Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriegsschadenrente. Nachzahlung von Entschädigungsrente für einen Zeitraum vor dem Tode des Rentenberechtigten. Anspruch des Erben auf Nachzahlungsbetrag oder des überlebenden Ehegatten bei Weiterbezug der Kriegsschadenrente. Vererblichkeit des Anspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Ansprüche auf Kriegsschadenrente, die dem rentenberechtigten unmittelbar Geschädigten bis zu seinem Tode zugestanden haben, sind vererblich.
2. § 262 LAG berührt die Vererblichkeit von Ansprüchen auf Kriegsschadenrente nicht.
3. Die Vorschriften der §§ 272 Abs. 2, 285 Abs. 2 LAG über die Nachfolge des überlebenden Ehegatten des Rentenberechtigten enthalten keine die erbrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs verdrängende Regelung.
Normenkette
LAG § 261 Abs. 2 S. 1, §§ 262, 266 Abs. 2 S. 2, § 272 Abs. 2, § 285 Abs. 2; BGB § 1922
Verfahrensgang
VG Regensburg (Urteil vom 24.02.1987; Aktenzeichen RN 4 K 84 A.1081) |
Tenor
Die Revision des Beteiligten gegen das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Februar 1987 wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob den Klägern ein Nachzahlungsbetrag an Entschädigungsrente nach dem Lastenausgleichsgesetz zusteht.
Die Kläger sind die Erben bzw. Erbeserben der Eheleute Maria und Wenzel F. beide Eheleute haben Vermögensschäden erlitten. Die unmittelbar Geschädigte Maria F. starb im Jahre 1947, der Ehemann Wenzel F. am 10. Oktober 1971. Letzterer war in dritter Ehe mit der Beigeladenen verheiratet.
Seit dem 1. April 1952 hatte Wenzel F. Kriegsschadenrente nach dem Lastenausgleichsgesetz in Form der Unterhaltshilfe und der Entschädigungsrente bezogen. Nach seinem Tode wurde der Beigeladenen anstelle des unmittelbar Geschädigten mit Wirkung vom 1. Dezember 1971 Entschädigungsrente gemäß § 285 Abs. 2 LAG gewährt. In den Jahren 1980 und 1981 wurde die Schadensfeststellung wegen der den beiden unmittelbar Geschädigten Wenzel und Maria F. entstandenen Vermögensschäden abgeschlossen und anschließend Hauptentschädigung zuerkannt.
Daraufhin wurde mit Bescheid vom 19. Oktober 1983 die der Beigeladenen bewilligte Entschädigungsrente rückwirkend für die Zeit vom 1. April 1952 bis zum 30. November 1971 neu berechnet, und zwar unter Zugrundelegung der für die beiden unmittelbar Geschädigten Wenzel und Maria F. festgestellten Schäden. Dies führte zu einem Nachzahlungsbetrag an Entschädigungsrente in Höhe von 11.524,80 DM, der nach dem Bescheid an die Beigeladene als Rechtsnachfolgerin des Wenzel F. ausgezahlt werden sollte; die Auszahlung wurde jedoch zurückgestellt. In den Gründen des Bescheides, der auch die Kläger als Adressaten aufführt, heißt es weiter, der Bescheid werde diesen als Erben des unmittelbar Geschädigten ebenfalls zugestellt, weil sie die Auszahlung verlangt hätten.
Die Beschwerde der Kläger, mit der diese den Nachzahlungsbetrag der Entschädigungsrente für die Zeit bis zum Tode ihres Erblassers für sich beanspruchten, wurde durch Beschluß des Beschwerdeausschusses vom 30. Mai 1984 zurückgewiesen.
Mit ihrer deswegen erhobenen Klage haben die Kläger ihr Begehren weiterverfolgt und beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, die Rentennachzahlung in Höhe von 11.524,80 DM an die Erbengemeinschaft auszubezahlen und den Bescheid des Beklagten vom 19. Oktober 1983 sowie den Beschluß des Beschwerdeausschusses vom 30. Mai 1984 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung widersprechen.
