Entscheidungsstichwort (Thema)
Eisenbahnstrecke. Ausbau. Planfeststellung. Präklusion. Anstoßwirkung. Auslegung. Auslegungsbereich. Verfahrensfehler. Erheblichkeit. Abschnittsbildung. Variantenprüfung. Lärmschutz, interimistischer. Übergangszeit. Abwägung. Vorbelastung, plangegebene. Zumutbarkeitsschwelle, grundrechtliche. Schienenbonus. Betriebsregelung. Schallschutz, passiver
Leitsatz (amtlich)
1. Die für den Einwendungsausschluss erforderliche Anstoßwirkung durch Bekanntmachung der Auslegung der Planunterlagen müssen sich nur die Betroffenen in dem von der Anhörungsbehörde gewählten Auslegungsbereich entgegenhalten lassen.
2. Wird ein einheitliches Ausbauvorhaben, das der Aufnahme eines erhöhten Verkehrsaufkommens aus einer neuen Verkehrsquelle dient, in mehrere Planungsabschnitte unterteilt, muss die Gesamtplanung darauf ausgerichtet sein, das Ausbauvorhaben als Ganzes so zeitig zu einem Abschluss zu bringen, dass keiner der Betroffenen Gefahr läuft, plötzlich einer signifikant erhöhten Lärmbelastung schutzlos ausgesetzt zu sein. Kann dieses Ziel nicht erreicht werden, ist im Rahmen der Abwägung über die Gewährung eines auf die Übergangszeit bezogenen (interimistischen) Lärmschutzes zu entscheiden; dabei ist ungeachtet der plangegebenen Vorbelastung insbesondere die Einhaltung der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle zu berücksichtigen.
3. Aus Anlass einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung können zur Bewältigung der vom Vorhaben und dessen betriebsbedingten Auswirkungen aufgeworfenen Konflikte betriebsregelnde Anordnungen getroffen werden.
Normenkette
AEG § 14 Abs. 1, § 18 Sätze 1-2, § 18a Nrn. 1, 7 S. 1, § 18e Abs. 6 S. 2; BImSchG § 41; VwVfG § 46; RL 85/337/EWG Art. 10a; RL 2011/92/EU Art. 11; 16. BImSchG; 24. BImSchV
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet, über eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahn-Bundesamtes – Außenstelle Hannover – für das Vorhaben “ABS Oldenburg – Wilhelmshaven: Ausbaustufe III, PFA 2 Rastede – Hahn” der Strecke 1522 Oldenburg Hbf. – Wilhelmshaven Hbf. vom 2. August 2011 um Maßnahmen zum Schutz der Kläger vor Lärmimmissionen und des Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahn-Bundesamtes – Außenstelle Hannover – für das Vorhaben “ABS Oldenburg – Wilhelmshaven: Ausbaustufe III, PFA 3 Jaderberg – Varel” der Strecke 1522 Oldenburg Hbf. – Wilhelmshaven Hbf. vom 2. August 2011 um Maßnahmen zum Schutz der Kläger zu 4 bis 7 vor Lärmimmissionen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Planfeststellungsbeschlüsse werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Die Kläger zu 1 und 2 – diese als Gesamtschuldner –, die Klägerin zu 3 sowie die Kläger zu 4 bis 7 – auch diese als Gesamtschuldner – tragen je zwei Neuntel der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen. Die Beklagte und die Beigeladene tragen je ein Sechstel der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Kläger. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Tatbestand
I
Rz. 1
Die Kläger zu 1, 2, 3, 5, 6, und 7 sind (Mit-)Eigentümer von, der Kläger zu 4 ist Inhaber eines dinglichen Wohnrechts an Wohngrundstücken, die im Oldenburger Stadtgebiet an der Eisenbahnstrecke 1522 Oldenburg – Wilhelmshaven liegen. Sie wenden sich gegen zwei Planfeststellungsbeschlüsse zum Ausbau dieser Eisenbahnstrecke in weiter nördlich gelegenen Abschnitten.
Rz. 2
Die Beigeladene plant die Ertüchtigung der Bahnstrecke 1522 insbesondere durch (Wieder-)Herstellung der durchgängigen Zweigleisigkeit, Anhebung der Streckenhöchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf 120 km/h, Erhöhung der Radsatzlast auf 23,5 t sowie Elektrifizierung der Strecke. Dieses Vorhaben soll gemeinsam mit der Ertüchtigung der Strecken 1552 (Nordstrecke) und 1553, die über die Strecke 1540 (Sande – Jever) an die Strecke 1522 angebunden sind, eine leistungsfähige Hinterlandanbindung für den am 27. September 2012 offiziell eröffneten tideunabhängigen Tiefwasserhafen “Jade-Weser-Port” schaffen. Das Ausbauvorhaben für die Strecke 1522 ist in fünf Abschnitte unterteilt. Der Planfeststellungsabschnitt (PFA) 1 von Bahn-km 0,841 bis Bahn-km 9,772 durchquert vom Hauptbahnhof Oldenburg kommend zunächst das Stadtgebiet und endet nach der Gemeindegrenze kurz vor der Überführung der Autobahn A 29. Daran schließt sich bis Bahn-km 21,236 der PFA 2 (Rastede – Hahn) und sodann bis Bahn-km 35,200 der PFA 3 (Jaderberg – Varel) an. In diesen Abschnitten war nach dem Zweiten Weltkrieg ein Gleis der ursprünglich durchgängig zweigleisigen Strecke an zwei Stellen auf einer Gesamtlänge von etwa 10 km abgebaut worden. Die PFA 4 und 5 betreffen die Abschnitte von Varel über Sande bis Wilhelmshaven. Die Anbindung des Jade-Weser-Ports ab Sande bildet den PFA 6.
Rz. 3
Die Planunterlagen zum PFA 2 lagen in der Gemeinde Rastede vom 23. August bis 22. September 2010 öffentlich aus. Die Planunterlagen zum PFA 3 lagen in der Gemeinde Jaderberg und in der Stadt Varel vom 30. September bis zum 29. Oktober 2010 öffentlich aus. Eine Auslegung der Planunterlagen in der Stadt Oldenburg erfolgte nicht.
Rz. 4
Mit im Wesentlichen gleichlautenden (Formular-)Schreiben vom 4. Oktober bzw. 22. September 2010 erhoben der Kläger zu 2 und die Klägerin zu 3 Einwendungen gegen das Vorhaben im PFA 2; sie machten Beeinträchtigungen durch die bevorstehende Zunahme des Güterzugverkehrs insbesondere in den Nachtstunden geltend und verlangten die Prüfung einer Umfahrungstrasse sowie Schutz gegen Immissionen durch Lärm und Erschütterungen. Da zum PFA 2 insgesamt weit über 300 Einwendungen aus Oldenburg vorlagen, wurde dort am 13. Dezember 2010 ein Erörterungstermin durchgeführt; ein dort von Einwendern gestellter Antrag auf Aussetzung des Termins und auf Auslegung der Unterlagen in Oldenburg wurde abgelehnt.
