Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereitschaftsdienst. Erschwerniszulage. Dienst zu ungünstigen Zeiten. Bundespolizei. Seestreifen. Seewache. Freiwache. wache Aufmerksamkeit. Ruhephasen. Häufigkeit einer dienstlichen Inanspruchnahme. typisierende Betrachtungsweise. volle Berücksichtigungsfähigkeit des Bereitschaftsdienstes. Ausgleich der Erschwernis auf andere Weise. Mehrarbeitsausgleich
Leitsatz (amtlich)
Bereitschaftsdienst ist die Pflicht, sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort zu einem jederzeitigen Einsatz bereitzuhalten, wenn erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist.
Bereitschaftsdienst im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 der Erschwerniszulagenverordnung ist wie Volldienst zulagefähig.
(wie Urteil vom heutigen Tag – BVerwG 2 C 90.07)
Normenkette
Richtlinie 2003/88/EG Art. 2; BBG § 72 Abs. 3; EZulV § 3 Abs. 3, §§ 5-6; AZV § 2 Nr. 12
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 19.07.2007; Aktenzeichen 3 LB 15/06) |
VG Schleswig-Holstein (Urteil vom 27.06.2006; Aktenzeichen 16 A 28/05) |
Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2007 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Erschwerniszulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten.
Er ist Polizeihauptmeister im Dienst der Beklagten. Zu seinen Aufgaben gehören Streifenfahrten auf der Ostsee, bei denen sich die Polizeiboote mit einer Besatzung von 14 Polizeivollzugsbeamten regelmäßig fünf Tage auf See befinden. Der Dienst an Bord wird im Zweiwachenbetrieb derart durchgeführt, dass für jede Hälfte der Besatzung mit Ausnahme des Kommandanten und des Kochs im Regelfall auf sechs Stunden Seewache sechs Stunden sog. Freiwache folgen, die grundsätzlich der Ruhe und Erholung dienen soll. Während der Freiwachen werden die Besatzungsmitglieder anlassbezogen in einem bislang nicht näher ermittelten Umfang zu Dienstleistungen auf dem Polizeiboot herangezogen. Für jeweils 24 Stunden Streifenfahrt werden 17 Stunden als Arbeitszeit angerechnet, und zwar zwölf Stunden als regelmäßige Arbeitszeit, drei Stunden als pauschalierter Ausgleich für anlassbezogene Mehrarbeit und zusätzlich zwei Stunden als pauschale Dienstbefreiung aus Fürsorgegründen. Der Kläger erhält wegen der Verwendung auf See eine Stellenzulage für Tätigkeiten im Marinebereich und eine Bordzulage. Bis März 2004 entsprach es zudem der Praxis der Beklagten, für Dienst zu ungünstigen Zeiten während der Streifenfahrten, also auch für Zeiten der Freiwachen, eine Erschwerniszulage nach § 3 der Erschwerniszulagenverordnung zu gewähren.
Mit Forderungsnachweisen für die Monate Mai und Juni 2004 beantragte der Kläger für Dienst zu ungünstigen Zeiten während der Streifenfahrten (See- und Freiwachen) die Gewährung einer Erschwerniszulage. In den Forderungsnachweisen war wie in früheren Anträgen jeweils pauschal ganztägig “Ostseestreife” eingetragen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. August 2004 ab. Die Erschwerniszulage solle nur tatsächliche Erschwernisse abgelten. Die Freiwachen seien deshalb nur zulagefähig, soweit der Kläger zu Dienstleistungen herangezogen worden sei. Da sich dies aus den Forderungsnachweisen nicht ergebe, sei eine Abrechnung nicht möglich. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2005 zurück. Die Zeiten der Freiwachen seien nicht als Bereitschaftsdienst zulagefähig. Jedenfalls könne nur eine tatsächliche Dienstausübung während eines Bereitschaftsdienstes einen Anspruch auf die Zulage begründen.
Auf die Klage hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 27. Juni 2006 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Erschwerniszulage für die zu ungünstigen Zeiten geleisteten Freiwachen in den Monaten Mai und Juni 2004 zu gewähren, nachdem die Beklagte die Zeiten der Seewachen als zulagefähig anerkannt und die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Dem Kläger stehe die beantragte Erschwerniszulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten zu. Bereitschaftsdienst, der zu ungünstigen Zeiten geleistet werde, sei danach voll zu berücksichtigen. Bei den Freiwachen handele es sich um Bereitschaftsdienst und Arbeitszeit im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Zwar sei die überwiegende Zeit einer Streifenfahrt mit einer Wache zu bewältigen. Bei polizeilichen Maßnahmen werde aber auf die Besatzungsmitglieder in der Freiwache zurückgegriffen. Diese Einsätze seien möglicherweise nicht häufig, aber doch regelmäßig und zählten zu den polizeilichen Aufgaben an Bord. Anders als routinemäßige Bordmanöver handele es sich um nicht vorhersehbare, zum Streifendienst gehörende Einsätze.
