Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückübertragung. Unternehmensreste. Verfügungssperre. Geschäftsanteilsverkauf. Duldungsverpflichtung. ergänzende Vertragsauslegung. plangemäße Vertragsergänzung. Ausgleichsbetrag nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG. Entscheidungsverbund. rechtsgestaltende Wirkung des Rückgabebescheides. Erfüllung von Zahlungsansprüchen als Voraussetzung der Rechtsänderung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen, unter denen sich einem Vertrag über die Veräußerung eines Unternehmens durch die Treuhandanstalt (heute: Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) eine Pflicht zur Duldung der Rückübertragung von Teilen des erworbenen Vermögenswerts entnehmen lässt, wenn der Vertrag keine ausdrückliche Duldungsverpflichtung i.S. des § 3c Abs. 1 Satz 1 VermG enthält.
Normenkette
VermG § 3 Abs. 3, § 3c Abs. 1-2, § 6 Abs. 6a Sätze 1-2, §§ 7, 7a, 34 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
VG Chemnitz (Urteil vom 01.11.2001; Aktenzeichen 9 K 956/97) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 1. November 2001 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der im Revisionsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten trägt die Beigeladene selbst.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, ein privatisierter ehemaliger volkseigener Betrieb, wendet sich gegen die Rückgabe zweier Unternehmensgrundstücke an die Beigeladene.
Die Beigeladene, ein Kfz-Unternehmen, wurde nach vorheriger staatlicher Zwangsbeteiligung im Jahre 1972 in Volkseigentum übernommen und als volkseigener Betrieb – VEB – weitergeführt. Dieser VEB wurde damit auch Rechtsträger der umstrittenen Grundstücke, die zuvor im Eigentum der Beigeladenen gestanden hatten. Der VEB wurde später in einen anderen VEB, den VEB Kraftfahrzeuginstandsetzung …, eingegliedert. Dieser Betrieb wurde zum 1. Juli 1990 in die … GmbH i.G. umgewandelt, die den Betriebsteil, der früher der Beigeladenen gehört hatte, im Jahre 1991 stilllegte.
Mit Vertrag vom 3. Oktober 1991 verkaufte die Treuhandanstalt sämtliche Geschäftsanteile an der GmbH an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. In dem Vertrag wurde geregelt, dass die Erwerberin über im Einzelnen aufgeführte Unternehmensgegenstände – darunter auch die betroffenen Grundstücke –, für die Rückübertragungsansprüche angemeldet seien, nicht verfügen dürfe. Die Vertragsparteien gingen ausweislich des Vertrages übereinstimmend davon aus, dass der Geschäftsanteilsverkauf selbst keinen Verstoß gegen die Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 des Vermögensgesetzes – VermG – darstelle. Im Übrigen wurde geregelt, dass der Käufer den Verkäufer von Ansprüchen wegen eines etwaigen Verstoßes gegen das gesetzliche Verfügungsverbot freistelle. Die GmbH ist inzwischen in die Klägerin umgewandelt worden, die auch als Eigentümerin der Grundstücke im Grundbuch eingetragen ist.
Die Rechtsnachfolgerinnen der Gesellschafter der Beigeladenen hatten im Jahre 1990 vermögensrechtliche Ansprüche wegen der Schädigung der Beigeladenen angemeldet. Diese Ansprüche sind, soweit sie sich auf die Grundstücke richten, in dem Kaufvertrag vom 3. Oktober 1991 aufgeführt.
Mit Bescheid vom 23. März 1993 stellte das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Berechtigung der Beigeladenen fest. In den Gründen des Bescheides legte es dar, dass eine Unternehmensrückgabe nicht mehr in Betracht komme. Der Anspruch richte sich gemäß § 6 Abs. 6a VermG auf die ehemaligen Unternehmensgrundstücke. Das Verfahren wurde zunächst ausgesetzt, um den Beteiligten Gelegenheit zu einer gütlichen Einigung zu geben.
