Entscheidungsstichwort (Thema)
Straßenbauvorhaben. Planfeststellung. Nachanhörung. Bestimmtheit. faktisches Vogelschutzgebiet. IBA-Verzeichnis. Nachanmeldung. Artenschutz. Präklusion. Kompensationsmaßnahme. Ausgleichsmaßnahme. Brutvorkommen. Brutrevier. Brutstätte. Brutplatz. Befreiung. Vernässung. Alternativenprüfung
Leitsatz (amtlich)
Die Beseitigung eines Brutreviers mit regelmäßig benutzten Brutplätzen durch eine vollständige Baufeldbefreiung erfüllt den artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG.
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 19 Abs. 2 BNatSchG sind grundsätzlich nicht geeignet, die Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände nach § 42 Abs. 1 BNatSchG zu verhindern.
§ 43 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG bietet nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Januar 2006 – Rs. C-98/03 – (NVwZ 2006, 319) keine Grundlage für die Zulassung eines gegen Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1 BNatSchG verstoßenden (Straßenbau-)Vorhabens. Von diesen Verboten kann aber – gegebenenfalls noch während des gerichtlichen Verfahrens – eine Befreiung nach § 62 BNatSchG erteilt werden.
Normenkette
BNatSchG §§ 19, 42 Abs. 1, § 43 Abs. 4, § 62 Abs. 1; RL 79/409/EWG Art. 4-5, 9; RL 92/43/EWG Art. 12-13, 16; LNatG M-V § 15 Abs. 4-5; FStrG § 17 Abs. 4, 6c; VwVfG M-V § 73 Abs. 6; VwVfG M-V § 75 Abs. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1/4.
Tatbestand
I
Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 7. Juni 2005 für den letzten Teilabschnitt des Neubaus der Ortsumgehung Stralsund (B 105/B 96, Bauabschnitt V, Teilabschnitt V.2, Baukilometer 0+0,00 bis 3+635,976).
Das Vorhaben, das im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vordringlicher Bedarf dargestellt ist, steht im Zusammenhang mit dem Neubau der Bundesautobahn A 20 und des Rügenzubringers. Die vorgesehene Trasse durchquert mit einer Talbrücke die Lüssower Senke. Für Eingriffe in Natur und Landschaft, die in diesem Gebiet mit dem Vorhaben verbunden sind, sieht die Planung in einem ca. 7 km entfernten Gebiet an der Oberen Barthe eine Kompensationsmaßnahme vor, durch die insbesondere für den Wachtelkönig mithilfe einer Anhebung der Grundwasserflurabstände und extensiver Grünlandnutzung ein neuer naturnaher Lebensraum geschaffen werden soll. Die Kläger sind Eigentümer (Kläger zu 1) bzw. Pächter (Kläger zu 2 bis 4) bisher landwirtschaftlich genutzter Flächen, die für die festgelegten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Anspruch genommen werden (Kläger zu 1, 3 und 4) bzw. an das zu vernässende Maßnahmegebiet unmittelbar angrenzen (Kläger zu 2).
Der Vorhabenträger beantragte mit Schreiben vom 10. Mai 2004 die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens. Die Anhörungsbehörde veranlasste die öffentliche Auslegung der Planunterlagen in der Zeit vom 19. Juli 2004 bis zum 18. August 2004 u.a. im Amt Niepars. Zeit und Ort der Auslegung waren zuvor ortsüblich bekannt gemacht worden. In der Bekanntmachung war auf den Ablauf der Einwendungsfrist am 1. September 2004 und auf den Ausschluss verspätet erhobener Einwendungen hingewiesen worden. Der Kläger zu 1 wurde als nicht ortsansässiger Betroffener durch Übersendung des Bekanntmachungstextes von der Planauslegung unterrichtet.
Mit Schreiben vom 27. August 2004, eingegangen am 31. August 2004, erhoben die Kläger Einwendungen gegen das Vorhaben: Die Trasse durchschneide ein faktisches Vogelschutzgebiet, in dem neben dem Wachtelkönig auch andere hochgradig gefährdete Vogelarten wie z.B. der Schreiadler ansässig seien. Damit verletze der Planfeststellungsbeschluss die europäische Vogelschutzrichtlinie. Die Eignung der zum Schutz der Lebensräume des Wachtelkönigs im Bereich der Barthe vorgesehenen Ausgleichsflächen sei mehr als fraglich. Denn offenbar solle auch ein Lebensraum für den Schreiadler geschaffen werden. Der Schreiadler benötige gemähte Flächen, die als Lebensraum für den Wachtelkönig ungeeignet seien. Im Übrigen sei die Herstellung von Lebensraumbedingungen zugunsten mehrerer Rufergruppen des Wachtelkönigs im Barthe-Gebiet nur aufgrund kostenträchtiger Maßnahmen und unter Inkaufnahme von Auswirkungen möglich, die die Existenz des landwirtschaftlichen Betriebes der Kläger zu 3 und 4 bedrohten. Diese Gesichtspunkte seien in die Standortauswahl für die Ausgleichsmaßnahmen nicht einbezogen worden. Die Prüfung etwaiger alternativer Standorte erscheine oberflächlich. Der festgelegte Ausgleichsflächenbedarf sei wissenschaftlich nicht belegt und jedenfalls zu groß bemessen. Angesichts des Bewirtschaftungsverbots, der teilweisen Vernässung und des nur zweimal jährlich vorgesehenen Mähens sei von einer existenzgefährdenden Flächenbeanspruchung des landwirtschaftlichen Betriebes von 30 ha auszugehen. Für die an das Maßnahmegebiet angrenzenden Grundstücke sei wegen der vorgesehenen Wasserbaumaßnahmen mit erheblichen Vernässungen zu rechnen, deren Wirkungen noch nicht voraussehbar seien. Das zur Frage der Existenzgefährdung vom Beklagten eingeholte Gutachten D… enthalte tatsächliche Fehler und oberflächliche Bewertungen.
Im Erörterungstermin am 27. Oktober 2004 hielten die Kläger ihre Einwendungen aufrecht. Der Beklagte holte daraufhin zur Frage der Existenzgefährdung des landwirtschaftlichen Betriebes der Kläger zu 3 und 4 ein weiteres Gutachten B… ein. Durch eine Planänderung nahm der Beklagte für die Ausgleichsmaßnahme eine zusätzliche Grundstücksfläche des Klägers zu 1 in Anspruch. Auch hiergegen erhoben die Kläger Einwendungen.
Mit Beschluss vom 7. Juni 2005 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau des Teilabschnitts fest. Zur Begründung wurde ausgeführt: Das Vorhaben sei mit erheblichen und nachhaltigen Eingriffen in das Schutzgut Pflanzen und Tiere verbunden, die aber prinzipiell ausgleichbar seien. Im Untersuchungsraum kämen 26 Vogelarten vor, die einen Gefährdungsstatus gemäß Roter Liste Mecklenburg-Vorpommern hätten; 19 Arten davon hätten dort mit hoher Wahrscheinlichkeit Brutvorkommen. In den Hochstaudenfluren der Lüssower Senke seien mehrere Brutvorkommen des deutschlandweit vom Aussterben bedrohten Wachtelkönigs zu verzeichnen. Dort werde es wegen der vorhabenbedingten Zerschneidung von Lebensräumen zu einer weitgehenden Nutzungsaufgabe durch alle betroffenen Artengruppen kommen. Die zur Planfeststellung vorgelegte Linienführung stelle dennoch eine insgesamt umwelt- und naturraumangepasste Planung dar. Zwar quere die Trassenvariante 1 die Lüssower Senke in größerer Entfernung zum Hauptvorkommen des Wachtelkönigs, so dass sie insoweit als günstiger einzustufen sei. In den anderen Bereichen sei aber hinsichtlich des Schutzgutes Pflanzen und Tiere die planfestgestellte Variante 3 zu bevorzugen. Sie führe wesentlich dichter am Gewerbegebiet Langendorfer Berg entlang und minimiere dadurch insbesondere die zerschneidende Wirkung der Trasse. Die höhere Beeinträchtigung der Lüssower Senke sei ausgleichbar. Hierzu solle ein neues stabiles Brutvorkommen etabliert werden. Bei der Prüfung mehrerer zur Auswahl stehender Gebiete sei festgestellt worden, dass die für die Kompensation der Eingriffe in den Wachtelköniglebensraum am besten geeignete Fläche sich am Oberlauf der Barthe befinde. Dieser etwa 100 ha große Standort liege innerhalb einer Important Bird Area (IBA) und teilweise in einem FFH-Gebiet. Er gehöre ebenso wie das Eingriffsgebiet zur Landschaftseinheit Lehmplatten. Durch die Renaturierung des Wasserhaushaltes und ein an die Erfordernisse des Wachtelkönigs angepasstes Pflegekonzept werde sich ein strukturreicher, störungsarmer Lebensraum entwickeln, der neben dem Wachtelkönig u.a. auch zahlreichen anderen Vogelarten des Offen- und Halboffenlandes optimale Habitatstrukturen biete. Entgegen der Auffassung der Kläger handele es sich bei der Lüssower Senke nicht um ein faktisches Vogelschutzgebiet. Im Land Mecklenburg-Vorpommern gebe es zahlreiche Gebiete, die zahlen- und flächenmäßig erheblich besser für eine Erklärung zum Schutzgebiet geeignet seien, weil sie eine erheblich höhere Brutvogelpopulation aufwiesen. Der Schreiadler habe im Eingriffsraum der Trasse nicht nachgewiesen werden können. Deswegen solle durch die Ausgleichsfläche am Oberlauf der Barthe auch kein Lebensraum für diese Vogelart geschaffen werden. Dieses Gebiet unterliege auch keiner aktuellen Nutzung durch den Schreiadler. Von einer Beeinträchtigung des Schreiadlers durch die geplante Biotopentwicklung sei deshalb nicht auszugehen. Vielmehr werde im Zuge der Maßnahme das Nahrungsangebot für den Schreiadler erheblich verbessert. Bei der Auswahl der Kompensationsfläche für die Beeinträchtigung des Wachtelköniglebensraumes sei ein Ermessensfehler nicht erkennbar. Insbesondere eine Inanspruchnahme von Flächen im Bereich des Pütter Moores komme nicht in Betracht, weil die dort vorhandene stabile Wachtelkönigpopulation dem Ausgleichsziel widerspreche, neue Bestände zu schaffen. Die zur Verfügung zu stellende Flächengröße für den Wachtelkönig von 100 ha sei erforderlich. Eine Existenzgefährdung des landwirtschaftlichen Betriebes der Kläger zu 3 und 4 durch die geplante Inanspruchnahme von Grundstücksflächen sei den beiden eingeholten Gutachten nicht zu entnehmen. Selbst wenn eine Existenz bedrohende Situation eintreten sollte, überwiege das öffentliche Interesse an der Umsetzung des Vorhabens und der damit verbundenen naturschutzrechtlichen Kompensationsverpflichtung das private Interesse der betroffenen Einwender an der ungestörten Betriebsfortführung.