Mit der Berufung gegen dieses Urteil hat die Beklagte im Wesentlichen geltend gemacht: Die Freiwachen seien kein Bereitschaftsdienst. Der Kläger halte sich in dieser Zeit nicht an Bord auf, um jederzeit seine Arbeitsleistung erbringen zu können, sondern weil ein Verlassen des Schiffes einsatzbedingt nicht möglich sei. Die Maritime Einsatzkonzeption sehe eine durchschnittliche Streifendauer von fünf Tagen vor. Die Beamten in der Freiwache seien nach den Vorgaben für den Dienstbetrieb grundsätzlich nicht in Anspruch zu nehmen. Ihr Einsatz sei nur in besonderen Ausnahmesituationen vorgesehen und müsse im Logbuch mit Begründung nachgewiesen werden. Eine Heranziehung von Freiwachen zu Schiffskontrollen erfolge im Durchschnitt 0,37 mal pro Streifentag bei rund 57 jährlichen Streifentagen. Darüber hinaus komme es aus Gründen des Schiffsbetriebs bei Routinemanövern zu einer durchschnittlichen Inanspruchnahme von acht Minuten pro Streifentag und Freiwache. Für diese Fälle werde die pauschalierte Mehrarbeit gewährt. Selbst wenn es sich bei den Freiwachen um Bereitschaftsdienst handeln sollte, bestehe die Zulageberechtigung nur, soweit während dieser Zeiten tatsächlich Dienst ausgeübt werde.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren die tatsächlichen Angaben der Beklagten zu der Häufigkeit und Intensität von Einsätzen während der Freiwachen im Wesentlichen bestritten und geltend gemacht, dass bei größeren Aufgaben wie etwa dem Aufstoppen und der Kontrolle von Berufsschiffen und anderen Einsätzen Beamte der Freiwache hinzugezogen würden. Im Übrigen handele es sich schon deshalb um Bereitschaftsdienst, weil die Anwesenheit der vollständigen Besatzung zwingend erforderlich sei; andernfalls dürfe das Schiff nicht auslaufen. Die Reduzierung der Streifenboote und der Besatzungsstärke habe dazu geführt, dass praktisch ein Dienst “rund um die Uhr” geleistet werden müsse. Eine Gleichsetzung der Freiwachen mit Freizeit sei vor diesem Hintergrund unhaltbar.
Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung der Beklagten mit Urteil vom 19. Juli 2007 stattgegeben und die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger während der Freiwachen tatsächlich Dienst geleistet habe, stelle die Beklagte die Zulagenberechtigung nicht in Frage, wenn der Dienst ordnungsgemäß nachgewiesen werde, woran es bislang allerdings fehle. Für die übrigen Zeiten der Freiwachen stehe dem Kläger eine Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten nicht zu. Es handele sich nicht um Bereitschaftsdienst im Sinne der Erschwerniszulagenverordnung, weil von dem Kläger keine wache Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung gefordert werde. Die Freiwachen dienten der Erholung und Freizeitgestaltung. Die Beamten würden in dieser Zeit nur ausnahmsweise zu besonderen Manövern herangezogen. Unabhängig davon seien auch bei einem Bereitschaftsdienst nur die Zeiten einer tatsächlichen Dienstausübung zulagefähig.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2007 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 27. Juni 2006 zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Berufungsurteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses tritt der Revision ebenfalls entgegen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht, weil es einen zu engen Begriff des Bereitschaftsdienstes zugrunde legt. Ob die Freiwachen als Bereitschaftsdienst einzuordnen sind, lässt sich auf der bislang ermittelten Tatsachengrundlage nicht feststellen. Das zwingt zur Zurückverweisung; denn das Urteil erweist sich nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig.
