). Als sachliche Rechtfertigung dafür, dass die Beklagte an einer einheitlichen Behältergebühr festhält, reicht es aus, dass die Kosten, die der Beklagten für die Entsorgung von Restabfall und Bioabfall entstehen, sich nur teilweise abgrenzen lassen. Nicht unerhebliche Kosten (z.B. des Fuhrparks und des zugehörigen Personals) fallen in beiden Sparten der Abfallwirtschaft an und würden sich allenfalls fiktiv der einen oder anderen Sparte zuordnen lassen. Eine Vergleichsrechnung zwischen Restabfall- und Bioabfallentsorgung würde sich damit unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität als sehr fragwürdig darstellen. Sie war deswegen hier entbehrlich. Anhaltspunkte für ein krasses Missverhältnis der Kosten für Restabfall- und Bioabfallentsorgung, das einer einheitlichen Behältergebühr dennoch entgegenstehen könnte, sind nicht erkennbar.
2.1.3 Wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, kommt hinzu, dass im vorliegenden Fall die Biotonne gezielt bezuschusst wird. Diese (echte) Quersubventionierung erfolgt durch die Freistellung der ersten 60 l Bioabfall von der Zusatzgebühr. Da die genannte Regelung – wie noch zu erörtern ist (unten 2.2) – nicht gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG verstößt, ist sie aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen sachgerecht und deswegen mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Im Anschluss an das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪226≫; 97, 332 ≪345≫) hat auch das Bundesverwaltungsgericht bereits mehrfach die Verfolgung von Lenkungszwecken in Gebührenregelungen für zulässig erklärt. Namentlich hat es die in den Abfallgesetzen der Länder normierte Verpflichtung des kommunalen Satzungsgebers gebilligt, Abfallgebühren so zu gestalten, dass hierdurch die Vermeidung und Verwertung von Abfällen gefördert wird (vgl. Beschluss vom 3. Mai 1994 – BVerwG 8 NB 1.94 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 70 S. 15 ff.; Beschluss vom 26. Mai 1998 – BVerwG 8 B 82.98 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 89 S. 75 f.). Nach den vom Berufungsgericht im vorliegenden Fall getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist die in Rede stehende Regelung auch geeignet, die gewünschten Anreize zur Trennung der Abfallfraktionen zu erzielen (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 4 und § 11 Abs. 2 KrW-/AbfG). Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler insbesondere darauf abgestellt, dass der mittlerweile bei der Beklagten für die Biotonne erzielte Anschlussgrad von 94,4 % ohne eine Quersubventionierung der Biotonne nicht erreichbar wäre.
Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Freistellung der ersten 60 l Bioabfall von der Zusatzgebühr sei nicht dazu angetan, die Bereitschaft der privaten Haushaltungen zu fördern, durch ihr Verhalten zur Bioabfallvermeidung beizutragen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dem in § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG normierten Vorrang der Abfallvermeidung vor der Abfallverwertung keine Entscheidung des Bundesgesetzgebers für oder gegen ein bestimmtes Gebührenmodell zu entnehmen. Es bleibt vielmehr im Grundsatz Sache des kommunalen Satzungsgebers im Rahmen der landesrechtlichen Vorgaben durch seine Gebührenregelung vorrangig ein Verhalten der Abfallbesitzer zu fördern, das ihm im Interesse der Funktionsfähigkeit der kommunalen Abfallwirtschaft notwendig erscheint. Dazu gehört eine breite Akzeptanz der Biotonne. Insofern steht dem Satzungsgeber eine gebührenrechtliche Konzeptbefugnis zu, die auch – als „Werbegeschenk” an die Produzenten von Bioabfall – einen teilweisen Gebührenverzicht umfasst. Zielkonflikte mit anderen abfallwirtschaftlichen Zwecksetzungen können dabei in Kauf genommen werden.