Rz. 5
Mit zwei Beschlüssen vom 2. August 2011 stellte das Eisenbahn-Bundesamt die Pläne für die Vorhaben im PFA 2 und im PFA 3 fest. Die Einwendungen der Kläger zu 2 und 3 wurden zurückgewiesen. In den Gründen der Planfeststellungsbeschlüsse wird u.a. zum Vorbringen der Einwender aus Oldenburg ausgeführt, dass eine Auslegung der Planunterlagen nur in den Gemeinden erforderlich gewesen sei, in denen sich die verfahrensgegenständlichen Bauabschnitte befänden. Es habe kein Anlass bestanden, vom Grundsatz der abschnittsbezogenen Auslegung abzugehen und die Planunterlagen auch in der Stadt Oldenburg auszulegen. Die planfestgestellten Streckenausbauten seien mit keinen Auswirkungen verbunden, die nicht im PFA 1 bewältigt werden könnten. Zwar werde die rechnerische Kapazität des Streckenabschnitts zwischen Oldenburg und Sande durch die Herstellung der durchgängigen Zweigleisigkeit gegenüber dem bestehenden Zustand mit eingleisigen Abschnitten erhöht. Gleichwohl hätten die planfestgestellten Bauvorhaben keine Auswirkungen auf das Stadtgebiet von Oldenburg. Denn die Anlieger müssten die plangegebene Vorbelastung der gegenwärtigen Streckenkapazität unabhängig von Schwankungen in den Verkehrsströmen dulden. Die Beigeladene habe ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 13. Dezember 2010 im Anhörungsverfahren ausdrücklich zugesagt, dass sie bis zu einer Fertigstellung der Ausbaumaßnahmen in Oldenburg einschließlich der Schutzvorkehrungen gegen Immissionen, insbesondere der Schallschutzwände, auf der Strecke keinen Zugverkehr zulassen und abwickeln werde, der über die jetzt schon vorhandene Kapazität hinausgehe. Vor diesem Hintergrund seien Schallschutzmaßnahmen für den PFA 1, in dem Baumaßnahmen nicht vor der ersten Teilinbetriebnahme des Jade-Weser-Ports abgeschlossen würden, nicht festzusetzen. Die Abschnittsbildung sei inhaltlich gerechtfertigt und orientiere sich an der Dringlichkeit der Teilmaßnahmen der Streckenertüchtigung. Die Variantenentscheidung für die planfestgestellten Maßnahmen sei sachgerecht und nicht zu beanstanden. Die Nullvariante sei nicht vorzugswürdig. Eine mögliche Bahnumgehung Oldenburg entlang der Autobahn A 29 werde durch die Baumaßnahmen im PFA 2 nicht verbaut, so dass in den Planfeststellungsbeschlüssen insoweit keine abschließende Entscheidung getroffen werden müsse. Eine alternative Streckenführung über die Trasse der 1958 stillgelegten und danach vollständig abgebauten Strecke Varel – Rodenkirchen sei eindeutig nicht vorzugswürdig, so dass es einer näheren Untersuchung nicht bedürfe.
Rz. 6
Die Planfeststellungsbeschlüsse wurden durch Auslegung vom 5. bis 19. September 2011 öffentlich bekannt gemacht (§ 74 Abs. 5 VwVfG). Zuvor hatte der Kläger zu 4 – zugleich im Namen der Kläger zu 5 bis 7 – mit einem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 23. August 2011 in beiden Planfeststellungsverfahren Einwendungen erhoben, mit denen er den Verfahrensfehler einer unzureichenden Auslegung der Planunterlagen, die Abschnittsbildung und unzulängliche Erwägungen zu Planungsalternativen rügte sowie Lärmschutz forderte.
Rz. 7
Am 16. Oktober 2011 haben die Kläger – gemeinsam mit anderen Klägern – Klage erhoben. Die Kläger zu 4 bis 7 haben zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 24. Januar 2012 – BVerwG 7 VR 13.11 – abgelehnt. Die Verfahren der meisten anderen Kläger sind durch gerichtlichen Vergleich vom 5. Juli 2012 (BVerwG 7 A 22.12) beendet worden, in dem sich die Beigeladene zu Maßnahmen des vorgezogenen passiven Lärmschutzes für alle betroffenen Anwohner der Bahnstrecke in Oldenburg verpflichtet hat. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Planfeststellungsbeschlüsse in einer Protokollerklärung um noch weiter reichende Schallschutzmaßnahmen zugunsten der Kläger ergänzt; zu diesen Maßnahmen hatte die Beigeladene sich schon im Anschluss an den Vergleich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit erklärt.
Rz. 8
Zur Begründung ihrer Klagen tragen die Kläger vor: Mit ihren Einwendungen seien sie nicht präkludiert. Einer Präklusion stehe die unzureichende Auslegung der Planunterlagen entgegen. Die Unterlagen hätten auch in Oldenburg ausgelegt werden müssen; denn die Vorhaben wirkten sich auch dort aus. Der Grundsatz der abschnittsbezogenen Auslegung bei linienförmigen Planvorhaben gelte nur bei einer zulässigen Abschnittsbildung, die hier nicht vorliege. Die Alternativenprüfung sei rechtsfehlerhaft. Insbesondere eine Stadtumfahrung für den Güterverkehr entlang der Autobahn A 29 sei eindeutig vorzugswürdig. Dies werde durch verschiedene Gutachten belegt, die im Hinblick auf die Planungen im PFA 1 erstellt worden seien. Jedenfalls müsse einer grundrechtlich relevanten Lärmbetroffenheit aufgrund des zu erwartenden Verkehrszuwachses Rechnung getragen werden. Die von der Beigeladenen vorgetragene plangegebene Vorbelastung im Bereich des PFA 1 von 94 Zügen pro Tag sei nicht nachvollziehbar belegt. Des Weiteren könne eine so bestimmte Vorbelastung nicht ausschlaggebend sein, da die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle überschritten sei. Mit einer deutlichen Zunahme gerade des Güterverkehrs habe im betreffenden Bereich seit Jahren nicht gerechnet werden müssen. Da die Abfolge der Anträge auf Planfeststellung in den verschiedenen Planfeststellungsabschnitten nicht nachvollziehbar sei, sei der Lärmschutz im PFA 1 bis zum dortigen Ausbau unter Beachtung des Gleichheitssatzes ebenfalls nach den so genannten Lärmvorsorgewerten zu gewähren. Es sei folglich eine Auflage zu erlassen, dass der Zugverkehr bis zum vollständigen Ausbau der Gesamtstrecke die derzeit tatsächlich gegebene Situation nicht übersteigen dürfe. Jedenfalls müsse der Lärmschutz in der Übergangszeit nach den so genannten Sanierungswerten gewährt werden. Dabei sei der Schienenbonus nicht zu berücksichtigen. Dem Erlass von Betriebsregelungen wie Nachtfahrverboten oder Geschwindigkeitsbeschränkungen stünden insbesondere unionsrechtliche Vorgaben nicht entgegen.
Rz. 9
Die Kläger zu 1 bis 3 beantragen,
festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben “ABS Oldenburg – Wilhelmshaven: Ausbaustufe III, PFA 2 Rastede – Hahn” der Strecke 1522 Oldenburg Hbf. – Wilhelmshaven Hbf. vom 2. August 2011 rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, den vorgenannten Planfeststellungsbeschluss um Schutzauflagen zugunsten der Kläger zu ergänzen.
Rz. 10
Die Kläger zu 4 bis 7 beantragen,
festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben “ABS Oldenburg – Wilhelmshaven: Ausbaustufe III, PFA 2 Rastede – Hahn” der Strecke 1522 Oldenburg Hbf. – Wilhelmshaven Hbf. vom 2. August 2011 und der Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben “ABS Oldenburg – Wilhelmshaven: Ausbaustufe III, PFA 3 Jaderberg – Varel” der Strecke 1522 Oldenburg Hbf. – Wilhelmshaven Hbf. vom 2. August 2011 rechtswidrig sind und nicht vollzogen werden dürfen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, die vorgenannten Planfeststellungsbeschlüsse um Schutzauflagen zugunsten der Kläger zu ergänzen.
Rz. 11
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Rz. 12
Sie verteidigt die angefochtenen Planfeststellungsbeschlüsse.
Rz. 13
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klagen abzuweisen.