Mit weiterem Bescheid vom 14. Mai 1993 übertrug das Landesamt unter anderem die betroffenen Grundstücke an die Rechtsnachfolgerinnen der ehemaligen Gesellschafter der Beigeladenen zurück. Auf eine Klage der Klägerin hin hob das Landesamt diesen Bescheid wieder auf und erließ unter dem 10. April 1997 einen neuen Bescheid, mit dem es das Eigentum an den Grundstücken auf die Beigeladene selbst übertrug.
Dagegen hat die Klägerin wiederum Klage erhoben. Nach einem Hinweis des Gerichts auf das Urteil des Senats vom 20. November 1997 – BVerwG 7 C 40.96 – (Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 35) hat das Landesamt seinen Bescheid dahin ergänzt, dass die Beigeladene u.a. nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG für die den Grundstücken zurechenbaren Verbindlichkeiten 10 990,64 DM an die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben zu zahlen habe. Auch gegen diesen Bescheid richtet sich eine Klage der Klägerin, die allerdings entsprechend der beigefügten Rechtsmittelbelehrung beim Verwaltungsgericht Dresden anhängig ist.
Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat mit dem hier angegriffenen Urteil den Bescheid vom 10. April 1997 aufgehoben. Diese Entscheidung hat es im Wesentlichen darauf gestützt, dass der auf die Unternehmensreste gerichtete Restitutionsanspruch mit der Veräußerung der Geschäftsanteile der GmbH durch die Treuhandanstalt untergegangen sei. Dabei habe es sich nicht um eine erlaubte Veräußerung i.S. des § 3c VermG gehandelt, die nicht zur Unmöglichkeit der Rückübertragung führe; denn die Kläger hätten sich nicht zur Duldung der Rückübertragung verpflichtet. Vielmehr hätten die Beteiligten angenommen, dass die Rückübertragung von Unternehmensgegenständen durch den Abschluss des Kaufvertrages nicht ausgeschlossen sei. Allein wegen dieser – fehlerhaften – Rechtsmeinung der Beteiligten seien entsprechende Regelungen für den Fall einer Rückübertragung getroffen worden. Diese Sichtweise eines Erwerbers sei keinesfalls gleichzusetzen mit einem Erwerber, der in Kenntnis eines gegebenen Rückübertragungsausschlusses eine ausdrückliche Duldung der Rückübertragung vereinbare.
Mit ihrer Revision begehrt die Beigeladene die Abweisung der Klage. Sie macht geltend: Die Geschäftsanteile an der GmbH seien vor In-Kraft-Treten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes und damit vor Schaffung des § 3c VermG veräußert worden. Aus verschiedenen – im Einzelnen dargelegten – Regelungen des Vertrages ergebe sich jedoch, dass beide Parteien von einer Rückgabe der Vermögensgegenstände an die Berechtigten ausgegangen seien und die Gesellschaft diese Gegenstände, für die die Käuferin der Geschäftsanteile keinen Kaufpreis gezahlt habe, wie Treuhandvermögen habe verwalten müssen. Von einer Duldung der Rückgabe sei zwar nicht ausdrücklich gesprochen worden, weil § 3c VermG noch nicht existiert habe, der erstmals eine Ausnahme von der Verfügungssperre im Wege einer solchen Duldungsverpflichtung zugelassen habe. Inhaltlich seien aber entsprechende Regelungen getroffen worden. Das Verwaltungsgericht habe nicht nur den Inhalt der vertraglichen Verpflichtungen verkannt, es habe auch das Recht der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Die Frage der Duldung sei erstmals und für alle Parteien überraschend im Termin zur mündlichen Verhandlung angesprochen worden, so dass sie auf diesen Gesichtspunkt kaum sachgemäß hätten reagieren und die dazu erforderlichen Tatsachen beibringen können. Der Entscheidung liege insoweit auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht zugrunde; denn das Gericht hätte sich durch Einsicht in die Behördenakte und durch Vernehmung der auf Verkäufer- und Käuferseite handelnden Personen ein Bild über den Willen der vertragsschließenden Parteien verschaffen müssen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, und verteidigt die Ausführungen des angegriffenen Urteils. Sie beruft sich darauf, dass sie selbst nicht Partei des Geschäftsanteilskaufvertrages gewesen sei und die damaligen Erwerber auch nicht mehr ihre Gesellschafter seien. Dem Vertrag sei aber unabhängig davon ein Wille, die Rückübertragung der Grundstücke zu dulden, nicht zu entnehmen. Vielmehr seien die Beteiligten in Nr. 9.1.7 des Vertrages davon ausgegangen, dass keine Rückübertragung erfolgen werde. Die betroffenen Grundstücke seien auch auf S. 14 des Vertrages mit einem Wertansatz versehen worden, so dass es falsch sei, dass sie bei der Kaufpreisbildung nicht berücksichtigt worden seien.