2.1.4 Die Befugnis, die Akzeptanz der Biotonne durch einen teilweisen Gebührenverzicht zu fördern, wird nicht durch die Maßgaben beschränkt, die der 6. Senat des erkennenden Gerichts in seiner „Semesterticket”-Entscheidung (Urteil vom 12. Mai 1999 – BVerwG 6 C 14.98 – BVerwGE 109, 97 ≪113 ff.≫) entwickelt hat. Dies ist klarstellend zu bemerken, weil die angesprochenen Maßgaben vom 6. Senat im Ansatz aus dem Gleichheitssatz und dem Äquivalenzprinzip abgeleitet worden sind (a.a.O., S. 113). Dessen ungeachtet sind sie durch die Eigentümlichkeiten geprägt, die für Beiträge gelten, die eine Studentenschaft von ihren studentischen Mitgliedern erhebt. Die genannten Maßgaben eignen sich aus diesem Grunde nicht für eine Verallgemeinerung. Zumindest sind sie nicht auf das Abfallgebührenrecht übertragbar.
2.2 Dem Kläger ist zuzugeben, dass es zu weit ginge, wenn von der Freistellung der ersten 60 l Bioabfall ein „finanzieller Anschlusszwang” ausginge. Denn insofern würde die Gebührenregelung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG kollidieren. Nach dieser Vorschrift sind Eigenkompostierer von einem abfallrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang auszunehmen. Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers darf durch den kommunalen Satzungsgeber nicht konterkariert werden. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
2.2.1 Die Einheit der Rechtsordnung verbietet es dem Satzungsgeber, sich für eine gebührenrechtliche Lenkungswirkung zu entscheiden, die dem Gebührenpflichtigen ein Verhalten abverlangt, das einer Regelung des Bundesgesetzgebers widerspricht. Eine insoweit vom Sachgesetzgeber getroffene Entscheidung darf nicht durch die gebührenrechtliche Lenkungswirkung verfälscht werden (vgl. BVerfGE 98, 106 ≪118 f.≫; bestätigt durch BVerfGE 98, 265 ≪298 ff.≫).
In Abweichung vom Verursacherprinzip, das in § 5 Abs. 2 Satz 1 und § 11 KrW-/AbfG normiert ist, sind bei Abfällen aus privaten Haushaltungen die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Entsorgung verantwortlich (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG). Als Ausnahme von diesem Grundsatz räumt § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG aber den privaten Haushaltungen das Recht zur eigenen Verwertung ein, soweit sie dies wollen und hierzu in der Lage sind. Der Gesetzgeber hat bei dieser Ausnahme speziell an die Möglichkeit der Eigenkompostierung gedacht (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks 12/5672, S. 44). Dieser privaten „Verwertungsoption” (Klöck, NuR 1999, 441 ≪442≫) widerspricht die in Rede stehende Freistellung der ersten 60 l Bioabfall von der Zusatzgebühr nicht. Hierdurch wird die Eigenkompostierung weder verboten noch unzumutbar erschwert. Den privaten Haushaltungen wird aber auch nicht eine Biotonne aufgezwungen (so in dem Fall OVG NW, Urteil vom 10. August 1999 – 22 A 5429/96 – NVwZ 1999, 91 f.). Eigenkompostierer sind vielmehr nur einem werbenden Anreiz ausgesetzt, die Biotonne zusätzlich zu nutzen.
Dies ist bundesrechtlich zulässig und steht im Einklang mit dem abfallwirtschaftlichen Ziel einer ordnungsmäßigen und schadlosen Abfallverwertung (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG). Denn unzweifelhaft – auch der Kläger bestreitet dies nicht – gibt es problematischen Bioabfall (z.B. Fleisch- und Fischabfälle, gekochte Speisereste, mit Krankheitserregern versetzte Pflanzenreste), der von privaten Haushalten nur unter erheblichen Schwierigkeiten im Wege der Kompostierung ordnungsgemäß entsorgt werden kann. Es mag dahinstehen, ob die Befreiung von dem Anschluss- und Benutzungszwang auf der Grundlage von § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG umfassend gehandhabt werden muss (so OVG NW, Urteil vom 10. August 1999 – 22 A 5429/96 – a.a.O.) oder ob es zulässig ist, die Befreiung im Wege einer Verwaltungsentscheidung auf die unproblematisch kompostierbaren Bioabfälle zu beschränken. So oder so muss eine Lösung dieses Problems erzielt werden. Insoweit erscheint es angemessen, dass der kommunale Satzungsgeber durch Subvention der Biotonne einen Anreiz zu deren Nutzung auch gerade durch Eigenkompostierer schafft.