Der Beklagte und der Beteiligte haben die Auffassung vertreten, den Klägern stehe der Nachzahlungsbetrag nicht zu, weil die sondergesetzliche Regelung des § 285 LAG den erbrechtlichen Vorschriften des BGB vorginge. Sie haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 24. Februar 1987 in vollem Umfange stattgegeben. Zur Begründung ist angeführt:
Ansprüche des Erblassers auf Kriegsschadenrente stünden den Klägern zu, soweit derartige Ansprüche bis zum Tode des Berechtigten gegeben waren. § 285 Abs. 2 LAG schließe Ansprüche der Erben nicht aus. Diese Vorschrift enthalte keine die erbrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs abändernde Regelung. Sinn und Zweck der §§ 272 Abs. 2, 285 Abs. 2 LAG sei es lediglich, dem überlebenden Ehegatten des Rentenberechtigten eine – der vorherigen gemeinsamen entsprechende – soziale Sicherung zu erhalten. Dieser Zweck erfordere es nicht, ihm auch Rentennachzahlungen zu belassen, die vom Rentenberechtigten noch selbst hätten beansprucht werden können. Diese Auslegung der genannten Bestimmungen werde durch die Vorschrift des § 262 LAG bestätigt. Danach seien nur Ansprüche auf die laufenden Rentenbeträge grundsätzlich weder übertragbar noch pfändbar; hingegen könne der Rentenberechtigte über Nachzahlungsbeträge zu Lebzeiten ohne weiteres verfügen. Dann sei kein Grund ersichtlich, der einer einschränkungslosen Vermögensübertragung von Todes wegen über Nachzahlungsbeträge an Kriegsschadenrente entgegenstehen könnte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision des Beteiligten, mit der eine Verletzung der §§ 272 Abs. 2, 285 Abs. 2 und 3 LAG durch das Verwaltungsgericht gerügt wird. Der Beteiligte meint, die genannten Vorschriften zeigten deutlich, daß sämtliche Leistungen an Kriegsschadenrente einschließlich der Nachzahlungen allein der Familieneinheit verbleiben sollten. Nach dem Wortlaut des § 285 Abs. 2 LAG trete der überlebende Ehegatte „an die Stelle” des Rentenberechtigten; er habe daher die gleiche Rechtsstellung wie der Verstorbene. Die Frage, wem Nachzahlungsbeträge zustehen, könne auch nicht vom Zufall abhängen, zu welchem Zeitpunkt die Entscheidung über den Rentenantrag ergehe. Die Versorgungsgrundlage des Rentennachfolgers wäre erheblich beeinträchtigt, wenn etwa bei einer Erstentscheidung über einen Rentenantrag nach dem Tode des Rentenberechtigten die Nachzahlungsbeträge an die Erbengemeinschaft zu leisten wären und nicht an den Rentennachfolger. Für die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung beziehe er sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Januar 1975 – BVerwG 5 C 24.73 – (Buchholz 427.3 § 272 LAG Nr. 41). Darin sei eine Rückzahlungspflicht des nachrückenden überlebenden Ehegatten wegen überzahlter Kriegsschadenrente unabhängig davon bejaht worden, ob der nachrückende Ehegatte Erbe des Rentenberechtigten sei, weil er in die Rechtsstellung des Verstorbenen mit allen Rechten und Pflichten nachrücke und ein Eintritt allein für die Zukunft nicht möglich sei. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht für seine gegenteilige Auffassung die Vorschrift des § 262 LAG herangezogen. Nach dieser Vorschrift seien Ausnahmen vom Ausschluß der Übertragbarkeit, Pfändung oder Verpfändung nur zugelassen für Ansprüche auf Kriegsschadenrente, die für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum „rechtskräftig bewilligt worden sind”; daran fehle es im vorliegenden Fall.
Der Beteiligte beantragt,
das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Februar 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen und beantragen,
die Revision des Beteiligten zurückzuweisen.
Der Beklagte ist im Revisionsverfahren nicht gemäß § 67 Abs. 1 VwGO vertreten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beteiligten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt nicht Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
1. Zutreffend geht das Verwaltungsgericht von der Zulässigkeit der Klage aus, auch soweit eine teilweise Aufhebung des angefochtenen Änderungsbescheides begehrt wird.
