Entscheidungsstichwort (Thema)
Energieleitung. 380 kV-Höchstpannungs-Freileitung. Uckermarkleitung. Planfeststellung. Planfeststellungsbeschluss. Anfechtungsklage. Klagebefugnis. umweltrechtliche Verbandsklage. Verfahrensfehler. Auslegung. erneute Auslegung. Umweltverträglichkeitsprüfung. Bekanntmachung. Unterrichtung der Öffentlichkeit. Feststellung der UVP-Pflicht. entscheidungserhebliche Unterlagen über Umweltauswirkungen. Rechtsfehlerfolgen. konkrete Kausalität. relative Verfahrensfehler. Amtsermittlung. Kausalitätsvermutung. materielle Beweislast. Planrechtfertigung. zwingende naturschutzrechtliche Planungsvorgaben. faktische Vogelschutzgebiete. ausgewiesene Vogelschutzgebiete. Vorprüfung. Verträglichkeitsprüfung. Bestandserfassung und -bewertung. Ermittlung und Bewertung projektbedingter Einwirkungen. Erkenntnismittel. Erkenntnismethode. Leitungsanflug. Mortalitätsrisiko. Simulationsprogramm Vortex. artspezifische Untersuchung. Erhaltungsziele. maßgebliche Bestandteile. Worst-Case-Betrachtung. Verhältnismäßigkeit. schadensmindernde Maßnahmen. Kompensationsmaßnahmen. Erdseilmarkierung. Rückbau. Irrelevanzschwelle. Bagatellgrenze. FFH-Gebiete. charakteristische Arten. Rand- und Pufferzonen. Eingriffsregelung. Bewertung des Eingriffs. Methode. Einschätzungsspielraum. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. rechtliche Sicherung. Abwägung. großräumige Trassenalternativen. kleinräumige Trassenalternativen. Großanalyse. technische Alternativen. Erdverkabelung. Trennungsgrundsatz. Lärm. elektromagnetische Felder. Planfeststellungsbeschluss für Uckermark-Höchstspannungsleitung rechtswidrig und nicht vollziehbar. Anforderungen an Bekanntmachung. Ergebniskausalität relativer Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1a UmwRG. erforderliche artspezifische Prognose hinsichtlich der Erhaltungsziele
Leitsatz (amtlich)
1. Der Hinweis, dass „die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen” öffentlich ausliegen, unterrichtet die Öffentlichkeit nicht darüber, um welche Unterlagen zu welchen Umweltthemen es sich hierbei handelt und verfehlt daher die Anforderungen des § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG an die Bekanntmachung zu Beginn des UVP-rechtlichen Beteiligungsverfahrens.
2. Im Fall sogenannter relativer Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1a UmwRG n.F. hat das Gericht von Amts wegen zu untersuchen, ob die konkrete Möglichkeit besteht, dass die angefochtene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre. Lässt sich diese konkrete Möglichkeit auf der Grundlage der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel nicht ausschließen, greift die Kausalitätsvermutung nach § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG n.F. zu Lasten der Behörde.
3. Die Verträglichkeit einer Höchstspannungs-Freileitung mit den Erhaltungszielen eines ausgewiesenen Vogelschutzgebiets nach § 34 Abs. 1 BNatSchG muss jedenfalls dann artspezifisch untersucht werden, wenn und soweit zwischen den im Gebiet geschützten Arten deutliche Unterschiede im konkreten Leitungsanflugrisiko bestehen.
4. Beim Bau einer Höchstspannungs-Freileitung kann der Rückbau einer bestehenden Freileitung jedenfalls dann nicht als schadensmindernde Maßnahme in Ansatz gebracht werden, wenn der Trassenverlauf der neu zu errichtenden und der rückzubauenden Freileitung nicht deckungsgleich ist und die Leitungsanflüge andere Populationen oder andere Vogelarten betreffen können.
Normenkette
VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 6, § 86 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, 3, § 155 Abs. 1 S. 3, § 159 S. 1; UmwRG § 4 Abs. 1, 1a, 3; UVPG § 2 Abs. 3, §§ 3a, 3b, 5-6, 9 Abs. 1a Nrn. 2, 5, Abs. 1b, 3, § 16 Abs. 2; VwVfG §§ 46, 73 Abs. 8 S. 1, § 74 Abs. 3, § 75 Abs. 1a; EnWG § 43 Sätze 3, 6, § 43b Abs. 1 Nr. 1, § 43e Abs. 4 S. 2; EnLAG § 1 Abs. 2-3; V-RL Art. 4 Abs. 4 S. 1; FFH-RL Art. 1 Buchst. e, Art. 6 Abs. 3, Art. 7; BNatSchG §§ 13-14, 15 Abs. 4, § 34 Abs. 1-5; BImSchG § 50; 26. BImSchV; UVPG § 2 Abs 3, § 3b Abs 1, § 6 Abs 3 S 1 Nr 5, § 9 Abs 1 S 4, § 9 Abs 1a Nr 5, § 9 Abs 1b, § 9 Abs 3 Nr 1, § 9 Abs 3 Nr 2, § 16 Abs 2; UmwRG § 4 Abs 1a S 2; BNatSchG § 34 Abs 1; BNatSchG § 34 Abs 2; EnWG 2005 § 43b Nr 1, § 43 S 6; EGRL 147/2009 Art 4 Abs 4 S 1; EWGRL 43/92 Art 6 Abs 3 S 2; EWGRL 43/92 Art 7
Tenor
Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 17. Juli 2014 ist rechtswidrig und darf nicht vollzogen werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1/2.
Tatbestand
I
Rz. 1
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb der 380 kV-Freileitung Bertikow – Neuenhagen – sog. Uckermarkleitung.
Rz. 2
Der Kläger zu 1 ist eine anerkannte Naturschutzvereinigung. Die Kläger zu 2 und 3 sind Eigentümer von Grundstücken, die für die Errichtung von Leitungsmasten in Anspruch genommen und durch die Freileitung überspannt werden sollen; sie befürchten zudem von der Freileitung ausgehende schädliche Umwelteinwirkungen.
Rz. 3
Die als Freileitung planfestgestellte Leitungstrasse erstreckt sich zwischen den Umspannwerken Bertikow im Norden und Neuenhagen im Süden auf eine Länge von ca. 115 km, davon verlaufen 102 km parallel zu vorhandenen 220 kV-und 110 kV-Freileitungen. Auf der Leitungstrasse sollen insgesamt 341 Masten unter Verwendung unterschiedlicher Masttypen errichtet werden. Als Maßnahme der Schadensbegrenzung sind in Abschnitten mit möglicher Kollisionsgefahr für Vögel optische Markierungen an den Erdseilen zur Verbesserung der Sichtbarkeit vorgesehen. Ein während des Planfeststellungsverfahrens von der Beigeladenen vorgelegtes modifiziertes Bau-/Rückbaukonzept sieht den zeitnahen Rückbau von bestehenden 220 kV-Freileitungen in den Vogelschutzgebieten „Randow-Welse-Bruch” und „Schorfheide-Chorin” als weitere schadensbegrenzende Maßnahme vor.
Rz. 4
Dem Planfeststellungsverfahren vorausgegangen war ein Raumordnungsverfahren, in dem die später als Uckermarkleitung planfestgestellte Variante 3 als raumverträglichste von drei von der Beigeladenen vorgeschlagenen Trassenvarianten festgestellt wurde.
Rz. 5
Die Neubautrasse durchquert das Vogelschutzgebiet „Randow-Welse-Bruch”, verläuft zwischen zwei Teilräumen des Vogelschutzgebiets „Unteres Odertal” und durchquert das Biosphärenreservat „Schorfheide-Chorin” und das darin gelegene Vogelschutzgebiet sowie ein FFH-Gebiet. Überdies werden Schutzgebiete in ihren Randzonen berührt. Auf der Grundlage einer von der Beigeladenen vorgelegten „Vertiefenden FFH-Verträglichkeitsstudie von EU-Vogelschutzgebieten” (im Folgenden: FFH-VS) und von fachlichen Stellungnahmen des Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) gelangt der Planfeststellungsbeschluss zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der vorgesehenen schadensbegrenzenden Maßnahmen wie insbesondere einer Markierung der Erdseile und des Rückbaus der bestehenden 220 kV-Freileitung erhebliche Beeinträchtigungen der Vogelschutz- und FFH-Gebiete durch leitungsbedingte Vogelverluste nicht zu erwarten seien.
Rz. 6
Im Planfeststellungsverfahren erhoben die Kläger zahlreiche Einwendungen, die sich im Wesentlichen mit ihrem Klagevorbringen decken.
Rz. 7
Mit ihrer am 20. September 2014 erhobenen Klage machen die Kläger geltend, dass der Planfeststellungsbeschluss wegen Fehlern bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei und dem Vorhaben die Planrechtfertigung fehle. Vor allen Dingen kritisieren sie den Planfeststellungsbeschluss aber wegen der erheblichen Beeinträchtigungen von – wie die Kläger vortragen – „hochsensiblen” Vogelschutzgebieten. Sie machen geltend, dass die Verträglichkeitsprüfung, auf die sich die Planfeststellungsbehörde gestützt habe, zu Unrecht von einer nicht erheblichen Beeinträchtigung der Vogelschutzgebiete ausgegangen sei, die von der Freileitung durchquert oder in sonstiger Weise betroffen würden. Das Projekt sei deshalb ohne Abweichungsentscheidung unzulässig. Die Beeinträchtigungen führten jedenfalls dort, wo eine Überlagerung mit den Erhaltungszielen der Vogelschutzgebiete stattfinde, auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der von der Leitung betroffenen FFH-Gebiete und zu Verstößen gegen artenschutzrechtliche Verbote. Der Planfeststellungsbeschluss sei auch deshalb rechtswidrig, weil er den Eingriff in das Landschaftsbild viel zu schwach bewerte und deshalb Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen zu niedrig ansetze. Ferner habe es im Planfeststellungsverfahren eine ergebnisoffene Variantenprüfung nie gegeben, die gerade wegen der schwerwiegenden Eingriffe in Natur und Landschaft zwingend angezeigt gewesen wäre; eine Beschäftigung mit den von den Klägern vorgeschlagenen großräumigen Trassenalternativen habe nicht stattgefunden. Desgleichen seien technische Alternativen wie eine teilweise Erdverkabelung nicht untersucht worden. Schließlich bemängeln die Kläger, dass der Trennungsgrundsatz hinsichtlich der zu erwartenden Immissionen durch Lärm und elektromagnetische Felder nicht hinreichend beachtet worden sei.
Rz. 8
Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 legte der Beklagte einen Planergänzungsbeschluss vom 1. Oktober 2015 vor, mit dem die im Planfeststellungsbeschluss festgesetzten Kompensationsmaßnahmen für den vorhabenbedingten Verlust von Bäumen (Nebenbestimmungen Ziffer 3.2.16 und 3.2.17) ergänzt oder modifiziert wurden. Die Kläger haben den Planergänzungsbeschluss im Wege der Klageänderung in ihre Klage einbezogen.
Rz. 9
Die Kläger beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 17. Juli 2014 für die Errichtung und den Betrieb der 380 kV-Freileitung Bertikow – Neuenhagen 481/482 der … – Uckermarkleitung – sowie der damit im Zusammenhang stehenden Leitungsabschnitte (Az.: 27.2-1-15) in der Fassung des Planfeststellungs-Änderungsbeschlusses vom 1. Oktober 2015 aufzuheben,
hilfsweise,
den Beklagten, ggfs. unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses des Beklagten vom 17. Juli 2014 für die Errichtung und den Betrieb der 380 kV-Freileitung Bertikow – Neuenhagen 481/482 der … – Uckermarkleitung – sowie der damit im Zusammenhang stehenden Leitungsabschnitte (Az.: 27.2-1-15) in der Fassung des Planfeststellungs-Änderungsbeschlusses vom 1. Oktober 2015, zu verpflichten, die Ansprüche der Kläger aus ihren Rechten als anerkannter Naturschutzverband (BNatSchG, UmwRG, FFH- und Vogelschutz-RL) bzw. eigentumsbetroffene Dritte (grundrechtsgesicherter Eigentumsschutz inkl. Nutzung landwirtschaftlicher Flächen, Schutz vor Immissionen ihrer ≪teilweise≫ durch das Vorhaben in Anspruch zu nehmender Flurstücke) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Rz. 10
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Rz. 11
Der Planfeststellungsbeschluss sei rechtmäßig. Verfahrensfehler bei der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung lägen nicht vor oder führten jedenfalls nicht zur Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses. Die Planrechtfertigung sei gegeben. Die hinsichtlich der betroffenen Vogelschutzgebiete durchgeführte Verträglichkeitsprüfung sei frei von Fehlern, erhebliche Beeinträchtigungen der Schutzziele könnten unter Berücksichtigung der angeordneten Schutzmaßnahmen wie insbesondere die Markierung des Erdseils und der entlastenden Wirkungen des geplanten Rückbaus bestehender 220 kV-Freileitung sicher ausgeschlossen werden. Zu Unrecht beanstandeten die Kläger auch erhebliche Beeinträchtigungen der von der Leitung betroffenen FFH-Gebiete und Verstöße gegen artenschutzrechtliche Verbote. Hinsichtlich der mit der Leitung verbundenen Eingriffe in die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und des Landschaftsbilds seien die erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen getroffen worden. Im Rahmen der Abwägung hätten sich dem Beklagten die von den Klägern präferierten Trassenalternativen nicht aufdrängen müssen. Aspekte der menschlichen Gesundheit und des Immissionsschutzes stünden der Zulassung des Vorhabens nicht entgegen.
Rz. 12
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klagen abzuweisen.
Rz. 13
Sie hält den Planfeststellungsbeschluss – aus ähnlichen Erwägungen wie der Beklagte – für rechtmäßig. In der Klageerwiderung hat sie als Grundlage für die Erwägungen der Planfeststellungsbehörde zu den großräumigen Trassenalternativen als Anlage BG 15 einen Überblick vorgelegt über „die angelegten Auswahlkriterien und die Gründe, warum die anderweitigen Trassen ausgeschieden” wurden. Zu möglichen Vogelverlusten an der Leitung hat sie mit Schriftsatz vom 8. September 2015 eine „Ergänzende Berechnung” als Anlage BG 16 nachgeschoben, in der nunmehr für einzelne Vogelarten eine Berechnung für trassennahe und trassenferne Teilpopulationen vorgenommen worden sei.
Rz. 14
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die vorgelegten Planfeststellungsunterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 15
Die Klagen haben überwiegend Erfolg. Sie führen zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses.
Rz. 16
A. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung zuständig. Es entscheidet nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 3 EnLAG i.V.m. Nr. 3 der Anlage zum EnLAG über den Neubau der „Höchstspannungsleitung Neuenhagen – Bertikow/Vierraden – Krajnik (PL), Nennspannung 380 kV” im ersten und letzten Rechtszug.
Rz. 17
B. Die Klagen sind zulässig, insbesondere sind die Kläger klagebefugt.
Rz. 18
Der Kläger zu 1 kann nach § 2 Abs. 1 UmwRG als anerkannte Naturschutzvereinigung, ohne nach § 42 Abs. 2 VwGO eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, gegen Entscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 3 UVPG, für die – wie hier nach § 3b Abs. 1 UVPG i.V.m. Nr. 19.1.1 der Anlage 1 zum UVPG – eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) besteht, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen.
Rz. 19
Die Kläger zu 2 und 3 sind nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie sind Eigentümer von Grundstücken, die für die Errichtung von Masten sowie infolge der Überspannung für den Leitungsschutzstreifen in Anspruch genommen werden sollen. Sie können deshalb geltend machen, durch den Planfeststellungsbeschluss unmittelbar in ihrem Recht aus Art. 14 GG verletzt zu sein.
Rz. 20
C. Die Klagen sind zum überwiegenden Teil begründet.
Rz. 21
I. Der Planfeststellungsbeschluss leidet unter Verfahrensfehlern, die allerdings weder zu seiner Aufhebung noch zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen.
Rz. 22
1. Kein Verfahrensverstoß liegt allerdings darin, dass die Planfeststellungsbehörde die Unterlagen der Raumordnungsbehörde zum großräumigen Variantenvergleich nicht erneut ausgelegt hat.
Rz. 23
Die Kläger sind der Auffassung, dass die Planfeststellungsbehörde verpflichtet gewesen sei, die Unterlagen und das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens zu den dort geprüften großräumigen Trassenvarianten auszulegen. Sowohl der Erläuterungsbericht des Planfeststellungsbeschlusses als auch die Umweltverträglichkeitsstudie Stufe II für das Planfeststellungsverfahren (UVS II) der Beigeladenen verwiesen pauschal auf das Raumordnungsverfahren. Die dort angeblich geprüften Varianten würden nicht konkret beschrieben, das Ergebnis werde nicht plausibel gemacht. Da das Raumordnungsverfahren und sein Ergebnis keine (Außen-)Wirkung habe, hätten Drittbetroffene auch keine Pflicht, sich bereits im Raumordnungsverfahren mit den Unterlagen zu beschäftigen. Da die Unterlagen und Informationen im Planfeststellungsverfahren offenbar nicht mit ausgelegt worden seien, hätten die Kläger hierzu auch nicht umfassend Stellung nehmen können.
Rz. 24
Der geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Gemäß § 43b Nr. 1 EnWG wird die Öffentlichkeit einschließlich der Naturschutz- oder Umweltschutzvereinigungen ausschließlich entsprechend § 9 Abs. 3 UVPG einbezogen. Nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1b UVPG hat die zuständige Behörde unter anderem die Unterlagen nach § 6 UVPG zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen. Hierzu gehören gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 UVPG auch eine Übersicht über die wichtigsten, vom Träger des Vorhabens geprüften anderweitigen Lösungsmöglichkeiten und die Angabe der wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf die Umweltauswirkungen des Vorhabens. Zu Recht gehen die Kläger davon aus, dass hierunter auch ein Überblick über die untersuchten Trassenalternativen und die Angabe der für die Festlegung auf die Vorzugsvariante maßgeblichen Abwägungsgesichtspunkte fallen.
Rz. 25
Der Vorhabenträger ist jedoch im Planfeststellungsverfahren nicht verpflichtet, eine Alternativenprüfung zu sämtlichen Trassenvarianten vorzulegen, sofern bereits ein Raumordnungsverfahren durchgeführt wurde. Gestützt auf § 16 Abs. 3 Satz 1 UVPG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG) vom 12. Februar 1990 (BGBl. I S. 205) – im Folgenden: UVPG a.F. – hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 21. Dezember 1995 – 11 VR 6.95 – juris Rn. 36; insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 8 S. 30) bereits entschieden, dass im Planfeststellungsverfahren hinsichtlich der im Raumordnungsverfahren ermittelten und beschriebenen Umweltauswirkungen von den Anforderungen der §§ 5 bis 8 und 11 UVPG a.F. abgesehen werden soll, soweit diese Verfahrensschritte bereits im Raumordnungsverfahren erfolgt sind, und die Anhörung der Öffentlichkeit auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden soll. Die Möglichkeit, Standort- und Trassenalternativen, die bereits Gegenstand der Variantenprüfung des Raumordnungsverfahrens waren und deren Umweltauswirkungen geprüft wurden, im Planfeststellungsverfahren „abzuschichten”, besteht auch nach § 16 Abs. 2 UVPG n.F. fort, wonach im nachfolgenden Zulassungsverfahren die UVP auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden kann. Bereits geprüfte Standort- und Trassenalternativen sind damit nicht nochmals detailliert der UVP zu unterziehen. Der Vorhabenträger kann in diesem Fall seine nach § 6 UVPG vorzulegenden Unterlagen auf die zusätzlichen, im vorangegangenen Verfahren noch nicht geprüften Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränken (Wagner, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 16 Rn. 97). Soweit die Kläger beanstanden, dass nicht alle von ihnen angesprochenen großräumigen Trassenalternativen im Raumordnungsverfahren geprüft worden seien, machen sie keinen Verfahrensfehler, sondern einen Abwägungsfehler geltend.
Rz. 26
2. Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin, dass weder die von der Beigeladenen im Jahre 2012 vorgelegte „Vertiefende FFH-Verträglichkeitsstudie” (FFH-VS) noch die „Ergänzende Unterlage” aus dem Jahre 2013 noch der aus dem Jahre 2012 stammende Artenschutzbeitrag öffentlich bekannt gemacht und ausgelegt worden sind.