Die Einwendungen der Kläger wurden im Planfeststellungsbeschluss insoweit berücksichtigt, als angeordnet wurde, dass die Flächen der landschaftspflegerischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen lediglich durch beschränkt persönliche Dienstbarkeit zu sichern sind, soweit der Eigentümer dies in den Grunderwerbsverhandlungen fordert. Weiterhin wurde den Klägern in einer Nebenbestimmung eine Wasserspiegelabsenkung und insbesondere die Funktionsfähigkeit der Meliorationsanlagen auch nach Beendigung der Baumaßnahme zugesagt. Der Planfeststellungsbeschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Kläger am 17. Juni 2005 zugestellt.
Die Kläger haben am 18. Juli 2005, einem Montag, Klage erhoben. Zur Begründung der Klage führen sie aus: Der Planfeststellungsbeschluss leide an einem Verfahrensfehler, weil die betroffenen privaten Grundstückseigentümer von einer Planänderung zur “Straße am Feldrain” nicht informiert worden seien. Weiterhin genüge der Planfeststellungsbeschluss nicht dem Bestimmtheitsgebot, weil nicht hinreichend deutlich werde, ob hinsichtlich der Sicherung der Flächen für die landschaftspflegerischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen die Festsetzungen der planfestgestellten Unterlagen oder diejenigen des Beschlusses gelten. Hinsichtlich der von ihnen gerügten Verstöße gegen zwingendes Recht, namentlich die europäische Vogelschutzrichtlinie und die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, vertiefen die Kläger ihren Vortrag aus dem Anhörungsverfahren unter Bezugnahme auf gutachtliche Stellungnahmen des Kölner Büros für Faunistik. Darüber hinaus machen die Kläger geltend, weder bei der Planung der Trasse noch bei der Auswahl der Flächen für die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen seien die zwingenden Vorschriften über den Artenschutz beachtet worden. Die Planung verstoße gegen artenschutzrechtliche Verbotstatbestände und bedürfe deswegen einer Befreiung, deren Voraussetzungen aber nicht gegeben seien. Die aufgezeigten Rechtsverstöße führten zugleich zu Abwägungsfehlern der angefochtenen Entscheidung. Auch seien die privaten Belange der Kläger nicht hinreichend berücksichtigt worden. Beide Gutachten zur Existenzgefährdung des landwirtschaftlichen Betriebes der Kläger zu 3 und 4 seien fehlerhaft. Die Planfeststellungsbehörde habe schließlich gegen das Gebot der Konfliktbewältigung verstoßen, indem es über die Entschädigungsansprüche der Kläger nur dem Grunde nach entschieden und die Anregung der Anhörungsbehörde zurückgewiesen habe, einen Entscheidungsvorbehalt für den Fall nicht mehr funktionierender Meliorationsanlagen auszusprechen.
Die Kläger beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 7. Juni 2005 aufzuheben,
hilfsweise,
den Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen A 6, A 7 und E 2 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält den Planfeststellungsbeschluss für formell und materiell rechtmäßig. Von der Planänderung zur “Straße am Feldrain” seien Private nicht betroffen gewesen. Die von den Klägern beanstandete Regelung genüge auch dem Bestimmtheitserfordernis. Zu den von den Klägern mit dem Gutachten des Kölner Büros für Faunistik vertieft begründeten Rügen von Verstößen gegen das Naturschutzrecht hat der Beklagte gutachtliche Stellungnahmen der UmweltPlan GmbH Stralsund vorgelegt. Danach sei die “Lüssower Senke” nicht als faktisches Vogelschutzgebiet zu qualifizieren und seien die alternativen Ausgleichsflächen nicht aus naturschutzfachlichen Gründen dem planfestgestellten Maßnahmenraum vorzuziehen gewesen. Die Planung werde auch den Belangen des Artenschutzes gerecht. Dies ergebe sich aus den vorgelegten Untersuchungen der geschützten Arten im Bereich der Trasse und der Ausgleichsfläche an der Barthe durch die UmweltPlan GmbH vom Oktober 2005. Die von den Klägern geltend gemachte Existenzgefährdung des landwirtschaftlichen Betriebes der Kläger zu 3 und 4 werde von den eingeholten ergänzenden Stellungnahmen der Gutachter nicht bestätigt. Soweit den Gutachtern kein Einblick in das Buchwerk des Betriebes gewährt worden sei, hätten die Kläger ihre Mitwirkungspflichten verletzt. Im Fall des Auftretens nicht vorhersehbarer Wirkungen biete § 75 Abs. 2 VwVfG M-V eine hinreichende gesetzliche Grundlage zum Schutz der klägerischen Belange.
Entscheidungsgründe
II
Die Klage hat keinen Erfolg.
A. Der auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtete Hauptantrag ist zulässig. Das gilt auch für den Kläger zu 2, dessen Klagebefugnis zu bejahen ist, weil eine Beeinträchtigung seines landwirtschaftlichen Betriebes durch eine vorhabenbedingte Vernässung seiner Pachtflächen nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. hierzu auch Urteil vom 9. Juni 2004 – BVerwG 9 A 16.03 – juris Rn. 25).
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften, deren Verletzung die Kläger – der Kläger zu 2 als mittelbar Betroffener ohnehin beschränkt auf die gerade seinem Schutz dienenden Normen – mit der Folge einer Aufhebung des Beschlusses oder der Notwendigkeit eines ergänzenden Verfahrens nach § 17 Abs. 6c Satz 2 FStrG geltend machen können.
1. Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten leidet nicht an formellen Mängeln, die die Kläger geltend machen könnten.
a) Der Rüge der Kläger, im Zusammenhang mit der die “Straße am Feldrain” betreffenden Planänderung habe keine Nachanhörung nach § 73 Abs. 8 VwVfG M-V stattgefunden, ist der Beklagte unter Hinweis auf die fehlende Betroffenheit von Belangen Dritter substantiiert und von den Klägern unwidersprochen entgegengetreten. Unabhängig hiervon ist weder erkennbar noch von den Klägern dargetan, dass ein etwaiger Anhörungsmangel bei dieser Planänderung, die die Trassenführung unberührt ließ, für die Inanspruchnahme der Kläger kausal gewesen sein könnte (vgl. zu dieser Voraussetzung etwa Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 1.95 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115 S. 131 f.).
b) Fehl geht auch der Einwand der Kläger, dem Planfeststellungsbeschluss mangele es an der hinreichenden Bestimmtheit, wenn er in den Planunterlagen von einem Erwerb ihrer für die Ausgleichsmaßnahmen benötigten Flächen, in der Anordnung I.C.1.c) dagegen von deren Sicherung durch eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit ausgehe. Ein Widerspruch zwischen diesen Regelungen besteht nicht, weil die Anordnung I.C.1.c) einer Sicherung durch beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Falle einer entsprechenden Forderung der Kläger ausdrücklich Vorrang vor anderweitigen Festsetzungen in den Planunterlagen einräumt. Der konkrete Inhalt der Dienstbarkeit ergibt sich aus den Regelungen zu den Ausgleichs- bzw. Ersatzmaßnahmen A 6, A 7 und E 2. Im Übrigen hat der Beklagte den Vorrang der Anordnung I.C.1.c) sowie der gleich gelagerten Anordnung I.C.1.b) durch Protokollerklärung in der mündlichen Verhandlung – nochmals – klargestellt.
2. Das Planvorhaben ist nicht aus Gründen des europäischen Naturschutzrechts unzulässig.
a) Die Kläger rügen, die Trassenführung durch die Lüssower Senke sei mit den Verpflichtungen des Beklagten aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl EG Nr. L 103 S. 1 mit späteren Änderungen) – VRL – nicht vereinbar, weil insoweit ein faktisches Vogelschutzgebiet betroffen sei. Dieser Einwand greift jedoch nicht durch. Zwar setzt die genannte Vorschrift der straßenrechtlichen Fachplanung strikte rechtliche Schranken, die im Wege der fachplanerischen Abwägung nicht überwunden werden können. Sie findet für solche Gebiete unmittelbar Anwendung, die der Mitgliedstaat nicht nach Art. 4 Abs. 1 VRL zum Schutzgebiet erklärt hat, die jedoch die besonderen Anforderungen an ein Schutzgebiet im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL erfüllen (Urteil vom 1. April 2004 – BVerwG 4 C 2.03 – BVerwGE 120, 276 <288> m.w.N.).