Der Beklagte unterstützt den Standpunkt der Beigeladenen. Er verweist darauf, dass auch derjenige eine Rückübertragung dulden wolle, der davon ausgehe, dass diese durch den Abschluss des Kaufvertrages nicht ausgeschlossen sei; denn anderenfalls hätte er den Vertrag mit diesem Inhalt nicht abgeschlossen. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt des Verwaltungsgerichts stelle, dass die Beteiligten keine Duldungsregelung getroffen hätten, weil sie einen Rückübertragungsausschluss nicht bedacht hätten, hätte das Verwaltungsgericht den Vertrag zumindest ergänzend auslegen müssen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Restitutionsbescheid unter Verletzung von Bundesrecht aufgehoben; denn die Beigeladene hat bei Beachtung anerkannter Auslegungsgrundsätze und bei zutreffendem Verständnis der Anforderungen, die § 3c Abs. 1 VermG an eine Duldungsverpflichtung stellt, einen Anspruch auf Rückübertragung der umstrittenen Grundstücke. Das Urteil des Verwaltungsgerichts muss daher aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
1. Die Beigeladene hat nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG einen Anspruch auf Rückübertragung der beiden Grundstücke, die zu ihrem früheren Unternehmen gehörten. Dass sie insoweit Berechtigte im Sinne dieser Vorschrift ist, steht aufgrund des bestandskräftigen Bescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 23. März 1993 fest. Die Rückübertragung ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts durch das Veräußerungsgeschäft vom 3. Oktober 1991 nicht i.S. des § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG unmöglich geworden.
Das Verwaltungsgericht steht allerdings zu Recht auf dem Standpunkt, dass der seinerzeitige Geschäftsanteilsverkauf durch die Treuhandanstalt grundsätzlich geeignet war, den Restitutionsanspruch zum Erlöschen zu bringen, und daher unter die Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 VermG fiel; denn das Rechtsgeschäft bezog sich auf denselben Vermögenswert, der Gegenstand des Rückgabeverlangens ist (vgl. dazu Beschluss vom 28. August 1995 – BVerwG 7 B 214.95 – Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 13). Betroffen ist das Unternehmen als solches, obwohl das Rückgabebegehren sich lediglich auf einzelne Grundstücke richtet. Ausgangspunkt der Restitution ist die Schädigung eines Unternehmens, das später ein – inzwischen stillgelegter – Betriebsteil des veräußerten Unternehmens geworden ist. Wie der Senat mit Urteil vom 17. Dezember 1993 – BVerwG 7 C 5.93 – (BVerwGE 95, 1 ≪4≫) grundlegend entschieden hat, setzt der Anspruch auf Unternehmensreste nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG den Anspruch auf Rückgabe des lebenden Unternehmens fort. Als besonderer – wenn auch der Einzelrestitution angenäherter – Anwendungsfall des wegen Unmöglichkeit nicht erfüllbaren Anspruchs aus § 6 Abs. 1 VermG hat er dieselben Tatbestandsvoraussetzungen wie dieser (vgl. Urteil vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 54.96 – BVerwGE 104, 92 ≪96≫). Das bedeutet, dass er, obwohl er sich lediglich auf einzelne Vermögensgegenstände richtet, ebenfalls unternehmensbezogen ist und untergeht, wenn über das Unternehmen verfügt wird.
Dennoch ist hier der Restitutionsanspruch erhalten geblieben, weil § 3c VermG auf das Rechtsgeschäft anwendbar ist und der Erwerber des Geschäftsanteils sich nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift zur Duldung der Rückübertragung der Grundstücke auf die Berechtigte verpflichtet hat.