Rz. 27
Nach § 43 Satz 6 EnWG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG ist, wenn ein ausgelegter Plan geändert werden soll und dadurch der Aufgabenbereich einer Behörde oder einer klagebefugten Vereinigung oder Belange Dritter erstmalig oder stärker als bisher berührt werden, diesen die Änderung mitzuteilen und ihnen Gelegenheit zu Stellungnahmen und Einwendungen innerhalb von zwei Wochen zu geben. Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Es fehlte bereits an einer Planänderung. Ferner ist nichts dafür ersichtlich, dass sich durch die nach der Planauslegung erstellten Unterlagen die Betroffenheiten geändert haben könnten.
Rz. 28
Auch aus § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG ergab sich keine Pflicht zu einer erneuten Auslegung. Nach dieser Vorschrift kann, wenn der Träger des Vorhabens die nach § 6 UVPG erforderlichen Unterlagen im Laufe des Verfahrens ändert, von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit abgesehen werden, soweit keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Ein solcher Fall lag hier vor. Die FFH-VS ließ die Beigeladene erstellen, weil nach dem Ergebnis der Landesplanerischen Beurteilung vom 11. Dezember 2007 auf der Grundlage der im Raumordnungsverfahren durchgeführten Verträglichkeitsstudie eine erhebliche Beeinträchtigung der Vogelschutzgebiete für die später planfestgestellte Vorzugsvariante 3 der Uckermarkleitung nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden konnte. Zweck der „Ergänzenden Unterlage” der Beigeladenen war es, den Rückbau bestehender 220 kV-Freileitungen in den Vogelschutzgebieten „Randow-Welse-Bruch” und „Schorfheide-Chorin” als „schadensbegrenzende Maßnahme” in die FFH-VS einzubeziehen. Andere oder zusätzliche Umweltauswirkungen waren insoweit nicht zu besorgen. Entsprechendes gilt für den neu eingereichten Artenschutzbeitrag.
Rz. 29
3. Ein Verfahrensfehler ist der Planfeststellungsbehörde aber bei der Bekanntmachung zu Beginn des UVP-rechtlichen Beteiligungsverfahrens unterlaufen.
Rz. 30
Die Bekanntmachung enthielt folgenden Text: „Der Plan (Zeichnungen, Erläuterungen sowie die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen) liegt gem. § 43b Nr. 1 EnWG i.V.m. § 9 Abs. 3 UVPG … öffentlich aus.” Dieser Bekanntmachungstext genügt nicht den Anforderungen, die § 9 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1a UVPG an die Bekanntmachung zu Beginn des Beteiligungsverfahrens stellt.
Rz. 31
a) Er verstößt zum einen gegen § 9 Abs. 1a Nr. 2 UVPG, wonach die zuständige Behörde bei der Bekanntmachung die Öffentlichkeit über die Feststellung der UVP-Pflicht des Vorhabens nach § 3a UVPG zu unterrichten hat.
Rz. 32
Gemäß § 3a Satz 1 UVPG stellt die zuständige Behörde auf Antrag des Trägers eines Vorhabens oder anlässlich eines Ersuchens nach § 5 UVPG, andernfalls nach Beginn des Zulassungsverfahrens fest, ob nach den §§ 3b bis 3f UVPG für das Vorhaben eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Das Feststellungserfordernis gilt, wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 3a UVPG ergibt, nicht nur für Vorhaben, die auf der Grundlage einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG UVP-pflichtig sind, sondern auch für Vorhaben, die nach § 3b UVPG kraft Gesetzes einer UVP-Pflicht unterliegen.
Rz. 33
Aus § 3a Satz 2 UVPG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Vorschrift regelt Informationspflichten bei Vorhaben, die einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG unterliegen. Sie enthebt die zuständige Behörde indes nicht von der in § 9 Abs. 1a Nr. 2 UVPG geregelten Pflicht, die Öffentlichkeit in der Bekanntmachung zu Beginn des Beteiligungsverfahrens nach § 9 UVPG auch im Fall einer nach § 3b UVPG kraft Gesetzes bestehenden UVP-Pflicht über die Feststellung der UVP-Pflicht zu unterrichten. Denn die Vorschriften in § 3a Satz 2 UVPG und § 9 Abs. 1a Nr. 2 UVPG betreffen unterschiedliche Verfahrensstadien. Den Regelungen liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass im Fall einer nach § 3b UVPG zwingend durchzuführenden UVP die Unterrichtung der Öffentlichkeit im Fortgang des Zulassungsverfahrens nach § 9 Abs. 1a UVPG ausreicht (ebenso Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3a Rn. 21), während die auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG beruhende Feststellung der UVP-Pflicht der Öffentlichkeit gemäß § 3a Satz 2 UVPG bereits zuvor nach den Bestimmungen des Umweltinformationsgesetzes zugänglich zu machen ist.
Rz. 34
Der Bekanntmachungstext der Planfeststellungsbehörde genügt der sich aus § 9 Abs. 1a Nr. 2 UVPG ergebenden Verpflichtung nicht. Er enthält keine ausdrückliche Aussage dazu, ob es sich bei der Uckermarkleitung um ein UVP-pflichtiges Vorhaben handelt. Der Senat teilt auch nicht die Einschätzung der Beigeladenen, dass sich der erforderliche Hinweis aus dem Verweis auf § 43b Nr. 1 EnWG i.V.m. § 9 Abs. 3 UVPG ergeben habe. Die Feststellung der UVP-Pflicht nach § 3a Satz 1 UVPG ist die erste förmliche Reaktion der Behörde auf den Antrag des Vorhabenträgers, die der Öffentlichkeit zugleich erste Anhaltspunkte geben soll, wie die zuständige Behörde das Vorhaben hinsichtlich seiner Umweltverträglichkeit und Reichweite möglicher Umweltauswirkungen einschätzt (Wagner, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 9 Rn. 29). Ein bloßes Paragrafenzitat liefert diese Anhaltspunkte nicht.
Rz. 35
b) Die Bekanntmachung verstößt zum anderen gegen § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG, der die zuständige Behörde verpflichtet, die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten, welche Unterlagen nach § 6 UVPG vorgelegt wurden.
Rz. 36
Welche Anforderungen § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG an die Auslegungsbekanntmachung stellt, wird unterschiedlich beantwortet. Zum Teil wird vertreten, dass die Vorschrift die Angabe verlange, welche Unterlagen nach § 6 UVPG vom Vorhabenträger vorgelegt wurden; das erfordere zwar nicht die Bekanntmachung sämtlicher Antragsunterlagen, aber eine vollständige Liste der für die Umweltauswirkungen entscheidungserheblichen Unterlagen (so Hofmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, UVPG, Stand August 2015, § 9 Rn. 45). Andere (etwa Wagner, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 9 Rn. 29) halten demgegenüber einen „aussagekräftigen Überblick” für ausreichend. Aber selbst dieser geringeren Anforderung wird der hier zur Beurteilung stehende Bekanntmachungstext mit der Angabe, der „Plan (Zeichnungen, Erläuterungen sowie die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen)” liege öffentlich aus, nicht gerecht. Der Hinweis auf „entscheidungserhebliche Unterlagen” gibt lediglich den Gesetzeswortlaut wieder, enthält aber keine Angaben dazu, welche Unterlagen konkret vorgelegt wurden.
Rz. 37
4. Die Verfahrensfehler führen gemäß § 4 Abs. 1a UmwRG n.F. i.V.m. § 46 VwVfG weder zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch – als rechtliches Minus – zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit, weil die Fehler nach der Überzeugung des Senats die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst haben.
Rz. 38
a) Nach § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines nicht nichtigen Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die Rechtsprechung hat bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zur Umsetzung des Urteils des EuGH vom 7. November 2015 (BGBl. I S. 2069) auf von § 4 Abs. 1 UmwRG a.F. nicht erfasste Verfahrensfehler das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht und damit auch § 46 VwVfG angewendet (BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 – 9 A 23.10 – BVerwGE 141, 171 Rn. 17).
Rz. 39
Eine Aufhebung konnte deshalb nur beansprucht werden, wenn der Verfahrensfehler für das den Kläger belastende Ergebnis der Planfeststellung kausal war. Kausalität setzt die nach den Umständen des Falls bestehende konkrete Möglichkeit voraus, dass die angefochtene Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre; die bloß abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht (BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 – 9 A 23.10 – BVerwGE 141, 171 Rn. 68 sowie Beschlüsse vom 10. Januar 2012 – 7 C 20.11 – NVwZ 2012, 448 Rn. 39 – und vom 23. Oktober 2014 – 9 B 29.14 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 237 Rn. 7).
Rz. 40
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 7. November 2013 – C-72/12 [ECLI:EU:C:2013:712], (Altrip) ausgesprochen, dass im Falle einer – von § 4 Abs. 1 UmwRG a.F. nicht erfassten – fehlerhaft durchgeführten UVP in Bezug auf das Kausalitätskriterium eine Rechtsverletzung im Sinne der UVP-Richtlinie (Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985, ABl. Nr. L 175 S. 40, neu kodifiziert durch die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 S. 1 – UVP-RL –) nur verneint werden könne, wenn das Gericht – ohne dem Rechtsbehelfsführer insoweit in irgendeiner Form die Beweislast aufzubürden, aber gegebenenfalls anhand der vom Bauherrn oder von den zuständigen Behörden vorgelegten Beweise und allgemeiner der gesamten dem Gericht vorliegenden Akte – zu der Feststellung in der Lage ist, dass die angegriffene Entscheidung ohne den vom Rechtsbehelfsführer geltend gemachten Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre. Dabei sei es auch Sache des Gerichts, unter anderem den Grad der Schwere des geltend gemachten Fehlers zu berücksichtigen und dabei insbesondere zu prüfen, ob dieser Fehler der betroffenen Öffentlichkeit eine der Garantien genommen hat, die geschaffen wurden, um ihr im Einklang mit den Zielen der UVP-Richtlinie Zugang zu Informationen und die Beteiligung am Entscheidungsprozess zu ermöglichen. In seinem Urteil vom 15. Oktober 2015 – C-137/14 – [ECLI:EU:C:2015:683] – Rn. 54 ff. hat der Europäische Gerichtshof die tragenden Erwägungen seiner Altrip-Entscheidung bekräftigt (a.a.O. Rn. 62).
Rz. 41
Der Bundesgesetzgeber hat die Altrip-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (a.a.O.) zum Anlass genommen, das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 7. November 2013 in der Rechtssache C-72/12 vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069) „im Wege einer 1:1-Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben” anzupassen (BT-Drs. 18/5927 S. 1, auch zu den folgenden Zitaten). Angesichts der in dem Altrip-Urteil des Europäischen Gerichtshofs enthaltenen „Hinweise und Grundsätze zur gerichtlichen Überprüfung von Verfahrensfehlern und zu den Voraussetzungen, unter denen solche Verfahrensfehler einen Aufhebungsanspruch begründen”, sollten in den neu gefassten Absätzen 1 bis 1b des § 4 UmwRG „die unterschiedlichen Fehlerfolgen klarstellend geregelt werden”. Ziel der Neuregelung ist es, in § 4 UmwRG noch „deutlicher zwischen absoluten (Absatz 1) und relativen (Absatz 1a) Verfahrensfehlern” zu unterscheiden (BT-Drs. 18/5927 S. 9). Die in § 4 Abs. 1 UmwRG geregelten, um weitere Fehlergruppen ergänzten absoluten Verfahrensfehler führen – wie bisher – ohne weiteres, d.h. unabhängig von den in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 46 VwVfG geregelten Voraussetzungen, zur Aufhebung des Verwaltungsakts. Nicht unter Absatz 1 fallende – relative – Verfahrensfehler werden nunmehr in § 4 Abs. 1a UmwRG n.F. gesetzlich geregelt. § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG n.F. stellt klar, dass bei relativen Verfahrensfehlern – anders als bei absoluten Verfahrensfehlern – § 46 VwVfG gilt. Die Aufhebung eines (nicht nichtigen) Verwaltungsakts kann deshalb wegen eines relativen Verfahrensfehlers nicht beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zur Aufklärung dieser Frage hat das Gericht im Rahmen seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 VwGO) alle verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen. Lässt sich nicht aufklären, ob der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung nach § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG n.F. vermutet (Kausalitätsvermutung). Das Gericht hat in diesem Fall also zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass der Verfahrensfehler Einfluss auf die Sachentscheidung gehabt hat. Damit soll sichergestellt werden, dass § 46 VwVfG in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die der Europäische Gerichtshof zur Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Altrip-Urteil aufgestellt hat, angewandt wird, insbesondere, dass dem Rechtsbehelfsführer in keiner Form die (materielle) Beweislast für die Frage auferlegt wird, ob die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre (BT-Drs. 18/5927 S. 10).
Rz. 42
In der Sache hat der Gesetzgeber damit dreierlei geregelt: Zum einen hat er klargestellt, dass § 46 VwVfG für nicht unter § 4 Abs. 1 UmwRG n.F. fallende – relative – Verfahrensfehler weiterhin maßgeblich ist mit der Folge, dass eine Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein wegen dieses Fehlers beansprucht werden kann, wenn offensichtlich ist, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
Rz. 43
Zum Zweiten hat er die nach § 86 VwGO bestehende Pflicht des Gerichts zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen hervorgehoben, die es im vorliegenden Zusammenhang gebietet, zu untersuchen, ob es offensichtlich ist, dass die angegriffene Entscheidung ohne den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre. Dies stimmt auch mit der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 1 BvR 685/12 – juris Rn. 23 ≪zur Ergebniskausalität von Abwägungsfehlern≫) überein. Erkenntnismittel des Gerichts sind die vom Vorhabenträger oder der zuständigen Behörde vorgelegten Beweise sowie die gesamten dem Gericht vorliegenden Akten und Planunterlagen, aber auch sonst erkennbare oder naheliegende Umstände (vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 9. April 2008 – 4 CN 1.07 – BVerwGE 131, 100 Rn. 20 ff. und vom 13. Dezember 2012 – 4 CN 1.11 – BVerwGE 145, 231 Rn. 16 m.w.N. ≪zur Bauleitplanung≫). Erkenntnisziel ist, ob nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den angenommenen Verfahrensmangel die Entscheidung anders ausgefallen wäre (grundlegend BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1984 – 4 C 58.81 – BVerwGE 69, 256 ≪270≫; stRspr). Eine solche konkrete Möglichkeit besteht immer dann, wenn sich anhand der in Betracht kommenden Erkenntnismittel die Möglichkeit abzeichnet, dass der Verfahrensmangel von Einfluss auf das Ergebnis gewesen sein kann (BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 – 4 C 57.80 – BVerwGE 64, 33 ≪38 f.≫ – zu § 155b Abs. 2 Satz 2 BBauG –). Diesem konkreten Kausalitätsbegriff hat weder der Europäische Gerichtshof eine Absage erteilt, noch hat sich der Bundesgesetzgeber mit der Neuregelung des § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG hiervon distanziert. Dabei ist es Sache des Gerichts, unter anderem auch die Schwere des geltend gemachten Verfahrensfehlers zu gewichten und insbesondere zu prüfen, ob dieser Fehler der betroffenen Öffentlichkeit eine der Garantien genommen hat, die geschaffen wurden, um ihr im Einklang mit den Zielen der UVP-Richtlinie Zugang zu Informationen und die Beteiligung am Entscheidungsprozess zu ermöglichen (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C-72/12 – Rn. 54).
Rz. 44
Zum Dritten hat der Gesetzgeber die Folgen eines non liquet geregelt. Gelingt es dem Gericht, sich auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnismittel davon zu überzeugen, dass die Entscheidung auch ohne den festgestellten Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre, führt der Fehler gemäß § 46 VwVfG weder zur Aufhebung noch zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Verwaltungsakts. Gelingt ihm diese Überzeugungsbildung nicht, greift die Vermutungsregelung des § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG n.F., die der Sache nach für den Fall eines non liquet eine materielle Beweislastregel zu Lasten der Behörde enthält. Damit hat der Bundesgesetzgeber insgesamt den Anforderungen entsprochen, die der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C-72/12 – Rn. 51) genannt hat, um nach nationalem Recht davon auszugehen, dass eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der UVP-RL nicht vorliegt. Unionsrechtliche Bedenken gegen § 4 Abs. 1a UmwRG n.F. bestehen mithin nicht.
Rz. 45
b) § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG n.F. i.V.m. § 46 VwVfG ist im vorliegenden Fall anwendbar, obwohl die Gesetzesänderung erst nach Rechtshängigkeit der Klagen eingetreten ist.
Rz. 46
Nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts erfasst eine Änderung des Verfahrensrechts auch anhängige Rechtsmittelverfahren (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 2 BvR 1631, 1728/90 – BVerfGE 87, 48 ≪64≫ m.w.N.). Zwar kann der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Schutz des Vertrauens eines Rechtsmittelführers in die nach Maßgabe dieser Grundsätze gewährleistete Rechtsmittelsicherheit gebieten, dass eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln beim Fehlen abweichender Bestimmungen nicht zu einer Verschärfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels führt. Dieser Grundsatz des Vertrauensschutzes ist – über die Verschärfung von Zulässigkeitsvoraussetzungen hinaus – ganz allgemein zu beachten, wenn der Gesetzgeber auf eine bislang gegebene verfahrensrechtliche Lage einwirkt, in der sich der Bürger befindet (BVerwG, Urteil vom 24. März 2010 – 4 CN 3.09 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 178 Rn. 16 f. m.w.N.). Um eine nachträgliche Beschränkung der Erfolgsaussichten der vor Inkrafttreten der Neuregelung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erhobenen Rechtsbehelfe zu Lasten des Bürgers geht es hier aber nicht. Der Europäische Gerichtshof (Urteile vom 7. November 2013 – C-72/12 – Rn. 54 und vom 15. Oktober 2015 – C-137/14 – Rn. 56 und 62) hat zwar angenommen, dass § 46 VwVfG dem Ziel der UVP-Richtlinie, den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit einen weitreichenden Zugang zu Gerichten zu gewähren, zuwiderlaufe und das Erfordernis des § 46 VwVfG, wonach dem Rechtsbehelfsführer als Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit die Beweislast für das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler und dem Ergebnis der Verwaltungsentscheidung aufgebürdet wird, gegen die Richtlinie verstoße. Diese Annahmen berechtigen jedoch nicht zu der Schlussfolgerung, dass § 46 VwVfG bis zur Neuregelung des § 4 UmwRG unionsrechtswidrig und unanwendbar gewesen wäre mit der Folge, dass ein relativer Verfahrensfehler erst mit Einführung des § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG unter das Kausalitätskriterium gestellt worden wäre. Denn den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs konnte vor Einführung des § 4 Abs. 1a UmwRG durch richtlinienkonforme Auslegung Rechnung getragen werden.
Rz. 47
Das negative Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 1a UmwRG n.F. ist erfüllt. Die festgestellten Bekanntmachungsfehler fallen nicht unter die in § 4 Abs. 1 UmwRG n.F. normierten absoluten Verfahrensfehler. Denn die festgestellten Bekanntmachungsfehler sind nicht nach Art und Schwere mit den in den Nr. 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar.
Rz. 48
c) In Anwendung von § 4 Abs. 1a UmwRG n.F. i.V.m. § 46 VwVfG steht auf der Grundlage der verfügbaren Unterlagen zur Überzeugung des Senats fest, dass die von den Klägern gerügten Bekanntmachungsfehler die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst haben, also die angegriffene Entscheidung ohne die Fehler nicht anders ausgefallen wäre. Die Fehler führen deshalb weder zur Aufhebung noch zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Verwaltungsakts.
Rz. 49
Soweit naturschutzrechtliche Belange oder andere objektiv-rechtliche Umweltbelange in Frage stehen, entnimmt der Senat den vorliegenden Unterlagen, dass auch im Falle einer fehlerfreien Bekanntmachung keine weiteren Gesichtspunkte in das Planfeststellungsverfahren eingebracht worden wären. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Zwecks der UVP-Richtlinie, eine breite Öffentlichkeit für Entscheidungsverfahren im Umweltbereich zu interessieren und deren Beteiligungsbereitschaft zu fördern. Der Kläger zu 1 wurde schon im Planfeststellungsverfahren vom Direktor des Biosphärenreservats „Schorfheide-Chorin” als Fachbeistand unterstützt, dessen Sachkunde als Ornithologe und dessen Ortskenntnisse außer Frage stehen. Insoweit lässt sich den Akten entnehmen, dass der Kläger zu 1 im Planaufstellungsverfahren von seinen Informations- und Beteiligungsrechten umfassend Gebrauch gemacht hat und dass die naturschutzrechtlichen Gesichtspunkte durch seine Fachbeistände hierbei in einer Tiefe abgehandelt wurden, die sichergestellt hat, dass nichts Wesentliches unerwähnt geblieben ist. Dass er von dieser Möglichkeit – etwa hinsichtlich der Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes – auch im Interesse seiner finanziellen Unterstützer extensiv Gebrauch gemacht hat, hat der Bevollmächtigte der Kläger im gerichtlichen Erörterungstermin offengelegt.