Rz. 14
Sie hält die Klagen der meisten Kläger wegen Präklusion und darüber hinaus alle Klagen wegen fehlender Klagebefugnis für unzulässig. Jedenfalls seien die Klagen unbegründet, da die Lärmproblematik in Oldenburg auch im Rahmen der planerischen Abwägung nicht habe berücksichtigt werden müssen. Sowohl wegen der Zusage der Einhaltung der plangegebenen Kapazität als auch wegen der Eingleisigkeit der Strecke im PFA 6 fehle es an einem eindeutigen Ursachenzusammenhang zwischen den angefochtenen Maßnahmen und der Lärmerhöhung. Die Sonderkonstellation der teilungsbedingten Streckenstilllegungen sei hier nicht einschlägig und auch nicht vergleichbar. Jedenfalls stehe der Beklagten ein Abwägungsspielraum bezüglich des Wie einer Lärmsanierung zu; einen Anspruch auf bestimmte Maßnahmen könnten die Kläger nicht geltend machen. Der Beklagten komme aufgrund der gegenständlichen Beschränkung der Planfeststellung eine Befugnis zur Anordnung verkehrsregelnder Maßnahmen nicht zu. Aus dem Unionsrecht folge schließlich die uneingeschränkte Verpflichtung, die vorhandene Kapazität zur Nutzung bereitzustellen.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 15
Die Klagen sind zulässig (1.), aber nur zum Teil begründet. Mit ihren Hauptanträgen dringen die Kläger nicht durch. Die Planfeststellungsbeschlüsse leiden nicht an einem Rechtsfehler, der die Feststellung ihrer Rechtwidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit zur Folge hätte (2.). Die Kläger können aber verlangen, dass die Beklagte nochmals über Maßnahmen zum Lärmschutz entscheidet (3.).
Rz. 16
1. Die nach ordnungsgemäßer öffentlicher Bekanntmachung der angefochtenen Planfeststellungsbeschlüsse (§ 18b Nr. 5 AEG, § 74 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 bis 3 VwVfG) fristgerecht (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) erhobenen Klagen sind auch im Übrigen zulässig. Die Kläger sind insbesondere klagebefugt. Als lärmbetroffene Anlieger der Bahnstrecke können sie geltend machen, in ihren durch Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechten verletzt zu sein. Dem steht bei den Klägern zu 1 und zu 4 bis 7 nicht die Tatsache entgegen, dass sie – im Gegensatz zu den Klägern zu 2 und 3 – innerhalb der Einwendungsfrist des § 18a AEG i.V.m. § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG Einwendungen nicht erhoben haben. Denn daraus folgt nicht, dass ihr Vorbringen im Gerichtsverfahren wegen Präklusion (§ 18a Nr. 7 Satz 1 AEG) unbeachtlich ist.
Rz. 17
Die einschneidenden Folgen des Ausschlusses verspäteter Einwendungen im gerichtlichen Verfahren sind mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nur dann hinnehmbar, wenn dem Betroffenen sowohl die Möglichkeit einer eigenen Betroffenheit als auch seine Mitwirkungsobliegenheit im Verwaltungsverfahren mit hinreichender Deutlichkeit vor Augen geführt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 – 2 BvR 1187/80 – BVerfGE 61, 82 ≪110 ff.≫). Die hiernach für die Präklusion erforderliche Anstoßwirkung wird für die ortsansässigen Betroffenen durch die Bekanntmachung der Auslegung der Planunterlagen nach § 18a AEG, § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG bezweckt (Urteile vom 3. Mai 2013 – BVerwG 9 A 16.12 – NVwZ 2013, 1209 Rn. 15 und vom 16. August 1995 – BVerwG 11 A 2.95 – Buchholz 407.3 § 3 VerkPBG Nr. 1). Sie beschränkt sich demnach auf den von der Anhörungsbehörde gewählten Auslegungsbereich, wobei es nicht darauf ankommt, ob dieser Bereich nach Maßgabe des § 18a Nr. 1 AEG zutreffend bestimmt worden ist.
Rz. 18
2. Die Hauptanträge bleiben ohne Erfolg. Die Planfeststellungsbeschlüsse weisen keine Rechtsfehler auf, die – wie von den Klägern insoweit lediglich beantragt – jedenfalls die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit nach sich ziehen.
Rz. 19
a) Mit ihrer Rüge, die Planfeststellungsbeschlüsse litten mangels Auslegung der Planunterlagen in Oldenburg an einem beachtlichen Verfahrensfehler, dringen die Kläger nicht durch. Dabei kann offenbleiben, ob das Anhörungsverfahren den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen hat (aa). Denn es ist nicht erkennbar, dass sich ein etwaiger Auslegungsfehler auf den Inhalt der Planfeststellungsbeschlüsse ausgewirkt haben könnte (bb). Unionsrechtliche Bestimmungen stehen der Einstufung eines solchen Fehlers als unerheblich nicht entgegen (cc).
Rz. 20
aa) Nach § 18a Nr. 1 AEG erfolgt die Auslegung der Planunterlagen in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt. Der weite Begriff des Auswirkens erhält rechtliche Konturen, wenn und soweit er nur solche Auswirkungen umfasst, die eine planerische Konfliktbewältigung gerade im anstehenden Planfeststellungsverfahren erforderlich machen können. Auf diesen im Wege einer Prognoseentscheidung ermittelten räumlichen Bereich ist die Auslegung zu erstrecken (Urteil vom 31. Juli 2012 – BVerwG 4 A 7001.11 u.a. – BVerwGE 144, 44 Rn. 32 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 39).
Rz. 21
Grundsätzlich berücksichtigungsfähige und -bedürftige Auswirkungen sind nicht von vornherein auf die unmittelbare Nachbarschaft des Vorhabens beschränkt; vielmehr kann das Vorhaben auch mittelbare (Fern-)Wirkungen entfalten. Bei linienförmigen Vorhaben wie hier beim Ausbau eines Verkehrswegs können Maßnahmen auf einem Streckenabschnitt zu einer Steigerung des Verkehrs und folglich einer erhöhten Immissionsbelastung auch auf nachfolgenden Streckenabschnitten führen. Die Feststellung, dass insbesondere der Lärmzuwachs anlässlich des geplanten Vorhabens bewältigungsbedürftig ist, erfolgt nach Maßgabe rechtlicher Wertungen.
Rz. 22
(1) Zum einen muss der Verkehrszuwachs aufgrund der Verkehrsbeziehungen dem Ausbauvorhaben zurechenbar sein (Urteil vom 17. März 2005 – BVerwG 4 A 18.04 – BVerwGE 123, 152 Rn. 18 = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 44 S. 136; siehe dazu auch Füßer, UPR 2012, 92 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Diese Feststellung ist beim engmaschigen Straßennetz, in dem die Verkehrsströme sich vielfältig aufspalten können, im Ansatz auf einen engeren Bereich beschränkt als beim Schienennetz. Denn dieses fächert sich nicht in gleicher Weise “in die Fläche” aus, so dass auch weiträumige Ursachenzusammenhänge bestehen können. Hier kann indessen im Interesse der Handhabbarkeit von Planungsprozessen eine wertende Beschränkung der Zurechnung angezeigt sein (vgl. hierzu etwa OVG Koblenz, Urteil vom 14. August 1997 – 1 C 11506/96 – juris Rn. 16 a.E.).
Rz. 23
Eine durch den Ausbau eines Schienenwegs hervorgerufene Lärmbelastung ist zum anderen in der Regel nur dann rechtlich beachtlich, wenn sie die gegebene Vorbelastung übersteigt (Urteil vom 9. Juli 2008 – BVerwG 9 A 5.07 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 66 Rn. 17). Dabei kommt es nicht auf die tatsächliche Ausnutzung des Schienenwegs, sondern auf dessen rechtlich zulässige Ausnutzbarkeit an.
Rz. 24
(2) Die Feststellung, dass zurechenbare Auswirkungen auf anderen Streckenabschnitten hervorgerufen werden können, ist nur notwendige, nicht jedoch hinreichende Bedingung für die Erweiterung des räumlichen Bereichs der Auslegung.