Die Kläger verlangen die Auszahlung des Nachzahlungsbetrages der Entschädigungsrente an die Erbengemeinschaft nach Wenzel F. Voraussetzung hierfür ist der Erlaß eines Zuerkennungsbescheides (§§ 286, 287, 335 Abs. 1 LAG), der bisher nicht vorliegt. Ihr Ziel können die Kläger deshalb nur mit der auf eine Verpflichtung des Beklagten gerichteten Klage erreichen, den Nachzahlungsbetrag der Kriegsschadenrente der Erbengemeinschaft zuzuerkennen. Der angefochtene Änderungsbescheid zur Entschädigungsrente vom 19. Oktober 1983 steht diesem Verpflichtungsbegehren – jedenfalls teilweise – entgegen. Soweit durch diesen Bescheid der streitige Nachzahlungsbetrag der Beigeladenen zuerkannt worden ist, wären die Kläger zwar nicht befugt, die Bewilligung zugunsten der Beigeladenen anzufechten (vgl. Urteil vom 12. Dezember 1974 – BVerwG 5 C 9.73 – in BVerwGE 47, 275); dies entspricht auch nicht ihrem Klagebegehren. Die Anfechtungsbefugnis der Kläger ergibt sich jedoch daraus, daß der Änderungsbescheid zugleich auch eine Ablehnung ihres Antrages zum Inhalt hat, ihnen den Nachzahlungsbetrag zuzuerkennen und auszuzahlen. Darin sind außer der Beigeladenen auch die Kläger als Adressaten genannt. Ferner wird durch den gleichzeitigen Hinweis auf das Auszahlungsverlangen der Kläger und die Adressierung des Bescheides auch an sie als Erben des unmittelbar Geschädigten hinreichend zum Ausdruck gebracht, daß damit zugleich verbindlich über das Nichtbestehen eines Nachzahlungsanspruchs der Kläger entschieden werden sollte. Anders läßt sich der Änderungsbescheid seinem Regelungsinhalt und seiner Begründung nach nicht verstehen. Allein durch diesen Regelungsteil des Änderungsbescheides werden Rechte der Kläger berührt. In diesem Umfang sind sie daher zur Anfechtung des Änderungsbescheides befugt. Ihrem Verpflichtungsbegehren steht der Änderungsbescheid mithin insoweit entgegen, als die Zuerkennung des Nachzahlungsbetrages der Entschädigungsrente an sie abgelehnt worden ist.
2. Die Klage ist auch begründet. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß der – seiner Höhe nach unstreitige – Anspruch auf Nachzahlung der Entschädigungsrente für den im Änderungsbescheid vom 19. Oktober 1983 bestimmten Zeitraum den Erben des unmittelbar Geschädigten zusteht.
Nach den erbrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf ihre Erben über (§ 1922 BGB). Ansprüche des Erblassers, auch wenn sie bis zum Erbfall noch nicht fällig waren, gehören somit grundsätzlich zu seinem Nachlaß. Hiervon ausgenommen sind lediglich höchstpersönliche, an die Person des Berechtigten gebundene Rechte oder Wirtschaftsgüter, hinsichtlich deren eine Sondererbfolge besteht. Für vermögensrechtliche Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur gilt dies entsprechend, sofern ihre Vererblichkeit nicht durch Vorschriften des öffentlichen Rechts abweichend geregelt oder dem öffentlichen Recht insoweit keine andere Wertung zu entnehmen ist (vgl. Urteil vom 25. April 1963 – BVerwG 8 C 216.63 – in BVerwGE 16, 68/69 f.; Urteil vom 6. Juli 1965 – BVerwG 2 C 34.63 – in BVerwGE 21, 302/303). Eine derartige Ausnahme liegt hier nicht vor.