Rz. 50
Dem Inhalt der vorliegenden Akten lässt sich aber auch entnehmen, dass aufgrund der Bekanntmachungsfehler individuelle Betroffenheiten durch möglicherweise schädliche Umwelteinwirkungen wie insbesondere Lärm oder elektromagnetische Felder sowie durch sonstige Gefahren, deren Wahrung auch im Interesse privater Eigentümer liegen kann, nicht unberücksichtigt geblieben sind. Hierfür spricht zum einen, dass sich der Kläger zu 1 insoweit in einer – von ihm ausdrücklich so bezeichneten – „Stellvertreterfunktion nach UmwRG” sieht, aufgrund derer er in verschiedener Hinsicht geltend gemacht hat, dass die Trassenführung – etwa bei der Querung von Ortslagen – aus Gründen der Immissionsbelastungen nicht rechtmäßig sei. Diese Belange hat die Planfeststellungsbehörde für alle betroffenen Grundstücke nach gleichen rechtlichen Maßstäben abgearbeitet und ihnen durch entsprechende Regelungen im Planfeststellungsbeschluss Rechnung getragen, so dass nicht damit zu rechnen ist, dass einzelne Belange anderer, nicht aktiv gewordener Betroffener unberücksichtigt geblieben sein könnten. Zum anderen ist das Gewicht der festgestellten Bekanntmachungsfehler, gemessen an den Zielen der UVP-Richtlinie, gerade was die individuell zugeordneten Interessen betrifft, gering. Diese haben im Spektrum der von § 4 Abs. 1a UmwRG n.F. erfassten Fehler für das Ziel, konkret betroffene Bürger auf ihre Betroffenheit aufmerksam zu machen und ihr Interesse an Information und Beteiligung zu fördern, ersichtlich lediglich untergeordnete Bedeutung. Das Fehlen dieser Angaben hat den Zugang der betroffenen Öffentlichkeit zu den Informationen und der Beteiligung am Entscheidungsprozess deshalb hier nicht erschwert. Das gilt umso mehr, als sich der Widerstand gegen die Uckermarkleitung auch im öffentlichen Raum formiert hat und Gegenstand der Berichterstattung in der Tagespresse war.
Rz. 51
II. Die Planrechtfertigung für die planfestgestellte 380 kV-Freileitung liegt vor.
Rz. 52
Das Vorhaben „Neubau Höchstspannungsleitung Neuenhagen – Bertikow/Vierraden – Krajnik (PL), Nennspannung 380 kV” ist als Nr. 3 in den dem EnLAG als Anlage beigefügten Bedarfsplan für Höchstspannungsleitungen aufgenommen. Gemäß § 1 Abs. 2 EnLAG sind damit Zielkonformität und Bedarf im Sinne der Planrechtfertigung für die Planfeststellung und für die Gerichte verbindlich festgestellt (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 – 7 A 4.12 – BVerwGE 147, 184 Rn. 35). Weder der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O. Rn. 36 ff.) noch der 4. Senat (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2013 – 4 VR 1.13 – juris Rn. 10 und Urteil vom 17. Dezember 2013 – 4 A 1.13 – BVerwGE 148, 353 Rn. 45) hat bisher Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der Gesetzgeber mit der Bedarfsfeststellung für die jeweils zur Prüfung stehenden Leitungsvorhaben nach dem Energieleitungsausbaugesetz die Grenzen seines weiten Gestaltungs- und Prognosespielraums überschritten hätte. Anhaltspunkte hierfür zeigen auch die Kläger nicht auf. Die fachgerichtliche Prüfung ist insoweit auf eine Evidenzkontrolle beschränkt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Juni 1998 – 1 BvR 650/97, 1 BvR 830/98 – NVwZ 1998, 1060). Den überwiegenden Teil der Gründe, die die Kläger für eine evidente Sachwidrigkeit der gesetzlichen Bedarfsfeststellung anführen, hatte bereits der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 18. Juli 2013 – 7 A 4.12 – (a.a.O.) gewürdigt und als unberechtigt zurückgewiesen. Dem schließt sich der Senat an.
Rz. 53
Unabhängig davon hat die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 48 ff.) die Notwendigkeit der Uckermarkleitung auch fachlich umfassend begründet; mit einem Teil der hiergegen vorgebrachten Einwände der Kläger – Überschätzung des Netzausbaubedarfs, Leiterseilmonitoring und Hochtemperaturleiterseile als Alternative – hatte sich der 7. Senat (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 – 7 A 4.12 – BVerwGE 147, 184) ebenfalls bereits ablehnend auseinandergesetzt. Ein erneutes Eingehen hierauf ist nicht veranlasst. Auch damit ist belegt, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung nicht evident sachwidrig ist. Auf die weiteren Argumente der Kläger wie etwa darauf, dass das Abregeln von Windenergieanlagen zur Kappung von Spitzenwerten gesetzlich vorgegeben sei, kommt es deshalb nicht mehr an. Der Einwand der Kläger, dass die Inanspruchnahme von privatem Grundeigentum nur dann gerechtfertigt sein könne, wenn sie nachgewiesenermaßen dem Transport erneuerbarer Energien diene, findet in Art. 14 GG keine Stütze.
Rz. 54
III. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt aber gegen zwingende naturschutzrechtliche Planungsvorgaben. Dies führt zu seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit.
Rz. 55
1. Die Kläger kritisieren den Planfeststellungsbeschluss in erster Linie wegen der Beeinträchtigungen von Vogelschutzgebieten. Ihre Kritik ist im Kern berechtigt.
Rz. 56
a) Zu Unrecht gehen die Kläger allerdings davon aus, dass von der 380 kV-Freileitung auch sogenannte faktische Vogelschutzgebiete betroffen seien, für die das strenge Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 103 S. 1), neu kodifiziert durch die Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten – Vogelschutzrichtlinie – V-RL (ABl. L 20 S. 7) gelte.
Rz. 57
Aus der Sicht der Kläger sind die von der Uckermarkleitung betroffenen Vogelschutzgebiete durch das Land Brandenburg fehlerhaft abgegrenzt worden. Das gelte insbesondere im Bereich der planfestgestellten Trasse bei Landin und in den Gemeinden Passow und Nord-Östlich-Angermünde (Bereich Pinnow). Die innerstaatliche Ausweisung bleibe hinter dem IBA (Important Bird Areas)-Verzeichnis (SUDFELDT et al.) deutlich zurück. Bei dem Gebiet Landiner Haussee und Felchowsee handele es sich um ein gemeinsames Habitat, das zudem bundesweit einmalig sei, weil es bei zwei in Deutschland fast ausgestorbenen Arten einen sehr hohen Anteil der verbliebenen Brutpaare (Zwergdommel: 4 bis 7 %; Kleinralle: 12 bis 17 %) beherberge. Selbst die SPA-Verträglichkeitsprüfung spreche an dieser Stelle von einer der höchsten Anzahl von die Trasse querenden Vögeln. Die Erhaltung dieser Austauschwege sei für eine dauerhaft lebensfähige Population unverzichtbar. Die Einzelgebiete seien jeweils zu klein (räumlich, Genaustausch u.a.), um diese Populationen dauerhaft zu sichern.
Rz. 58
Die Existenz eines faktischen Vogelschutzgebiets zeigen die Kläger mit diesem Vortrag nicht auf. Die rechtlichen Maßstäbe hierfür sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2014 – 4 CN 3.13 – BVerwGE 149, 229 Rn. 22 ff. m.w.N.) geklärt: Ein Land kann zwar die Diskussion um die Existenz „faktischer” Vogelschutzgebiete nicht dadurch beenden, dass es sein Gebietsauswahlverfahren für abgeschlossen erklärt. Art. 4 Abs. 4 Satz 1 V-RL eröffnet den Mitgliedstaaten jedoch einen fachlichen Beurteilungsspielraum in der Frage, welche Gebiete nach ornithologischen Kriterien für die Erhaltung der zu schützenden Vogelarten „zahlen- und flächenmäßig” am geeignetsten sind. Die Eignungsfaktoren mehrerer Gebiete sind vergleichend zu bewerten. Gehört ein Gebiet hiernach zu den für den Vogelschutz „geeignetsten” Gebieten, ist es zum Vogelschutzgebiet zu erklären. Unterschiedliche fachliche Wertungen sind allerdings möglich. Die Nichtmeldung eines Gebiets ist dann nicht zu beanstanden, wenn sie fachwissenschaftlich vertretbar ist. Diese Vertretbarkeitskontrolle umfasst auch die Netzbildung in den einzelnen Ländern, hat aber auch insoweit den fachlichen Beurteilungsspielraum zu beachten. In dem Maße, in dem sich die Gebietsvorschläge eines Landes zu einem kohärenten Netz verdichten, verringert sich die richterliche Kontrolldichte. Mit dem Fortschreiten des mitgliedstaatlichen Auswahl- und Meldeverfahrens steigen deshalb die prozessualen Darlegungsanforderungen für die Behauptung, es gebe ein „faktisches” Vogelschutzgebiet, das eine „Lücke im Netz” schließen soll. Entsprechendes gilt für die zutreffende Gebietsabgrenzung. Die gerichtliche Anerkennung eines faktischen Vogelschutzgebiets kommt deshalb im Falle eines abgeschlossenen Gebietsauswahl- und -meldeverfahrens nur in Betracht, wenn der Nachweis geführt werden kann, dass die Nichteinbeziehung bestimmter Gebiete in ein gemeldetes Vogelschutzgebiet auf sachwidrigen Erwägungen beruht. Das gilt selbst dann, wenn die betreffenden Gebiete im sogenannten IBA-Verzeichnis (SUDFELDT et al., Important Bird Areas) aufgeführt sind.
Rz. 59
Gemessen hieran ist nicht davon auszugehen, dass die Trasse zwischen Landiner Haussee und Felchowsee dem strengen Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 V-RL unterlag. Die Kläger haben die in der Rechtsprechung formulierten strengen Darlegungsanforderungen nicht erfüllt. Sie behaupten zwar, dass die unterbliebene Ausweisung eines einheitlichen Vogelschutzgebiets auf sachfremden Erwägungen beruhe. Die Erwägungen, die das Land Brandenburg veranlasst haben, das Vogelschutzgebiet „Unteres Odertal” im Bereich zwischen Landiner Haussee und Felchowsee, als zwei Teilgebiete auszuweisen, haben sie in ihrem Klagevortrag indes nicht einmal thematisiert. Schon deshalb ist der Nachweis nicht geführt, dass die vom Land vorgenommene Gebietsabgrenzung auf sachfremden Erwägungen beruht. Dabei hätte eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Landes umso näher gelegen, als zwischen den Teilgebieten des Vogelschutzgebiets „Unteres Odertal” im Bereich von Landiner Haussee und Felchowsee nach den Feststellungen der FFH-VS (S. 81) bereits jetzt parallel zueinander die Bundesstraße B 2, eine elektrifizierte Eisenbahnlinie und eine 110 kV-Freileitung mit Masthöhen von bis zu 56 m verlaufen und Windenergieanlagen im Windpark westlich von Heinersdorf sowie westlich des Landiner Haussees hinzukommen. Auf die Beweisangebote der Kläger kommt es deshalb nicht entscheidungserheblich an.
Rz. 60
b) Begründet ist jedoch die Kritik der Kläger, dass auf der Grundlage der von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen erhebliche Beeinträchtigungen der von der Uckermark-Freileitung durchquerten oder in sonstiger Weise betroffenen ausgewiesenen Vogelschutzgebiete nicht ausgeschlossen werden können.
Rz. 61
Zu Recht ist die Planfeststellungsbehörde davon ausgegangen, dass sie vor der Zulassung des Projekts zur Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung nach den Maßstäben des § 34 Abs. 1 BNatSchG verpflichtet war zur Klärung der Frage, ob die Uckermarkleitung zu erheblichen Beeinträchtigungen ausgewiesener Vogelschutzgebiete in ihren für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann.
Rz. 62
Hinsichtlich der nach Art. 4 Abs. 1 V-RL zu besonderen Schutzgebieten erklärten Gebiete bestimmt Art. 7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 206 S. 7) – FFH-RL –, dass ab dem Datum der Schutzgebietsausweisung an die Stelle der Pflichten, die sich aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 V-RL ergeben, die Verpflichtungen nach Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL treten. Auf ausgewiesene Vogelschutzgebiete ist deshalb das System habitatschutzrechtlicher Prüf- und Verfahrensschritte anzuwenden, das der Bundesgesetzgeber in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL in § 34 BNatSchG normiert hat (BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 67, vom 10. April 2013 – 4 C 3.12 – BVerwGE 146, 176 Rn. 10 und vom 1. April 2015 – 4 C 6.14 – BVerwGE 152, 10 Rn. 14 f.). Nach dieser Vorschrift sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines ausgewiesenen Vogelschutzgebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Ein Projekt darf grundsätzlich nur zugelassen werden, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass es nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des jeweiligen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Sind erhebliche Beeinträchtigungen zu besorgen, ist das Projekt gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG vorbehaltlich einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG unzulässig.
Rz. 63
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BNatSchG waren hier erfüllt. Die Uckermarkleitung ist ein Projekt im Sinne des § 34 Abs. 1 BNatSchG, das ausgewiesene Vogelschutzgebiete betrifft und nicht lediglich unmittelbar der Verwaltung der Gebiete dient. Die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 155) hat auf der Grundlage der im Raumordnungsverfahren für die im Trassenkorridor oder im direkten Umfeld liegenden Vogelschutzgebiete vorgelegten „Vertiefenden Vorprüfung” (Anlage 11 zum PFB; Ordner 20/23 der Planunterlagen) ferner festgestellt, dass erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele der Gebiete für die planfestgestellte Vorzugsvariante nicht zweifelsfrei hätten ausgeschlossen werden können. Das Projekt war mithin im Sinne des § 34 Abs. 1 BNatSchG geeignet, die Vogelschutzgebiete erheblich zu beeinträchtigen.
Rz. 64
Für das Planfeststellungsverfahren ließ die Beigeladene die FFH-VS erstellen, in der die von der Leitungstrasse betroffenen Vogelschutzgebiete „Unteres Odertal”, „Randow-Welse-Bruch” und „Schorfheide-Chorin” unter Berücksichtigung der Feintrassierung sowie aktueller und weiterer biologischer Daten untersucht wurden (PFB S. 155). Auf der Grundlage der FFH-VS und weiterer Unterlagen der Beigeladenen sowie unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des LUGV gelangte die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 165, 172 und 175) zu dem Ergebnis, dass erhebliche Beeinträchtigungen der Vogelschutzgebiete, auch im Hinblick auf mögliche kumulative Wirkungen mit anderen Plänen und/oder Projekten, nicht zu erwarten seien.
Rz. 65
Die Kläger sind dieser Einschätzung entgegen getreten. Sie sind der Auffassung, dass die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Vogelschutzgebiete auf der Grundlage der durchgeführten Verträglichkeitsprüfung nicht ausgeschlossen werden könne. Das Vorhaben sei deshalb gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG vorbehaltlich der Möglichkeit einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG unzulässig. Eine Abweichungsprüfung sei nicht durchgeführt worden und könne mangels ausreichend ermittelter Grundlagen hierfür auch derzeit nicht durchgeführt werden.
Rz. 66
Die Kritik der Kläger ist berechtigt. Die von der Beigeladenen vorgelegte FFH-VS war keine tragfähige Grundlage für die Feststellung der Planfeststellungsbehörde, dass erhebliche Beeinträchtigungen der Vogelschutzgebiete in ihren für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck wesentlichen Bestandteilen nicht zu erwarten seien.
Rz. 67
aa) Nicht zu beanstanden ist allerdings die von den Gutachtern der FFH-VS vorgenommene Bestandserfassung und -bewertung.
Rz. 68
Um die projektbedingten Einwirkungen zutreffend auf ihre Erheblichkeit hin beurteilen zu können, hat die Verträglichkeitsprüfung in einem ersten Schritt eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung der von dem Projekt betroffenen maßgeblichen Gebietsbestandteile zu leisten (stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 – 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 43 und vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 68). Dass die Gutachter der FFH-VS hierbei ordnungsgemäß vorgegangen sind, ist im Wesentlichen nicht streitig. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 156) zitiert hierzu den Fachbeistand der Kläger, der bestätigt habe, dass die durchgeführten Kartierungen relativ aufwändig von sehr guten Feldornithologen aus der Region durchgeführt worden seien; die ermittelten Daten seien konsistent und von hoher Qualität. Die Kläger rügen zwar, dass die Planfeststellungsbehörde die Bedeutung der Gebiete verkannt habe. Das findet im Planfeststellungsbeschluss, der an verschiedenen Stellen die hohe Bedeutung der Vogelschutzgebiete hervorhebt, indes keine Stütze.
Rz. 69
bb) Demgegenüber kritisieren die Kläger zu Recht den zweiten Schritt der Verträglichkeitsprüfung – die Ermittlung und naturschutzfachliche Bewertung der projektbedingten Einwirkungen auf die durchquerten oder in sonstiger Weise betroffenen Vogelschutzgebiete.
Rz. 70
Ob ein Projekt ein Vogelschutzgebiet in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigen kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (grundlegend – zu FFH-Gebieten – BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 – 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 43 und vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 68; siehe auch Urteil vom 6. November 2012 – 9 A 17.11 – BVerwGE 145, 40 Rn. 35) anhand seiner Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der maßgeblichen Gebietsbestandteile zu beurteilen. Beurteilungskriterium ist der „günstige Erhaltungszustand” der geschützten Lebensräume und Arten im Sinne der Legaldefinition des Art. 1 Buchst. e und i FFH-RL. Der „Erhaltungszustand einer Art” ist definiert als die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Art auswirken können; als „günstig” wird der Erhaltungszustand angesehen, wenn aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, dass die Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraumes, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird, das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Populationen dieser Art zu sichern. Um erhebliche Beeinträchtigungen nach § 34 Abs. 1 BNatSchG zu verneinen, muss ein günstiger Erhaltungszustand trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben, ein bestehender schlechter Erhaltungszustand darf jedenfalls nicht weiter verschlechtert werden. Für die Verträglichkeitsprüfung gilt ein strenger Prüfungsmaßstab. Ein Projekt ist nur dann zulässig, wenn nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel verbleibt, dass erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden. Die bei der Erfassung und Bewertung projektbedingter Beeinträchtigungen zugrunde zu legende Untersuchungsmethode ist normativ nicht geregelt. Die Zulassungsbehörde ist also nicht auf ein bestimmtes Verfahren festgelegt. Sie muss aber, um zu einer verlässlichen Beurteilung zu gelangen, auch insoweit den für die Verträglichkeitsprüfung maßgeblichen Standard der „besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse” einhalten (stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 – 9 A 20.05 – a.a.O. Rn. 62, vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 – a.a.O. Rn. 73 sowie vom 6. November 2012 – 9 A 17.11 – a.a.O. Rn. 35; BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 – 9 B 14.13 – NuR 2014, 361, Rn. 7). Das setzt die „Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen” voraus (BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 – 9 A 20.05 – a.a.O. und vom 23. April 2014 – 9 A 25.12 – BVerwGE 149, 289 Rn. 26). Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge, die sich auch bei Ausschöpfung der einschlägigen Erkenntnismittel derzeit nicht ausräumen lassen, müssen indes kein unüberwindbares Zulassungshindernis darstellen. Insoweit ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten, die kenntlich gemacht und begründet werden müssen. Verbleibende prognostische Risiken können durch ein geeignetes Risikomanagement aufgefangen werden (BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 – a.a.O. Rn. 105 und vom 6. November 2012 – 9 A 17.11 – a.a.O. Rn. 48).