Rz. 25
Darüber hinaus muss es nach dem Gebot der planerischen Konfliktbewältigung geboten sein, diese Auswirkungen bereits bei der anstehenden Entscheidung über das Planvorhaben in den Blick zu nehmen. Dies ist nur ausnahmsweise der Fall. Bei einem in mehrere Planungsabschnitte unterteilten Gesamtvorhaben gilt der Grundsatz der abschnittsbezogenen Auslegung (Kipp/Schütz, in: Hermes/Sellner ≪Hrsg.≫, Beck´scher AEG-Kommentar, 2006, § 20 Rn. 60). Denn bei einer solchen Verfahrensgestaltung ist in der Regel davon auszugehen, dass die (Fern-)Wirkungen des Ausbaus auf den nachfolgenden Planungsabschnitt mit den beim dortigen Ausbau entstehenden unmittelbaren Auswirkungen verschmelzen und erst in der darauf bezogenen Planfeststellung bewältigt werden müssen. Daraus folgt, dass die Auslegung regelmäßig örtlich auf den unmittelbaren Einwirkungsbereich des Vorhabens beschränkt werden kann.
Rz. 26
Ausnahmen vom Grundsatz der abschnittsbezogenen Auslegung sind demnach dann zu machen, wenn die Konfliktbewältigung nicht in die Entscheidung über den nachfolgenden Abschnitt verschoben werden kann. Das kann zum einen dann der Fall sein, wenn das Gesamtvorhaben mit dem nunmehr geplanten Abschnitt endet und es an einer daran anschließenden Planung überhaupt fehlt. Zum anderen kann ungeachtet einer vorgesehenen Anschlussplanung der Verweis auf die dann anstehende Möglichkeit der Konfliktbewältigung wegen der zeitlichen Verhältnisse unzureichend sein.
Rz. 27
Nach diesen rechtlichen Maßstäben spricht viel dafür, dass die Entscheidung, von einer Auslegung der Planunterlagen in Oldenburg abzusehen, rechtswidrig war.
Rz. 28
Das Eisenbahn-Bundesamt geht in den Planfeststellungsbeschlüssen noch davon aus, dass die Kapazität der bereits jetzt zweigleisigen Strecke im PFA 1 durch den Ausbau in den anderen Abschnitten erhöht werden wird. Diese Einschätzung erscheint angesichts der dann wiederhergestellten durchgängigen Zweigleisigkeit der Strecke Oldenburg – Wilhelmshaven plausibel. Dass darin zugleich eine Steigerung gegenüber der plangegebenen Vorbelastung liegt, versteht sich von selbst, wenn von dem vor Ausbau vorhandenen tatsächlichen Zustand mit eingleisigen Streckenabschnitten ausgegangen wird.
Rz. 29
Eine Beschränkung auf die bereits vor dem Streckenausbau vorhandene Kapazität und Vorbelastung entnimmt das Eisenbahn-Bundesamt der als Zusage qualifizierten Erläuterung der Beigeladenen im Erörterungstermin, wonach sie bis zur Fertigstellung von Schallschutzwänden in Oldenburg wegen der von Sande bis zum Jade-Weser-Port bestehenden einschränkenden Infrastruktur nicht mehr Züge fahren lassen könne und werde als bereits jetzt möglich. Wenn für das Eisenbahn-Bundesamt erst diese Willens- oder Wissenserklärung der Beigeladenen im Anhörungsverfahren den Schluss auf einen die plangegebene Vorbelastung nicht überschreitenden Verkehrszuwachs und damit das Fehlen einer bewältigungsbedürftigen Lärmproblematik erlaubt, dürfte sich die zeitlich vorausliegende Entscheidung über die Auslegung, die auf solchen Erkenntnissen gerade nicht aufbaut, als nicht tragfähig erweisen.
Rz. 30
Aber auch wenn die Erkenntnisse über die Auswirkungen fortbestehender kapazitätsbestimmender Engstellen in der für die Auslastung der Strecke maßgeblichen Anbindung des Jade-Weser-Ports hier zu berücksichtigen sein sollten, wäre zu erwägen, ob der befürchtete merkliche Anstieg und die kritische Höhe insbesondere der nächtlichen Lärmbelastung Anlass für eine Erweiterung des Auslegungsbereichs hätten bieten müssen. Denn es war nicht davon auszugehen, dass die Bewältigung der aufgezeigten Lärmproblematik ohne Weiteres in die Planung zum PFA 1 verschoben werden konnte. Aufgrund der sich schon während des Anhörungsverfahrens abzeichnenden Verzögerungen der Planungen im Oldenburger Stadtgebiet, insbesondere wegen der Frage der Aufhebung schienengleicher Bahnübergänge, lag es jedenfalls nicht fern, eine Ausnahme vom Grundsatz der abschnittsbezogenen Auslegung anzunehmen.
Rz. 31
bb) Eine – unterstellt – verfahrensfehlerhafte Auslegung der Planunterlagen führt indessen nicht zum Erfolg der Klagen, denn ein solcher Verfahrensmangel ist auch im Hinblick auf die Kläger, die Einwendungen nicht fristgerecht erhoben haben, jedenfalls nach § 18e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 AEG i.V.m. § 46 VwVfG unerheblich. Die Vorschrift des § 46 VwVfG, der unmittelbar nur den Aufhebungsanspruch im Rahmen einer Anfechtungsklage ausschließt, bezieht sich auch auf den “gekappten” Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Es wäre schwerlich nachvollziehbar, wenn dieser Entscheidungsausspruch, der dem Ziel der Planerhaltung Rechnung tragen soll, in einer solchen Konstellation zu einer Erweiterung des Rechtsschutzes führte (vgl. zur Fortsetzungsfeststellungsklage Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 46 Rn. 43).
Rz. 32
Das Eisenbahn-Bundesamt hat sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Vorbringens von nahezu 350 Einwendern aus dem Gebiet der Stadt Oldenburg, für die am 13. Dezember 2010 ein Erörterungstermin in Oldenburg stattgefunden hat, mit der nunmehr auch von den Klägern geltend gemachten Lärmproblematik und der Frage von Trassenalternativen befasst. Insbesondere angesichts dieses Umstands ist die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung im Planfeststellungsbeschluss bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels nicht ansatzweise zu erkennen (vgl. zu diesem rechtlichen Maßstab Urteil vom 12. August 2009 – BVerwG 9 A 64.07 – BVerwGE 134, 308 Rn. 31 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203).
Rz. 33
cc) Die Berücksichtigung der fehlenden Kausalität eines Verfahrensfehlers für das Entscheidungsergebnis ist auch mit Unionsrecht vereinbar.
Rz. 34
Das Erfordernis der Auslegung der Planunterlagen folgt für die gemäß § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 UVPG i.V.m. Nummer 14.7 der Anlage 1 UVP-pflichtigen Vorhaben – insoweit inhaltlich übereinstimmend mit § 18a Nr. 1 AEG – aus § 9 Abs. 1 Satz 3 UVPG i.V.m. § 73 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG. Diese Vorschriften dienen der Umsetzung der Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl EG Nr. L 175 S. 40) – UVP-RL – in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl EG Nr. L 73 S. 5) geänderten Fassung. Art. 10a UVP-RL in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten – Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie – ABl EG Nr. L 156 S. 17) geänderten Fassung – nunmehr Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABI EG 2012 Nr. L 26 S. 1) – gebietet zwar den Zugang zu Gericht, um sowohl die materiellrechtliche als auch die verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit anfechten zu können. Ungeachtet der besonderen Bedeutung, die das Unionsrecht der Einhaltung von Verfahrensvorschriften im Umweltrecht beimisst, folgt daraus aber nicht, dass – über das vollständige Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung hinaus (siehe § 4 Abs. 1 UmwRG) – jeder Verfahrensfehler bei der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung die Rechtswidrigkeit der anschließend erlassenen Zulassungsentscheidungen im Sinne dieses Artikels nach sich zieht. Vielmehr steht Art. 10a UVP-RL der Verneinung der Rechtswidrigkeit nicht entgegen, wenn bei Berücksichtigung des Schweregrads des geltend gemachten Fehlers nach Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles “nachweislich die Möglichkeit besteht”, d.h. davon auszugehen ist, dass die Entscheidung ohne den Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre (vgl. EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – Rs. C-72/12, Altrip – Rn. 57). Das ist hier der Fall.