Lastenausgleichsansprüche, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sind in der Regel vererblich. Als Ausgleichsleistungen mit Rechtsanspruch werden u.a. Hauptentschädigung, Kriegsschadenrente und Hausratentschädigung gewährt (§ 232 Abs. 1 Nrn. 1–3 LAG). Der Rechtsanspruch auf diese Leistungen gilt als mit dem 1. April 1952 in der Person des Geschädigten im Sinne des § 229 LAG entstanden, ungeachtet dessen, daß es einer näheren Konkretisierung des kraft Gesetzes bestehenden Anspruchs durch behördlichen Bescheid bedarf (§§ 250, 286, 295, 335 Abs. 1 LAG; Urteil vom 14. Oktober 1959 – BVerwG 4 C 38.59 – in BVerwGE 10, 16). Ausdrücklich zur Vererblichkeit des Anspruchs auf Hauptentschädigung und auf Hausratentschädigung verhalten sich die Vorschriften der §§ 244 Satz 1, 294 LAG. Daß für die Kriegsschadenrente eine entsprechende ausdrückliche Regelung fehlt, läßt nicht den Schluß zu, der Anspruch auf diese Ausgleichsleistung sei unvererblich. Bei der Kriegsschadenrente, insbesondere in Form der Entschädigungsrente, handelt es sich im Grundsatz um eine Verrentung des Anspruchs auf Hauptentschädigung. Dies belegen die Vorschriften des § 266 Abs. 1 und 2 LAG über die Berechnung der Kriegsschadenrente bei Vermögensschäden sowie die §§ 283, 283 a LAG über die Anrechnung gewährter Entschädigungsrente auf den Anspruch auf Hauptentschädigung. Von der grundsätzlichen Vererblichkeit des Anspruchs auf Kriegsschadenrente ist demgemäß auch das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung ausgegangen, wenn jedenfalls der unmittelbar Geschädigte seinen – antragsgebundenen – Anspruch bereits durch Antragstellung geltend gemacht hatte (vgl. u.a. Urteile vom 14. Oktober 1959 – BVerwG 4 C 38.59 – a.a.O., vom 17. März 1960 – BVerwG 3 C 392.58 – in ZLA 60, 222, vom 21. Juni 1961 – BVerwG 4 C 199.60 – in RLA 61, 303 und vom 11. November 1960 – BVerwG 4 C 422.58 – in RLA 61, 157; Beschlüsse vom 18. November 1961 – BVerwG 3 B 64.61 – in ZLA 62, 123 = MDR 62, 241 und vom 18. April 1977 – BVerwG 5 B 53.76 –). Daran hält der erkennende Senat fest.
Der Vorschrift des § 262 LAG ist zur Frage der Vererblichkeit eines Nachzahlungsanspruchs auf Kriegsschadenrente weder im positiven noch im negativen Sinne etwas zu entnehmen. Nach Halbsatz 1 dieser Vorschrift kann der Anspruch auf Kriegsschadenrente grundsätzlich nicht übertragen, gepfändet oder verpfändet werden. Ausgenommen sind nach Halbsatz 2 Beträge, die für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum rechtskräftig bewilligt worden sind. Das Verfügungs- und Pfändungsverbot beschränkt sich allerdings nicht nur auf Ansprüche auf die laufenden Rentenleistungen, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat; es nimmt hiervon auch Ansprüche auf Nachzahlungen nicht von vornherein aus. Andernfalls würde der Halbsatz 2 des § 262 LAG, der Rentennachzahlungen nur im Falle ihrer rechtskräftigen Bewilligung von dem Übertragungs-, Pfändungs- und Verpfändungsverbot des Halbsatzes 1 der Vorschrift freistellt, keinen Sinn ergeben. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Maßgebend ist, daß die Frage der Vererblichkeit von Rentenansprüchen nach dem Lastenausgleichsgesetz in § 262 LAG überhaupt nicht angesprochen wird. Das Schweigen des Gesetzgebers läßt sich nicht als eine die erbrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs verdrängende Regelung deuten. Vielmehr ist davon auszugehen, daß § 262 LAG – anders als die §§ 244, 294 LAG betreffend die Ansprüche auf Hauptentschädigung und Hausratentschädigung – zur Frage der Vererblichkeit von Rentenleistungen keine Aussage machen will. Für diese Annahme spricht, daß es sich bei § 262 LAG seinem Regelungsinhalt nach um eine dem Schutz des Rentenberechtigten dienende Vorschrift handelt; dieses Schutzbedürfnis entfällt mit dem Tode des Rentenberechtigten (vgl. Urteil vom 17. März 1960 – BVerwG 3 C 392.58 – a.a.O.). Aus diesem Grunde lassen sich für die Frage der Vererblichkeit von Rentenansprüchen, die kraft Gesetzes in der Person des Rentenberechtigten bereits entstanden waren, aus § 262 LAG keine Argumente gewinnen.