Rz. 71
Als projektbedingte Einwirkungen stuft der Planfeststellungsbeschluss (S. 156) insbesondere Vogelverluste durch Leitungsanprall an Erd- und Leiterseilen ein; andere mögliche Beeinträchtigungen der Vogelschutzgebiete wie etwa durch Flächenverbrauch für die Masten, Stromschlag, Verlärmung, Scheuchwirkung oder durch Eingriffe in Räuber-Beute-Beziehungen werden in der FFH-VS zwar angesprochen, aber nicht weiter untersucht und spielen auch im Vortrag der Beteiligten keine Rolle. Zur Ableitung der Erheblichkeit der Vogelverluste durch Leitungsanprall ziehen die Gutachter der FFH-VS den im Rahmen einer Prognoseberechnung abgeschätzten relativen leitungsbedingten Populationsverlust heran. Methodisch orientieren sie sich dabei an Arbeiten von HÖTKER et al. (2004; PFB S. 156 Fußnote 57) zur Beurteilung der populationsbiologischen Auswirkungen der Kollision mit Windenergieanlagen auf die Mortalität ausgewählter Vogel- und Fledermausarten. Die Populationsentwicklung ermitteln die Gutachter der FFH-VS wie bei HÖTKER et al. (2004) mit Hilfe des stochastischen Simulationsprogramms Vortex, das die Bestandsentwicklung einer Population aus den Zu- und Abgängen in der Jahresabfolge bilanziert. Dabei wird die Variationsbreite der populationsbiologisch relevanten Parameter wie Reproduktionsverhalten, Partnerbindung, Reproduktionserfolg und Sterblichkeit berücksichtigt, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass diese von Faktoren wie Nahrungsangebot und Witterung beeinflusst werden und deshalb von Jahr zu Jahr schwanken. Das Ergebnis ist eine Wahrscheinlichkeitsabschätzung der langfristigen Bestandsentwicklung bzw. des Aussterberisikos einer Population. Zur Ableitung der Erheblichkeit leitungsbedingter Beeinträchtigungen stellen die Gutachter die prognostizierte Bestandsentwicklung ohne Leitungsbau (Szenario 1) der Bestandsentwicklung mit Leitungsbau ohne Erdseilmarkierung (Szenario 2) und mit Erdseilmarkierung (Szenario 3) gegenüber. Als Wert für die leitungsbedingte Erhöhung der Sterblichkeit setzen die Gutachter bei Szenario 2 für alle untersuchten Arten einheitlich 0,5 % an. Dieser Wert ist der Quotient aus einer angenommenen Zahl von 400 Leitungsanflügen pro Kilometer und Jahr und der auf der Grundlage von Beobachtungen und Kartierungen von KALZ & KNERR (2007) hochgerechneten „Anzahl von 81 250 Tieren …, welche die Leitungstrasse pro km und Jahr queren”. Die Gutachter der FFH-VS stellen fest, dass dieser Wert von 0,5 % mit der von HÖTKER et al. (2004) angenommenen Erhöhung der Mortalität bei Windenergieanlagen vergleichbar sei. Bei Szenario 3 gehen die Gutachter von einem gegenüber Szenario 2 durch die Erdseilmarkierung um 80 % verringerten Anflugrisiko aus und gelangen so zu einer leitungsbedingten Erhöhung der Sterblichkeit um 0,1 %. Alle Szenarien wurden über 20 Jahre „interpoliert”. Nach einer von PERCIVAL (2001; PFB S. 157) entwickelten, an den Leitfaden des (ehemaligen) Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) zur FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP) angepassten Bewertungsmethode betrachten die Gutachter Populationsverluste von 5 bis 10 % in 20 Jahren als „noch tolerierbar”, also unter Berücksichtigung weiterer Kriterien als unerheblich im Sinne des § 34 Abs. 2 BNatSchG.
Rz. 72
Nach Beratungen mit der Planfeststellungsbehörde und dem LUGV haben die Gutachter der Beigeladenen eine „Ergänzende Unterlage” zur FFH-VS (Anlage 11.2) vorgelegt und darin in einem „Szenario 4” „Rückbau 220-kV und 380-kV mit Markierung”) eine Bewertung der Entwicklung der Bestandszahlen der untersuchten Brut-, Zug- und Rastvogelarten in den Vogelschutzgebieten „Randow-Welse-Bruch” und „Schorfheide-Chorin” unter Berücksichtigung des Rückbaus der in diesen Gebieten vorhandenen 220 kV-Freileitungen als schadensmindernde Maßnahme vorgenommen. In diesem Szenario 4 gelangen die Gutachter sogar zu einem „leicht positiven Effekt” der leitungsbedingten Einwirkungen auf die Populationen, nämlich zu einer um 0,4 % bzw. 0,1 % verringerten Mortalität, wodurch die errechneten Bestandswerte nach 20 Jahren teils über Szenario 1, teils auch darunter, aber jedenfalls deutlich unter 2 % lägen, weshalb die Beeinträchtigung nicht als erheblich angesehen werde.
Rz. 73
Die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 161) hat – der Stellungnahme des LUGV als beteiligter Naturschutzfachbehörde folgend und abweichend von der FFH-VS – die Einhaltung von 5 % als Maximalwert der noch tolerierbaren Populationsrückgänge zugrunde gelegt und bei einem Wert ≫ 3 % zusätzlich eine einzelfallbezogene Prüfung für erforderlich gehalten. Im Übrigen hat sie das methodische Vorgehen in der FFH-VS und der „Ergänzenden Unterlage” gebilligt, weil das Vogelschlagrisiko bei Windenergieanlagen mit dem Anflugrisiko an Freileitungen „in gewisser Weise” vergleichbar sei (PFB S. 157). Die durch das LUGV angesprochenen Kenntnislücken hätten mit der Überarbeitung der Verträglichkeitsprüfung geschlossen werden können.
Rz. 74
Die Kläger kritisieren sowohl die von den Gutachtern der Beigeladenen herangezogenen Erkenntnismittel als auch deren methodische Vorgehensweise.
Rz. 75
aaa) Unberechtigt ist der Vorwurf der Kläger, dass bessere Quellen und Erkenntnisse vorhanden gewesen seien, die die Planfeststellungsbehörde nicht herangezogen und berücksichtigt habe.
Rz. 76
Die Kläger machen geltend, unter anderem sei „offenbar” das Fachinformationssystem des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zur FFH-Verträglichkeitsprüfung (kurz: FFH-VP-Info), eine umfangreiche Datenbank zu wissenschaftlichen Quellen, nicht ausgewertet worden. Der Beklagte und die Beigeladene sind diesem Vortrag entgegengetreten. Die Beigeladene behauptet, dass ein Zugang zur Datenbank nicht nur für die Kläger, sondern auch für sie als Vorhabenträgerin nicht möglich gewesen sei, weil diese seinerzeit noch nicht fertiggestellt gewesen sei. Diesen Einwand haben die Kläger allein mit der Behauptung, die Datenbank FFH-VP-Info sei für Fachplaner und Behörden „offenbar” schon seit längerer Zeit zugänglich, nicht substantiiert entkräftet. Auch ein darauf gerichteter Beweisantrag wurde nicht gestellt. Dass die Datenbank nunmehr – nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses – zugänglich ist, ist für die Rechtmäßigkeitsbeurteilung des Planfeststellungsbeschlusses ohne Belang (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 24. März 2011 – 7 A 3.10 – Buchholz 406.400 § 19 BNatSchG 2002 Nr. 7 = juris Rn. 37).
Rz. 77
Die weitere Kritik der Kläger, dass die von ihrem Fachbeistand, Herrn Dr. F., vorgetragenen Erkenntnisse und Quellen z.B. zu den nachtaktiven und den extrem gefährdeten Arten weithin ignoriert worden seien, trifft ausweislich der „Auseinandersetzung mit den gutachterlichen Stellungnahmen von Dr. F.” unter Punkt 7.3.2.5.3 des Planfeststellungsbeschlusses (S. 176 ff.) nicht zu.
Rz. 78
bbb) Im Kern berechtigt ist jedoch die Methodenkritik der Kläger. Sie bemängeln zu Recht, dass die Gutachter der Beigeladenen in der FFH-VS die projektbedingte Erhöhung des Mortalitätsrisikos nicht artspezifisch, sondern pauschal für sämtliche betroffenen Vogelarten prognostiziert haben mit der Folge, dass das Mortalitätsrisiko bei besonders gefährdeten Arten zu gering angesetzt worden sein könnte.
Rz. 79
(1) Ob bereits die gegen die Verwendung des Programms Vortex vorgetragenen Bedenken durchgreifen, kann der Senat offenlassen.
Rz. 80
Die Verwendung des Simulationsprogramms Vortex zur Prognose von Populationsentwicklungen hält der Senat für sich genommen für unbedenklich. Das gilt auch, soweit sich die Gutachter der FFH-VS (S. 93 f.) hierbei von den Arbeiten von HÖTKER et al. (2004) haben leiten lassen. Die Kläger kritisieren zwar, dass diese Arbeiten zur Beurteilung der populationsbiologischen Auswirkungen des Kollisionsrisikos ausgewählter Vogel- und Fledermausarten mit Windenergieanlagen auf das vorliegend zu beurteilende Anflugrisiko auf Hochspannungsfreileitungen fachlich nicht übertragbar seien, weil zum Teil andere Vogelarten betroffen seien und andere Verlustmechanismen griffen. Mit dieser Kritik ist jedoch nicht schlüssig dargetan, dass das Simulationsprogramm Vortex für die Prognose der Populationsentwicklung bei der Gefahr von Leitungsanflügen von vornherein unbrauchbar wäre. Abgesehen davon verstellen sich die Kläger mit ihrer Kritik den Blick auf die rechtlich maßgebliche Frage, ob im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung auch hinsichtlich der Methodenwahl die „besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse” berücksichtigt worden sind (siehe noch einmal BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 – 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 62, vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 73 sowie vom 6. November 2012 – 9 A 17.11 – BVerwGE 145, 40 Rn. 35). Eben hiervon ist die Planfeststellungsbehörde ausgegangen. Denn gestützt auf die Stellungnahme des LUGV hat sie sich auf den Standpunkt gestellt, dass besser geeignete wissenschaftliche Erkenntnismethoden bisher fehlten und die Arbeiten zu den Verlustrisiken bei Windenergieanlagen „in gewisser Weise” (gemeint ist wohl: noch am ehesten) vergleichbar seien. Die Kläger sind dieser Einschätzung nicht substantiiert entgegengetreten.
Rz. 81
Nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist demgegenüber die Kritik, dass viele der von der Uckermark-Freileitung betroffenen Arten bisher noch gar nicht untersucht seien, die Bestandsentwicklung mit der Vortex-Modellierung (deshalb) nur hinsichtlich einiger – längst nicht aller – betroffener Arten simuliert worden sei und man sich im Übrigen mit Analogieschlüssen beholfen habe. Inwieweit diese Kritik berechtigt ist, etwa deshalb, weil für eine aussagekräftige Prognose die Bestandsentwicklung sämtlicher geschützter oder zumindest der besonders gefährdeten Arten hätte simuliert werden müssen, kann der Senat offenlassen. Denn die FFH-VS ist aus einem weiteren Grund methodisch fehlerhaft.
Rz. 82
(2) Auf der Grundlage der FFH-VS und der weiteren von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen lässt sich die fehlende Erheblichkeit der Beeinträchtigung besonders anfluggefährdeter geschützter Vogelarten aus wissenschaftlicher Sicht nicht ohne vernünftige Zweifel feststellen, weil eine artspezifische Untersuchung der Erhöhung des Mortalitätsrisikos durch Leitungsanflug nicht stattgefunden hat.
Rz. 83
In der Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 BNatSchG muss der Träger des Projekts unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nachweisen, dass eine projektbedingte Beeinträchtigung der Erhaltungsziele der betroffenen Vogelschutzgebiete ausgeschlossen ist. Bestehen nach Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen vernünftige Zweifel daran, dass das Projekt die Erhaltungsziele nicht beeinträchtigen wird, ist es nach § 34 Abs. 2 BNatSchG vorbehaltlich der Möglichkeit einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG unzulässig (BVerwG, Urteil vom 10. April 2013 – 4 C 3.12 – BVerwGE 146, 176 Rn. 10). Grundsätzlich ist jede Beeinträchtigung eines für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteils eines Gebiets erheblich und muss als Beeinträchtigung des Gebiets als solches gewertet werden (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 – 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 41 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 7. September 2004 – C-127/02 [ECLI:EU:C:2004:482] – Slg. 2004, I-7405 Rn. 49). Nur solchen projektbedingten Einwirkungen darf folglich die Verträglichkeit nach § 34 Abs. 1 BNatSchG attestiert werden, die keinen einzigen der für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteile erheblich beeinträchtigen können (zutreffend Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, BNatSchG, Stand August 2015, § 34 Rn. 27 m.w.N.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 – 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1). Folglich muss in Vogelschutzgebieten die Erheblichkeit einer Beeinträchtigung durch Leitungsanflug grundsätzlich auf der Ebene jeder einzelnen geschützten Vogelart untersucht werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn zwischen den im Gebiet geschützten Arten starke Unterschiede in ihrer Verhaltensökologie, Habitatnutzung und dem damit einhergehenden Flugverhalten und somit auch im potentiellen Anflugrisiko bestehen (so auch die vom Beklagten als Anlage AG 19 beigegebene und in der Antragsbegründung zitierte Datenbank FFH-VP-Info). Kann eine erhebliche Beeinträchtigung auch nur hinsichtlich einer einzigen geschützten Art auf der Grundlage der Verträglichkeitsprüfung nicht ohne vernünftigen Zweifel ausgeschlossen werden, ist das Projekt nach § 34 Abs. 2 BNatSchG unzulässig.
Rz. 84
(a) Gemessen hieran bemängeln die Kläger zu Recht, dass in der FFH-VS eine artspezifische Untersuchung der leitungsbedingten Erhöhung der Mortalität der Populationen der geschützten Arten fehlt.
Rz. 85
Die Gutachter der FFH-VS gehen in Szenario 2 der Vortex-Modellierung (380 kV-Freileitung ohne Erdseilmarkierung) für alle untersuchten Arten einheitlich von einer projektbedingt um 0,5 % erhöhten jährlichen Sterblichkeit aus. In Szenario 3 (380 kV-Freileitung mit Erdseilmarkierung) wird dieser Wert angesichts einer angenommenen schadensmindernden Wirkung der Erdseilmarkierung um 80 % ebenfalls einheitlich für alle untersuchten Arten auf 0,1 % reduziert und in Szenario 4 mit den durch den Rückbau der bestehenden 220 kV-Freileitung ersparten Anflugopfern gegengerechnet.
Rz. 86
Fraglich ist bereits, ob dem Wert von 0,5 % die für Szenario 2 der Vortex-Modellierung benötigte projektbedingt „erhöhte jährliche Sterblichkeit” von Vögeln entnommen werden kann. Die Gutachter bilden den Wert von 0,5 % als Quotienten, indem sie die angenommene Zahl von durchschnittlich 400 Leitungsanflügen pro Kilometer und Jahr zu dem auf der Grundlage von Beobachtungen und Kartierungen von KALZ & KNERR (2007) entlang der Leitungstrasse hochgerechneten Durchschnittswert von „81 250 Tieren …, welche die Leitungstrasse pro km und Jahr queren”, ins Verhältnis setzen. Insbesondere der Dividend dieses Quotienten wirft Fragen auf.
Rz. 87
Hinsichtlich der Zahl von 81 250 bleibt unklar, ob es sich hierbei tatsächlich um die für Szenario 2 der Vortex-Modellierung benötigte hochgerechnete Zahl von Tierindividuen handelt, die die Leitungstrasse in den Vogelschutzgebieten pro Kilometer und Jahr queren. In der FFH-VS ist ausgeführt, dass an jedem Beobachtungspunkt im Durchschnitt ca. 325 Tiere pro Stunde beobachtet worden seien, wobei an einem Beobachtungspunkt in beide Richtungen durchschnittlich jeweils ca. 1,5 km, insgesamt also 3 km Trassenlänge überblickt worden seien. Allein wegen dieser Distanz ist wohl kaum davon auszugehen, dass die beim Queren der Trasse beobachteten Tiere in jeden Fall individualisierbar waren. Viel mehr spricht dafür, dass die hochgerechnete Zahl von 81 250 nicht die – für die Abschätzung der projektbedingten Erhöhung der Mortalität der Populationen der geschützten Arten benötigte – Anzahl der beobachteten Vogelindividuen wiedergibt, sondern die Anzahl der Trassenquerungen bzw. die Anzahl des Erscheinens von Vögeln im Trassenbereich. Die Zahl der Trassenquerungen wiederum ist allenfalls zufällig mit der Zahl der im beobachteten Bereich anwesenden Vogelindividuen identisch. Es spricht nicht einmal viel dafür, dass diese Zahlen wenigstens in etwa auf demselben Niveau liegen. Das ergibt sich bereits daraus, dass viele Vögel, wenn sie die Trasse queren, auch wieder zurückfliegen, etwa weil sie auf der einen Seite der Trasse ihre Brut- oder Rastplätze und auf der anderen Seite ihre Nahrungsflächen haben.
Rz. 88
Unabhängig von den aufgezeigten Bedenken bemängeln die Kläger jedenfalls zu Recht, dass der Wert von 0,5 % pauschal für alle in der Vortex-Modellierung untersuchten Arten zugrunde gelegt wurde. Dass hinsichtlich der angenommenen Anzahl von 400 Anflugopfern pro Kilometer und Jahr oder hinsichtlich der aus Beobachtungen hochgerechneten Zahl von 81 250 nach einzelnen Vogelarten differenziert worden wäre, lässt sich der FFH-VS nicht entnehmen. Im Gegenteil streichen die Gutachter (S. 95) selbst heraus, dass „die Erhöhung der Mortalität pauschal für alle Individuen im SPA unabhängig von der Lage der Brutplätze oder Nahrungsflächen zur 380 kV-Leitung angenommen” worden sei, und dass auch „z.B. die trassenfern brütenden Vögel, die auf dem Weg zu ihren Nahrungsflächen die 380 kV-Leitung nicht queren müssen”, ebenso berücksichtigt worden seien „wie trassennah brütende Vögel mit einem höheren Kollisionsrisiko”. Für den Senat steht deshalb fest, dass die Gutachter der FFH-VS den Wert von 0,5 % auch für solche Vogelarten als leitungsbedingte Steigerung der Mortalitätsrate zugrunde gelegt haben, die ihre Lebensräume an oder gar beidseitig der Trasse haben und für den Leitungsanflug besonders empfindlich sind.
Rz. 89
(b) Eine artspezifische Untersuchung der Auswirkungen war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich.
Rz. 90
Die grundsätzlich für jede einzelne geschützte Vogelart zu fordernde Prüfung der Verträglichkeit eines Projekts mit den Erhaltungszielen eines Vogelschutzgebiets mag ausnahmsweise dann entbehrlich sein, wenn unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse ausgeschlossen werden kann, dass sich die projektbedingten Einwirkungen auf geschützte Vogelarten artspezifisch wesentlich unterscheiden. Hiervon konnte die Planfeststellungsbehörde vorliegend aber nicht ausgehen. Der Fachbeistand der Kläger hatte im Planfeststellungsverfahren wiederholt darauf hingewiesen, dass bestimmte Vogelarten aufgrund ihrer Verhaltensweisen hinsichtlich des Anflugrisikos gefährdeter seien als andere. Die meisten Drahtanflug-Verluste ereigneten sich nachts, in der Dämmerung, bei Nebel oder stark eingeschränkten Sichtverhältnissen. Deshalb seien nachtaktive, etwa nachts Flugbalz oder regelmäßige Ortswechsel durchführende Vogelarten besonders gefährdet. Auch die Literatur (etwa HAAS et al., Vogelschutz an Freileitungen) weist auf unterschiedliche Gefährdungsgrade hin. Es bestanden aus wissenschaftlicher Sicht daher vernünftige Zweifel an der Vorgehensweise der Gutachter der Beigeladenen in der FFH-VS, die projektbedingte Erhöhung des Sterblichkeitsrisikos für alle Vogelarten pauschal und mithin unabhängig davon zu ermitteln, wie gefährdet sie nach ihrem tatsächlichen Verhalten für den Leitungsanflug sind.
Rz. 91
Soweit die Beigeladene meint, die Kläger hätten nicht nachvollziehbar dargelegt, dass artspezifisch einzelne Vogelarten die Freileitung öfter anflögen als andere, verkennt sie die im System der habitatschutzrechtlichen Prüf- und Verfahrensschritte nach § 34 BNatSchG angelegten Verantwortlichkeiten: Die Planfeststellungsbehörde darf ein Projekt – wie dargelegt – nur dann zulassen, wenn sie Gewissheit darüber erlangt hat, dass es sich nicht nachteilig auf die für das betreffende Gebiet festgelegten Erhaltungsziele auswirken wird. Trägt das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung diese Feststellung nicht, weil aus wissenschaftlicher Sicht vernünftige Zweifel daran verbleiben, ob das Projekt das Gebiet in seinen für die Erhaltungsziele und den Schutzzweck wesentlichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigen kann, ist es nach § 34 Abs. 2 BNatSchG unzulässig (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 – 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 41). Es ist deshalb nicht Sache der Kläger, nachvollziehbar darzulegen oder gar nachzuweisen, dass sich die projektbedingten Einwirkungen auf die geschützten Vogelarten artspezifisch wesentlich unterscheiden. Vielmehr obliegt es umgekehrt dem Vorhabenträger, unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nachzuweisen, dass artspezifische Unterschiede hinsichtlich des Anflugrisikos ausgeschlossen werden können. Das ist angesichts des gegenteiligen Fachvortrags des Fachbeistandes der Kläger und den Aussagen in der Studie von HAAS et al. (Vogelschutz an Freileitungen) mit der FFH-VS nicht geschehen.