Rz. 35
Der geltend gemachte Verfahrensfehler eines zu eng bemessenen Auslegungsgebiets wiegt als solcher zwar grundsätzlich schwer, da er geeignet ist, Teilen der betroffenen Öffentlichkeit den Zugang zu Informationen abzuschneiden und deren Beteiligung am Entscheidungsprozess zu unterbinden. Die Tragweite dieses Fehlers wird jedoch deutlich gemindert, wenn sich Teile der Öffentlichkeit aus den Gebieten, in denen eine Auslegung unterblieben ist, aufgrund sonstiger Kenntnis vom Vorhaben gleichwohl am Verfahren beteiligen. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – gleichgerichtete Einwendungen vorgebracht werden. Die nunmehr auch von den Klägern vorgetragenen Einwendungen sind im Wesentlichen im Erörterungstermin in Oldenburg von dort anwesenden Einwendern, die sich teilweise ausdrücklich als Sprachrohr der Interessen aller Oldenburger Bahnanlieger verstanden haben, umfassend dargelegt worden. Aufgrund des Umgangs mit den Einwendungen im Verfahren und deren Verarbeitung in den Planfeststellungsbeschlüssen ist davon auszugehen, dass eine zahlenmäßig geringere Beteiligung von Oldenburger Bahnanliegern am Verwaltungsverfahren eine Auswirkung auf die Sachentscheidung nicht gehabt hat.
Rz. 36
b) Die angefochtenen Planfeststellungsbeschlüsse leiden weder mit Blick auf die Prüfung der Alternativtrassen noch in Bezug auf die Abschnittsbildung an einem Mangel der nach § 18 Satz 2 AEG gebotenen Abwägung. Mängel bei der Bewältigung der die Kläger in Oldenburg betreffenden Lärmproblematik lassen sich durch Planergänzung beheben und rechtfertigen deshalb nicht die mit den Hauptanträgen begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Planfeststellungsbeschlüsse.
Rz. 37
aa) Der Senat hat bereits im Beschluss vom 24. Januar 2012 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt, dass die Variantenprüfung in den angefochtenen Planfeststellungsbeschlüssen jedenfalls im Ergebnis von Rechts wegen nicht zu beanstanden ist. Daran hält der Senat fest. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Ablehnung einer weiträumigen Umfahrung von Oldenburg und Rastede, die eine von der Bestandsstrecke abweichende Trassenführung schon in den PFA 2 und 3 zur Folge hätte, als auch hinsichtlich der Weigerung der Planfeststellungsbehörde, bereits in eine Prüfung der von den Klägern erstrebten Umfahrungsstrecke entlang der Autobahn A 29 einzutreten. Zu Letzterem ist ergänzend anzumerken, dass dahinstehen kann, ob schon der Umstand, dass die betreffende Strecke im Bedarfsplan für die Bundesschienenwege (Anlage zu § 1 des Gesetzes über den Ausbau der Schienenwege des Bundes – Bundesschienenwegeausbaugesetz – vom 15. November 1993, BGBl I S. 1874, zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. Oktober 2006, BGBl I S. 2407) unter Ziffer 1 b) lfd. Nr. 3 als Ausbaustrecke verzeichnet ist, sogar die Prüfung einer Umfahrung von Oldenburg von vornherein ausschließt. Jedenfalls ist aufgrund des abschließenden Vorbringens der Kläger zur Umfahrungstrasse nicht ansatzweise dargetan, dass durch den Planfeststellungsbeschluss zum PFA 2 insoweit ein rechtlich beachtlicher Zwangspunkt festgelegt wurde (vgl. hierzu zuletzt Urteil vom 25. Januar 2012 – BVerwG 9 A 6.10 – Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 34 Rn. 21 m.w.N.). Denn die Planungen, auf die die Kläger verweisen, sehen eine Trasse westlich der Autobahn vor, die den PFA 2 nicht berührt, sondern noch im PFA 1 auf die Bestandstrasse trifft.
Rz. 38
bb) Auch gegen die Abschnittsbildung und die Reihenfolge der Planung in den Abschnitten wenden die Kläger sich ohne Erfolg.
Rz. 39
Die Abschnittsbildung als anerkannter Teil der fachplanerischen Abwägung soll angesichts beschränkter Kapazitäten bei Planung und Durchführung die praktische Bewältigung umfangreicher Vorhaben ermöglichen. Denn eine Gesamtplanung einer Strecke von – wie hier – über 50 km wäre kaum überschaubar. Dritte haben deshalb grundsätzlich kein Recht darauf, dass über die Zulassung eines Vorhabens insgesamt, vollständig und abschließend in einem einzigen Bescheid entschieden wird. Jedoch kann eine Abschnittsbildung Dritte in ihren Rechten verletzen, wenn sie einen effektiven Rechtsschutz faktisch unmöglich macht oder dazu führt, dass die abschnittsweise Planfeststellung dem Grundsatz umfassender Problembewältigung nicht gerecht werden kann (vgl. Beschlüsse vom 22. Juli 2010 – BVerwG 7 VR 4.10 – NVwZ 2010, 1486 Rn. 27 und vom 23. November 2007 – BVerwG 9 B 38.07 – Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 7 Rn. 20, jeweils m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist die Abschnittsbildung nicht zu beanstanden. So ist nachvollziehbar, dass gerade auch Abschnitte gebildet werden, in denen die Zweigleisigkeit wiederhergestellt werden muss; denn dort sind aufwendigere Planungen erforderlich. Die Festlegung der nördlichen Begrenzung des PFA 1 an der Autobahnüberführung findet, wie in der mündlichen Verhandlung seitens der Beklagten nochmals erläutert worden ist, ihre Rechtfertigung im Bestreben, den Lärmschutz für die Bebauung in Neusüdende, die an der Gemarkungsgrenze liegt, in einem Planfeststellungsbeschluss zu regeln.
Rz. 40
Die Kläger beanstanden letztlich der Sache nach die Reihenfolge der Planung und Realisierung des Bauvorhabens in den verschiedenen Abschnitten. Willkürliche oder ansonsten rechtlich nicht tragfähige Überlegungen sind aber auch insoweit nicht ersichtlich. Insbesondere durfte das Eisenbahn-Bundesamt die Dringlichkeit des Ausbaus der verschiedenen Streckenabschnitte bewerten und in seine Erwägungen einstellen. Dabei leuchtet unmittelbar ein, dass der mit einer völligen Streckensperrung verbundene Ausbau der eingleisigen Abschnitte vor der geplanten Eröffnung des Jade-Weser-Ports abgeschlossen werden sollte. Die Verzögerung der Planungen in Oldenburg wird ebenfalls nachvollziehbar belegt. Schließlich ist, wie bereits oben zur Auslegung der Planunterlagen dargelegt, mit der Abschnittsbildung die Bewältigung der Lärmproblematik auf erst später zu realisierenden Planungsabschnitten nicht ausgeblendet.