Nach § 3c Abs. 1 Satz 1 VermG gilt das Verbot des § 3 Abs. 3 VermG unter anderem nicht für die Veräußerung eines Unternehmens, dessen Anteile sich in der Hand der Treuhandanstalt befinden, wenn der Erwerber sich zur Duldung der Rückübertragung verpflichtet. In diesem Fall kann die Rückübertragung gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1 VermG auch nach Wirksamwerden der Veräußerung erfolgen. Bis zur Bestandskraft der Entscheidung über die Rückübertragung unterliegt der Erwerber nach § 3c Abs. 2 Satz 2 VermG seinerseits dem Veräußerungsverbot des § 3 Abs. 3 VermG. Die mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz – 2. VermRÄndG – vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) in das Vermögensgesetz eingefügte Regelung des § 3c VermG bezweckt vorrangig, unter Wahrung der Rechtsstellung des Alteigentümers die unpraktischen Folgen der Verfügungssperre zu beseitigen, wenn mit dem Veräußerungsgeschäft eine wirtschaftlichere und zweckmäßigere Ordnung des Vermögens erreicht werden kann (vgl. BTDrucks 12/2480, S. 43); mit dieser Zielsetzung unterstützt sie den Privatisierungsauftrag der Treuhandanstalt. Die Vorschrift ist nach Art. 15 des 2. VermRÄndG am Tage nach der Verkündung des Gesetzes und damit am 22. Juli 1992 in Kraft getreten. Sie findet nach Art. 14 Abs. 4 i.V.m. Art. 1 des 2. VermRÄndG auf alle Verfahren Anwendung, die bei dem In-Kraft-Treten des Gesetzes begonnen, aber nicht durch eine abschließende Entscheidung abgeschlossen waren, und gilt somit auch im vorliegenden Fall.
Das Verwaltungsgericht hat dem Vertrag vom 3. Oktober 1991 schon deswegen keine Duldungsverpflichtung nach § 3c Abs. 1 Satz 1 VermG entnommen, weil beide Vertragsparteien rechtsirrtümlich davon ausgegangen seien, dass das Rechtsgeschäft die vermögensrechtliche Rückübertragung ohnehin nicht hindere, und sie nur deshalb Regelungen für den Fall der Rückübertragung getroffen hätten. Es steht auf dem Standpunkt, diese Sichtweise sei nicht der eines Erwerbers vergleichbar, der in Kenntnis eines Rückübertragungsausschlussgrundes die ausdrückliche Duldung der Rückübertragung vereinbare.
Diese Vertragsauslegung verstößt gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze; sofern das Verwaltungsgericht die Möglichkeit einer sinngemäßen Duldungsverpflichtung bezweifelt, verkennt es die Anforderungen, die § 3c Abs. 1 Satz 1 VermG an eine Duldungsverpflichtung stellt. Zwar ist es nachvollziehbar, dass eine Duldungsvereinbarung das Bewusstsein voraussetzt, im Falle der Restitution müsse ein rechtlich erheblicher Rückgabeausschlussgrund überwunden werden. Nachvollziehbar ist daher auch, dass das Verwaltungsgericht wegen des Rechtsirrtums der Vertragsparteien und der damit für sie fehlenden Notwendigkeit für eine solche Verpflichtung dem Vertrag eine ausdrückliche Regelung der Duldung nicht hat entnehmen können. Damit hätte das Gericht aber die Vertragsauslegung nicht beenden dürfen. Vielmehr hätte es – ausgehend von seiner Überzeugung, dass aus der Sicht der Beteiligten keine Regelungsnotwendigkeit bestand, der Vertrag aber, gemessen an der Rechtswirklichkeit, lückenhaft war – die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung heranziehen müssen (vgl. dazu BGHZ 9, 273 ≪277 f.≫; 77, 301 ≪304≫; stRspr). Es hätte sich darüber klar werden müssen, welche Regelung die Parteien in Kenntnis der Lücke getroffen hätten, ob sie sich für oder gegen eine Duldungspflicht entschieden hätten. Richtet man sich – ausgehend von dem durch das Verwaltungsgericht festgestellten Inhalt des Vertrages – an der zwischen den Parteien vereinbarten Regelung und damit an dem Plan aus, der dem Rechtsgeschäft zugrunde liegt, gibt es darauf nur eine Antwort: Nur die Annahme einer Duldungsverpflichtung ist eine sinnvolle und plangemäße Ergänzung des lückenhaften Rechtsgeschäftes. Sämtliche Vertragsbestimmungen, die in diesem Zusammenhang Bedeutung haben, setzen die Pflicht der Klägerin zur Rückübertragung voraus. So werden im Vertrag nicht nur die bekannten Restitutionsansprüche aufgeführt (Nr. 9.1). Es wird unter anderem auch geregelt, dass