Um ein solches faktisches Vogelschutzgebiet handelt es sich bei der Lüssower Senke jedoch nicht. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL, der die Identifizierung von Vogelschutzgebieten näher regelt, erklären die Mitgliedstaaten die insbesondere für die Erhaltung bestimmter, in Anhang I aufgeführter Vogelarten “zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete” zu Schutzgebieten. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. insbesondere Urteil vom 2. August 1993 – Rs. C-355/90, Santoña – Slg. 1993, I – 4272 Rn. 26; zuletzt Urteil vom 23. März 2006 – Rs. C-209/04 – Rn. 30 ff.) bereits klargestellt hat, sind danach nicht sämtliche Landschaftsräume, in denen bedrohte Vogelarten vorkommen, sondern nur die Gebiete unter Schutz zu stellen, die sich am ehesten zur Arterhaltung eignen. Maßgeblich sind insoweit ausschließlich ornithologische Kriterien. Ob eine Ausweisung als Vogelschutzgebiet aus fachfremden Erwägungen unterblieben ist, unterliegt voller verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. Dagegen besteht bei der Frage, welche Gebiete die ornithologischen Kriterien erfüllen, ein fachlicher Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten. Zu den Bewertungskriterien gehören neben Seltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdung einer Vogelart u.a. die Populationsdichte und Artendiversität eines Gebietes, sein Entwicklungspotential und seine Netzverknüpfung sowie die Erhaltungsperspektiven der bedrohten Art. Je bedrohter, seltener oder empfindlicher die Arten sind, desto größere Bedeutung ist dem Gebiet beizumessen, das die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physikalischen und biologischen Elemente aufweist. Nur Habitate, die unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe für sich betrachtet in signifikanter Weise zur Arterhaltung beitragen, gehören zum Kreis der im Sinne des Art. 4 VRL geeignetsten Gebiete (Beschluss vom 24. Februar 2004 – BVerwG 4 B 101.03 – juris Rn. 13 m.w.N.).
Als bedeutsamstes Erkenntnismittel für die Gebietsauswahl und als gewichtiges Indiz bei der nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL gebotenen Eignungsbeurteilung stellt sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. etwa Urteil vom 19. Mai 1998 – Rs. C-3/96 – Slg. 1998, I – 3054 Rn. 68 f.) wie auch des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 22. Januar 2004 – BVerwG 4 A 32.02 – BVerwGE 120, 87 <102> m.w.N.) das Verzeichnis der “Important Bird Areas” (IBA) dar. Wird diese Indizwirkung noch durch die Ergebnisse standortbezogener gutachtlicher Erhebungen verstärkt, so rechtfertigt dies den Schluss, dass der fragliche Bereich nicht zu den zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebieten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL gehört, auch wenn aufgrund der Äußerungen von Fachleuten eine gegenteilige Wertung ebenfalls vertretbar erscheint (Beschluss vom 24. Februar 2004 a.a.O. Rn. 16). Eine solche zusätzliche Bestätigung der Indizwirkung des IBA-Verzeichnisses kann sich auch daraus ergeben, dass die EU-Kommission unter dem Blickwinkel des Vogelschutzes keinen Nachmeldebedarf im Planungsraum sieht (Urteil vom 22. Januar 2004 a.a.O. S. 102 f.).
Hieran gemessen weist die Lüssower Senke nicht die Merkmale eines dem Beeinträchtigungsverbot des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL unterliegenden faktischen Vogelschutzgebietes auf. Im Europäischen IBA-Katalog 2000 wird die Lüssower Senke nicht als Vogelschutzgebiet aufgeführt. Dasselbe gilt für die aktualisierten, vom Deutschen Rat für Vogelschutz und vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) 2002 veröffentlichten “Berichte zum Vogelschutz” sowie für die im selben Jahr erschienene Studie der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V. (Scheller/Strache/Eichstädt/Schmidt, 2002, Important Bird Areas (IBA) in Mecklenburg-Vorpommern – die wichtigsten Brut- und Rastvogelgebiete Mecklenburg-Vorpommerns), die die IBA-Liste für dieses Land überprüft hat. Dass die fehlende Benennung dieses Gebietes darauf zurückzuführen ist, dass die dortige Avifauna noch nicht systematisch erfasst worden wäre, wie die Kläger meinen, widerspricht jedenfalls dem Selbstverständnis der Autoren des Deutschen IBA-Verzeichnisses (vgl. Ber. Vogelschutz 38 <2002>, Vorwort S. 6), wonach die Deutsche IBA-Liste zugleich als Referenzliste zur Ausweisung von besonderen Schutzgebieten nach der Vogelschutzrichtlinie dienen soll, und liegt angesichts eines Anteils der IBA-Fläche an der Gesamtfläche Mecklenburg-Vorpommerns von über 42 % (vgl. Berichte zum Vogelschutz a.a.O. S. 20 Tabelle 1), was wiederum dem Dreifachen der von Mecklenburg-Vorpommern als Vogelschutzgebiete der EU-Kommission gemeldeten Fläche entspricht, auch nicht nahe. Zwar hat die EU-Kommission in ihrem Aufforderungsschreiben 2001/5117 für Mecklenburg-Vorpommern einen Nachmeldebedarf geltend gemacht. Er bezieht sich nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beklagten jedoch nicht auf die Lüssower Senke und bestätigt mithin die Einschätzung des IBA-Verzeichnisses. Hinzu kommt, dass die EU-Kommission die Mecklenburg-Vorpommern betreffenden Nachmeldungen, die die Lüssower Senke nicht einschließen, in ihrem in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten vorgelegten Schreiben vom 10. April 2006 grundsätzlich nicht beanstandet hat.
Auf dieser Grundlage unterliegt das Vorbringen der Kläger, es gebe ein nicht erklärtes faktisches Vogelschutzgebiet, angesichts des fortgeschrittenen mitgliedstaatlichen Meldeverfahrens, durch das sich die Gebietsvorschläge eines Landes zu dem von der Vogelschutzrichtlinie angestrebten zusammenhängenden Netz verdichten (vgl. Art. 4 Abs. 3 VRL) und sich die gerichtliche Kontrolldichte entsprechend verringert, besonderen Darlegungsanforderungen (Urteil vom 14. November 2002 – BVerwG 4 A 15.02 – BVerwGE 117, 149 <155 f.>).
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Kläger nicht. Sie haben insbesondere auf die besondere Bestandsdichte und Stetigkeit des Wachtelkönigvorkommens in der Lüssower Senke sowie auf das Vorkommen weiterer, in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie genannter Vogelarten (insbesondere Braunkehlchen und Neuntöter) hingewiesen. Eine solche Betrachtungsweise ist jedoch nicht geeignet, die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL beim derzeitigen Stand des Meldeverfahrens darzutun. Denn sie beschränkt sich im Wesentlichen auf eine isolierte Betrachtung des Planungsraums und schöpft die ornithologischen Beurteilungskriterien nicht aus, sondern beschränkt sich auf einzelne Aspekte wie Bestandsdichte und Stetigkeit.
Demgegenüber hat der Beklagte – auch durch die überzeugenden Ausführungen der Leiterin der Arbeitsgruppe Vogelschutzgebiete im zuständigen Ministerium des Beklagten in der mündlichen Verhandlung – nachvollziehbar dargetan, dass die zum Schutz der Wachtelkönigpopulation ausgewählten Gebiete auf der Grundlage einer alle ornithologischen Kriterien berücksichtigenden Gesamtbetrachtung ausgewählt und insbesondere wegen ihrer Naturnähe, der vorhandenen Population, der mit der Lüssower Senke vergleichbaren Dichte und der Entwicklungsperspektiven besser geeignet seien als der Vorhabenraum. Das gelte auch für die anderen Anhang I-Vogelarten. Diese Vorgehensweise lässt Beurteilungsmängel, insbesondere Mängel bei der Methodenwahl, oder den Einfluss fachfremder Kriterien nicht erkennen und wird durch das Vorbringen der Kläger nicht in Frage gestellt. Ihre Angemessenheit wird auch nicht durch den Einwand der Kläger erschüttert, der Beklagte habe bei der nachträglichen Meldung des benachbarten Vogelschutzgebietes “SPA 02” mit der Lüssower Senke gerade das wertvollste Teilgebiet ausgespart. Denn wie die bereits erwähnte Leiterin der Arbeitsgruppe Vogelschutzgebiete in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, dient die Ausweisung von “SPA 02” dem Schutz von Wespenbussard, Eisvogel, Schreiadler und Mittelspecht, für die es eines der Hauptgebiete darstelle, weil es angesichts seines Waldreichtums besonders geeignet sei, die Habitatansprüche der vier Vogelarten zu erfüllen. Dagegen sei der Wachtelkönig ebenso wie der Neuntöter für das gemeldete Gebiet nicht abgrenzungsrelevant. Diese Vögel hätten nämlich völlig andere Habitatansprüche. So bevorzugte der Wachtelkönig baumfreie Flächen, die sehr groß sein müssten, damit sich dort eine Population bilden und erhalten könne. Trägt aber die Lüssower Senke sowohl nach ihrer Lage wie auch nach ihrer Gebietsprägung zum Schutz der abgrenzungsrelevanten Vogelarten nichts bei, besteht kein Grund, dieses Gebiet in den Nachmeldevorschlag “SPA 02” einzubeziehen. Von einem ornithologischen Kriterien und dem Ausweisungsziel widersprechenden “Aussparen” einer Teilfläche eines Vogelschutzgebietes, wie es der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 23. März 2006 (Rs. C-209/04) beanstandet hat, kann deswegen keine Rede sein.
b) Auch das Artenschutzrecht erweist sich für das Vorhaben nicht als rechtliches Hindernis.
aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die Kläger mit ihren artenschutzrechtlichen Rügen nicht in vollem Umfang präkludiert. Ihnen kann nicht entgegengehalten werden, der Artenschutz sei von ihnen in ihrer Einwendung vom 27. August 2004 nicht thematisiert worden. Zwar muss eine Einwendung im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG erkennen lassen, in welcher Hinsicht Bedenken gegen die in Aussicht genommene Planfeststellung – aus der Sicht des Einwendenden – bestehen können. Das Vorbringen muss so konkret sein, dass die Planfeststellungsbehörde erkennen kann, in welcher Weise sie bestimmte Belange einer näheren Betrachtung unterziehen soll (Beschluss vom 16. Oktober 2001 – BVerwG 4 VR 20.01 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 165 m.w.N.). Dagegen gehört die rechtliche Qualifizierung des tatsächlichen Vorbringens nicht zu den Anforderungen an eine präklusionsverhindernde Einwendung. Ob dies einschränkungslos auch für Einwendungen von Naturschutzvereinen gilt (vgl. hierzu Beschluss vom 12. April 2005 – BVerwG 9 VR 41.04 – juris Rn. 31 – in Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 16 insoweit nicht abgedruckt), bedarf hier keiner Entscheidung. Privateinwendern kann – auch wenn sie wie hier sachkundig vertreten sind – jedenfalls keine Obliegenheit zur rechtlichen Einordnung ihrer Einwendungen auferlegt werden. Es ist vielmehr Sache der Behörde, die notwendigen rechtlichen Schlüsse aus Tatsachenvorbringen zu ziehen, ohne sich auf eine bestimmte rechtliche Qualifizierung, auf die sich ein Einwender gegebenenfalls konzentriert, zu beschränken.
Danach haben sich die Kläger artenschutzrechtliche Einwände in Bezug auf die Avifauna im Trassenraum dadurch erhalten, dass sie in ihrem Einwendungsschreiben vom 27. August 2004 auf die Existenz “hochgradig gefährdeter Vogelarten” im Planungsraum hingewiesen haben. Mit Einwänden in Bezug auf den Schutz anderer Fauna als der Avifauna, nämlich den in der Klagebegründung genannten Säugetieren (einschließlich Fledermäusen), Reptilien und Amphibien sind die Kläger jedoch ausgeschlossen. Hierzu enthält ihr Einwendungsschreiben vom 27. August 2004 ebenso wenig Hinweise wie dasjenige vom 4. Februar 2005, das die zusätzliche Inanspruchnahme von Grundstücksflächen betrifft. Die weiteren Präklusionsvoraussetzungen des § 17 Abs. 4 Satz 2 FStrG, wonach der Einwendungsausschluss nur eintritt, wenn in der Bekanntmachung der Auslegung oder der Einwendungsfrist auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde und diese Bekanntmachung ihrerseits ordnungsgemäß war, sind gegeben. Die Planunterlagen lagen im Amt Niepars und damit im Gemeindegebiet der Kläger zu 2 bis 4 vom 19. Juli 2004 bis zum 18. August 2004 aus, mithin während des von § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG M-V geforderten Zeitraums (vgl. § 31 Abs. 1 VwVfG M-V i.V.m. § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 Halbs. 2 BGB). Die Auslegung des Plans war gemäß § 17 Abs. 3b Satz 3 FStrG ortsüblich im Mitteilungsblatt der Gemeinde bekannt gemacht worden. In der öffentlichen Bekanntmachung war auch auf den Ablauf der Einwendungsfrist zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist, also am 1. September 2004, und auf den Ausschluss verspätet erhobener Einwendungen hingewiesen worden. Der Kläger zu 1 als nicht ortsansässiger Betroffener wurde unter Übersendung des Bekanntmachungstextes von der Planauslegung unterrichtet (vgl. § 73 Abs. 5 Satz 3 VwVfG M-V).
Der Senat hat darüber hinaus erwogen, die Kläger auch mit artenschutzrechtlichen Einwendungen im Hinblick auf die festgelegte Ausgleichsfläche an der Oberen Barthe gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG als präkludiert anzusehen, weil sie diese Einwendungen erst im Einwendungsschreiben vom 4. Februar 2005 geltend gemacht haben, das sich – fristgerecht – auf die zusätzliche Flächeninanspruchnahme des Klägers zu 1 im Wege der Planänderung bezieht. Zwar eröffnen Planänderungen im Falle neuer oder weitergehender Belastungen neue Einwendungsmöglichkeiten (Beschluss vom 17. September 2004 – BVerwG 9 VR 3.04 – Buchholz 316 § 76 Nr. 13 S. 4 f.). Es erscheint dem Senat aber nicht frei von Zweifeln, ob hierdurch auch die Möglichkeit zu Einwendungen gegeben wird, die – wie hier die Frage der Habitateignung für den Schreiadler – bereits gegen eine frühere Inanspruchnahme hätten vorgebracht werden können und nun lediglich bei Gelegenheit einer weiteren Inanspruchnahme erhoben werden, ohne dass sie einen Bezug gerade zu der zusätzlichen Belastung aufweisen. Die Frage bedarf im vorliegenden Zusammenhang aber keiner Entscheidung, weil insoweit – wie sogleich aufzuzeigen sein wird – artenschutzrechtliche Verbotstatbestände nicht erfüllt sind.
bb) Bei einer auf das nicht präkludierte Vorbringen der Kläger beschränkten Prüfung ergibt sich, dass – anders als der Beklagte meint – artenschutzrechtliche Verbotstatbestände des nach § 11 Satz 1 BNatSchG unmittelbar geltenden § 42 Abs. 1 BNatSchG im Trassenraum erfüllt sind.
Das gilt allerdings nicht für die angeordneten Kompensationsmaßnahmen an der Oberen Barthe (Maßnahmen A 6, A 7 und E 2). Präklusionsbedingt ist insoweit allenfalls die Behauptung der Kläger von Bedeutung, die Durchführung dieser Maßnahmen beeinträchtige den Lebens- und Nahrungsraum des in diesem Gebiet vorkommenden Schreiadlers. Die bloße – vom Beklagten im Übrigen bestrittene – Verschlechterung der Habitatsqualitäten eines Nahrungsgastes, um den es sich beim Schreiadler im Bereich der Kompensationsfläche unstreitig handelt, erfüllt jedoch keine der in § 42 Abs. 1 BNatSchG enthaltenen Verbotstatbestände (Urteil vom 11. Januar 2001 – BVerwG 4 C 6.00 – BVerwGE 112, 321 <325>).
Dagegen werden durch das Vorhaben im Trassenbereich die Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BNatSchG verwirklicht.
(1) Der Beklagte stellt nicht in Frage, dass Brutvorkommen zahlreicher von den genannten Verbotstatbeständen erfasster europäischer Vogelarten (vgl. § 10 Abs. 2 Nr. 9 und 10 Buchst. b Doppelbuchst. bb BNatSchG) vorhabenbedingt verloren gehen oder beeinträchtigt werden. Insoweit sind jedenfalls die in Tabelle 7 (S. 15) des vom Beklagten im gerichtlichen Verfahren vorgelegten artenschutzrechtlichen Gutachtens zum Trassenbereich vom Oktober 2005, möglicherweise auch die in Tabelle 9 (S. 18) genannten Brutvögel betroffen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung zur insoweit gleich lautenden Vorgängervorschrift des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG allerdings klargestellt, dass die Regelung nicht allgemein Lebensräume, insbesondere nicht die bloßen Nahrungsreviere, oder auch nur sämtliche Lebensstätten der geschützten Arten schützt, sondern nur die in der Vorschrift ausdrücklich genannten Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätten schützt (Urteil vom 11. Januar 2001 – BVerwG 4 C 6.00 – a.a.O. S. 325 f.). Hinsichtlich dieser Begriffe ist jedoch – wie der Vergleich mit dem in § 62 Abs. 1 BNatSchG in Bezug genommenen Art. 5 Buchst. b VRL zeigt, wo lediglich von “Nestern” und “Eiern” die Rede ist – eine weitere Auslegung als nach dieser Richtlinie geboten. Unter “Brutstätten” sind deswegen nicht nur von Vögeln gerade besetzte, sondern auch regelmäßig benutzte Brutplätze zu verstehen, selbst wenn sie während der winterlichen Abwesenheit von Zugvögeln unbenutzt sind (zutreffend VG Berlin, Grundeigentum 2004, 1597; VG Potsdam, NuR 2002, 567 <568>). Brutstätten sind mithin jedenfalls dann in der in § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG beschriebenen Weise betroffen, wenn ein ganzes Brutrevier, in dem sich solche regelmäßig benutzten Brutplätze befinden, vollständig beseitigt wird. Davon ist hier aufgrund der Feststellungen des genannten artenschutzrechtlichen Gutachtens des Beklagten sowie der vorgesehenen, vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigten völligen Baufeldbefreiung in der Lüssower Senke auszugehen.
(2) Aus dem vom Beklagten vorgelegten artenschutzrechtlichen Gutachten vom Oktober 2005 geht darüber hinaus hervor, dass zahlreiche europäische Vogelarten, die im Vorhabengebiet brüten, durch bau- und betriebsbedingte akustische und optische Störwirkungen innerhalb ihrer Bruthabitate betroffen sind. Hierdurch wird der Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG erfüllt. Denn zu den “ähnlichen Handlungen”, durch die europäische Vogelarten an ihren Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätten gestört werden, gehören auch bau- oder betriebsbedingte Störungen (vgl.Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – Rn. 555 – zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). Anderenfalls könnte den europarechtlichen Vorgaben, insbesondere dem weit gefassten Störungsverbot des Art. 5 Buchst. d VRL, dessen Umsetzung § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG jedenfalls auch dient, nicht hinreichend Rechnung getragen werden.