Sinn und Zweck des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG verbieten es nicht, dieses „Werbegeschenk” teilweise über die Grundgebühr und auch über die Zusatzgebühr für den Restabfallbehälter zu finanzieren. Die Alternative, zur Refinanzierung Steuermittel einzusetzen, drängt sich nicht auf. Auch Aufwendungen im Interesse eines legitimen Lenkungszwecks zählen zu den Kosten, die durch das Gebührenaufkommen zu decken sind. Aus den zuvor erörterten Gründen ist der hier mit der Quersubventionierung der Biotonne verfolgte Lenkungszweck gesetzeskonform.
2.2.2 Der Kläger kann den vorstehenden Überlegungen nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass er in seinem Haushalt eine strikte Abfallvermeidung (z.B. den Einkauf von knochenlosem Fleisch) praktiziere und etwa dennoch anfallenden problematischen Bioabfall unter Beachtung aller gebotener Vorsicht schadlos verwerte. Dies mag für seine Person eine geeignete Problemlösung darstellen. Auf eine derart individuelle Betrachtung der Dinge brauchte sich der kommunale Satzungsgeber bei seiner Gebührenregelung jedoch nicht einzulassen. Es geht hier um die Regelung von Massenerscheinungen, die eine Typisierung erfordert (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 28. März 1995 – BVerwG 8 N 3.93 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 75 S. 36). Der Satzungsgeber konnte es als unpraktikabel ansehen, das verantwortungsbewusste Verhalten der Eigenkompostierer durch einen behördlichen „Überwachungsdruck” sicherzustellen. Das reicht als sachlich einleuchtender Grund aus, um sich dafür zu entscheiden, auf eine schadlose Verwertung des problematischen Bioabfalls mittels des Anreizes der Freimenge von 60 l Bioabfall hinzuwirken.
Einzelne Eigenkompostierer – wie der Kläger – mögen auf diesen Anreiz nicht ansprechen. Das steht ihnen frei, erfordert aber auch keinen Ausgleich durch eine gebührenrechtliche Bonusregelung. Ein finanzieller Bonus für die Weigerung, einen Bioabfallbehälter zu nutzen, findet in § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG auch bei denkbar weiter Auslegung keine Rechtsgrundlage. Er würde außerdem die Lenkungswirkung der Freimengenregelung unangemessen abschwächen.
Für den vom Kläger angesprochenen Fall, dass sich benachbarte Grundstücke gemäß § 17 Abs. 7 der Abfallwirtschaftssatzung (AWS) vom 27. November 1995 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Weser-Ems vom 22. Dezember 1995, S. 1729) zur gemeinschaftlichen Abfallentsorgung zusammenschließen, ergeben sich keine relevanten Besonderheiten. Die Folge, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 4 AGS Gebühren nur für ein Grundstück erhoben werden, ist für einen Eigenkompostierer nicht von Nachteil.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, RiBVerwG Kipp ist gehindert zu unterschreiben. Hien, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.12.2000 durch Oertel Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 642665 |
NWB 2001, 214 |
BVerwGE, 297 |
NVwZ 2001, 658 |
DÖV 2001, 468 |
FiWi 2001, 30 |
FiWi 2002, 249 |
FiWi 2002, 27 |
WuM 2001, 125 |
ZUR 2001, 275 |
BayVBl. 2001, 407 |
DVBl. 2001, 488 |
GK/BW 2001, 175 |
GV/RP 2002, 95 |
FuBW 2001, 932 |
FuHe 2002, 140 |
FuHe 2002, 40 |
FuNds 2002, 647 |
GK/Bay 2001, 270 |
GK 2001, 109 |
NWVBl. 2001, 255 |
VA 2001, 51 |