- der Käufer sich verpflichtet zu bewirken, dass die Gesellschaft (die erworbene GmbH) nicht über diese restitutionsbefangenen Betriebsteile verfügt, und zwar unabhängig vom gesetzlichen Verfügungsverbot (Nr. 9.1.1 und 9.1.3),
- der Käufer den Verkäufer von Ansprüchen Dritter wegen eines etwaigen Verstoßes gegen das gesetzliche Verfügungsverbot freistellt (Nr. 9.1.1 und 9.1.3),
- der Verkäufer verpflichtet ist, auf Verlangen des Käufers die entsprechenden Betriebsteile zum Preise von 1 DM von der Gesellschaft zu kaufen, falls diese aufgrund Gesetzes verpflichtet sein sollte, dem Berechtigten anstelle der Rückübertragung eine Entschädigung zu zahlen (Nr. 9.1.4). In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der Kaufpreis unter Berücksichtigung des Umstandes festgesetzt worden sei, dass der Käufer den Geschäftsanteil zu einem Kaufpreis erwerbe, bei dessen Bemessung der Betriebsteil nicht angesetzt worden sei.
Diese Bestimmungen lassen nur den Schluss zu, dass der Käufer mit einer Rückübertragung einverstanden ist, falls es berechtigte Restitutionsansprüche hinsichtlich der im Vertrag genannten Gegenstände gibt. Insbesondere der Umstand, dass die Treuhandanstalt sich zum Rückkauf von Gegenständen zu einem symbolischen Kaufpreis von 1 DM verpflichtet hat, und die dazu gegebene Erklärung, dass der Wert dieser Vermögensgegenstände nicht in den Kaufpreis eingeflossen sei, verdeutlichen, dass das Veräußerungsgeschäft unter dem Vorbehalt der Erfüllung berechtigter Restitutionsansprüche stand. Dass die Ansetzung eines bloßen Erinnerungswertes von 1 DM ein gewichtiges Indiz für einen Rückübertragungsvorbehalt sein kann, hat der Senat bereits zu der parallelen Problematik im Vermögenszuordnungsrecht entschieden (vgl. Urteil vom 24. März 1994 – BVerwG 7 C 34.93 – BVerwGE 95, 301 ≪308 f.≫).
Die Einwände der Klägerin gegen diese Vertragsauslegung sind nicht stichhaltig. Zu Unrecht beruft sie sich darauf, dass die Beteiligten gemäß Nr. 9.1.7 des Vertrages übereinstimmend davon ausgegangen seien, eine Rückübertragung komme nicht in Betracht. Dabei blendet sie aus, dass diese Vertragsbestimmung sich ausdrücklich mit Anmeldungen befasst, die über die im Vertrag aufgeführten Ansprüche hinausgehen. Ebenso verfehlt sind die Schlüsse, die sie aus Nr. 5 des Vertrages zieht. Nach dieser Bestimmung ist im Falle des Verkaufs von Grundstücken der Gesellschaft vor dem 31. Dezember 1994 der über den Wertansatz auf S. 14 des Vertrages hinausgehende Mehrerlös an den Verkäufer abzuführen. Die Klägerin meint, daraus ergebe sich zum einen, dass die Veräußerung der Grundstücke durch die Klägerin möglich sei, und zum anderen, dass der im Vertrag enthaltene Wertansatz auch bei den betroffenen Grundstücken Bestandteil der Kaufpreisermittlung gewesen sei, weil anderenfalls hätte geregelt werden müssen, dass der gesamte Veräußerungserlös an den Verkäufer auszuzahlen sei. Auch hier verkennt die Klägerin, dass für die restitutionsbefangenen Grundstücke vorrangig die dafür geschaffenen Sonderregelungen des Vertrages greifen, während Nr. 5 sich auf alle Grundstücke des Unternehmens unabhängig von Restitutionsansprüchen und deren Berechtigung bezieht.