(3) Der Beklagte meint demgegenüber, wegen des im Planfeststellungsbeschluss festgelegten Kompensationskonzepts sei jedenfalls im Ergebnis keine Verwirklichung der Verbotstatbestände eingetreten. Der mit der Regelung des § 42 Abs. 1 BNatSchG verfolgte Artenschutz sei populations-, nicht individuumsbezogen zu verstehen. Populationsbezogene Beeinträchtigungen der geschützten Vogelarten seien jedoch konzeptionsbedingt von vornherein ausgeglichen, weil die völlige Baufeldbefreiung nach dem herbstlichen Wegzug der Vogelpopulation und die rechtzeitig vor ihrer Rückkehr erfolgte Herrichtung der Kompensationsmaßnahmen zu einer Umsiedlung des Wachtelkönigs bzw. einer sukzessiven Populationsverlagerung der übrigen Vogelarten führe.
Diese Sichtweise teilt der Senat nicht. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 19 Abs. 2 BNatSchG sind grundsätzlich nicht geeignet, die Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände nach § 42 Abs. 1 BNatSchG zu verhindern. Die Reduzierung der Verbotstatbestände auf populationsbezogene Beeinträchtigungen wird bereits der Systematik des Bundesnaturschutzgesetzes nicht gerecht. Die Bewahrung des aktuellen Erhaltungszustandes von Tierarten spielt danach erst im Rahmen einer Befreiung von Verbotstatbeständen des § 42 Abs. 1 BNatSchG gemäß § 62 Abs. 1 BNatSchG eine Rolle, der u.a. auf Art. 5 VRL mit entsprechenden, nicht einmal für alle dort genannten Alternativen geltenden Voraussetzungen verweist. Darüber hinaus ist die Auffassung des Beklagten mit den inhaltlichen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts, dessen Umsetzung die §§ 42 ff. BNatSchG jedenfalls auch dienen, nicht vereinbar. Auch wenn dem Artenschutz eine gegenüber dem Habitatsschutz eigenständige Bedeutung zukommt, stehen beide in einem engen Zusammenhang, der durch die gemeinsame Regelung für beide Bereiche in der Vogelschutzrichtlinie bzw. der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl EG Nr. L 206 S. 7) – FFH-RL – deutlich wird. Diese Regelungen sind darauf gerichtet, vorhandene Lebensräume geschützter Tierarten zu erhalten und ihre Beeinträchtigung zu vermeiden (vgl. die jeweiligen Präambeln sowie insbesondere Art. 3 VRL und Art. 2 FFH-RL). Dem Schutz und der Erhaltung vorhandener Lebensräume kommt danach Vorrang vor ihrer Verlagerung zu. Könnten geschützte Gebiete nach Belieben “verlegt” werden, etwa um Raum für die Entwicklung von Ballungsgebieten zu schaffen, wäre die Verwirklichung des von den Richtlinien angestrebten kohärenten Netzes von Schutzgebieten (vgl. Art. 4 Abs. 3 VRL, Art. 3 FFH-RL) in Frage gestellt.
cc) Die Zulassung des Planvorhabens trotz Erfüllung von Verbotstatbeständen des § 42 Abs. 1 BNatSchG lässt sich nicht auf die Legalausnahme des § 43 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG stützen. Nach dieser Vorschrift gelten die Verbote des § 42 Abs. 1 BNatSchG u.a. nicht für den Fall, dass die Handlungen bei der Ausführung eines nach § 19 BNatSchG zugelassenen Eingriffs vorgenommen werden, soweit hierbei Tiere, einschließlich ihrer Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätten nicht absichtlich beeinträchtigt werden.
Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat unlängst Zweifel geäußert, ob seine Rechtsprechung, wonach solche Beeinträchtigungen “nicht absichtlich” sind, die sich als unausweichliche Konsequenz rechtmäßigen Handelns ergeben, im Lichte der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufrechterhalten werden kann (Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – Rn. 559 f. unter Hinweis auf EuGH, Urteile vom 30. Januar 2002 – Rs. C-103/00 – Slg. 2002, I – 1163 und vom 20. Oktober 2005 – Rs. C-6/04 – Slg. 2005, I – 9017 ff.; vgl. jetzt auch Urteil vom 18. Mai 2006 – Rs. C-221/04 –). Die Frage bedarf im vorliegenden Fall keiner Vertiefung. Denn der Senat sieht sich jedenfalls im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Januar 2006 – Rs. C-98/03 – (NVwZ 2006, 319) gehindert, die Ausnahmeregelung des § 43 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG anzuwenden, weil sie gegen sekundäres Gemeinschaftsrecht verstößt. Zwar bezieht sich die Feststellung des Europäischen Gerichtshofs, diese Vorschrift setze Gemeinschaftsrecht nicht ordnungsgemäß um, auf Art. 16 FFH-RL. Es ist auf der Grundlage dieser Entscheidung aber nicht erkennbar, dass im Hinblick auf die im vorliegenden Fall anzuwendende Vogelschutzrichtlinie etwas anderes gelten könnte. Denn der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil beanstandet, § 43 Abs. 4 BNatSchG sehe keinen rechtlichen Rahmen vor, der mit der durch Art. 16 FFH-RL eingeführten Ausnahmeregelung in Einklang stehe, weil die Vorschrift die Zulassung der Ausnahme nicht von der Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen des Art. 16 FFH-RL abhängig mache, sondern lediglich davon, dass Tiere, einschließlich ihrer Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätten und Pflanzen besonders geschützter Arten nicht absichtlich beeinträchtigt werden. Hierdurch werde – unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des Art. 16 FFH-RL im Rahmen der Entscheidung nach § 19 BNatSchG tatsächlich beachtet würden – die Richtlinie jedenfalls nicht hinreichend klar und bestimmt umgesetzt (a.a.O. Rn. 57 – 62). Ebenso wie Art. 12 und 16 der FFH-RL bilden Art. 5 und 9 der VRL ein geschlossenes Schutzsystem (vgl. Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – Rn. 560 unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Oktober 2005 – Rs. C-6/04 – a.a.O. Rn. 113), dessen Anforderungen in der Regelung des § 43 Abs. 4 BNatSchG nicht vollständig zum Ausdruck kommen. Die Vorschrift stellt mithin nach ihrer Struktur die Anwendung des europäischen Prüfprogramms der Vogelschutzrichtlinie nicht sicher. Sie kann aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europäischen Rechts keine Grundlage für die Zulassung des Vorhabens bieten. Das gilt unabhängig davon, ob der Beklagte das europäische Prüfprogramm der Sache nach zutreffend abgearbeitet hat.
dd) Die Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG stehen der Zulassung des Vorhabens aber deswegen nicht entgegen, weil der Beklagte insoweit eine Befreiung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG gewährt hat.
(1) Die Ansicht der Kläger, eine Befreiung nach dieser Vorschrift sei ausgeschlossen, weil sie nicht als Ausweichlösung für den versperrten Weg über § 43 Abs. 4 BNatSchG dienen könne, teilt der Senat nicht. Es handelt sich vielmehr um eine eigenständige Entscheidungsmöglichkeit der Planfeststellungsbehörde, die ihr offen steht, sofern § 43 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG – wie hier – nicht eingreift (vgl. Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – Rn. 557). Den europarechtlichen Bestimmtheitsanforderungen, wie sie der Europäische Gerichtshof in seinem bereits erwähnten Urteil vom 10. Januar 2006 – Rs. C-98/03 – (a.a.O.) formuliert hat, trägt § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG hinreichend Rechnung. Danach kann von den Verboten auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls dies erfordern und die Art. 12, 13 und 16 FFH-RL oder die Art. 5 bis 7 und 9 VRL nicht entgegenstehen. Durch die unmittelbare Bezugnahme auf die Verbots- und Ausnahmetatbestände des einschlägigen Gemeinschaftsrechts ist – anders als bei § 43 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG – die vollständige Anwendung des europäischen Prüfprogramms sichergestellt.
(2) Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG liegen vor.
(a) Die in der Vorschrift genannten Regelungen des Gemeinschaftsrechts stehen einer Befreiung nicht entgegen. Sie verstößt nicht gegen die insoweit allein in Betracht kommenden Verbote des Art. 5 Buchst. b und Art. 5 Buchst. d VRL.
Art. 5 Buchst. b VRL verbietet die absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern und die Entfernung von Nestern. Sein Anwendungsbereich ist deutlich enger gefasst als der in § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG geregelte Verbotstatbestand. Insbesondere der enge Zusammenhang zwischen den Schutzobjekten Nestern und Eiern macht deutlich, dass Nester, die nicht mehr genutzt und auch nicht erneut genutzt werden, vom Verbotstatbestand nicht erfasst werden. Eine Einbeziehung solcher Nester in den Regelungsbereich von Art. 5 Buchst. b VRL könnte nicht dazu beitragen, das Schutzziel der Richtlinie, wildlebende Vogelarten zu erhalten (vgl. Präambel und Art. 1 VRL), zu erreichen. Daran gemessen, ist der Verbotstatbestand des Art. 5 Buchst. b VRL nicht erfüllt. Eine Beeinträchtigung von Eiern und aktuell genutzten Nestern im Trassenbereich ist dadurch ausgeschlossen, dass die Baufeldbefreiung, die zu einer Entfernung aller Brutmöglichkeiten führt, nach Abschluss der Brutsaison und vor Beginn der neuen Brutsaison durchgeführt wird. Diese Vorgehensweise ist jedenfalls aufgrund der entsprechenden Erklärung, die der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegeben hat, verbindlich im Planfeststellungsbeschluss festgelegt. Dass bei der Baufeldbefreiung Nester beschädigt oder zerstört werden können, die in der nächsten Brutsaison wiederum benutzt würden, ist ebenfalls auszuschließen. Wie der Beklagte durch seinen Sachbeistand in der mündlichen Verhandlung – von den ebenfalls sachkundig vertretenen Klägern unwidersprochen – dargelegt hat, brüten im Trassenbereich nur solche Vögel, die ihre Nester in jeder Brutsaison jeweils neu bauen.