Rz. 41
cc) Die Mängel bei der rechtlichen Bewertung der Lärmbetroffenheit der Kläger (vgl. 3.) schlagen nach § 18e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 AEG auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Planfeststellungsbeschlüsse im Übrigen nicht durch. Dies gilt nicht nur für darauf bezogene Schutzvorkehrungen auf der Grundlage von §§ 41 f. BImSchG, sondern auch für Lärmschutzmaßnahmen, über die im Rahmen der planerischen Abwägung zu entscheiden ist. Denn solche Erwägungen stehen schon aufgrund ihres anderen räumlichen Bezugspunkts neben der auf das eigentliche Vorhaben bezogenen Abwägung und ergänzen diese lediglich; Fehler in der auf die Bewältigung der Lärmsituation bezogenen Abwägung sind demnach nicht geeignet, die Ausgewogenheit der Gesamtplanung in Frage zu stellen (vgl. Urteil vom 3. März 2011 – BVerwG 9 A 8.10 – BVerwGE 139, 150 Rn. 59).
Rz. 42
3. Die Hilfsanträge, mit denen die Kläger eine Planergänzung zum Lärmschutz erstreben, haben teilweise Erfolg; die Kläger haben einen Anspruch auf erneute Bescheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Rz. 43
a) Lärmschutz außerhalb des jeweiligen Planfeststellungsabschnitts kann nicht auf der Grundlage des § 41 BImSchG i.V.m. der Sechszehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 (BGBl I S. 1036) verlangt werden. Denn der Regelungsbereich dieser Bestimmungen bezieht sich nur auf die unmittelbare Nachbarschaft des Vorhabens. Auch auf § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG kann aufgrund der insoweit abschließenden Regelung des § 41 Abs. 1 BImSchG nicht zurückgegriffen werden (Urteile vom 15. Dezember 2011 – BVerwG 7 A 11.10 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 59 Rn. 29, vom 9. Juni 2010 – BVerwG 9 A 20.08 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 114 und vom 17. März 2005 – BVerwG 4 A 18.04 – BVerwGE 123, 152 ≪155≫ = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 44 S. 135).
Rz. 44
b) Dem Lärmzuwachs auf der bereits vorhandenen Strecke ist im Rahmen des Gebots planerischer Abwägung Rechnung zu tragen (siehe Urteil vom 17. November 1999 – BVerwG 11 A 4.98 – BVerwGE 110, 81 ≪86, 88≫ = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 53 S. 55 f. sowie Beschluss vom 26. Januar 2000 – BVerwG 4 VR 19.99 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 156 Rn. 12). Den daraus folgenden Anforderungen werden die angefochtenen Planfeststellungsbeschlüsse nicht gerecht.
Rz. 45
Das Eisenbahn-Bundesamt geht in den Planfeststellungsbeschlüssen im Anschluss an die Rechtsprechung zwar zutreffend davon aus, dass aus der insbesondere bezüglich des Güterverkehrs über einen langen Zeitraum hinweg geringen tatsächlichen Streckenauslastung ein irgendwie gearteter Vertrauenstatbestand für die Anlieger der Bahnstrecke mit der Folge einer Deckelung der Lärmbelastung auf den bislang gegebenen Zustand nicht erwächst. Vielmehr ist eine Lärmbelastung, die die plangegebene Vorbelastung nicht übersteigt, grundsätzlich hinzunehmen. Soll die Belastung – wie hier – für eine Übergangszeit trotz ausbaubedingter Kapazitätserweiterung auf die plangegebene Vorbelastung beschränkt werden, so muss allerdings die der Vorbelastung zugrunde liegende Zugmenge im Planfeststellungsbeschluss verlässlich festgelegt werden, damit das Eisenbahn-Bundesamt als Aufsichtsbehörde im Interesse der Lärmbetroffenen in der Lage ist, die Einhaltung der Grenzen dieser Duldungspflicht zu überwachen. Der Streckenanlieger hat die Vorbelastung grundsätzlich auch dann zu dulden, wenn die Lärmimmissionen die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle, die jedenfalls für Wohngebiete an Werten von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts festzumachen ist, überschreitet (Urteil vom 9. Juli 2008 – BVerwG 9 A 5.07 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 66 Rn. 17; siehe zur Zumutbarkeitsschwelle zuletzt Urteile vom 10. Oktober 2012 – BVerwG 9 A 20.11 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 229 Rn. 28 und vom 15. Dezember 2011 – BVerwG 7 A 11.10 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 59 Rn. 30). Die Schutzpflicht des Staates für Gesundheit und Eigentum steht dem nicht entgegen, weil es insoweit an der normativen Zurechnung der Lärmimmissionen zum planfestgestellten Vorhaben fehlt.
Rz. 46
Unter besonderen Umständen ist aber eine abweichende rechtliche Beurteilung geboten. Dann kann ungeachtet der Einhaltung der plangegebenen Vorbelastung der Beachtung der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle eine maßgebliche Bedeutung zukommen. Mit der mittlerweile durch Zeitablauf erledigten Fallkonstellation der Wiedereröffnung teilungsbedingt unterbrochener Eisenbahnstrecken (siehe insbes. Urteile vom 28. Oktober 1998 – BVerwG 11 A 3.98 – BVerwGE 107, 350 ≪355 ff.≫ = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 23 S. 65 und vom 17. November 1999 – BVerwG 11 A 4.98 – BVerwGE 110, 81 ≪86 ff.≫ = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 31 S. 54 f.) sind die insoweit anzuerkennenden Ausnahmesituationen nicht abschließend umschrieben.
Rz. 47
In den so genannten Wiedervereinigungsfällen wird mit der Gewährung von Lärmschutz ein Billigkeitsausgleich geleistet in einer Situation, in der die plangegebene Vorbelastung in der Realität keine Entsprechung mehr findet und sich deswegen einer juristischen Fiktion nähert (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008 – BVerwG 9 A 5.07 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 66 Rn. 18). Auf eine insoweit vergleichbare Situation können die Kläger sich nicht berufen. Trotz bedeutender Schwankungen insbesondere in der Güterverkehrsnutzung war die Strecke Oldenburg – Wilhelmshaven immer als eine Hauptbahn mit Güterverkehr ausgewiesen und ist als solche auch – wenn auch in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung der Region in unterschiedlichem Ausmaß – tatsächlich genutzt worden.
Rz. 48
Der vorliegende Sachverhalt zeichnet sich indessen durch die Besonderheit aus, dass ein einheitliches Ausbauvorhaben, das auf die Aufnahme eines erhöhten Verkehrsaufkommens aus einer neuen Verkehrsquelle gerichtet ist, in mehrere Abschnitte unterteilt wird. Die Anlieger der Strecke, mit deren Ausbau eine leistungsfähige Hinterlandanbindung für den Jade-Weser-Port geschaffen werden soll, bilden insoweit eine planungsrechtliche Schicksalsgemeinschaft der von den Lärmimmissionen betroffenen Anwohner eines als Einheit anzusehenden Ausbauvorhabens. Diese unterscheidet sich deutlich von der der Anlieger einer sonstigen Ausbaustrecke, deren Ertüchtigung ein mehr oder weniger kontinuierlich steigendes Verkehrsaufkommen aufnehmen soll. Denn die Eröffnung einer gänzlich neuen Verkehrsquelle bildet einen zeitlichen Einschnitt und setzt eine Vorgabe für die Gesamtplanung. Diese muss darauf ausgerichtet sein, das Ausbauvorhaben so zeitig zu einem Abschluss zu bringen, dass keiner der Betroffenen Gefahr läuft, plötzlich einer signifikant erhöhten Lärmbelastung schutzlos ausgesetzt zu sein. Ist dies – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich, kann es unbillig und deshalb korrekturbedürftig erscheinen, wenn ein Teil der von einem Gesamtprojekt Betroffenen allein wegen der Unwägbarkeiten der von Erfordernissen der Praktikabilität einer komplexen Planung bestimmten Abschnittsbildung und wegen des zeitlichen Ablaufs der Ausbauarbeiten zwar nur übergangsweise, aber gleichwohl einer hohen und gegebenenfalls gesundheitsgefährdenden Lärmbelastung ausgesetzt ist. Das rechtfertigt es, auch diese Fallgestaltung als Ausnahmesituation anzuerkennen, in der die Gewährung von Lärmschutz gegenüber Schallimmissionen, die die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle überschreiten, sich aber im Rahmen der plangegebenen Vorbelastung halten, nach Maßgabe des Abwägungsgebots in Betracht zu ziehen ist.