Auch der Einwand der Klägerin, dass sie gar nicht Vertragsbeteiligte gewesen sei und daher eine etwaige Duldungsverpflichtung der Erwerber nicht für sie – die erworbene Gesellschaft – gelte, greift nicht durch; denn er geht am Regelungsgehalt des § 3c Abs. 1 VermG vorbei. Danach entfällt das Veräußerungsverbot, wenn der Erwerber die Duldungserklärung abgibt, und zwar nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift auch dann, wenn der Erwerbsgegenstand ein Unternehmen ist. Da solche Veräußerungen im Regelfall im Wege des share deal stattfinden, setzt die Vorschrift unausgesprochen voraus, dass die Duldungsverpflichtung des Erwerbers den erworbenen Unternehmensträger trifft, der Eigentümer der restitutionsbelasteten Gegenstände wird. Anderenfalls ginge die Duldungserklärung ins Leere; die Rechtsstellung des Alteigentümers wäre – anders als es der Gesetzgeber gewollt hat (BTDrucks a.a.O.) – gefährdet. Zwar wäre der Erwerber aufgrund seiner vertraglichen Erklärungen verpflichtet, als Anteilseigner der Gesellschaft deren Willen im Sinne der übernommenen Duldungspflicht zu bilden. Spätestens beim Wechsel von Anteilseignern wäre die Erfüllung dieser Pflicht aber in Frage gestellt. § 3c Abs. 1 Satz 1 VermG kann daher nur so verstanden werden, dass die durch den Erwerber übernommene Duldungsverpflichtung im Falle des Kaufs eines Unternehmensträgers unmittelbar diesen als künftigen Verfügungsberechtigten treffen soll; er ist derjenige, der durch eine Restitution in seinen Eigentumsrechten betroffen wird. Daraus ergibt sich zugleich die Unerheblichkeit des Hinweises der Klägerin darauf, dass ihre Anteilseigner inzwischen vollständig gewechselt hätten; denn Eigentümer des Restitutionsgegenstandes und aus der Duldung verpflichtet bleibt ungeachtet dessen die Klägerin.
Soweit das Verwaltungsgericht dahin zu verstehen seien sollte, dass § 3c Abs. 1 Satz 1 VermG nur anwendbar ist, wenn die Duldung der Rückübertragung ausdrücklich – und nicht nur sinngemäß – vereinbart worden ist, würde es die Anforderungen verkennen, welche die Vorschrift an die Duldungsverpflichtung stellt. Gewährleistet werden soll, dass der Erwerber mit einer möglichen Rückübertragung des Vermögenswertes einverstanden ist. Dies muss sich den Bestimmungen des Erwerbsgeschäfts entnehmen lassen, d.h. es muss erkennbar sein, dass der Erwerber trotz der durch das Rechtsgeschäft geänderten Eigentumszuordnung die Rückübertragung von Vermögenswerten zur Befriedigung berechtigter Restitutionsansprüche akzeptiert. Eine ausdrückliche Duldungserklärung verlangt das Gesetz nicht.