Rz. 92
(c) Es kann auf der Grundlage der FFH-VS auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Mortalitätsrisiko mit dem Wert von 0,5 % auch hinsichtlich der gefährdetsten Arten „auf der sicheren Seite” liegt.
Rz. 93
Vernünftige Zweifel daran, dass sich ein Projekt nicht nachteilig auf ein Gebiet auswirken wird, sind allerdings auch bei bestehenden artspezifischen Unterschieden aus wissenschaftlicher Sicht nicht nur dann zu verneinen, wenn die Erhöhung der Mortalität durch Leitungsanflug im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung für jede einzelne vom Schutzzweck der Vogelschutzgebiete erfasste Art individuell untersucht und ermittelt worden ist. Wie bereits dargelegt (siehe BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 105 und vom 6. November 2012 – 9 A 17.11 – BVerwGE 145, 40 Rn. 48), müssen Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge, die sich auch bei Ausschöpfung der einschlägigen Erkenntnismittel derzeit nicht ausräumen lassen, kein unüberwindbares Zulassungshindernis darstellen. Insoweit ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten, die kenntlich gemacht und begründet werden müssen. Verbleibende prognostische Risiken können durch ein geeignetes Risikomanagement aufgefangen werden.
Rz. 94
Hierauf konnte sich die Planfeststellungsbehörde jedoch hinsichtlich der vom Fachbeistand der Kläger als besonders gefährdet qualifizierten Vogelarten nicht stützen. Von einer Überschätzung des Anflugrisikos dergestalt, dass der in die Vortex-Modellierung eingestellte Wert von 0,5 % – wie die Beigeladene im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen hat – selbst bei der gefährdetsten Vogelart mit Sicherheit eingehalten werde, ist auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse nicht auszugehen.
Rz. 95
Richtig ist zwar, dass die Gutachter der Beigeladenen nach ihren eigenen Angaben für alle Individuen im SPA einen pauschalen Wert für die projektbedingte Erhöhung der Mortalität zugrunde gelegt haben, weil trassenfern brütende Vögel ebenso berücksichtigt wurden wie trassennah brütende Vögel mit hohem Kollisionsrisiko und auch nur ein bestimmter Anteil der Zug- und Rastvögel im SPA die geplante Freileitung auf den Flügen von und zu den Schlafplätzen und Nahrungsflächen quert. Mit ihrer Schlussfolgerung, dass „somit … die errechneten Populationsgrößen nach 20 Jahren eher höher liegen (würden), da die Beeinträchtigungen eher geringer sein werden”, haben die Gutachter hinsichtlich derjenigen Populationen geschützter Vogelarten recht, die nicht oder nur zum geringen Teil leitungsexponiert sind; deren Mortalitätsrisiko wird mit dem Wert von 0,5 % naturgemäß schon deshalb tendenziell überschätzt, weil sie mit der Leitung nicht oder nur gelegentlich in Berührung kommen. Gleiches gilt hinsichtlich der Populationen derjenigen geschützten Vogelarten, die, auch wenn sie mit der Leitung in Berührung kommen, nicht anfluggefährdet sind.
Rz. 96
Für leitungsexponierte Populationen von Vogelarten aber, die ihre Lebensräume direkt an der Trasse haben und diese etwa zur Nahrungsaufnahme mehrfach täglich queren müssen, gilt das nicht. Auf die Betroffenheit solcher Populationen hat der Fachbeistand der Kläger etwa für den Bereich Landiner Haussee – Felchowsee aber gerade hingewiesen. Deren projektbedingte Erhöhung des Mortalitätsrisikos wird mit dem Wert von 0,5 % nicht überschätzt, zumal dann nicht, wenn sie aufgrund ihres Flugverhaltens besonders anfluggefährdet sind. Insoweit ist die von den Klägern beschriebene Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass die Überbewertung der projektbedingten Erhöhung der Mortalität bei der einen Art mit einer Unterbewertung bzw. Unterschätzung des Mortalitätsrisikos einer anderen Art erkauft wird.
Rz. 97
An diesem Ergebnis ändert die nachgereichte „Vortex-Neuberechnung” nichts. Mit dieser Ergänzung der FFH-VS nehmen die Fachgutachter der Beigeladenen zwar insoweit eine differenzierende Betrachtung vor, als die Vorkommen bestimmter Vogelarten – soweit möglich – unter Berücksichtigung der realen Verteilung im jeweiligen Vogelschutzgebiet und dem artspezifischen Aktionsradius bzw. der Lage der geeigneten Nahrungsflächen in trassennahe und trassenferne Vorkommen unterschieden werden. Das methodische Grundproblem einer über alle betroffenen Vogelarten hinweg pauschal prognostizierten leitungsbedingten Erhöhung des Mortalitätsrisikos ist damit aber nicht behoben.
Rz. 98
Die Unsicherheiten bei der quantitativen Ermittlung der Erhöhung des Mortalitätsrisikos werden schließlich auch nicht durch die von den Gutachtern hinsichtlich einzelner Vogelarten angestellten ergänzenden Erwägungen aufgefangen. Denn diese knüpfen ebenfalls an den pauschal bestimmten Quotienten von 0,5 % an.
Rz. 99
(d) Zu Recht stellen sich die Kläger deshalb auf den Standpunkt, dass die Rechtsfolge der grundsätzlichen Unzulässigkeit des Projekts nach § 34 Abs. 2 BNatSchG nur hätte vermieden werden können, wenn hinsichtlich der von ihrem Fachbeistand genannten besonders leitungsexponierten und anfluggefährdeten Vogelarten weitergehende Erhebungen zur projektbedingten Erhöhung der Mortalität durchgeführt worden wären.
Rz. 100
Die Beigeladene hat – von der Planfeststellungsbehörde gebilligt (PFB S. 177) – allerdings zutreffend darauf hingewiesen, dass auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Untersuchungsverpflichtung eine Grenze setzt. Der Vorhabenträger hat nur diejenigen Untersuchungen durchzuführen, die ihm wirtschaftlich zuzumuten und für eine Beurteilung der Projektauswirkungen ausreichend sind. Eine weitere Grenze wird auch insoweit anzuerkennen sein, als die einzusetzenden Untersuchungsmethoden nicht ihrerseits zu erheblichen Störungen der Erhaltungsziele und Schutzzwecke des betreffenden Gebiets führen dürfen. Diese Grenzziehungen entheben den Vorhabenträger vorliegend wohl jedenfalls von der Pflicht, das Gesamtspektrum der in den Vogelschutzgebieten geschützten Vogelarten einer Einzeluntersuchung zu unterziehen.
Rz. 101
Überzeugende Gründe dafür, warum auch die von dem Fachbeistand der Kläger als „vor allem” besonders gefährdet aufgeführten Arten (Dommeln, Rallen, Limikolen, Enten) aus Verhältnismäßigkeitsgründen oder zum Schutz der Tiere nicht einer artspezifischen Untersuchung des Anflugrisikos hätten unterzogen werden können, hat die Beigeladene indes nicht genannt. Ihre Argumente gehen im Wesentlichen dahin, dass sich der Einsatz von Klangattrappen wenig für die Aufnahmen des Gesamtspektrums der in einem Gebiet lebenden Vögel eigne und deren „exzessiver Einsatz” auch zu erheblichen Störungen der vorhandenen Vögel führen könne. Als Gegenargumente bei einem auf die Erfassung weniger Arten begrenzten Einsatz taugen sie nicht.
Rz. 102
Im Übrigen hebt die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 178) lediglich hervor, dass der kostenintensive und arbeitsaufwändige Einsatz von Radar oder Infrarot-Kameras sowie von Prielfallen zur Erfassung nachtaktiver Arten seitens des LUGV als der Fachbehörde nicht verlangt worden sei und die vorhandene Datenbasis ausgereicht habe, um das Vorhaben beurteilen zu können, weil die „methodische Schwäche” bei der Erfassung nachtaktiver Brutvogelarten und des Drahtanflugs bei eingeschränkten Sichtverhältnissen bei den Berechnungen und Bewertungen der überarbeiteten Verträglichkeitsstudie entsprechend berücksichtigt worden sei. Das verfehlt wiederum den rechtlichen Ausgangspunkt. Wenn eine für die Beurteilung der projektbedingten Mortalitätsrate einzelner Arten erforderliche und wissenschaftlich etablierte Ermittlungsmethode weder unverhältnismäßig noch beeinträchtigend ist, muss sie eingesetzt werden, wenn mit der Verträglichkeitsprüfung der Nachweis erbracht werden soll, dass aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass sich das Projekt nicht nachteilig auf das Gebiet auswirken wird.
Rz. 103
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass artspezifische Ermittlungen zur projektbedingten Erhöhung des Mortalitätsrisikos für die vom Fachbeistand der Kläger genannten und besonders gefährdeten leitungsexponierten Vogelarten unmöglich wären. Die Gutachter der Beigeladenen weisen in der FFH-VS (S. 92 f.) selbst darauf hin, dass von der Vogelschutzwarte Brandenburg seit 1990 Meldungen über Freileitungsopfer gesammelt würden, und dass hieraus bestimmte Artengruppen wie Entenvögel, aber auch Kranich und Großtrappe als besonders anfluggefährdet hätten identifiziert werden können. Dies spricht dafür, dass die unspezifisch angenommene Zahl von 400 Anflugopfern pro Kilometer und Jahr wenigstens hinsichtlich der vom Fachbeistand der Kläger als besonders anfluggefährdet genannten Arten auch artspezifisch hätte bestimmt werden können. Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Beobachtungen und Kartierungen, wie sie von KALZ & KNERR (2007) durchgeführt wurden, nicht auch artspezifisch durchgeführt werden könnten.
Rz. 104
ccc) Auch die Berücksichtigung schadensbegrenzender Maßnahmen in den Szenarien 3 und 4 der Vortex-Modellierung ist nicht frei von Fehlern.
Rz. 105
(1) Rechtlich unbedenklich ist es allerdings, dass die Gutachter der Beigeladenen in der FFH-VS und ihnen folgend die Planfeststellungsbehörde in Leitungsabschnitten mit hohem bis sehr hohem Kollisionsrisiko das Anbringen optischer Markierungen an den Erd- und Leiterseilen zur Verbesserung der Sichtbarkeit als schadensbegrenzende Maßnahme berücksichtigt haben.
Rz. 106
Nach den Darlegungen der Gutachter in der FFH-VS (S. 86 ff.) steht in Abschnitten mit möglicher Kollisionsgefahr von Vögeln an den Erd- und Leiterseilen an erster Stelle die Verbesserung der Sichtbarkeit mittels optischer Markierungen. Anzustreben sei diese Maßnahme in Konzentrationsgebieten der Vogelrast und Korridoren des Vogelzugs. Bei einer vergleichenden Untersuchung mit einer Erdseilmarkierung durch rote Gummilappen sei eine Reduzierung um bis zu 50 % festgestellt worden (HOERSCHELMANN et al. 1988). Untersuchungen mit Kunststoff-Markierungsspiralen (KOOPS 1997) hätten allerdings gezeigt, dass eine Reduzierung des Leitungsanflugs um 90 % erreicht werden könne. BERNSHAUSEN (2007) erwarte eine Reduzierung um über 90 %, wahrscheinlich sogar um über 95 %. In der Verträglichkeitsprüfung werde demgegenüber ein um 80 % verringertes Anflugrisiko bei Szenario 3 gegenüber Szenario 2 zugrunde gelegt. Dem entsprechend werde die (angenommene) Mortalität bei Szenario 3 um 0,1 % erhöht (20 % der für Szenario 2 angenommenen Erhöhung der Mortalität um 0,5 %, FFH-VS S. 95). Als Farbe der Vogelschutzmarkierung habe sich schwarz-weiß aufgrund des besseren Kontrasts in der Dämmerung als wirkungsvoller erwiesen als rot, das nur bei ausreichender Beleuchtung gut sichtbar sei.
Rz. 107
Der Planfeststellungsbeschluss (S. 83 und 162) folgt dieser Einschätzung. Er ordnet in Nebenbestimmung 3.2.13 (S. 18 f.) an, dass (im Einzelnen beschriebene) Abschnitte mit hohem bis sehr hohem Konfliktpotential für Zug- und Rastvögel zur Minderung des Anprallrisikos markiert werden müssen. Die inneren 60 % der betreffenden Spannfelder sind im 10 m-Abstand zu markieren, die mastnäheren Bereiche (2 × 20 % eines Mastfeldes) in einem größeren Abstand von 20 bis 25 m. Ferner wird angeordnet, dass die Vogelschutzmarkierung dauerhaft zu erhalten ist und dass Verluste spätestens dann zu ersetzen sind, wenn 15 % der Marker eines Spannfeldes fehlen. Erhebliche Beeinträchtigungen könnten damit (im Zusammenwirken mit dem Rückbaukonzept der 220 kV-Leitung) ausgeschlossen werden.
Rz. 108
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 – 9 A 17.11 – BVerwGE 145, 40 Rn. 60 m.w.N.) ist anerkannt, dass – gemessen am Maßstab des „günstigen Erhaltungszustandes” –auch Schutz– und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden dürfen, sofern sie sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen verhindert werden. Wenn durch Schutz- und Kompensationsmaßnahmen gewährleistet ist, dass ein günstiger Erhaltungszustand der geschützten Lebensraumtypen und Arten stabil bleibt, bewegen sich die nachteiligen Wirkungen des Vorhabens unterhalb der Erheblichkeitsschwelle. Das Schutzkonzept erlaubt dann die Zulassung des Vorhabens. Denn es macht aus Sicht des Habitatschutzes keinen Unterschied, ob durch ein Vorhaben verursachte Beeinträchtigungen von vornherein als unerheblich einzustufen sind oder ob sie diese Eigenschaft erst dadurch erlangen, dass Schutzvorkehrungen angeordnet und getroffen werden.
Rz. 109
Auch die Kläger bestreiten die grundsätzliche Eignung von Erdseilmarkierungen als schadensbegrenzende Maßnahme nicht. Sie halten allerdings die Einschätzung der Gutachter der Beigeladenen, dass das Anflugrisiko um 80 % verringert werde, für zu hoch gegriffen. Sie machen geltend, die Wirksamkeit der Markierungen lasse sich im Vorfeld nicht sicher erkennen, wissenschaftliche Untersuchungen wiesen lediglich eine Minderung des Anprallrisikos um mindestens 50 % nach. Dieser Kritik hält die Beigeladene zu Recht entgegen, dass die Wirkungsgrade der verwendeten Markierungen maßgeblich vom verwendeten Markertyp, dessen Anbringung an der Leitung, von der Vogelart und von der naturräumlichen Ausgestaltung des Landschaftsraums abhängen. Für die von der Beigeladenen vorgesehene Markierung mit paarweise am Erdseil anzubringenden schwarzen und weißen Vogelschutzspiralen ist in den Studien von KOOPS (1997), SUDMANN (2000), BRAUNEIS et al. (2003) und BERNSHAUSEN (2007) eine Reduzierung des Anflugrisikos um bis zu 90 oder 95 % angenommen worden. Eine von KALZ & KNERR (2014) vorgenommene ergänzende Untersuchung an der vorhandenen 380 kV-Freileitung Vierraden – Krajnik in einem mit der Uckermark-Freileitung vergleichbaren Naturraum hat im Ergebnis den von der Planfeststellungsbehörde angenommenen Wirkungsgrad von 80 % zumindest bestätigt. Die von Klägerseite gegen diese ergänzende Untersuchung vorgebrachten methodischen Einwände greifen nicht durch, weil es sich hierbei nicht um einen Teil der Verträglichkeitsprüfung, sondern nur um eine ergänzende Untersuchung handelt, die nicht den Anforderungen des § 34 BNatSchG unterliegt. Aus wissenschaftlicher Sicht besteht deshalb kein vernünftiger Zweifel an dem von der Planfeststellungsbehörde angenommenen Wirkungsgrad der Erdseilmarkierungen. Der Einwand der Kläger, bestehende Unsicherheiten müssten durch eine Worst-Case-Betrachtung oder durch ein wirksames Risikomanagement aufgefangen werden, geht ins Leere.
Rz. 110
Soweit die Kläger ferner einwenden, dass Markierungen nur tagsüber und bei guter Sicht helfen könnten, nicht aber bei dämmerungs- und nachtaktiven Arten, dass Gewöhnungseffekte jedenfalls bei Jungtieren und Zugvögeln ausgeschlossen seien und dass im Übrigen auch nicht nachtaktive Vögel im Falle von Fluchtbewegungen bei Störungen gefährdet seien, hat die Beigeladene diesem Einwand entgegengehalten, dass die von der Planfeststellungsbehörde ausgewerteten Studien sich auch und gerade auf Vogelanflüge in der Dämmerung und in der Nacht bezögen. Diese und weitere Entgegnungen des Beklagten und der Beigeladenen haben die Kläger nicht weiter in Zweifel gezogen oder substantiell entkräftet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die angegebenen Quoten zur Reduzierung des Anflugrisikos in der von den Studien beschriebenen Höhe (von 90 bis 95 % in den Studien von KOOPS 1997, SUDMANN 2000, BRAUNEIS et al. 2003 und BERNSHAUSEN 2007 bzw. von 81 % bei KALZ & KNERR 2014) dadurch erreicht werden, dass – wie die Beigeladene meint – die Vogelschutzmarker von Vögeln auch in der Nacht bemerkt werden können, oder sich daraus ergeben, dass es sich schlicht um Durchschnittswerte handelt, die etwa aus höheren Anflugopferzahlen in der Nacht und niedrigeren bei Tag gemittelt worden sind.
Rz. 111
Ohne Erfolg bleibt schließlich die Kritik der Kläger, dass die im Planfeststellungsbeschluss (S. 186) zitierte LANA-Empfehlung offenbar nicht umgesetzt worden sei, wonach die Abstände der Markierungen 5 bis 25 m betragen sollen, wobei geringere Abstände in Landschaftsräumen mit hohem bis sehr hohem Vogelschlagrisiko vorzusehen sind. Trotz der aus den Karten hervorgehenden weitläufigen hohen bis oft sehr hohen Empfindlichkeit für Rast- und/oder Brutvögel werde offenbar nirgends im Abstand von 5 m markiert. Nebenbestimmung 3.2.13 des Planfeststellungsbeschlusses sei deshalb von der LANA-Empfehlung weit entfernt. Die Beigeladene hält dem entgegen, dass der geringe Abstand von 5 m in der LANA-Empfehlung nur in Bereichen empfohlen werde, in denen aufgrund avifaunistischer Erkenntnisse von einem hohen oder sehr hohen Schlagrisiko für Vögel auszugehen sei, wie etwa bei Talquerungen, Gewässerquerungen, Flugkorridoren zwischen Schlafplätzen und Nahrungsflächen von Wat- und Wasservögeln etc. Ein solcher Fall sei vorliegend nicht gegeben, ein Markierungsabstand von 5 m sei deshalb nicht erforderlich. Das vermag zu überzeugen und ist klägerseits nicht weiter in Zweifel gezogen worden.
Rz. 112
(2) Soweit die Kläger ferner kritisieren, dass die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 111 und 162) den Einsatz von Einebenenmasten (D71) mit einer niedrigeren Standardhöhe in sensiblen Abschnitten als schadensbegrenzende Maßnahme betrachtet, ist diese Kritik schon deshalb nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses in Frage zu stellen, weil weder die Gutachter der Beigeladenen noch die Planfeststellungsbehörde eine Quantifizierung der schadensbegrenzenden Wirkung dieser Maßnahme vorgenommen haben.
Rz. 113
(3) Demgegenüber hätte der Rückbau der bestehenden 220 kV-Freileitungen von der Planfeststellungsbehörde nicht als schadensmindernde Maßnahme berücksichtigt werden dürfen.