Rz. 49
Über die Gewährung eines auf die Übergangszeit bezogenen (interimistischen) Lärmschutzes ist unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Dazu zählen neben der voraussichtlichen Länge des Übergangszeitraums das Ausmaß der Lärmsteigerung und das Maß der Überschreitung der maßgeblichen Schwellenwerte, insbesondere im Hinblick auf die Störung der Nachtruhe.
Rz. 50
aa) Ausgangspunkt der Überlegungen ist die von der Beigeladenen zugesagte interimistische Beschränkung der Streckennutzung und der damit verbundenen Lärmbelastung auf die plangegebene Vorbelastung. Eine Festlegung des entsprechenden Zugmengengerüsts fehlt allerdings in den Planfeststellungsbeschlüssen und ist vom Eisenbahn-Bundesamt im Rahmen der Ergänzung der Abwägungsentscheidung nachzuholen.
Rz. 51
Das Eisenbahn-Bundesamt hat sich in der Sache die Ergebnisse der von der Beigeladenen vorgelegten eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Untersuchung vom 1. März 2012 zu eigen gemacht, die von einer Leistungsfähigkeit von 94 Zügen pro Tag, davon 44 im Schienenpersonennahverkehr und 50 im Schienengüterverkehr (30 Züge tags/20 nachts) ausgeht. Es ist indessen noch nicht hinreichend nachvollziehbar dargetan, dass diese Zahl die plangegebene Vorbelastung zutreffend wiedergibt. Plausibel – jedenfalls nicht zum Nachteil der Kläger überhöht – erscheint allerdings die für die Leistungsfähigkeit der Strecke Oldenburg – Sande angenommene Anzahl von 108 Zügen pro Tag. Aus der der in Bezug genommenen Untersuchung vom 17. Juni 2009 beigefügten Fahrplanskizze geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass die Kapazität vor der Beseitigung der eingleisigen Streckenabschnitte pro Stunde – neben den Personenzügen – auch vier Trassen für den Schienengüterverkehr umfasst. Auf den gesamten Tag hochgerechnet summiert sich allein die Anzahl dieser Trassen auf 96. Da daneben noch die Trassen für den Schienenpersonennahverkehr berücksichtigt werden, dürfte die den weiteren Überlegungen zugrunde gelegte Zahl von 108 Zügen pro Tag nicht zu beanstanden sein. Die eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchung stellt im Anschluss daran heraus, dass diese Kapazität nur bei ungehindertem Zu- und Abfluss des Verkehrs von bzw. ab Sande ausgeschöpft werden könnte. Da dies insbesondere wegen der eingleisigen Streckenführung ab Sande zum Jade-Weser-Port nicht der Fall ist, setzt die Untersuchung einen “Trassenverzehr” von 14 Trassen an. Es ist allerdings zweifelhaft, ob diese – nach den Ursachen für die fehlende Ausnutzbarkeit von Trassen näher spezifizierte – Betrachtung den Anforderungen an eine nachvollziehbare Darlegung des Ist-Zustands genügt. Eine Fahrplanskizze enthält die Untersuchung für die Strecke nördlich Sande nur für die “bislang geplante Zielinfrastruktur”. Diese weist maximal drei Fahrplantrassen in der Stunde für den Schienengüterverkehr aus, woraus sich in den 16 Tagesstunden maximal 48 Trassen ergeben. Es spricht alles dafür, dass die “Trassenverzehre” auch hier zu berücksichtigen sind. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich der Leerfahrten und der schweren Güterzüge, wohl aber auch für die Synchronisation mit dem Schienenpersonennahverkehr. Dann bedürfte es näherer Darlegung, warum – wenn entgegen den Annahmen in der Fahrplanskizze der Zielausbau noch nicht erreicht sein sollte – mit 30 Trassen eine im Vergleich zu 34 lediglich unwesentlich geringere Zahl angesetzt wird.
Rz. 52
bb) Für die Prüfung der Frage, ob bei Ausnutzung der insoweit limitierenden Kapazität die grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwellen eingehalten werden, sind zur Bestimmung der Lärmimmissionen die Vorgaben der 16. BImSchV zur Berechnung der maßgeblichen Beurteilungspegel und damit auch der auf der Grundlage des § 43 Abs. 1 Satz 2 BImSchG a.F. erlassene so genannte Schienenbonus (Korrektursummand S… von minus 5 dB(A) zur Berücksichtigung der geringeren Störwirkung des Schienenverkehrslärms in der Anlage 2 zu § 3; siehe dazu zuletzt Urteil vom 21. Dezember 2010 – BVerwG 7 A 14.09 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 51 ff.) zu berücksichtigen.
Rz. 53
Der unmittelbare Anwendungsbereich der 16. BImSchV ist hier zwar nicht eröffnet. Es geht jedoch in der Sache um die Bewältigung eines Teilausschnitts derselben Problemlage, nämlich der Auswirkungen des Schienenlärms auf die menschliche Gesundheit, so dass eine unterschiedliche Handhabung von Berechnungsmethoden nicht überzeugen kann (siehe auch Urteil vom 15. Dezember 2011 – BVerwG 7 A 11.10 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 59 Rn. 31). Die 16. BImSchV geht nicht nur davon aus, dass eine Gesundheitsgefahr nicht eintritt, solange die Immissionsgrenzwerte des § 2 eingehalten werden. Vielmehr gilt Gleiches, solange eine vorhandene Lärmvorbelastung sich nicht im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 relevant erhöht (Urteil vom 3. März 1999 – BVerwG 11 A 9.97 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 26 S. 27). Lärmschutzansprüche werden hier erst gewährt, wenn die unter Anwendung des Schienenbonus ermittelte Schwelle von 60 dB(A) bzw. 70 dB(A) erreicht ist. Eine auf die Übergangszeit bezogene Ergänzung des Lärmschutzkonzepts muss sich hieran orientieren, um ein stimmiges Gesamtbild zu erreichen. So kann nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV der Anlieger einer wesentlich geänderten Eisenbahnstrecke, der bei einer Erhöhung des Beurteilungspegels um weniger als 3 dB(A) einem Lärmpegel von 59 dB(A) nachts ausgesetzt ist – ohne Berücksichtigung des Schienenbonus entspricht dies einem Wert von 64 dB(A) –, Schutzmaßnahmen nicht beanspruchen. Angesichts dessen wäre es nicht überzeugend, wenn der von den Fernwirkungen einer Änderung betroffene Anlieger eines nicht geänderten Streckenteils schon bei einer im Vergleich dazu – ohne Schienenbonus ermittelten – geringeren Lärmbelastung von 63 dB(A) einen, wenn auch nur auf eine Lärmsanierung gerichteten, Schutzanspruch sollte geltend machen können.
Rz. 54
cc) Die Einhaltung der grundrechtlich veranlassten Schwellenwerte, die in die Abwägung einzustellen ist, kann – ebenso wie beim endgültigen Lärmschutzkonzept – durch Maßnahmen des aktiven Schallschutzes, d.h. solchen an der Lärmquelle bzw. am Übertragungsweg, erreicht werden. Baumaßnahmen an der Strecke, insbesondere temporäre Lärmschutzwände, dürften jedoch in aller Regel ausscheiden.