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist für den hier in Rede stehenden Zeitraum die Verordnung über die Gewährung von Erschwerniszulagen – EZulV – in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (BGBl I S. 3497), insoweit zuletzt geändert durch das Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798). Nach § 3 Abs. 1 EZulV erhalten Empfänger von Dienstbezügen in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern für Dienst zu bestimmten, in § 3 Abs. 2 EZulV näher bezeichneten (ungünstigen) Zeiten eine Zulage, wenn sie mit mehr als fünf Stunden im Kalendermonat zum Dienst zu ungünstigen Zeiten herangezogen werden. Zulagefähig sind nach § 3 Abs. 3 Satz 1 EZulV nur Zeiten einer tatsächlichen Dienstausübung; Bereitschaftsdienst, der zu ungünstigen Zeiten geleistet wird, ist voll zu berücksichtigen. Wachdienst ist nur zulagefähig, wenn er mit mehr als 24 Stunden im Kalendermonat zu ungünstigen Zeiten geleistet wird (§ 3 Abs. 3 Satz 2 EZulV). Zum Dienst zu ungünstigen Zeiten gehört nicht die Rufbereitschaft. Rufbereitschaft ist das Bereithalten des hierzu Verpflichteten in seiner Häuslichkeit oder das Bereithalten an einem von ihm anzuzeigenden und dienstlich genehmigten Ort seiner Wahl, um bei Bedarf zu Dienstleistungen sofort abgerufen werden zu können. Beim Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft gilt als Häuslichkeit die Gemeinschaftsunterkunft (§ 3 Abs. 4 und 5 EZulV).
1. Maßgeblich ist danach der Begriff des Bereitschaftsdienstes und seine Abgrenzung insbesondere von der Rufbereitschaft und der Freizeit. Die Erschwerniszulagenverordnung enthält keine eigenständige Definition. Soweit sie Rechtsfolgen an einzelne Formen der Dienstausübung wie etwa den Bereitschaftsdienst knüpft, nimmt sie Bezug auf das allgemeine arbeitszeitrechtliche Verständnis dieses Begriffs im Beamtenrecht.
Das Berufungsgericht hat angenommen, Bereitschaftsdienst erfordere stets eine wache Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung. Dieses Verständnis des Bereitschaftsdienstes ist zu eng und entspricht nicht der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach kommt es für die Abgrenzung des Bereitschaftsdienstes insbesondere von der Rufbereitschaft in ständiger Rechtsprechung allein darauf an, ob der Beamte sich an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat, wenn erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist (Urteile vom 25. Oktober 1979 – BVerwG 2 C 7.78 – BVerwGE 59, 45 ≪47≫, vom 12. Dezember 1979 – BVerwG 6 C 96.78 – BVerwGE 59, 176 ≪181≫ = Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 17, vom 9. Mai 1985 – BVerwG 2 C 20.82 – Buchholz 235 § 48 BBesG Nr. 6, vom 29. Januar 1987 – BVerwG 2 C 14.85 – Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 28, vom 21. März 1996 – BVerwG 2 C 24.95 – Buchholz 240.1 BBesO Nr. 17 und vom 29. April 2004 – BVerwG 2 C 9.03 – Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 8). Demgemäß ist der erkennende Senat schon bisher davon ausgegangen, dass ein Bereitschaftsdienst auch Ruhephasen einschließen kann (Urteil vom 29. April 2004 a.a.O. S. 3; s. ferner Urteil vom 9. Mai 1985 a.a.O. zum Bereitschaftsdienst einer Krankenhausärztin; Urteil vom 29. Januar 1987 a.a.O. zu den Flugzeiten des Schutz- und Begleitdienstes für Regierungsmitglieder).
Das Arbeitszeitrecht der Beamten bestätigt dieses Verständnis des Bereitschaftsdienstes. § 2 Nr. 12 der Arbeitszeitverordnung vom 23. Februar 2006 (BGBl I S. 427) definiert den Bereitschaftsdienst als die Pflicht, sich, ohne ständig zur Dienstleistung verpflichtet zu sein, an einer vom Dienstherrn bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall den Dienst aufzunehmen, wenn dabei Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Diese Begriffsbestimmung ist zwar erstmals in die vorgenannte Fassung der Arbeitszeitverordnung aufgenommen worden, die im hier streitigen Zeitraum noch nicht galt. Der Verordnungsgeber hat den Begriff des Bereitschaftsdienstes aber nicht neu bestimmt, sondern lediglich normiert, was schon zuvor dem Stand der Rechtsprechung entsprach.