Rz. 114
Der Bewertung der Entwicklung der Bestandszahlen der untersuchten Brut-, Zug- und Rastvogelarten unter Berücksichtigung des Rückbaus von bestehenden – unmarkierten – 220 kV-Freileitungen in den Vogelschutzgebieten „Randow-Welse-Bruch” und „Schorfheide-Chorin” in Szenario 4 „Rückbau – 220-kV und 380-kV mit Markierung”) der „Ergänzenden Unterlage” liegt ein modifizierter Bau-/Rückbauablauf mit erheblich verkürzten Zeitspannen zugrunde. Sie basiert auf den bereits in der FFH-VS verwendeten Grundlagen. Dabei wird im ersten Jahr nach Errichtung der geplanten 380 kV-Freileitung eine entsprechend erhöhte jährliche Sterberate angenommen, die ab dem zweiten Berechnungsjahr – nach Rückbau der 220 kV-Freileitung – gegenüber dem Ausgangswert wieder reduziert wird. Die Gutachter gehen bei der 220 kV-Freileitung von 200 Anflugopfern/km/a gegenüber 400 Anflugopfern/km/a an der 380 kV-Freileitung aus und bewerten dies wieder als „eher konservativen Ansatz”. Auf dieser Grundlage errechnen sie für das Vogelschutzgebiet „Randow-Welse-Bruch”, dass den 2 600 Anflugopfern pro Jahr an 13 km rückzubauender 220 kV-Freileitung 520 Anflugopfer pro Jahr an 6,5 km der neu zu errichtenden 380 kV-Freileitung gegenüberstünden (zu den Kilometerangaben siehe Tabelle 2 der „Ergänzenden Unterlage”); dies entspreche einem Rückgang der Mortalität um 0,4 %. Auf dieser Grundlage lasse sich ein „leicht positiver Effekt auf die Populationen” erkennen mit der Folge, dass „erhebliche Beeinträchtigungen der Schutzziele des SPA vermieden werden können” „Ergänzende Unterlage” S. 9). Für das Vogelschutzgebiet „Schorfheide-Chorin” gehen die Gutachter von 2 800 Anflugopfern pro Jahr an 14 km rückzubauender 220 kV-Freileitung aus, denen 1 440 Anflugopfer pro Jahr an 18 km der neu zu errichtenden 380 kV-Freileitung gegenüberstünden (zu den Kilometerangaben siehe Tabelle 5 der „Ergänzenden Unterlage”), was zu einem Rückgang der Mortalität um rund 0,1 % führe. Hierdurch lägen die errechneten Bestandswerte nach 20 Jahren teils über Szenario 1, teils auch darunter, aber jedenfalls deutlich unter 2 %, weshalb die Beeinträchtigung ebenfalls als nicht erheblich angesehen werde.
Rz. 115
Der Planfeststellungsbeschluss ordnet in der Nebenbestimmung 3.2.18 (S. 19 f.) den Rückbau der in den Vogelschutzgebieten „Randow-Welse-Bruch” und „Schorfheide-Chorin” liegenden 220 kV-Freileitungen verbindlich an und bestimmt, dass dieser „ein Jahr nach Fertigstellung der 380 kV-Freileitung abzuschließen” ist. Der innerhalb eines Jahres umzusetzende Rückbau umfasst die Abnahme der Leiter- und Erdseile sowie die Demontage der Masten. Die verbleibenden Rückbauarbeiten sind innerhalb von drei Jahren nach Inbetriebnahme der 380 kV-Freileitung abzuschließen. In der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses (S. 161 ff.) wird der Rückbau der vorhandenen 220 kV-Freileitung als „Maßnahme zur Minderung von Beeinträchtigungen in den SPA-Gebieten” bzw. als „Schadensbegrenzungsmaßnahme” qualifiziert. Der Rückbau stehe in einem engen zeitlichen Bezug zur Errichtung und Inbetriebnahme der 380 kV-Freileitung. Die Darlegungen in der „Ergänzenden Unterlage”, wonach im ersten Jahr nach Errichtung der geplanten 380 kV-Freileitung eine entsprechend erhöhte Mortalität angenommen und ab dem zweiten Berechnungsjahr – nach dem Rückbau der bestehenden 220 kV-Freileitung – die jährliche Sterblichkeitsrate gegenüber dem Ausgangswert reduziert werde, seien – auch nach Ansicht des LUGV – nachvollziehbar.
Rz. 116
Zur Vermeidung von Kollisionsrisiken sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher in erster Linie Maßnahmen wie Überflughilfen für Fledermäuse an einer Straße (BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2009 – 9 A 73.07 – Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 39 S. 229), Grünbrücken und Amphibiendurchlässe (BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 – 9 A 17.11 – BVerwGE 145, 40 Rn. 48) anerkannt worden, mithin Maßnahmen, die das projektbedingte Kollisionsrisiko real vermeiden oder mindern. Diese Rechtsprechung findet ihre Bestätigung in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 15. Mai 2014 – C-521/12 [ECLI:EU:C:2014:330] – NVwZ 2014, 931 = NuR 2014, 487), wonach das in Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-RL vorgesehene Genehmigungserfordernis den Vorsorgegrundsatz einschließt und es erlaubt, durch Pläne und Projekte entstehende Beeinträchtigungen der Schutzgebiete als solche wirksam zu verhüten oder zu verringern, um dafür zu sorgen, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird (EuGH, Urteil vom 15. Mai 2014 a.a.O. Rn. 26, 28).
Rz. 117
Von Vermeidungs- oder Verminderungsmaßnahmen zu unterscheiden sind die sogenannten Kompensationsmaßnahmen. Diese dürfen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 15. Mai 2014 – C-521/12 – NVwZ 2014, 931 = NuR 2014, 487) im Rahmen der Prüfung der Verträglichkeit nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL – und damit auch im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 2 BNatSchG – nicht berücksichtigt werden. Denn Ausgleichsmaßnahmen können nicht gewährleisten, dass das Projekt das Gebiet als solches nicht i.S.v. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL beeinträchtigen wird. Darüber hinaus soll die praktische Wirksamkeit der in Art. 6 FFH-RL vorgesehenen Schutzmaßnahmen verhindern, dass die zuständige nationale Behörde durch sogenannte abmildernde Maßnahmen, die in Wirklichkeit Ausgleichsmaßnahmen entsprechen, die in der Vorschrift festgelegten spezifischen Verfahren umgeht, indem sie nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL Projekte genehmigt, die das betreffende Gebiet als solches beeinträchtigen (EuGH, Urteil vom 15. Mai 2014 a.a.O. Rn. 33). Der vorliegend geplante Rückbau der bestehenden 220 kV-Freileitung verringert – anders als Markierungen an den Erd- und Leiterseilen und niedrigere Einebenenmasten – zwar nicht das Anflugrisiko an der geplanten 380 kV-Freileitung, womit er sich nicht als eine „klassische” Vermeidungs- oder Verminderungsmaßnahme darstellt.
Rz. 118
Im Unterschied zum Ausgleich verlorener Flächen für einen beeinträchtigten Lebensraumtypen handelt es sich aber auch nicht um eine reine Kompensationsmaßnahme. Denn um einen späteren Ausgleich oder eine spätere Kompensation projektbedingter Beeinträchtigungen oder Schäden geht es nicht, wie die Beigeladene zu Recht anmerkt. Mit dem angeordneten Rückbau verringert die Planfeststellungsbehörde vielmehr das Anflugrisiko, aber – anders als etwa bei Erdseilmarkierungen – nicht projektbezogen, sondern gebietsbezogen.
Rz. 119
Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Anrechnung des Rückbaus der 220 kV-Freileitung als schadensmindernde Maßnahme hiernach in Betracht kommen kann, kann der Senat offenlassen. Denn die Möglichkeit, die Auswirkungen der 380 kV-Freileitung und der 220 kV-Freileitung auf die Mortalitätsrate bestimmter Vogelarten gegenzurechnen, scheitert vorliegend bereits daran, dass der Trassenverlauf der neu zu errichtenden 380 kV-Freileitung und der rückzubauenden 220 kV-Freileitung jedenfalls im Vogelschutzgebiet „Schorfheide-Chorin” nicht deckungsgleich ist und die zu erwartenden Leitungsanflüge folglich andere Populationen oder Vogelarten betreffen können. Das haben die Gutachter der Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich bestätigt.
Rz. 120
Auf die Verhältnisse im Vogelschutzgebiet „Randow-Welse-Bruch” kommt es insoweit nicht mehr an. Auch die weitere Kritik der Kläger an einer schadensbegrenzenden Anrechnung des Rückbaus der 220 kV-Freileitung kann auf sich beruhen.
Rz. 121
ddd) Zu beanstanden ist schließlich, dass die Planfeststellungsbehörde über alle arten-, gefährdungs- und habitatspezifischen Besonderheiten hinweg eine pauschale Irrelevanzschwelle von 3 % bzw. – mit Einzelprüfung – von 5 % Populationsrückgang gebilligt und die Erheblichkeit der leitungsbedingten Erhöhung der Mortalität der Vögel in den Vogelschutzgebieten hieran gemessen hat.
Rz. 122
Bagatell- oder Irrelevanzschwellen sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beim Gebietsschutz bislang nur sehr zurückhaltend anerkannt worden (vgl. Urteil vom 6. November 2012 – BVerwG 9 A 17.11 – Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 52 Rn. 93 m.w.N. zur Irrelevanz einer projektbedingten Erhöhung von Stickstoffeinträgen um 3 %). Andererseits ruft die Beigeladene zu Recht in Erinnerung, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 17. Januar 2007 – 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 43 und vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 94; zuletzt Beschluss vom 6. März 2014 – 9 C 6.12 – Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 7) für die Frage einer erheblichen Beeinträchtigung eines Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen (§ 34 Abs. 2 BNatSchG) maßgeblich ist, ob ein günstiger Erhaltungszustand der betreffenden Art trotz der Durchführung des Projekts stabil bleibt. Maßgeblich ist also nicht, wie viele Individuen die Populationen einer geschützten Art projektbedingt verlieren; entscheidend ist vielmehr, ob die betreffenden Populationen in der Lage sind, trotz der projektbedingten Verluste – etwa durch gesteigerte Reproduktionsfähigkeit – wieder zum ursprünglichen Gleichgewicht zurückzukehren, weil der Begriff der Stabilität auch diese Fähigkeit einer Art berücksichtigt. Hieran knüpfen Bagatell- oder Irrelevanzschwellen an. Sie markieren ein Maß projektbedingter Beeinträchtigungen, unterhalb dessen die maßgeblichen Gebietsbestandteile voraussichtlich in der Lage sind, trotz der Beeinträchtigungen wieder zum ursprünglichen Gleichgewicht zurückzukehren.
Rz. 123
Die von der Planfeststellungsbehörde gebilligte Irrelevanzschwelle von 3 % bzw. – mit Einzelprüfung – von 5 % Populationsrückgang ist hier jedoch deshalb rechtlich zu beanstanden, weil weder die Gutachter der Beigeladenen noch die Planfeststellungsbehörde eine ausreichende Begründung dafür gegeben haben, warum diese Schwelle pauschal für alle geschützten Vogelarten maßgeblich sein soll. Die Gutachter der Beigeladenen räumen in der FFH-VS selbst ein, dass es zur Frage, ab wann eine erhebliche Beeinträchtigung erreicht werde, unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze gebe. Sie schildern die Bewertungsmethode von PERCIVAL (2001), der sie letztlich folgen, weisen aber auch darauf hin, dass der Ansatz des NATIONAL ENVIRONMENTAL RESEARCH INSTITUT (2000) die Schwelle der Akzeptanz von Individuenverlusten ab einer Erhöhung der jährlichen Mortalitätsrate um 5 % als erreicht ansehe, „wobei jedoch artspezifisch große Unterschiede hinsichtlich der akzeptablen Mortalitätsverluste zu bestehen scheinen”, und dass auch DIERSCHKE et al. (2003) die populationsbiologisch zulässige Erhöhung der Mortalitätsrate „je nach Art zwischen 0,5 % und 5 %” verorte. Gleichwohl folgen die Gutachter der Beigeladenen in der FFH-VS ohne jede Begründung dem von PERCIVAL (2001) entwickelten Ansatz einer für alle betroffenen Arten einheitlichen Irrelevanzschwelle. Aus wissenschaftlicher Sicht können auf dieser Grundlage erhebliche Beeinträchtigungen der von der Uckermark-Freileitung betroffenen geschützten Vogelarten unterhalb einer Schwelle von 3 % bzw. – mit Einzelprüfung – von 5 % Populationsrückgang nicht ohne vernünftigen Zweifel ausgeschlossen werden.
Rz. 124
c) Die methodischen Defizite der FFH-VS zum Vogelschutz gelten auch für Beeinträchtigungen der planbetroffenen FFH-Gebiete, soweit sich deren Erhaltungsziele mit denjenigen der Vogelschutzgebiete überlagern.
Rz. 125
Die planfestgestellte Leitungstrasse wird überwiegend so geführt, dass FFH-Gebiete nicht unmittelbar in Anspruch genommen werden. Nur zwei Gebiete werden auf einer Länge von insgesamt 1,5 km gequert, das „Felchowseegebiet” wird tangiert.
Rz. 126
Für Gebiete, an denen die Trasse in mehr oder weniger großem Abstand vorbeigeführt wird, kommt die „vertiefende Vorprüfung” (Planunterlage 11.1) der Beigeladenen zu dem Ergebnis, dass erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele durch unmittelbare Auswirkungen der Freileitung ebenso wie durch ein „Hineinwirken” nicht eintreten werden; Beeinträchtigungen charakteristischer Arten in der Weise, dass diese die Lebensraumtypen nicht mehr nutzen können sowie die Unterbrechung maßgeblicher Funktionsbeziehungen seien nicht erkennbar. Das LUGV schloss sich den gutachtlichen Aussagen an. Die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 145 ff.) geht auf dieser Grundlage davon aus, dass eine erhebliche Beeinträchtigung u.a. der FFH-Gebiete „Melzower Forst”, „Fischteiche Blumberger Mühle”, „Groß Ziethen” und „Felchowseegebiet” nicht zu befürchten sei.
Rz. 127
aa) Dies verfehlt hinsichtlich des FFH-Gebiets „Felchowseegebiet” die rechtlichen Anforderungen.
Rz. 128
Hinsichtlich dieses FFH-Gebiets bezeichnet der Planfeststellungsbeschluss (S. 149) die „vertiefende Vorprüfung” als „Verträglichkeitsprüfung”. Er referiert, dass sich das Gebiet durch ausgesprochen reich strukturierte Biotopkomplexe mit einem hohen Anteil an Lebensraumtypen auszeichne. Lebensraumtypen seien aber nicht betroffen, da die Leitung außerhalb des FFH-Gebiets verlaufe. Der LRT 3150 liege mit einem Abstand von ca. 1 500 m, durch großflächige Waldflächen abgeschirmt, südlich der geplanten Leitung. Für die dort brütenden charakteristischen Vogelarten (Trauerseeschwalbe, Rot- und Schwarzhalstaucher) entstünden aufgrund der Entfernung keine Beeinträchtigungen. Zur Lage der weiteren Lebensraumtypen innerhalb des FFH-Gebiets lägen keine Daten vor. Diese nähmen aber nur einen Flächenanteil zwischen 1 % und 8 % ein. Im Schutzstreifen seien sie nicht ausgebildet. Beeinträchtigungen von charakteristischen Vogelarten seien deshalb nicht zu erwarten.
Rz. 129
Die Kläger hatten bereits im Planfeststellungsverfahren im Einzelnen dargelegt, welche höchste nationale und internationale Bedeutung dieser Raum für mehrere Arten habe (bis zu 17 % aller in Deutschland verbliebenen Brutpaare bestimmter Arten) und dass er mit dem Landiner Haussee auf der nördlichen Seite der Freileitung eine Einheit bilde und selbst nach der FFH-VS an dieser Stelle massive Austauschbeziehungen bestünden. Es sei nicht nur die stärkste Wechselbeziehung festgestellt worden, sondern auch ein sehr hoher Anteil an Leitungskreuzungen. All das verdeutliche das enorme Konfliktpotential.
Rz. 130
Der Beklagte und die Beigeladene erwidern, bei den Leitungskreuzungen seien alle Vogelarten berücksichtigt worden unabhängig davon, ob für sie überhaupt ein artspezifisches Kollisionsrisiko bestehe. Die Kläger hätten nicht dargelegt, dass für die anprallgefährdeten charakteristischen Arten gleiche Kreuzungshäufigkeiten gelten. Hinsichtlich der Verträglichkeit könne im Übrigen auf die Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet „Unteres Odertal” zugegriffen werden.
Rz. 131
Diese Argumente schließen eine erhebliche Beeinträchtigung charakteristischer Vogelarten nicht aus. Dabei kann offenbleiben, ob die von der Beigeladenen im Planfeststellungsverfahren vorgelegte „vertiefende Vorprüfung” ungeachtet ihrer Bezeichnung die inhaltlichen Anforderungen an eine Verträglichkeitsprüfung im Sinne des § 34 Abs. 1 BNatSchG erfüllt, und ferner, ob Beeinträchtigungen charakteristischer Vogelarten tatsächlich hinreichend „berücksichtigt” worden sind. Denn die Beigeladene verkennt die Verantwortlichkeiten: Es ist nicht Sache der Kläger, substantiiert darzulegen oder gar nachzuweisen, dass bestimmte charakteristische Vogelarten erheblich beeinträchtigt werden. Vielmehr greift das gesetzliche Verbot des § 34 Abs. 2 BNatSchG nur dann nicht ein, wenn in der Verträglichkeitsprüfung nachgewiesen wird, dass das Projekt nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder Schutzzwecke maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Abgesehen davon hat der Fachbeistand der Kläger substantiiert zu den gefährdeten Vogelarten sowie zu den Austauschbeziehungen zwischen beiden Seen und dem hohen Anteil an Leitungskreuzungen vorgetragen.
Rz. 132
Für die FFH-Verträglichkeitsprüfung sind auch die in den einschlägigen Lebensraumtypen vorkommenden charakteristischen Arten (Art. 1 Buchst. e FFH-RL) maßgeblich. Darunter fallen solche Pflanzen- und Tierarten, anhand derer die konkrete Ausprägung eines Lebensraums und dessen günstiger Erhaltungszustand in einem konkreten Gebiet und nicht nur ein Lebensraumtyp im Allgemeinen gekennzeichnet wird (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 – 9 A 14.12 – BVerwGE 148, 373 Rn. 54). Dabei ist in der Rechtsprechung geklärt, dass im Einzelfall auch ökologische Beziehungsgefüge zwischen den Rand- und Pufferzonen des Gebiets und den an das Gebiet angrenzenden Flächen oder dort anzutreffenden Pflanzen- und Tierarten für den günstigen Erhaltungszustand des Gebiets maßgeblich sein können (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 – 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 77). Erst recht spielen Beeinträchtigungen charakteristischer Arten eine Rolle, auch wenn sie diesen außerhalb des FFH-Gebiets widerfahren. Die Planfeststellungsbehörde konnte sich deshalb nicht darauf zurückziehen, dass den charakteristischen Arten Beeinträchtigungen lediglich außerhalb des FFH-Gebiets drohen. Auf die Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet „Unteres Odertal” konnte sie sich nicht stützen, weil diese – wie dargelegt – methodisch defizitär und deshalb nicht geeignet war, die fehlende Erheblichkeit der Beeinträchtigungen dieser Vogelart nachzuweisen.
Rz. 133
bb) Mögliche erhebliche Beeinträchtigung sind auch hinsichtlich des FFH-Gebiets „Fischteiche Blumberger Mühle” nicht auszuschließen.
Rz. 134
Auch hinsichtlich dieses FFH-Gebiets referiert der Planfeststellungsbeschluss als Ergebnis der „vertiefenden Vorprüfung”, dass Lebensraumtypen durch den Leitungsverlauf nicht betroffen seien und nicht beeinträchtigt würden, da die Leitung außerhalb des Gebiets verlaufe.
Rz. 135
Die Kläger wenden ein, dieses Gebiet diene regelmäßig als Rastplatz für Gänse, Kiebitze und Kraniche. Die täglichen Wanderflüge vom Schlafplatz zu den Nahrungsflächen führten regelmäßig über die geplante Leitung hinweg. Diese habe somit unmittelbaren Einfluss auf die das FFH-Gebiet nutzende Avifauna.
Rz. 136
Der Beklagte räumt ein, dass es funktionale Beziehungen zwischen dem FFH-Gebiet und Flächen außerhalb des Gebiets gebe. Diese seien in den Antragsunterlagen dargestellt. Das führe aber noch nicht per se dazu, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele zwingend anzunehmen sei oder es einer FFH-Verträglichkeitsprüfung bedurft hätte. Die Auswirkungen der Leitung auf die relevanten Vogelarten habe nämlich schon die Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet „Schorfheide-Chorin” zum Inhalt gehabt. Erhebliche Beeinträchtigungen seien hiernach unter Berücksichtigung der Schutzmaßnahmen sicher auszuschließen.