Für seine Auffassung kann sich der Beteiligte ebenfalls nicht auf die Vorschriften der §§ 272 Abs. 2, 285 Abs. 2 und 3 LAG berufen, die sich mit dem Weiterbezug von Unterhaltshilfe und Entschädigungsrente nach dem Tode des Rentenberechtigten durch seinen überlebenden Ehegatten oder die alleinstehende Tochter befassen. Diese Vorschriften enthalten keine Anordnung einer Sonderrechtsnachfolge wegen aller bis zum Eintritt des Erbfalls dem Rentenberechtigten zustehenden Ansprüche.
Schon der insoweit übereinstimmende Wortlaut beider Vorschriften, von denen § 285 Abs. 2 LAG die Entschädigungsrente betrifft, spricht gegen eine derartige Annahme. Danach tritt beim Tode des Rentenberechtigten sein nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte „vom Beginn des auf den Todestag folgenden übernächsten Monats ab” an seine Stelle. Die Nachfolge des überlebenden Ehegatten ist damit ausdrücklich auf den Weiterbezug der Entschädigungsrente anstelle des Verstorbenen beschränkt. Dies ergibt die Bestimmung über den Zeitpunkt des Beginns der Rentenzahlungen an den überlebenden Ehegatten. Lediglich von diesem Zeitpunkt an steht dem nachrückenden Ehegatten ein eigener Anspruch auf Kriegsschadenrente zu; eine rückwirkende Nachfolge des überlebenden Ehegatten ist im Gesetz nicht vorgesehen. Ansprüche auf Kriegsschadenrente für frühere Zeiträume standen dem verstorbenen Rentenberechtigten zu; zur Nachfolge in diese Ansprüche verhält sich § 285 Abs. 2 LAG – ebenso § 272 Abs. 2 LAG betreffend die Nachfolge in die Unterhaltshilfe – nicht.
Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß Sinn und Zweck der §§ 272 Abs. 2, 285 Abs. 2 LAG dieser vom Wortlaut her gebotenen Auslegung entsprechen. Damit soll über den Tod des Rentenberechtigten hinaus seinem überlebenden Ehegatten oder der alleinstehenden Tochter die bisherige Lebensgrundlage erhalten bleiben. Diesem Zweck dient die Einräumung des Anspruchs, nach dem Tode des Rentenberechtigten nunmehr aus eigenem Recht fortlaufend Kriegsschadenrente zu beziehen. Um für die Zukunft die Versorgungsgrundlage der nachrückungsberechtigten Familienangehörigen zu sichern, ist es dagegen nicht erforderlich, ihnen Ansprüche zuzugestehen, die vor dem in § 285 Abs. 2 LAG genannten Zeitpunkt entstanden sind und über die der Rentenberechtigte selbst noch – unter den Voraussetzungen des § 262 LAG – frei hätte verfügen können. Andernfalls würden die Vorschriften, die allein den Weiterbezug der Kriegsschadenrente regeln, entgegen dem Zweck des Gesetzes einen Entschädigungscharakter tragen.
Mit dem Sinn und Zweck der §§ 272 Abs. 2, 285 Abs. 2 LAG ist die Auffassung des Beteiligten auch deshalb unvereinbar, weil der überlebende Ehegatte des Rentenberechtigten bei Annahme einer umfassenden Rechtsnachfolge Ausgleichsleistungen erhalten könnte für Schäden, die einem Dritten entstanden sind. Unter den Voraussetzungen des § 261 Abs. 2 Satz 1 LAG berechtigen Schäden eines vorverstorbenen Ehegatten den überlebenden Ehegatten zum Bezug von Kriegsschadenrente aus eigenem Recht. Für die Berechnung der Kriegsschadenrente werden Grundbeträge nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten zusammengerechnet, auch wenn einer der Ehegatten nach der Schädigung verstorben ist; der überlebende Ehegatte kann insoweit auch die Feststellung des Schadens des verstorbenen Ehegatten beantragen (§ 266 Abs. 2 Satz 2 LAG). Daran ändert eine Wiederverheiratung des rentenberechtigten überlebenden Ehegatten nichts. An den rentenberechtigten Ehegatten gewährte Rentenzahlungen sind auf den Anspruch auf Hauptentschädigung anzurechnen, auch