Auch der Verbotstatbestand des Art. 5 Buchst. d VRL ist nicht erfüllt. Eine absichtliche Störung, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, ist danach verboten, sofern sie sich auf die Zielsetzung der Vogelschutzrichtlinie erheblich auswirkt. Eine solche Auswirkung ist mit Blick auf das Schutzziel der Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (vgl. Präambel und Art. 1 VRL) sowie das in Art. 13 VRL festgelegte Verschlechterungsverbot nicht gegeben, wenn der aktuelle Erhaltungszustand der betroffenen Vogelarten sichergestellt ist. Das setzt allerdings – auch bei Beachtung der Pflicht zur Schaffung des zusammenhängenden Netzes von Lebensräumen – nicht den Schutz jeder lokalen Population voraus (vgl. Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – Rn. 571), sondern bedarf einer gebietsbezogenen Gesamtbetrachtung, für die der Planfeststellungsbehörde, da insoweit ornithologische Kriterien maßgeblich sind (vgl. insoweit auch Beschluss vom 24. Februar 2004 – BVerwG 4 B 101.03 – juris Rn. 13), eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative einzuräumen ist. Das vom Beklagten vorgelegte Artenschutzgutachten sieht den aktuellen Erhaltungszustand aller betroffenen Vogelarten als gewahrt an, weil sich die vorhabenbedingten Störungen entweder aufgrund des Gefährdungs- oder Empfindlichkeitsprofils dieser Arten (S. 18 Tabelle 9) oder wegen der angeordneten Kompensationsmaßnahmen (S. 15 Tabelle 7 und S. 36 f. Tabelle 19) nicht auf die jeweilige Population auswirkten. Das wird im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt.
Die hieran von den Klägern geübte Kritik greift nicht durch. Dass vorhabenbedingte Störungen negative Rückwirkungen auf die Bestandssituation einzelner Arten haben, machen die Kläger nicht substantiiert geltend. Hierfür reicht die Darlegung angeblicher Mängel des Kompensationskonzepts jedenfalls nicht aus. Ebenso wenig ist insoweit von Bedeutung, ob andere Bereiche wie etwa das Pütter Moor als Kompensationsflächen besser geeignet sind als das Gebiet an der Oberen Barthe. Soweit die Kläger auf die Möglichkeit und Notwendigkeit lokaler Ausgleichsmaßnahmen in Trassennähe hinweisen, übersehen sie, dass die Erhaltung der Bestandssituation nicht zwingend die Erhaltung lokaler Populationen voraussetzt. Deswegen trägt es nicht dazu bei, die Verwirklichung des Verbots des Art. 5 Buchst. d VRL aufzuzeigen, sondern bestätigt vielmehr das Ergebnis des vom Beklagten vorgelegten Artenschutzgutachtens, wenn die Kläger geltend machen, das Kompensationskonzept des Planfeststellungsbeschlusses stütze lediglich entfernte lokale Populationen und führe zur Abwanderung lokaler Populationen im Trassenbereich. Das Vorbringen der Kläger gibt dem Senat mithin, insbesondere angesichts der dargelegten naturschutzfachlichen Beurteilungsprärogative des Beklagten, keinen Anlass zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen.
(b) Die Erteilung einer Befreiung ist aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls im Sinne von § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG gerechtfertigt. Das Vorhaben dient dem Gemeinwohl, weil es im Einklang mit den Zielsetzungen des Bundesfernstraßengesetzes steht. Es ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen in der hier maßgeblichen Fassung des 5. Fernstraßenausbauänderungsgesetzes vom 4. Oktober 2004 (BGBl I S. 2574) als vordringlicher Bedarf ausgewiesen und entspricht deswegen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG. Die Gründe des Gemeinwohls überwiegen auch die Belange des Artenschutzes. Für diese Feststellung bedarf es keiner in alle Einzelheiten gehenden Abwägung zwischen den genannten Belangen. Insbesondere erfordert sie keine Alternativenprüfung. Denn auf die Existenz anderweitiger zufriedenstellender Lösungen kommt es erst im Rahmen der Vorschrift des Art. 9 Abs. 1 VRL an, die eingreift, wenn – anders als hier – Verbotstatbestände des Art. 5 VRL erfüllt sind. Es genügt deswegen, dass der gesetzlichen Bedarfsfeststellung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 8. Juli 1998 – BVerwG 11 A 53.97 – BVerwGE 107, 142 <145>) erhebliches Gewicht im Rahmen der Abwägung zukommt, während für den Artenschutz durch das Vorhaben nach der dargelegten, nicht zu beanstandenden naturschutzfachlichen Einschätzung der Planfeststellungsbehörde mangels Verschlechterung der Gesamtsituation der betroffenen Vogelarten jedenfalls keine unwiederbringlichen Einbußen entstehen.
(3) Der Beklagte hat die Befreiung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG auch wirksam und ermessensfehlerfrei erteilt.
(a) Allerdings hat er die Befreiung – nach schriftsätzlicher Ankündigung und Begründung – erst in der mündlichen Verhandlung des gerichtlichen Verfahrens erteilt. Aus diesem Umstand allein können die Kläger jedoch für sich nichts herleiten. Für die Frage ihrer Rechtsverletzung kommt es insoweit entscheidend nur darauf an, ob die Befreiungsvoraussetzungen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Planfeststellung objektiv gegeben waren (Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – Rn. 565). Das ist – wie dargelegt – der Fall. Auf dieser Grundlage war der Beklagte nicht gehindert, im Wege einer nachträglichen Änderung den Planfeststellungsbeschluss um eine Befreiung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG mit der Folge zu ergänzen, dass nunmehr der veränderte Planfeststellungsbeschluss zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens wird (Urteil vom 25. Januar 1996 – BVerwG 4 C 5.95 – BVerwGE 100, 238 <256> m.w.N.). Dass das Versäumnis der Erteilung einer Befreiung zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses einen zentralen Punkt dieser Entscheidung betrifft, der nicht in einem ergänzenden Verfahren (§ 17 Abs. 6c Satz 2 FStrG) und mithin auch nicht schon während eines gerichtlichen Verfahrens bereinigt werden könnte, weil er die Planung als Ganzes von vornherein in Frage stellt (vgl. Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 19.94 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 113 S. 103 f.), ist schon deswegen nicht erkennbar, weil sich der Beklagte im Planfeststellungsbeschluss (S. 79 f.) der Sache nach auf der Grundlage der Feststellungen des landschaftspflegerischen Begleitplans mit Fragen des Artenschutzes bereits – wenn auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der naturschutzrechtlichen Ausgleichsregelung – auseinander gesetzt hat.
(b) Die erteilte Befreiung weist auch keine Ermessensfehler auf. Sie betrifft die Verbote des § 42 Abs. 1 BNatSchG und erfasst mit ihrer Bezugnahme auf die um den Feldschwirl ergänzte Tabelle 20 (S. 43, entspricht insoweit Tabelle 7 auf S. 15) und auf Tabelle 9 (S. 18) des vom Beklagten vorgelegten artenschutzrechtlichen Gutachtens zum Trassenbereich alle Vogelarten, bei denen nach den insoweit von den Klägern nicht beanstandeten Feststellungen des Gutachtens – zum Teil im Sinne einer zulässigen Worst-Case-Betrachtung – ein Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 BNatSchG erfüllt sein kann. Die Begründung dieser Entscheidung, die auf die überwiegenden Gründe des Gemeinwohls und demgegenüber auf die vergleichsweise geringe Beeinträchtigung des Artenschutzes abstellt, lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Solche Mängel machen auch die Kläger nicht geltend.
c) Auch die naturschutzrechtlichen Einwände der Kläger gegen den Planfeststellungsbeschluss greifen nicht durch. Die Inanspruchnahme ihrer Eigentums- bzw. Pachtflächen findet in § 15 Abs. 4 und Abs. 5 LNatG Mecklenburg-Vorpommern eine hinreichende und zutreffend angewandte Rechtsgrundlage.
Nach diesen Vorschriften hat der Verursacher eines Eingriffs in Natur und Landschaft unvermeidbare Beeinträchtigungen so auszugleichen, dass keine erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen des Naturhaushalts zurückbleiben. Ist ein Eingriff nicht in dem erforderlichen Maße ausgleichbar, aber vorrangig, hat der Verursacher möglichst in der vom Eingriff betroffenen Großlandschaft durch geeignete Maßnahmen die beeinträchtigten Strukturen, Funktionen und Prozesse von Natur und Landschaft möglichst gleichwertig oder ähnlich zu ersetzen.
Nach der Konzeption dieser Regelungen bedarf es bei einer durch die beschriebenen Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen bedingten Inanspruchnahme privater Grundstücke einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, die sämtliche Elemente des Übermaßverbotes einschließt (Urteil vom 1. September 1997 – BVerwG 4 A 36.96 – BVerwGE 105, 178 <185>). Die Kläger meinen, diese Voraussetzungen seien im Hinblick auf die Maßnahmen A 6, A 7 und E 2 nicht erfüllt. Das trifft jedoch – unter Beachtung der der Planfeststellungsbehörde bei der Bewertung der Kompensationswirkung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zukommenden naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative (Urteil vom 9. Juni 2004 – BVerwG 9 A 11.03 – BVerwGE 121, 72 <84>) – nicht zu.
aa) Die für die Kompensationsmaßnahmen A 6, A 7 und E 2 in Anspruch genommenen Flächen im Bereich der Oberen Barthe sind entgegen der Auffassung der Kläger zur Erreichung des naturschutzrechtlich vorgegebenen Zwecks geeignet.