Rz. 55
Als weitere Maßnahme zur Reduzierung des Schienenlärms kommt auch die Festlegung von Betriebsregelungen im Planfeststellungsbeschluss in Betracht. Gegenstand der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nach § 18 Satz 1 AEG ist zwar nur der Bau und die Änderung von Eisenbahnbetriebsanlagen. Das schließt es aber nicht aus, dass aus Anlass einer “Bauplanfeststellung” zur Bewältigung der vom Vorhaben und dessen betriebsbedingten Auswirkungen aufgeworfenen Konflikte auch betriebsregelnde Anordnungen wie Nutzungsbeschränkungen – die durch die Deckelung auf die plangegebene Vorbelastung im Planfeststellungsbeschluss in der Sache ohnehin bereits verfügt worden sind – oder Geschwindigkeitsbegrenzungen getroffen werden (vgl. Krappel, DVBl 2012, 674 ≪676≫ sowie zu § 41 BImSchG insbes. Jarass, BImSchG, 10. Aufl. 2013, § 41 Rn. 59 und Reese, in: BeckOK BImSchG, § 41 Rn. 34.1). Inwieweit solchen Regelungen, wenn sie auf Dauer vorgesehen sind, die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Schienenwegs entgegengehalten werden kann (siehe dazu Krappel, a.a.O. S. 677 f.), bedarf hier keiner Entscheidung. Bei einem Lärmschutz für eine Übergangszeit kann ein Vorrang der üblichen Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes jedenfalls nicht durchgreifen.
Rz. 56
Auch die unionsrechtlich vorgegebenen regulierungsrechtlichen Bestimmungen über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur stehen der Festsetzung von Betriebsregelungen nicht entgegen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG, der der Umsetzung der von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (ABl EG Nr. L 75, S. 29), nunmehr Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung) (ABl EU Nr. L 343, S. 32) dient (Urteil vom 29. September 2011 – BVerwG 6 C 17.10 – BVerwGE 140, 359 Rn. 22 f. = Buchholz 442.09 § 14e AEG Nr. 1), sind die Eisenbahninfrastrukturunternehmen verpflichtet, die diskriminierungsfreie Benutzung der von ihnen betriebenen Eisenbahninfrastruktur zu gewähren. Der Zugangsanspruch kann jedoch nur in den Grenzen der zulässigerweise eröffneten Kapazität geltend gemacht werden. Insoweit sind auch solche Beschränkungen vorgegeben, die dem Infrastrukturunternehmen in der Zulassungsentscheidung auferlegt werden. Die Frage, wie flächendeckende Kapazitätsbeschränkungen zu beurteilen wären, stellt sich hier nicht.
Rz. 57
Die Beklagte ist allerdings nicht auf Maßnahmen des aktiven Schallschutzes beschränkt. Bei der Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen steht dem Eisenbahn-Bundesamt ein Gestaltungsspielraum zu. Im Rahmen ihrer Abwägung kann es sich auch dafür entscheiden, einen entsprechenden Schutz im Wege des passiven Lärmschutzes zu erreichen, der sich auf abgeschlossene Räume bezieht.
Rz. 58
Die Gewährung passiven Lärmschutzes ist in dieser Situation nicht an den Vorgaben der Vierundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung – 24. BImSchV) vom 4. Februar 1997 (BGBl I S. 172, ber. S. 1253) auszurichten. Dies ist schon deswegen nicht geboten, weil diese Regelungen sich nach § 1 auf die Bestimmungen der 16. BImSchV und die darin festgelegten Immissionsgrenzwerte beziehen und deswegen auf die Gewährleistung von Innenraumpegeln abzielen, die die Lärmvorsorge garantieren. Ein solcher Lärmschutz wäre gemessen an dem Ziel der Einhaltung der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle während einer Übergangszeit letztlich überschießend. Im Grundsatz reicht es demgegenüber aus, die Schalldämmung der Räume jeweils so zu erhöhen, dass der Wert, um den der maßgebliche Beurteilungspegel die Zumutbarkeitsschwelle überschreitet, kompensiert wird. In der Praxis dürfte dies näherungsweise darauf hinauslaufen, dass bei einer Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle um 5 dB(A) ein Schallschutzfenster der gegenüber dem Bestand nächst höheren Schallschutzklasse dem rechtlich gebotenen Schutzanspruch genügt (vgl. Bracher, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Umweltrecht Besonderer Teil, 24. BImSchV, § 3 Rn. 3). Hierfür wäre dann eine finanzielle Entschädigung zu leisten. Falls der Lärmbetroffene selbst weitergehenden Schutz erreichen will und insofern einen besseren Lärmschutzstandard begehrt, wäre die Kostendifferenz zu erstatten.
Rz. 59
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass es um den Lärmschutz für eine Übergangszeit bis zur Realisierung der Ausbauplanung im betroffenen Abschnitt geht und deswegen in absehbarer Zeit die Umsetzung eines endgültigen Lärmschutzkonzepts ansteht. Deshalb ist es angezeigt zur Vermeidung einer reinen Übergangslösung, die für die Beigeladene mit nach Ablauf dieser Zeit nutzlosen finanziellen Aufwendungen und für die Betroffenen mit wiederholten Unannehmlichkeiten durch Umbaumaßnahmen verbunden sein kann, bereits dieses zukünftige Lärmschutzkonzept – zumindest in seinen großen Zügen – in die Überlegungen mit einzubeziehen. Dabei kann das dem im Erörterungstermin vom 5. Juli 2012 geschlossenen Vergleich zugrunde gelegte Vorgehen im Wege eines “vorgezogenen passiven Lärmschutzes” vielfach zu angemessenen Ergebnissen führen. Insoweit sind, auch wenn das unterstellte Lärmschutzkonzept gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG vorrangig auf Maßnahmen des aktiven Schallschutzes in Gestalt von Lärmschutzwänden beruht, im Wesentlichen drei Fallkonstellationen zu unterscheiden. Bei Schutzfällen, die von den Lärmschutzwänden nicht geschützt werden und denen allein passiver Schallschutz zugebilligt wird, ist durch das Vorziehen dieses Schutzes dem Anliegen des interimistischen Lärmschutzes auf jeden Fall genügt. Falls der endgültige Schallschutz durch eine Kombination von aktivem und passivem Schallschutz gewährt werden soll, ist zu prüfen, ob das Maß der vorgesehenen Dämmung ausreicht, um die Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle auszugleichen. Falls dies nicht zutrifft, ist das Schalldämm-Maß entsprechend zu erhöhen. Schließlich ist in Fallgestaltungen, in denen im künftigen Schutzkonzept ein Schutzfall allein durch Maßnahmen des aktiven Schallschutzes bewältigt werden soll und somit ein vorzuziehender passiver Lärmschutz nicht ausgewiesen ist, über das Maß des nunmehr gebotenen passiven Lärmschutzes unter Beachtung der oben skizzierten Vorgaben zu entscheiden.
Rz. 60
dd) Den vorstehenden Anforderungen werden die Planfeststellungsbeschlüsse auch in der durch die Protokollerklärung geänderten Fassung nicht gerecht. Zwar werden darin Entschädigungsansprüche für Maßnahmen des passiven Schallschutzes in einem von Rechts wegen nicht zu beanstandenden Umfang festgesetzt. Die Erfordernisse der erforderlichen Abwägung werden aber jedenfalls deswegen verfehlt, weil das Eisenbahn-Bundesamt sich mit den von den Klägern begehrten Maßnahmen des aktiven Schallschutzes nicht in der gebotenen Weise auseinandersetzt.
Rz. 61
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO und § 100 Abs. 1 und 2 ZPO.
Unterschriften
Dr. Nolte, Krauß, Dr. Philipp, Guttenberger, Brandt
Fundstellen