Rz. 137
Auch diese Schlussfolgerung verbietet sich angesichts der auf die Vogelschutzgebiete bezogenen methodischen Mängel der FFH-VS. Da Kiebitze und Kraniche zu den charakteristischen Arten der im FFH-Gebiet geschützten LRT 3160, 7140, 7150, 7230, 91D0 und 91E0 gehören „Vertiefende Vorprüfung” S. 10), ist der Nachweis des Fehlens einer erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungszwecke und Schutzziele des FFH-Gebiets nicht erbracht.
Rz. 138
cc) Anders stellt sich die Lage im FFH-Gebiet „Groß-Ziethen” dar.
Rz. 139
Nach Ansicht der Kläger gelte hier das Gleiche wie beim FFH-Gebiet „Fischteiche Blumberger Mühle”. Auch hier fänden regelmäßige Austauschflüge zwischen Rast- und Nahrungsflächen statt.
Rz. 140
Der Beklagte und die Beigeladene unterstellen, dass die Kläger hier dieselben Arten in den Blick genommen hätten wie beim FFH-Gebiet „Fischteiche Blumberger Mühle”, nämlich Gänse, Kiebitze und Kraniche, und halten den Klägern entgegen, dass diese Arten nicht zu den charakteristischen Arten der für das FFH-Gebiet „Groß-Ziethen” allein relevanten LRT 6210*, 6120* und 6510 gehörten. Welche anderen Arten die Kläger gemeint haben könnten, geht aus ihrem Vortrag nicht hervor. Für einen Verstoß gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG gibt es deshalb keine Anhaltspunkte.
Rz. 141
dd) Soweit die Kläger schließlich auch hinsichtlich des FFH-Gebiets „Melzower Forst” mit Blick auf einen Schreiadlerhorst geltend machen, dass erhebliche Beeinträchtigungen nicht auszuschließen seien, sind ihre Annahmen durch die Darlegungen der Beklagten und der Beigeladenen widerlegt: Der Schreiadlerhorst sei, obwohl zwischenzeitlich aufgegeben (letzte Brut im Jahr 2002), berücksichtigt worden. Störungen seien indes auszuschließen. Zum einen bevorzuge der Schreiadler feuchte bis nasse, forstlich naturnah bewirtschaftete Wälder mit hohem Laubholzanteil (Brutrevier) und angrenzende, offene Flächen mit Grünlandcharakter (Nahrungsrevier). Das (bisherige) Bruthabitat werde weder unmittelbar noch mittelbar betroffen. Die Ackerflächen, die die Freileitung östlich des FFH-Gebiets überspanne, seien für den Schreiadler aufgrund der intensiven Nutzung nicht oder nur für kurze Zeit nach der Ernte nutzbar. Es gebe keine Hinweise auf Nahrung suchende Schreiadler auf den Ackerflächen. Deren Hauptnahrungsflächen seien ohnehin störungsarme Feuchtgrünländer mit extensiver Nutzung, die im Bereich der Leitung nicht vorhanden seien. Überflüge des Trassenbereichs zu anderen Nahrungshabitaten seien nicht beobachtet worden.
Rz. 142
d) Die festgestellten Mängel der Verträglichkeitsprüfung haben nicht die Aufhebung, sondern nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses zur Folge. Sie können nach der Planerhaltungsvorschrift des § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG a.F., § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG n.F. durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2013 – 7 A 20.11 – NuR 2013, 662 = juris Rn. 18), indem entweder durch eine den Anforderungen des § 34 BNatSchG entsprechende, die dargelegten Fehler vermeidende Verträglichkeitsprüfung der Nachweis geführt wird, dass die Uckermarkleitung nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen der Vogelschutzgebiete in ihren für die Erhaltungsziele oder die Schutzzwecke maßgeblichen Bestandteilen führen kann, oder indem das Projekt im Rahmen einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG zugelassen wird.
Rz. 143
2. Der Vortrag der Kläger zum Artenschutzrecht deckt sich in der Stoßrichtung im Wesentlichen mit dem Vortrag zum Habitatschutzrecht. Eigenständige artenschutzrechtliche Würdigungen finden nicht statt. Der Senat geht deshalb davon aus, dass den artenschutzrechtlichen Betrachtungen der Kläger keine weitergehende Funktion zukommt.
Rz. 144
3. Der Planfeststellungsbeschluss ist darüber hinaus nicht deshalb rechtswidrig, weil er – wie die Kläger annehmen – den Eingriff in das Landschaftsbild viel zu schwach bewertet habe und dementsprechend auch im Hinblick auf Ausgleich und Kompensation zu niedrig ansetze. Er genügt den Anforderungen an die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (§§ 13 ff. BNatSchG).
Rz. 145
a) Die von der Planfeststellungsbehörde nach § 13 BNatSchG vorgenommene Bewertung der leitungsbedingten Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 146
Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sind gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist anzunehmen, wenn die Veränderung von einem gegenüber den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als nachteilig und störend empfunden wird (Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band II, BNatSchG, Stand August 2015, § 14 Rn. 16; Lütkes, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2011, § 14 Rn. 20; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2004 – 4 A 11.02 – BVerwGE 120, 1 ≪15≫). Bei der Bewertung der Eingriffswirkungen eines Vorhabens steht der Planfeststellungsbehörde ebenso wie bei der Bewertung der Kompensationswirkung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu. Die im Planfeststellungsbeschluss vorgenommenen Quantifizierungen bei Eingriffswirkungen und Kompensationsmaßnahmen sind daher nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich; sie sind vom Gericht hinzunehmen, sofern sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und auch nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2004 – 9 A 11.03 – BVerwGE 121, 72 ≪84≫ m.w.N.).
Rz. 147
Die Kläger zeigen nicht auf, dass die Planfeststellungsbehörde diesen Einschätzungsspielraum vorliegend überschritten hätte.
Rz. 148
aa) Die Kläger kritisieren zum einen die methodische Herangehensweise der Beigeladenen in der UVS II. Sie machen geltend, dass diese Herangehensweise „fachlich insgesamt nicht haltbar” sei, und stützen sich hierbei insbesondere auf ein Sondergutachten von PETERS & BRAHMS (2011), welches das LUGV, GR 3, im Rahmen einer fachlichen Auseinandersetzung mit der Planfeststellungsbehörde hat erstellen lassen.
Rz. 149
Allein der Umstand, dass die vom LUGV, GR 3, und von den Klägern favorisierte gutachtliche Methode im Sondergutachten von PETERS & BRAHMS (2011) zu nicht voll mit der Bewertung der Eingriffswirkungen durch den Gutachter der Beigeladenen übereinstimmenden Ergebnissen kommt, ist noch kein Beleg für die Fehlerhaftigkeit der in der UVS II verwendeten Methode (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. April 2014 – 9 A 25.12 – BVerwGE 149, 289 Rn. 26 ≪zur FFH-Verträglichkeitsprüfung≫ m.w.N.). Hierauf weist die Beigeladene zu Recht hin. Im Übrigen erschöpft sich die Kritik des LUGV, GR 3, die sich die Kläger zu eigen machen, darin, dass das Sondergutachten mit wesentlich genaueren Daten arbeite, geeignetere Instrumente verwende und darüber hinaus aktualisierte und konkretisierte Datengrundlagen erhoben habe. Inwieweit hieraus abzuleiten wäre, dass die in der UVS II zugrunde gelegte Methode nicht anerkannt oder fachwissenschaftlich fehlerhaft ist, legen die Kläger nicht substantiiert dar. Das gilt auch unter Berücksichtigung der gutachtlichen Stellungnahme ihres Fachbeistandes. Dieser moniert, die Beigeladene versuche, das von der LUGV, GR 3, vorgelegte Sondergutachten anhand von Einzelbeispielen zu demontieren. Er selbst indes geht in gleicher Weise vor. Eine substantiierte Methodenkritik, mit der der Nachweis der methodischen Fehlerhaftigkeit oder Fragwürdigkeit der Bewertungsmethode des Planfeststellungsbeschlusses erbracht werden könnte, ist das nicht.
Rz. 150
bb) Dem Planfeststellungsbeschluss kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Bewertung des Schutzgutes Landschaftsbild nicht nachvollziehbar oder nicht einleuchtend begründet wäre.
Rz. 151
Bei der Frage, welche Vorbelastungen des Landschaftsraums zu berücksichtigen sind, unterscheidet das vom LUGV, GR 3, eingereichte Sondergutachten von PETERS & BRAHMS (2011) zwischen (auf absehbare Zeit, d.h. in einem Zeitraum von 10 bis 15 Jahren) rückbaubaren und nicht rückbaubaren aktuellen Beeinträchtigungen. Zu den (auf absehbare Zeit) rückbaubaren Vorbelastungen rechnet es die bestehenden 110/220 kV-Freileitungen u.a. deshalb, weil die Beseitigung bestehender Störfaktoren das erklärte Ziel des Landschaftsrahmenplans des Biosphärenreservats „Schorfheide-Chorin” sei. Dem hält die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 99) entgegen, dass der Landschaftsrahmenplan keine eigene Rechtsverbindlichkeit besitze. Rechtsverbindlichkeit erlange dieser erst durch die Aufnahme in die Regionalpläne. Der Leitungsrückbau sei aber nicht in den Regionalplan aufgenommen worden und somit nicht verbindlich. Diese Erwägungen sind nachvollziehbar und rechtlich nicht zu beanstanden, zumal die bestehende 220 kV-Freileitung und die neu zu errichtende 380 kV-Freileitung nicht beziehungslos nebeneinander stehen, sondern erstere durch letztere ersetzt werden soll. Soweit die Kläger eine Berücksichtigung als Vorbelastung gleichwohl für unzulässig halten, weil die Planfeststellungsbehörde verschwiegen habe, dass durch die neu zu errichtende 380 kV-Freileitung aufgrund höherer Masttypen eine zusätzliche Sichtbeeinträchtigung in Rede stehe, trifft dieser Vorwurf schon in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Denn dass die bestehenden Masten der 110/220 kV-Freileitungen eine geringere Höhe und Massivität als die geplanten Maste der 380 kV-Freileitung haben, stellt der Planfeststellungsbeschluss (S. 99) bei der Gesamtbewertung der Landschaftsbildqualität ausdrücklich in Rechnung.
Rz. 152
In der UVS II wird auch die Sichtverschattung hinter Alleen, Feldhecken etc. berücksichtigt (PFB S. 99). Das Sondergutachten von PETERS & BRAHMS (2011) hält dem entgegen, dass Alleen nur in der Vegetationszeit sichtverschattend wirken könnten, während dies im Winter, im unbelaubten Zustand, nicht oder nur sehr bedingt gelte. Aus diesem Grunde würden solche Strukturelemente im Landschaftsbildgutachten nicht als sichtverschattend bewertet. Die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 100) ist diesem Einwand nicht gefolgt. Aus dem Umstand, dass bestimmte Gehölze im Winter kein Laub tragen, zu folgern, diese wirkten ganzjährig nicht sichtverschattend, hält sie für nicht nachvollziehbar. Üblicherweise werde in den Landschaftsbild-Bewertungsverfahren die Sichtverschattung während der Vegetationszeit erfasst. Das leuchtet ein. Dass die Planfeststellungsbehörde so vorgegangen ist, haben die Kläger nicht in Zweifel gezogen.
Rz. 153
Das LUGV, GR 3, verweist in seiner Stellungnahme vom 9. September 2010 auf die Betroffenheit des Kerngebiets des Geoparks und die Umgebung des Weltnaturerbes Buchenwald Grumsin, deren Erholungseignung durch die geplante Leitungstrasse deutlich beeinträchtigt werde. Die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 103) ist auch insoweit der Entgegnung der Beigeladenen gefolgt, wonach weder das geplante Weltnaturerbe noch die um das Gebiet liegende Pufferzone durch die 380 kV-Freileitung berührt würden. Sie seien fast vollständig mit Waldgesellschaften bestanden. Der geringste Abstand zur Pufferzone betrage 1 300 m, zur Weltnaturerbe-Fläche 1 800 m. Der vom Beistand der Kläger hervorgehobene Umstand, dass Touristen auf ihrem Weg von Angermünde zum Weltnaturerbe die Freileitung unterqueren müssten und den störenden Eindruck auf das Landschaftsbild deutlich wahrnähmen, stellt die Nachvollziehbarkeit dieser Argumentation nicht in Frage.
Rz. 154
b) Rechtsfehler des Planfeststellungsbeschlusses zeigen die Kläger auch nicht auf, soweit sie geltend machen, dass die im Planfeststellungsbeschluss festgelegten Maßnahmen zur Kompensation des Eingriffs „teilweise unbestimmt und nicht abgesichert” seien. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 125 f.) erkenne zwar, dass die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten und rechtlich zu sichern seien. Das geschehe aber nicht, denn einige Kompensationsmaßnahmen stünden noch gar nicht fest. Beispielhaft rügen die Kläger, dass als notwendig erkannte Kompensationsmaßnahmen im Planfeststellungsbeschluss grundlos offengelassen worden seien, dass bestimmte Kompensationsmaßnahmen auf 25 Jahre begrenzt seien, obwohl die Leitung voraussichtlich 40 bis 80 Jahre existiere, und dass die rechtliche Sicherung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erst mit Inbetriebnahme der Leitung nachzuweisen sei.
Rz. 155
aa) Soweit die Kläger kritisieren, dass einige Kompensationsmaßnahmen noch gar nicht feststünden, weist die Beigeladene zu Recht auf die Möglichkeit eines Entscheidungsvorbehalts nach § 74 Abs. 3 VwVfG hin, soweit eine abschließende Entscheidung im Zeitpunkt der Planfeststellung noch nicht möglich ist. Eine nähere Prüfung, ob diese Möglichkeit in den Beispielsfällen, die die Kläger konkret genannt haben, in Betracht kommt, erübrigt sich, da hierzu jeder weitere substantiierte Vortrag fehlt.
Rz. 156
bb) Unbegründet ist auch die Kritik der Kläger, eine Begrenzung der Kompensationsmaßnahmen auf 25 Jahre sei angesichts einer „Lebensdauer” der Leitung von 40 bis 80 Jahren rechtswidrig.
Rz. 157
Gemäß § 15 Abs. 4 BNatSchG sind Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten. Mit dem Begriff der Unterhaltung sind die Herstellungs- und Entwicklungspflege sowie die permanente Unterhaltungspflege gemeint. Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist, hat die Planfeststellungsbehörde unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach dem Zweck der Eingriffsregelung, die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes innerhalb eines absehbaren Zeitraums auszugleichen oder landschaftsgerecht wiederherzustellen, zu bestimmen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2004 – 4 A 11.02 – juris Rn. 52 ≪insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 120, 1≫). Da die von den Klägern bezeichneten Kompensationsmaßnahmen durchweg Pflanzungen betreffen, weist die Beigeladene zutreffend darauf hin, dass es sachgerecht ist, den Zeitraum – unabhängig von der Frage, wie lange die 380 kV-Freileitung voraussichtlich existiert – auf 25 Jahre zu begrenzen, weil Bäume nach diesem Zeitraum hinreichend angewachsen sind und erfahrungsgemäß keiner Unterhaltungspflege mehr bedürfen.
Rz. 158
cc) Zu Unrecht kritisieren die Kläger schließlich die in der Nebenbestimmung 3.2.37 des Planfeststellungsbeschlusses (S. 23) getroffene Regelung, derzufolge der Planfeststellungsbehörde die rechtlichen Sicherungen der Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen gemäß § 15 Abs. 4 BNatSchG nachzuweisen sind. Die Kläger halten diese Regelung für verfehlt, denn sie könne nicht gewährleisten, dass die Kompensationsmaßnahmen zeitnah und sicher durchgeführt werden.
Rz. 159
Auch diese Bedenken der Kläger greifen nicht durch. Die Kläger missverstehen, was mit dem in § 15 Abs. 4 BNatSchG geregelten Erfordernis, die angeordneten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen „rechtlich zu sichern”, gemeint ist. Es geht hierbei nicht um die Frage, bis wann die Maßnahmen spätestens durchgeführt sein müssen. Denn dieser Gesichtspunkt ist bereits vom Kriterium des „jeweils erforderlichen Zeitraums” erfasst, der im Grundsatz verlangt, dass Kompensationsmaßnahmen zeitgleich mit dem Eingriff zu verwirklichen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2013 – 7 A 20.11 – NuR 2013, 662 „Weservertiefung” ≪zu Kompensationsmaßnahmen nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG≫). Die Formulierung „rechtlich zu sichern” bezieht sich vielmehr auf Sicherungsinstrumente wie etwa beschränkt persönliche Dienstbarkeiten (§ 1090 BGB) oder Reallasten (§ 1105 BGB), mit denen sicherzustellen ist, dass der Vorhabenträger als Eingriffsverursacher auch die Rechtsmacht hat, die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für den erforderlichen Zeitraum zu unterhalten (vgl. z.B. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band II, BNatSchG, Stand August 2015, § 15 Rn. 26 f.). Dass dieses Erfordernis mit der Nebenbestimmung 3.2.37 erfüllt ist, hat die Beigeladene unter Hinweis darauf dargelegt, dass die überwiegende Zahl der Kompensationsmaßnahmen auf Grundstücken durchgeführt wird, die im Eigentum der öffentlichen Hand sind, und, soweit private Grundeigentümer betroffen sind, jeweils Zustimmungserklärungen bzw. vertragliche Vereinbarungen vorliegen, und dass es sich im Übrigen um den Rückbau von Bestandsleitungen handele.
Rz. 160
IV. Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht wegen eines Abwägungsfehlers aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen.
Rz. 161
Nach § 43 Satz 3 EnWG a.F. sind bei der Planfeststellung von Hochspannungsleitungen die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das hat die Planfeststellungsbehörde in noch hinnehmbarer Weise getan.
Rz. 162
1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zusammengefasst in BVerwG, Beschluss vom 24. April 2009 – 9 B 10.09 – NVwZ 2009, 986 Rn. 5 m.w.N.), dass sich die Anforderungen des Abwägungsgebots auch und gerade auf eine Berücksichtigung planerischer Alternativen richten. Hieran knüpft die Kritik der Kläger an. Sie bemängeln, dass Trassen- und technische Alternativen zur planfestgestellten Uckermarkleitung nicht (hinreichend) geprüft worden seien. Ihre Kritik ist unberechtigt. Zwar lassen sich die für die Abwägungsentscheidung tragenden Erwägungen der Planfeststellungsbehörde nur mit Mühe identifizieren. Im Ergebnis hat die Planfeststellungsbehörde die in Betracht zu ziehenden räumlichen und technischen Alternativen zur planfestgestellten Leitung aber ohne Rechtsverstoß abgewogen.
Rz. 163
a) Die Abwägung räumlicher Trassenalternativen genügt trotz missverständlich formulierter rechtlicher Maßstäbe der Sache nach noch den rechtlichen Anforderungen.
Rz. 164
aa) Die Kritik der Kläger, dass die von ihnen vorgeschlagenen Trassenvarianten zur großräumigen Umgehung des Biosphärenreservats „Schorfheide-Chorin” nicht (hinreichend) geprüft worden seien, erweist sich im Ergebnis als unberechtigt.
Rz. 165
Die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 56) legt dar, dass sie sich nach Prüfung der in Frage kommenden Trassenvarianten und -modifizierungen dem Ergebnis der „Umweltstudie” (UVS II) anschließe. Sie habe sich davon überzeugt, dass die beantragte Vorzugsvariante diejenige sei, die unter Berücksichtigung des planerischen Gebots der Minimierung von Eingriffen und in Anbetracht der zu erreichenden Ziele gegenüber den anderen in Frage kommenden Varianten und Alternativen „die am besten geeignete ist und sich eine andere Linienführung nicht als besser aufdrängt”. Der an die Planfeststellungsbehörde gerichtete Antrag markiere den Schlusspunkt der Planung der Vorhabenträgerin, der das Ergebnis der Variantenprüfung mit einschließe. Wie sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2000 – 4 A 18.99 – (BVerwGE 112, 140 ≪153 f.≫) ergebe, könne die Planfeststellungsbehörde die planerischen Erwägungen der Vorhabenträgerin nicht durch abweichende eigene Überlegungen ersetzen; sie kontrolliere nur, ob die von der Vorhabenträgerin getroffene Entscheidung rechtmäßig ist.
Rz. 166
Die im Planfeststellungsbeschluss wiedergegebenen Erwägungen der Beigeladenen lassen hinreichend deutlich erkennen, dass die Planfeststellungsbehörde insoweit eine tragfähige eigene Abwägungsentscheidung getroffen hat.
Rz. 167
aaa) Die einschlägigen rechtlichen Maßstäbe hat die Planfeststellungsbehörde möglicherweise in Teilaspekten verkannt. Dies hat sich auf ihr Vorgehen bei der Abwägung großräumiger Trassenalternativen aber nicht ausgewirkt.