soweit dieser – in den Fällen der §§ 261 Abs. 2 Satz 1, 266 Abs. 2 Satz 2 LAG – auf Schäden seines vorverstorbenen ersten Ehegatten zurückgeht und den Erben des letzteren zusteht. Daraus folgt zwangsläufig eine Schmälerung rechtlicher Positionen der Erben des ersten Ehegatten des Rentenberechtigten. Die Begünstigung dieses Rentenberechtigten gegenüber den Erben ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für verfassungsgemäß erachtet worden, weil die lastenausgleichsrechtlichen Vorschriften der Schicksalsgemeinschaft gemeinsam geschädigter Eheleute vorrangig Rechnung tragen durften (vgl. Urteile vom 21. November 1961 – BVerwG 3 C 333.58 – in ZLA 62, 107 und vom 31. Januar 1962 – BVerwG 4 C 169.60 – ZLA 62, 234 = Mtbl. BAA 63, 12). Bei einer nach der Schädigung von einem Rentenberechtigten erneut geschlossenen Ehe fehlt es an einer derartigen Schicksalsgemeinschaft der Ehegatten. Daß der Anspruch des Rentenberechtigten auf Nachzahlungen auf den Ehegatten im Sinne der §§ 272 Abs. 2, 285 Abs. 2 LAG auch übergeht, soweit die Nachzahlungen für Schäden auch des vorverstorbenen ersten Ehegatten des Rentenberechtigten berechnet sind, läßt sich aus dem Gesichtspunkt der „Schicksalsgemeinschaft” nicht mehr begründen. Ein solcher nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abzulehnender Übergang (vgl. Urteil vom 9. Oktober 1964 – BVerwG 4 C 50.64 – in Buchholz 427.3 § 266 Nr. 12 = ZLA 65, 61 = Mtbl. BAA 66, 278) wäre aber die logische Konsequenz der Auffassung des Beteiligten, der überlebende Ehegatte i.S. der §§ 272 Abs. 2, 285 Abs. 2 LAG werde in vollem Umfange Rechtsnachfolger des Rentenberechtigten.
Praktische Erwägungen allein können ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen. Nachzahlungen zu Lebzeiten des Rentenberechtigten fallen in seinen Nachlaß. Für Ansprüche des Rentenberechtigten, die bis zu seinem Tode entstanden – wenn auch nicht erfüllt – waren, gilt dies ebenfalls. Weshalb die Erfüllung dieser Ansprüche durch eine Entscheidung über den Rentenantrag nach dem Tode des Rentenberechtigten daran etwas ändern soll, ist nicht ersichtlich. Die Auffassung des Beteiligten würde bedeuten, die Rechtsnachfolge wegen bestehender Nachzahlungsansprüche des Rentenberechtigten von dem zufälligen Bearbeitungszeitpunkt des Rentenantrages durch die Behörde und damit der Sache nach von irrelevanten Umständen abhängig zu machen.
Zu Unrecht meint der Beteiligte schließlich, dem in der Revisionsbegründung angeführten Urteil des 5. Senats des Bundesverwaltungsgerichts eine andere Rechtsauffassung entnehmen zu können. Die hier entscheidungserhebliche Frage, wem Nachzahlungsbeträge für Zeiträume bis zum Tode des Rentenberechtigten zustehen, war nicht Gegenstand jener Entscheidung. Das Urteil befaßt sich vielmehr allein mit der Frage, ob ein Rechtsnachfolger im Sinne der §§ 272 Abs. 2, 285 Abs. 2 LAG, auch wenn er nicht Erbe des Rentenberechtigten ist, für Zuvielzahlungen an den verstorbenen Rentenberechtigten mit seinem eigenen Anspruch auf Hauptentschädigung haftet. Damit ist nicht entschieden die im Zusammenhang mit der vorliegenden Streitsache allenfalls interessierende weitere Frage, ob eine Haftung des nachrückungsberechtigten überlebenden Ehegatten in Betracht kommt oder entfällt, wenn für einen Neuberechnungszeitraum der Rente Zuvielzahlungen an den Rentenberechtigten selbst mit den den Erben zustehenden Nachzahlungsbeträgen verrechnet werden könnten.
Die Revision ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Unterschriften
Dr. Dickersbach, Schmidt, Sommer, van Schewick, Dr. Pagenkopf
Fundstellen