2. Der Senat sieht sich an einer Abweisung der Klage nicht dadurch gehindert, dass die Unternehmensreste nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG nur “gegen Zahlung” des in dieser Vorschrift geregelten Ausgleichsbetrages zurückgegeben werden dürfen. Nach der Rechtsprechung des Senats zwingt diese Vorschrift zu einem Entscheidungsverbund und lässt eine Vorabentscheidung über die Rückgabe allenfalls dann zu, wenn der Restitutionsberechtigte für die Erfüllung seiner Zahlungspflicht Sicherheit geleistet hat (Urteil vom 20. November 1997 – BVerwG 7 C 40.96 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 35). Dem hat das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen durch eine entsprechende nachträgliche Ergänzung des angegriffenen Bescheides Rechnung getragen. Dieser Entscheidungsverbund darf nicht aufgelöst werden, solange nicht gewährleistet ist, dass die Rückübertragung nur Zug um Zug gegen die Zahlung eines möglicherweise zu erbringenden Ausgleichsbetrages stattfinden kann. Das bedeutet, dass die auf die Rückübertragungsentscheidung beschränkte Anfechtungsklage nur abgewiesen werden darf, wenn die dadurch eintretende Bestandskraft noch keinen Eigentumsübergang bewirkt. Dies ist jedoch durch die Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 1 VermG in der Fassung des Vermögensrechtsbereinigungsgesetzes vom 20. Oktober 1998 (BGBl I S. 3180) gewährleistet. Dort wird klargestellt, dass das Eigentum an dem zurückübertragenen Vermögenswert erst auf den Berechtigten übergeht, wenn die Rückübertragungsentscheidung unanfechtbar geworden ist u n d der Berechtigte seine Zahlungspflichten erfüllt oder entsprechende Sicherheiten erbracht hat. Zwar werden dort nur die nach den §§ 7 und 7a festgesetzten Zahlungsansprüche aufgeführt. Das gilt jedoch in derselben Weise für die diesen Ansprüchen vergleichbaren (vgl. Urteil vom 20. November 1997, a.a.O.) Beträge nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG; denn die Neuregelung des § 34 Abs. 1 Satz 1 VermG bezweckt nur eine Zentralisierung der bisherigen Regelungen über den Eigentumsübergang, nicht aber eine Änderung der zuvor geltenden Rechtslage (vgl. Wasmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, B 100 VermG § 34 Rn. 12 unter Berufung auf BRDrucks 58/98, S. 53). Insoweit ist aber schon vorher durch die Formulierung des § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG zum Ausdruck gebracht worden, dass die rechtsgestaltende Wirkung der Rückgabeentscheidung von der Zahlung des festgesetzten Betrages zum Ausgleich von Verbindlichkeiten abhängig sein soll. Dies hat zur Folge, dass auch im vorliegenden Fall der Rechtsübergang erst stattfinden kann, wenn die im Bescheid gleichzeitig geforderte Geldleistung erfüllt oder analog § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VermG eine entsprechende Sicherheitsleistung erbracht worden ist. Bei der Entscheidung über die noch anderweitig anhängige Klage gegen den Ergänzungsbescheid wird das Gericht allerdings beachten müssen, dass im Falle der Rechtswidrigkeit der Zahlungsanordnung eine ersatzlose Aufhebung dieses Teils des Bescheides nur in Betracht kommt, wenn feststeht, dass überhaupt kein Ausgleich nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG von der Berechtigten gefordert werden darf. Sollte ein etwaiger, zur Aufhebung der Zahlungsanordnung führender Mangel demgegenüber darauf zurückzuführen sein, dass beispielsweise der Betrag fehlerhaft berechnet wurde, ein falscher Zahlungsadressat bestimmt wurde (vgl. dazu Urteil vom 28. Mai 2003 – BVerwG 8 C 8.02 – Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 57) oder zwingende Vorschriften des Verwaltungsverfahrens nicht beachtet wurden mit der Folge, dass die Behörde über die Zahlungspflicht neu entscheiden muss, wird das Verwaltungsgericht dies in seiner Entscheidung zum Ausdruck bringen müssen, und zwar vorzugsweise durch eine entsprechende Maßgabe im Entscheidungsausspruch selbst. Auf diese Weise wird der Gefahr vorgebeugt, dass nach § 34 Abs. 2 Satz 1 VermG das Grundbuchamt um Berichtigung des Grundbuchs ersucht wird, obwohl eine Entscheidung über eine Zahlungspflicht des Berechtigten nach § 6 Abs. 6a Satz 2 noch aussteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Sailer, Gödel, Kley
Fundstellen