Rz. 168
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (siehe Beschluss vom 26. September 2013 – 4 VR 1.13 – NuR 2013, 800 Rn. 41 unter Bezugnahme auf Urteil vom 27. Oktober 2000 – 4 A 18.99 – BVerwGE 112, 140 ≪151 ff.≫) ist es nicht Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, die planerischen Erwägungen des Vorhabenträgers durch abweichende eigene Überlegungen zu ersetzen. Die Planfeststellungsbehörde kontrolliert nur, ob die vom Vorhabenträger getroffene Entscheidung rechtmäßig ist. Das enthebt die Planfeststellungsbehörde aber nicht ihrer Pflicht, bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativen zu berücksichtigen und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen berührten öffentlichen und privaten Belange einzustellen. Sie ist befugt, auch bisher noch nicht berücksichtigten abwägungsrelevanten Gesichtspunkten Rechnung zu tragen (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2013 a.a.O.).
Rz. 169
Von diesen – den Abwägungsvorgang betreffenden – Vorgaben zu unterscheiden ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Beschluss vom 24. April 2009 – 9 B 10.09 – NVwZ 2009, 986 Rn. 7 m.w.N.), dass die eigentliche planerische Entscheidung zwischen zwei oder mehreren Trassenvarianten nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit sind erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblicher Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen. Diese – die gerichtliche Kontrolle des Abwägungsergebnisses betreffenden – rechtlichen Maßstäbe relativieren nicht die genannten Anforderungen an den behördlichen Abwägungsvorgang. Die Planfeststellungsbehörde darf sich deshalb nicht auf die Kontrolle zurückziehen, ob sich der Vorhabenträgerin eine andere Linienführung hätte aufdrängen müssen. Sie muss vielmehr selbst alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativen berücksichtigen und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen berührten öffentlichen und privaten Belange einstellen.
Rz. 170
Das von der Planfeststellungsbehörde wiedergegebene Rechtsprechungszitat bei der Formulierung der einschlägigen rechtlichen Maßstäbe, demzufolge die von der Beigeladenen beantragte Vorzugsvariante diejenige sei, die unter Berücksichtigung des planerischen Gebots der Minimierung von Eingriffen und in Anbetracht der zu erreichenden Ziele gegenüber den anderen in Frage kommenden Varianten und Alternativen „die am besten geeignete ist und sich eine andere Linienführung nicht als besser aufdrängt”, gibt den Maßstab der gerichtlichen Kontrolle behördlicher Abwägungsentscheidungen wieder. Das kritisieren die Kläger zu Recht. Gleichwohl lassen die weiteren Ausführungen der Planfeststellungsbehörde erkennen, dass sie sich nicht auf eine bloße Rechtmäßigkeitskontrolle der abwägenden Erwägungen der Beigeladenen als Vorhabenträger zurückgezogen, sondern dass sie, wie in § 43 Satz 3 EnWG a.F. rechtlich gefordert, auf der Grundlage der Erwägungen der UVS II sowie der Stellungnahmen und Bewertungen der Beigeladenen zu den im Aufstellungsverfahren hinsichtlich der Trassenwahl erhobenen Einwendungen, die sie nachvollzogen und sich zu eigen gemacht hat, bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials alle ernsthaft in Betracht kommenden großräumigen Trassenalternativen mit der ihnen zukommenden Bedeutung berücksichtigt und eine hierauf bezogene eigene Abwägungsentscheidung getroffen hat.
Rz. 171
bbb) Die Planfeststellungsbehörde hat die von den Klägern vorgeschlagenen Varianten zur großräumigen Umgehung des Biosphärenreservats „Schorfheide-Chorin” ohne Rechtsverstoß bereits anhand einer Grobanalyse ausgeschieden, deren Kriterien in der UVS II sowie in den Stellungnahmen und Bewertungen der Beigeladenen zu den im Aufstellungsverfahren erhobenen Einwendungen hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen.
Rz. 172
Zu den in das Verfahren einzubeziehenden und zu untersuchenden Alternativen gehören neben den von Amts wegen ermittelten auch solche, die von dritter Seite im Laufe des Verfahrens vorgeschlagen werden (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 – 4 C 29.94 – BVerwGE 102, 331 ≪342≫). Indes ist die Planfeststellungsbehörde nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offenzuhalten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen oder von dritter Seite vorgeschlagenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Auch im Bereich der Planungsalternativen braucht sie den Sachverhalt nur in dem Maße zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Verfahrensgestaltung erforderlich ist. Sie ist befugt, Alternativen, die sich bereits aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erweisen, schon in einem frühen Verfahrensstadium auszuscheiden. Ihr ist es dann auch nicht verwehrt, im Fortgang des Verfahrens die (förmliche) UVP auf diejenigen Varianten zu beschränken, die nach dem jeweiligen Planungsstand noch ernsthaft in Betracht kommen (BVerwG, Beschluss vom 16. August 1995 – 4 B 92.95 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 104).
Rz. 173
Gemessen hieran ergibt sich, dass die Planfeststellungsbehörde neben den im Raumordnungsverfahren untersuchten und ausgeschiedenen Varianten auch die von den Klägern im Planfeststellungsverfahren vorgeschlagenen Alternativtrassen (Westumgehung Biosphärenreservat; OPAL-Trasse; Autobahntrasse; Trasse Bad Freienwalde) in die Betrachtung einbezogen hat und auf der Grundlage einer Grobanalyse ausscheiden durfte.
Rz. 174
Zu Recht hat sich die Planfeststellungsbehörde auf den Standpunkt gestellt, dass sie aufgrund des vorausgegangenen Raumordnungsverfahrens auf überflüssige Doppelprüfungen verzichten könne. Die bereits im Raumordnungsverfahren untersuchten Trassenvarianten 1 und 2 konnten – wie dargestellt – im Planfeststellungsverfahren ohne weiteres in dem Sinne abgeschichtet werden, dass die Planfeststellungsbehörde auf die Vorgaben der Landesplanerischen Beurteilung abhebt und sich deren Ergebnis zu eigen macht (BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2000 – 4 A 18.99 – BVerwGE 112, 140 ≪150≫ und vom 18. Juli 2013 – 7 A 4.12 – BVerwGE 147, 184 Rn. 53). Die Kritik der Kläger, dass die Landesplanerische Beurteilung vom 11. Dezember 2007 im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr gültig gewesen sei, verfängt nicht. Denn der Antrag auf Einleitung des Planfeststellungsverfahrens ist bei der Planfeststellungsbehörde am 18. Juni 2009 eingegangen. Die Behauptung der Kläger, dass die zweijährige Gültigkeitsdauer der Landesplanerischen Beurteilung im Zeitpunkt der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens bereits abgelaufen gewesen sei, trifft deshalb nicht zu. Soweit die Kläger geltend machen, die Landesplanerische Beurteilung sei auch inhaltlich nicht mehr aktuell gewesen, weil die Vorhabenträgerin zwischenzeitlich zugesichert gehabt habe, die alte 220 kV-Freileitung nach Fertigstellung der 380 kV-Freileitung komplett abzutragen und zu renaturieren, war dies entgegen ihrer Behauptung kein „sehr wesentlicher Unterschied” zum Sachstand während des Raumordnungsverfahrens. Denn die Gemeinsame Landesplanungsabteilung hat die Ablehnung der Trassenvariante 1 entlang der bestehenden 220 kV-Freileitung auch mit Blick auf Auswirkungen auf das Schutzgut Landschaft (insbesondere die Länge der Querung des Biosphärenreservats) und auf Natura 2000-Gebiete ausgeschieden. An diesem Umstand hat auch der angekündigte Rückbau der 220 kV-Freileitung nichts geändert.
Rz. 175
Die von den Klägern im Planfeststellungsverfahren eingebrachten Alternativtrassen (Westumgehung Biosphärenreservat; OPAL-Trasse; Autobahntrasse; Trasse Bad Freienwalde) wurden im Raumordnungsverfahren nicht geprüft, weil die dort vorzunehmende Prüfung auf die vom Vorhabenträger eingeführten Trassenalternativen (neben der Vorzugsvariante die Varianten 1 und 2) beschränkt war (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 3 ROG). Diese Prüfung hat die Planfeststellungsbehörde aber auf der Grundlage der Erwägungen der UVS II sowie der Stellungnahmen und Bewertungen der Beigeladenen zu den im Aufstellungsverfahren erhobenen Einwendungen, die sie nachvollzogen und sich zu eigen gemacht hat, in rechtlich noch hinnehmbarer Weise vorgenommen. Freilich wäre es wünschenswert gewesen, wenn sie sich hierbei auf einen Überblick hätte stützen können, wie ihn die Beigeladene im Klageverfahren mit Anlage BG 15 überreicht hat. Die von der Planfeststellungsbehörde in der Grobanalyse betrachteten Auswahlkriterien werden aber auch in der tabellarischen Übersicht auf S. 68 des Planfeststellungsbeschlusses sichtbar. Diese Tabelle – das rügen die Kläger zu Recht – ist zwar nicht aus sich heraus verständlich, weil sie unterschiedliche Kriterien nennt und keine Gewichtungen vornimmt. Welche dieser Kriterien die Planfeststellungsbehörde letztlich für maßgeblich erachtet hat, ergibt sich aber aus einer Zusammenschau der Gründe, die die Beigeladene in ihren Stellungnahmen zu den im Aufstellungsverfahren erhobenen Einwendungen genannt und die die Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsbeschluss zumindest auszugsweise wiedergegeben hat.
Rz. 176
Die hiernach entscheidungstragenden Erwägungen der Planfeststellungsbehörde halten einer rechtlichen Prüfung stand. Sie genügen den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung an eine Ausscheidung von Trassenalternativen im Rahmen einer Grobanalyse zu stellen sind. Die von den Klägern vorgeschlagene OPAL-Trasse konnte bereits deshalb ausgeschieden werden, weil diese Trassenalternative in Teilbereichen auf eine – rechtlich wie technisch umstrittene – Erdverkabelung setzt. Die Trassenalternative Westumgehung Biosphärenreservat weist eine deutlich größere Gesamtlänge (160 km gegenüber 120 km bei der Vorzugstrasse) und längere Querungen bzw. eine Neuinanspruchnahme von SPA-Gebieten auf. Dass diese Gesichtspunkte für die Planfeststellungsbehörde tragend waren, kommt im Planfeststellungsbeschluss (S. 291) hinreichend deutlich zum Ausdruck; dass sie für die Ausscheidung im Rahmen einer Grobanalyse ausreichten, ist wegen der damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffe in Natur und Landschaft evident. Gleiches gilt für das Kriterium „Bündelung mit anderen Freileitungen”, dem die Beigeladene und ihr folgend die Planfeststellungsbehörde entsprechend den gesetzlichen Zielsetzungen in § 1 Abs. 5 BNatSchG eine entscheidende Bedeutung beigemessen hat. Deshalb konnte auch die Autobahntrasse, die einen Bündelungsanteil mit anderen Freileitungen von lediglich 15 % aufweist, während die Uckermarkleitung auf 89 % ihrer Strecke gebündelt mit anderen Freileitungen verläuft, von vornherein ausgeschieden werden. Die Trasse Bad Freienwalde schließlich quert Vogelschutzgebiete auf einer Länge von 32 km, die Trasse der Uckermarkleitung demgegenüber nur auf einer Länge von 22 km, wobei der Verlauf beider Trassen auf diesen 22 km identisch ist. Die Trasse Bad Freienwalde konnte deshalb aufgrund einer um 10 km längeren Querung von Vogelschutzgebieten wegen der damit verbundenen zusätzlichen Eingriffe ebenfalls ohne Rechtsverstoß ausgeschieden werden.
Rz. 177
Soweit die Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung Vorschläge unterbreitet haben, welcher Trassenverlauf für die Westumgehung Biosphärenreservat außerdem noch denkbar gewesen wäre, gehören diese Vorschläge nicht zu den von der Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfahren in Betracht zu ziehenden Trassenalternativen.
Rz. 178
bb) Bei der Prüfung kleinräumiger Trassenalternativen lässt der Planfeststellungsbeschluss vergleichbare Schwierigkeiten von vornherein nicht erkennen.
Rz. 179
Der Beklagte und die Beigeladene haben überzeugend dargelegt, dass sich die Formulierung der Planfeststellungsbehörde (PFB S. 56), sie schließe sich nach Prüfung der in Frage kommenden Trassenvarianten und -modifizierungen dem Ergebnis der UVS II an, weil sie sich davon überzeugt habe, dass die beantragte Vorzugsvariante diejenige sei, die unter Berücksichtigung des planerischen Gebots der Minimierung von Eingriffen und in Anbetracht der zu erreichenden Ziele gegenüber den anderen in Frage kommenden Varianten und Alternativen die am besten geeignete sei und sich eine andere Linienführung nicht als besser aufdränge, auch auf kleinräumige Trassenalternativen „Trassenvarianten und -modifizierungen”) beziehe. In der somit in Bezug genommenen UVS II (S. 191 ff.) werden auf der Grundlage der im Planfeststellungsverfahren beantragten Vorzugsvariante verschiedene Möglichkeiten kleinräumiger Trassenvarianten geprüft und deren Vor- und Nachteile einander gegenübergestellt. Dass es gutachtliche Überlegungen gibt, die sich die Planfeststellungsbehörde zu eigen machen konnte, steht hier also von vornherein außer Frage. Das hat die Planfeststellungsbehörde „nach Prüfung” und nachdem sie sich von deren Tragfähigkeit „überzeugt” hat, offensichtlich auch getan.
Rz. 180
b) Technische Alternativen zur 380 kV-Freileitung hat die Planfeststellungsbehörde fehlerfrei abgewogen.
Rz. 181
aa) Eine vollständige oder teilweise Erdverkabelung der Uckermarkleitung als technische Alternative zur 380 kV-Freileitung hat die Planfeststellungsbehörde auch auf der Grundlage einer Abwägungsentscheidung ausgeschieden, in der sie vergleichend auf Gesichtspunkte der Versorgungssicherheit, der Störanfälligkeit, der technischen Belastbarkeit, der Reparaturmöglichkeiten, der Haltbarkeitsdauer, der Kosten und des Natur- und Landschaftsschutzes eingeht und auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis kommt, dass die Nachteile der Erdverkabelung in der Gesamtschau überwögen; der Verzicht auf Erdverkabelung entspreche auch dem Ergebnis der Landesplanerischen Beurteilung.
Rz. 182
Die Angriffe der Kläger betreffen zum einen nicht alle Abwägungsgesichtspunkte. Zum anderen gelingt es den Klägern nicht, die Tragfähigkeit der Abwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde zu erschüttern. Der Senat kann deshalb (weiterhin) offenlassen, ob Erdkabel auf der 380 kV-Spannungsebene derzeit dem Stand der Technik entsprechen und jenseits der nach § 2 Abs. 1 EnLAG zugelassenen Pilotprojekte, zu denen die Uckermarkleitung nicht gehört, der Planfeststellung entzogen sind.
Rz. 183
bb) Zu weiteren technischen Alternativen wie der Verwendung von Hochtemperaturleiterseilen an bestehenden 220 kV-Freileitungen oder Leiterseilmonitoring hat die Planfeststellungsbehörde die Auffassung vertreten, dass diese technischen Verfahren nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 – 7 A 4.12 – BVerwGE 147, 184) nicht dem Stand der Technik entsprächen und deshalb nach § 49 Abs. 1 Satz 2 EnWG auch nicht planfeststellungsfähig seien bzw. jedenfalls nicht uneingeschränkt zum Einsatz kommen könnten. Sie hat aber auch hier – selbständig tragend – eine Abwägungsentscheidung getroffen und ausgeführt, dass sich diese technischen Alternativen unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags nicht als die eindeutig vorzugswürdige, weil öffentliche und private Belage insgesamt schonendere technische Alternative darstellten. Die rechtliche Tragfähigkeit dieser Abwägungsentscheidung haben die Kläger nicht substantiiert in Frage gestellt.
Rz. 184
2. Zu Unrecht rügen die Kläger, dass die Planfeststellungsbehörde den in § 50 BImSchG normierten immissionsschutzrechtlichen Trennungsgrundsatz nicht hinreichend beachtet habe.
Rz. 185
a) Der Vortrag der Kläger zu den Lärmimmissionen ist unsubstantiiert.
Rz. 186
Sie kritisieren die Annahme der Planfeststellungsbehörde (PFB S. 73 f.), dass die Werte der TA Lärm eingehalten würden, als unzutreffend. Sie halten das Schallgutachten der Beigeladenen (Planunterlage 13.2) nicht für nachvollziehbar und rechtswidrig, weil Regenereignisse über 7,7 l/h nicht berücksichtigt worden seien. Zur Begründung weisen sie darauf hin, dass es sich hierbei nicht einmal um Starkregenereignisse handele, von denen der Deutsche Wetterdienst erst ab 10 l/h ausgehe. Die Beigeladene entgegnet, dass der Gutachter in Übereinstimmung mit dem international anerkannten Berechnungsverfahren nach EPRI vorgegangen sei und „heavy-rain”-Ereignisse bis 7,7 l/h bei der Berechnung berücksichtigt habe. Diese Behauptung haben die Kläger nicht in Zweifel gezogen. Die methodische Tragfähigkeit und inhaltliche Nachvollziehbarkeit des Gutachtens haben sie deshalb nicht substantiiert in Frage gestellt.
Rz. 187
b) Der auf Immissionen durch elektromagnetische Felder bezogene Einwand der Kläger, dass der vom LUGV im Anschluss an die Hinweise der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) geforderte Mindestabstand von 20 m nach den eigenen Angaben der Planfeststellungsbehörde nicht eingehalten sei, weil der geringste Abstand zu einem Gebäude in einer Kleingartenanlage in Eberswalde 19 m betrage, geht fehl. Denn eine Unterschreitung des 20 m-Abstandes bedeutet noch nicht, dass die Schwelle für schädliche Umwelteinwirkungen überschritten wäre, sondern lediglich, dass der Einwirkungsbereich der Anlage berührt ist. Hinzu kommt, dass das Abstandskriterium der LAI-Hinweise nur für Wohnnutzung gilt; Gebäude in einer Kleingartenanlage dienen nicht der Wohnnutzung, sondern der Freizeitnutzung.
Rz. 188
Zu Unrecht meinen die Kläger, da jedenfalls eine Annäherung an die Grenzwerte der 26. BImSchV stattfinde, sei die Frage beachtlich, ob die Grenzwerte überhaupt noch den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand wiedergeben. Dass die Grenzwerte der 26. BImSchV von Rechts wegen nicht zu beanstanden sind, hat der Senat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2013 – 4 A 1.13 – (BVerwGE 148, 353 Rn. 51 m.w.N.) bestätigt. Auch das von den Klägern vorgelegte medizinische Fachgutachten und der Verweis auf weitere Studien bieten keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte.
Rz. 189
Die Planfeststellungsbehörde hat ferner erkannt, dass Immissionen durch elektromagnetische Felder, auch soweit die Grenzwerte der 26. BImSchV nicht erreicht oder überschritten sind, jedenfalls in der Abwägung zu bewältigen sind (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 4 A 1.13 – BVerwGE 148, 353 Rn. 39). Denn sie hat darauf hingewiesen, dass die Beigeladene – trotz Einhaltung der Grenzwerte – weitere Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen vorgesehen hat (PFB S. 75), etwa verschiedene Planänderungen, um so im Bereich von Eberswalde private Betroffenheiten zu verringern (PFB S. 208).
Rz. 190
c) Soweit die Kläger den Trennungsgrundsatz schließlich auch unter Sicherheitsaspekten für einschlägig halten und vortragen, es komme vor, dass Masten umkippten oder abknickten, weshalb in Bereichen, in denen die Leitung Wohngebiete oder Kleingärten berühre, von den Masten Gefahren ausgingen, die in der Abwägung hätten „intensiver beachtet” werden müssen, ist ihr Vortrag unsubstantiiert und deshalb nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses in Zweifel zu ziehen. Die Kläger setzen sich weder damit auseinander, in welcher Weise sich der Planfeststellungsbeschluss mit den von den Masten ausgehenden Gefahren befasst hat, noch geben sie Auskunft darüber, was sie konkret vermissen und worin sie den Rechtsverstoß sehen.
Rz. 191
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Petz, Dr. Decker, Dr. Külpmann
Fundstellen
Haufe-Index 9305826 |
BVerwGE 2016, 73 |
DÖV 2016, 659 |
JZ 2016, 404 |
LKV 2016, 3 |
NuR 2016, 406 |
VR 2016, 250 |
ZUR 2016, 492 |
DVBl. 2016, 3 |
DVBl. 2016, 785 |
KommJur 2016, 7 |
ZNER 2016, 254 |
ZNER 2016, 366 |