Nach der gutachtlich belegten und nachvollziehbaren Konzeption des Planfeststellungsbeschlusses sind die mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffe in den Wachtelköniglebensraum der Lüssower Senke durch die Maßnahmen an der Oberen Barthe weitgehend ausgleichbar bzw. vollständig ersetzbar. Die Kompensationsfläche weise alle Voraussetzungen auf, um mit Hilfe der vorgesehenen extensiven Pflegenutzung einen strukturreichen und störungsarmen Lebensraum zu entwickeln, der für den Wachtelkönig und zahlreiche andere Vogelarten des Offen- und Halboffenlandes optimale Habitatstrukturen bietet.
Die hiergegen von den Klägern erhobenen Einwände greifen nicht durch.
Soweit sie rügen, der Standort an der Oberen Barthe erfülle schon im Hinblick auf seine Entfernung von 7 km zur Lüssower Senke nicht die Voraussetzungen einer Ausgleichsmaßnahme, sind sie mit diesem erstmals im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten Vorbringen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG präkludiert.
Die übrigen Einwände der Kläger lassen das Kompensationskonzept des Beklagten jedenfalls nicht als naturschutzfachlich unvertretbar erscheinen. Dass es sich bei der Lüssower Senke um einen “Primärlebensraum” handelt, der lediglich durch einen nicht gleichwertigen “Sekundärlebensraum” ausgeglichen werden soll, behaupten die Kläger selbst nicht. Ob der Bereich der Oberen Barthe als “besserer” Sekundärlebensraum als die Lüssower Senke gelten kann, was die Kläger bestreiten, ist für seine Eignung als Ausgleichsmaßnahme rechtlich irrelevant.
Der Rüge der Kläger, die Kompensationsfläche werde nicht für alle lokalen Vogelpopulationen der Lüssower Senke erreichbar sein, ist der Beklagte in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen mit dem Hinweis entgegengetreten, es werde zusätzlich zur “Umsiedlungswirkung” der Kompensationsfläche insbesondere für den Wachtelkönig auch zu einer sukzessiven Verlagerung anderer Vogelarten in die der Lüssower Senke benachbarten Gebiete kommen. Der von den Klägern befürchtete Zielkonflikt mit anderen Vogelarten auf dem Gebiet der Kompensationsfläche ist nicht erkennbar. Für die insoweit nur in Betracht kommenden Vogelarten Schreiadler und Rohrweihe wird in dem vom Beklagten vorgelegten Artenschutzgutachten detailliert und nachvollziehbar sogar eine Verbesserung der Lebensraumbedingungen prognostiziert. Das von den Klägern vorgelegte Schreiben des Forstamtes Schuenhagen vom 15. August 2005 steht hierzu nicht im Widerspruch. Soweit die Kläger allgemein vortragen, eine Wiedervernässung und Extensivierung, wie sie im Bereich der Oberen Barthe geplant sei, habe in vielen Regionen zum Einbruch der Wiesenbrüterpopulationen geführt, ist darauf hinzuweisen, dass die insoweit genannten Vogelarten nach der Bestandsaufnahme des erwähnten Artenschutzgutachtens weder in der Lüssower Senke noch im Kompensationsgebiet vorkommen. Der Senat hat auch keinen Anlass, an der ökologischen Aufwertungsfähigkeit des Gebietes an der Oberen Barthe zu zweifeln. Der von den Klägern insbesondere hervorgehobene Umstand, dass die Kompensationsfläche innerhalb der IBA-Fläche “Nordvorpommersche Waldlandschaft” liege, spricht nicht gegen ihre Eignung als Kompensationsfläche, weil es dort weder ein gesichertes Wachtelkönigvorkommen gibt noch mangels entsprechender Pflegemaßnahmen ein optimaler Zustand für die Lebensraumanforderungen des Wachtelkönigs besteht. Die Aussage des Artenschutzgutachtens des Beklagten, mit der Kompensationsmaßnahme sei auch eine Aufwertung der Kompensationsfläche für andere vom Vorhaben betroffene Vogelarten als den Wachtelkönig verbunden, haben die Kläger nicht substantiiert in Frage gestellt. Schließlich ist auch die Kritik der Kläger nicht berechtigt, eine Evaluierung der Kompensationsmaßnahmen sei nicht gewährleistet. Denn der Planfeststellungsbeschluss sieht die wiederholte Untersuchung der Kompensationsfläche im Rahmen eines Monitorings vor, so dass unerwünschten Entwicklungen rechtzeitig entgegengewirkt werden kann (Planfeststellungsbeschluss S. 64).
bb) Der Zugriff auf die im Bereich der Kompensationsfläche gelegenen Flächen der Kläger ist zur Erfüllung der naturschutzrechtlichen Kompensationsverpflichtungen auch erforderlich.
Die Fläche an der Oberen Barthe ist nach Auffassung der Planfeststellungsbehörde am besten für die Kompensationsmaßnahme geeignet. Geeignete Flächen in der unmittelbaren Umgebung der Lüssower Senke seien nicht vorhanden, untersuchte Alternativflächen weniger geeignet: Das Gebiet am Prohner Bach stelle aufgrund des wegen der Küstennähe ungünstigen Mikroklimas und des Fehlens eines etablierten Wachtelkönigvorkommens eine kaum geeignete Alternative dar. Die Einzugsbereiche des Badendyksgraben und das Pütter Moor eigneten sich nicht, da die zusammenhängende Flächengröße nicht ausreiche und die Vegetationsstrukturen eine geeignete Umwandlung für den Wachtelkönig erschwerten. Zudem lasse die küstennahe Lage auch hier auf ein ungünstiges Mikroklima schließen. Die Kläger haben insoweit – gestützt auf von ihnen vorgelegte gutachtliche Stellungnahmen – beanstandet, die Alternativenprüfung sei oberflächlich erfolgt. Die für erforderlich erachtete Ausgleichsfläche sei mit 100 ha insbesondere im Hinblick auf die Abstufung des Wachtelkönigs in der Gefährdungseinschätzung der “Roten Liste der Brutvögel Mecklenburg-Vorpommerns” zu groß bemessen. Flächen in dieser Größe stünden jedenfalls auch im Pütter Moor und im Badendyksgraben zur Verfügung. Die Kriterien Küstennähe und Bodentyp seien keine entscheidenden Kriterien. Eine Wachtelkönigpopulation sei im Gebiet der Oberen Barthe nur temporär gesichtet worden, dagegen auch in den Alternativgebieten zu verzeichnen.
Demgegenüber hat der Beklagte – gestützt auf eigene gutachtliche Stellungnahmen – darauf hingewiesen, dass die temporäre Anwesenheit des Wachtelkönigs auf der Kompensationsfläche ein sehr guter Beleg dafür sei, dass die Fläche zwar prinzipiell zur Ansiedlung geeignet sei, jedoch aufgrund der bestehenden landwirtschaftlichen Nutzung keine dauerhafte oder gar reproduktive Ansiedlung erfolgen könne. Am Prohner Bach sei jedoch aufgrund einer nur kurzzeitigen, vegetationsunabhängigen Anwesenheitsphase nicht von der Etablierung eines Reviers auszugehen. Dies spreche für eine bessere Eignung der Flächen an der Oberen Barthe. Aus einem Vorkommen von Wachtelkönigen im Küstenbereich könne nicht auf dessen generelle Eignung als Lebensraum geschlossen werden. Im Übrigen seien am Prohner Bach trotz vorhandener geeigneter Vegetationsstrukturen in den vergangenen mindestens zwanzig Jahren nie Nachweise eines längeren Verweilens des Wachtelkönigs erfolgt. Daraus könne auf die suboptimale Ausprägung weiterer Parameter dieser Fläche geschlossen werden. Am Badendyksgraben würde ohne umfangreiche Maßnahmen in zur Renaturierung suboptimalen Bereichen die erforderliche Gesamtfläche auch unter Berücksichtigung aller Teilflächen nicht erreicht. Zudem sei auf mehreren Kleinsplitterflächen kein Vorkommen des Wachtelkönigs in Form von dichten, möglichst großen Rufergruppen zu erwarten. Ein wesentliches und außergewöhnliches Merkmal des Wachtelkönigbestandes in der Lüssower Senke, nämlich seine sehr hohe Dichte, sei entlang des Badendyksgrabens nicht zu erreichen. Das Pütter Moor sei wegen des dort nachgewiesenen reproduzierenden Wachtelkönigvorkommens nicht weiter aufzuwerten. Auch stehe keine geschlossene, homogene Fläche zur Verfügung, die die Entwicklung optimaler Wachtelkönighabitate ermögliche. Die von den Klägern geforderten mehrjährigen Erhebungen auf den potentiellen Ausgleichsflächen entsprächen nicht den fachlichen Erfordernissen und ließen keinen Erkenntniszuwachs erwarten.
Auf dieser Grundlage ist eine Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung des Beklagten nicht zu erkennen. Die Kläger legen nicht substantiiert dar, welche zusätzlichen und für die Auswahl erheblichen Ergebnisse bei den von ihnen als notwendig erachteten vertieften Erhebungen auf den untersuchten Alternativflächen zu erwarten gewesen wären. Weitere Alternativflächen nennen sie nicht. Dass der Beklagte im Interesse des Erfolges der Kompensationsmaßnahmen sich gegen Flächen entschieden hat, die im Hinblick auf Lage, Flächenzuschnitt und Bodenart ein auch von den Klägern nicht grundsätzlich bestrittenes größeres Risikopotential besitzen, ist nicht zu beanstanden. Das gilt auch für die Vorgehensweise des Beklagten, die Kompensationsmaßnahme auf den besonders empfindlichen Wachtelkönig abzustellen und durch Schaffung eines für ihn geeigneten Lebensraums zugleich Lebensraum für andere bisher in der Lüssower Senke ansässige Vogelarten zu schaffen, sowie bei der Auswahl der Flächen darauf zu achten, dass einerseits zumindest temporär etablierte Wachtelkönigvorkommen beobachtet wurden, die die grundsätzliche Eignung des Gebietes belegen, andererseits keine reproduzierenden Wachtelkönigvorkommen bestehen, die eine weitere Aufwertung der Flächen zugunsten des Wachtelkönigs ausschließen oder zumindest erschweren. Mängel bei der Berechnung der Größe der Ausgleichsfläche legen die Kläger nicht substantiiert dar. Dass der nach der Anzahl der anzusiedelnden Wachtelkönige berechnete Flächenbedarf durch die von den Klägern behauptete verringerte Schutzwürdigkeit dieser Vogelart beeinflusst werden könnte, ist jedenfalls nicht erkennbar.
cc) Die mit den Kompensationsmaßnahmen verbundenen Beeinträchtigungen sind den Klägern auch zumutbar.
(1) Die Zumutbarkeitsgrenze kann überschritten sein, wenn durch Kompensationsmaßnahmen die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen gefährdet oder gar vernichtet wird (vgl. etwa Urteil vom 1. September 1997 – BVerwG 4 A 36.96 – BVerwGE 105, 178 <186>). Solche Beeinträchtigungen machen die Kläger zu 3 und 4 im Hinblick auf den von ihnen betriebenen landwirtschaftlichen Betrieb geltend. Sie wenden ein, der Planfeststellungsbeschluss verneine zu Unrecht eine Existenzgefährdung, weil bei den eintretenden Flächenverlusten weitere Betriebsflächen von rund 14 ha nicht berücksichtigt seien, die zwar außerhalb des Maßnahmegebietes liegen, bei denen aber dennoch eine maßnahmebedingte Vernässung zu befürchten sei. Die Existenzgefährdung ihres Betriebes werde vom Beklagten auch deswegen verkannt, weil die seiner Beurteilung zugrunde gelegten Gutachten fehlerhaft seien. Diese Einwände greifen jedoch nicht durch.
(a) Der Beklagte hat bei der Prüfung einer möglichen Existenzgefährdung des landwirtschaftlichen Betriebes der Kläger zu 3 und 4 einen Flächenverlust von 16,5 ha zugrunde gelegt. Zwar haben auch die erwähnten Gutachter Zweifel geäußert, ob die Vernässungsmaßnahmen auf das Maßnahmegebiet beschränkt bleiben werden. Die Zweifel beruhen jedoch nicht auf konkreten, auf das Maßnahmegebiet bezogenen, insbesondere wasserbaulichen Betrachtungen der Gutachten, die vom speziellen Sachverstand der Gutachter ohnehin nicht gedeckt wären, sondern auf allgemeinen Überlegungen und Vermutungen. Demgegenüber hat der Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund des bereits bewährten wasserbaulichen Maßnahmekonzepts sowie durch die zusätzliche Umsetzung der von den Klägern im Anhörungsverfahren angeregten Maßnahmen (vgl. Planfeststellungsbeschluss, Anordnung I.B.9., S. 13) eine Vernässung außerhalb des Maßnahmegebietes liegender Grundstücke auszuschließen ist. Die Kläger sind diesem Vorbringen nicht substantiiert entgegengetreten. Der Möglichkeit einer Vernässung ist der Beklagte jedenfalls durch seine in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Ergänzungen des Planfeststellungsbeschlusses hinreichend begegnet. Danach hat er die zukünftige Funktionsfähigkeit der Meliorationsanlagen zugesichert und im Übrigen die Vernässung zusätzlicher Flächen der Kläger durch die Kompensationsmaßnahme als nicht voraussehbare Wirkung des Vorhabens angesehen, sodass den Klägern im Falle dennoch eintretender vorhabenbedingter Beeinträchtigungen Ansprüche nach § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG M-V zuständen. Es ist weder erkennbar noch von den Klägern dargetan, dass ihrem Anliegen insoweit nicht angemessen Rechnung getragen wäre.
(b) Auf der Grundlage einer Flächeninanspruchnahme von rund 16,5 ha sieht der Planfeststellungsbeschluss keine Existenzgefährdung für den landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger zu 3 und 4. Er stützt sich hierzu auf die insoweit übereinstimmenden Beurteilungen der genannten Gutachter. Die gegen die Richtigkeit der den Gutachten zugrunde liegenden Annahmen erhobenen Einwände der Kläger greifen nicht durch.
Die Kläger machen geltend, die wirtschaftliche Situation des Landwirtschaftsbetriebes sei nur für das Jahr 2002/2003 betrachtet worden. Schon im Folgejahr habe sich der Gewinn des Betriebes jedoch um 11 000 € reduziert. Im Gutachten D… sei der Kapitaldienst zu niedrig angegeben. Die Kosten der Futtererzeugung auf Ackerland seien jeweils zu gering veranschlagt. Die Kosten für die zukünftige Weiterentwicklung des Betriebes würden ebenso wenig berücksichtigt wie die Auswirkungen der aktuellen Agrarreform.
In ergänzenden Stellungnahmen sind beide Gutachter dieser Kritik nachvollziehbar entgegengetreten. Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Situation sei keineswegs nur ein Wirtschaftsjahr zugrunde gelegt worden. Es sei im Übrigen zu berücksichtigen, dass ihnen kein Einblick in das Buchwerk des Betriebes gewährt worden sei. Die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sei durch den Ergebnisrückgang im Jahr 2003/2004, auf den die Kläger beim Ortstermin im Januar 2005 nicht aufmerksam gemacht hätten, auch ohne Flächeneingriff ernsthaft in Frage gestellt. In der Frage des Kapitaldienstes verteidigt der Gutachter D… seine Darstellung im Gutachten, während nach Auffassung des Gutachters B… dieser Posten ohnehin nicht zu berücksichtigen sei. Hinsichtlich der Kosten der Futtererzeugung auf Ackerland weist der Gutachter B… darauf hin, dass er insoweit von einem gegenüber der Futtererzeugung auf Grünland um 150 €/ha erhöhten Wert ausgegangen sei. Ein Grund zu einer weiteren Erhöhung sei nicht erkennbar. Der Gutachter D… führt insoweit an, dass auch eine angenommene Erhöhung des jährlichen Erwerbsverlustes um ca. 2 % keinen Einfluss auf die im Gutachten getroffene Aussage habe. Zur Frage der Kosten für die künftige Weiterentwicklung des Betriebes vertreten die Gutachter die Auffassung, diese Kosten seien ebenso wie die Last des unternehmerischen Risikos und der Betriebsleitertätigkeit vom Gesamteinkommen des Betriebes zu tragen. Hierzu zähle auch das Einkommen aus Entschädigungszahlungen, die einen Erwerbsverlust infolge einer öffentlichen Maßnahme kompensieren sollen. Die Auswirkungen der Agrarreform seien in den Gutachten hinreichend berücksichtigt bzw. führten nicht zu für die Kläger ungünstigeren Aussagen.
Der Senat hat keinen Anlass, die die Gutachten bestätigenden Aussagen der Gutachter in Frage zu ziehen. Die Kläger sind diesen Ausführungen nicht mehr entgegengetreten. Deswegen und im Hinblick auf die von den Klägern nicht in Abrede gestellte mangelnde Mitwirkung bei der Erstellung der von ihnen anschließend kritisierten Gutachten sind auch weitere Aufklärungsmaßnahmen nicht angezeigt.
(2) Auch die übrigen Kläger sind durch die Kompensationsmaßnahmen nicht unzumutbar betroffen.
Hinsichtlich der Befürchtung des Klägers zu 2, seine an das Kompensationsgebiet angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen würden maßnahmebedingt vernässt, gilt das insoweit bereits zu den Klägern zu 3 bis 4 Gesagte (oben (1)). Für eine unzumutbare Betroffenheit des Klägers zu 1 enthält das klägerische Vorbringen keinerlei Anhaltspunkte.
(3) Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger lässt sich schließlich auch nicht aus dem Fehlen von Entschädigungsregelungen im Planfeststellungsbeschluss herleiten. Für unmittelbar mit enteignender Vorwirkung Betroffene wie die Kläger zu 1, 3 und 4 sind solche Regelungen ausschließlich im nachfolgenden Enteignungsverfahren zu treffen (Urteil vom 7. Juli 2004 – BVerwG 9 A 21.03 – Buchholz 406.16 Grundeigentumsschutz Nr. 87 S. 9). Für den Kläger zu 2 sind die allein in Betracht kommenden Schutzauflagen – wie dargelegt – bereits getroffen worden.
B. Mangels beachtlicher Rechtsfehler des Planfeststellungsbeschlusses (oben A…) ist der auf die Aufhebung der Kompensationsmaßnahmen (A 6, A 7 und E 2) beschränkte zulässige Hilfsantrag ebenfalls unbegründet.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Storost, Vallendar, Prof. Dr. Rubel, Domgörgen, Dr. Jannasch
Fundstellen
Haufe-Index 1566396 |
BVerwGE 2007, 166 |
VR 2006, 394 |
ZfBR 2007, 72 |
DVBl. 2006, 1309 |
UPR 2006, 446 |
FSt 2007, 636 |