Dieses Verständnis entspricht den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zur Arbeitszeitgestaltung. Ob der Einsatz des Klägers während der Seestreifen dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 (ABl Nr. L 299 S. 9) unterfällt, bedarf deshalb keiner Vertiefung. Die Annahme des Berufungsgerichts, jene Vorgaben spielten hier von vornherein keine Rolle, weil sich daraus keine besoldungsrechtlichen Konsequenzen ergäben, greift jedenfalls zu kurz. Richtig ist, dass die gemeinschaftsrechtlich gebotene Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes in die Arbeitszeit (vgl. nur EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 Rs. C-52/04; Urteil vom 9. September 2003 Rs. C-151/02) nur arbeitszeitrechtliche Bedeutung hat und keine besoldungsrechtlichen Ansprüche vermittelt (Urteil vom 29. April 2004 a.a.O.; Beschluss vom 3. Januar 2005 – BVerwG 2 B 57.04 – Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 10; EuGH, Beschluss vom 11. Januar 2007 Rs. C-437/05). Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten durch die gemeinschaftsrechtlich gebotene Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes in die Arbeitszeit nicht gehindert sind, besoldungsrechtlich diesen Dienst anders zu behandeln als Volldienst. Ein Übergriff des Gemeinschaftsrechts auf das Besoldungsrecht ist ausgeschlossen. Deshalb kann der nationale Gesetzgeber etwa die Mehrarbeitsvergütung für Bereitschaftsdienst niedriger ansetzen als für Volldienst (Urteil vom 29. April 2004 a.a.O.). Hier geht es indes zunächst darum, ob überhaupt Bereitschaftsdienst vorliegt und nicht darum, ob durch eine nationale Vergütungsregelung an einen solchen Dienst auch in Bezug auf Erschwerniszulagen andere Folgen geknüpft werden dürften als an einen Volldienst. Eine andere Betrachtungsweise wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Verordnungsgeber in § 3 Abs. 3 Satz 1 EZulV einen spezifisch zulagerechtlichen Begriff des Bereitschaftsdienstes verwendet hätte. Das ist jedoch ersichtlich nicht der Fall. Die Erschwerniszulagenverordnung knüpft an den allgemeinen arbeitszeitrechtlichen Begriff des Bereitschaftsdienstes im Beamtenrecht an.
2. Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass der Aufenthalt an Bord, d.h. im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn, während der Zeiten der Freiwachen nicht ausdrücklich als Einsatzbereitschaft angeordnet wird. Vielmehr sind diese Zeiten vorwiegend der Erholung vom Dienst während der Zeiten der Seewachen zu dienen bestimmt. Ungeachtet dessen stehen die Beamten für eine jederzeitige dienstliche Inanspruchnahme zur Verfügung, weil sie den dienstlichen Bereich nicht verlassen und sich aus diesem Grund dem Zugriff des Dienstherrn nicht entziehen können. Daher stellen die Zeiten der Freiwachen Bereitschaftsdienst dar, wenn dienstliche Einsätze der Beamten während dieser Zeiten zur Wahrnehmung regelmäßig anfallender dienstlicher Aufgaben unabdingbar oder doch vom Dienstherrn eingeplant sind. Dies beurteilt sich nach der Art der Aufgaben und der organisatorischen Gestaltung des Dienstbetriebs an Bord. Es kommt deshalb maßgeblich auf die im Regelfall zu erwartende Häufigkeit der dienstlichen Inanspruchnahme während der Freiwachen an. Danach entscheidet sich, ob während dieser Zeiten typischerweise mit nennenswerten Einsätzen zu rechnen ist, die den Freiwachen das Gepräge eines Bereithaltens für einen jederzeit möglichen Einsatz geben, oder ob sich diese Zeiten bei wertender Betrachtung als Freizeit oder eine Form der Rufbereitschaft darstellen, die allenfalls sporadisch von Einsätzen unterbrochen wird.
3. Dies lässt sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nicht beurteilen. So hat das Berufungsgericht im Gegensatz zum Verwaltungsgericht etwa ohne eigene Tatsachenfeststellungen auf der Grundlage des Beklagtenvortrags angenommen, polizeiliche Einsätze erfolgten nur ausnahmsweise. Die Ausgestaltung der Freiwachen und die Belastung der Beamten in dieser Zeit standen nach dem Prozessstoff des Berufungsgerichts nicht fest. Die Angaben der Beklagten waren im Einzelnen bestritten worden. Wenn die tatsächlichen Umstände streitig und unklar sind, müssen sie vom Gericht festgestellt werden.
Das Berufungsgericht wird deshalb die tatsächlichen Umstände weiter aufzuklären haben. Dies gilt zum einen für die Rahmenbedingungen der Seestreifen. Die Beklagte hat wiederholt auf ihre Maritime Einsatzkonzeption (MAREK) und weitere innerdienstliche Anweisungen verwiesen, die bislang nicht aktenkundig sind. Zum anderen sind die näheren Umstände an Bord während der Freiwachen aufzuklären. Es wird festzustellen sein, ob die tatsächlichen dienstlichen Inanspruchnahmen während der Freiwachen mit den generellen dienstlichen Vorgaben in Einklang stehen oder darüber hinausgehen.
Die Beklagte hat bereits in den Vorinstanzen angegeben und im Revisionsverfahren wiederholt, dass der Kommandant verpflichtet sei, Einsätze der Freiwache im Logbuch zu vermerken. Von dieser nahe liegenden Möglichkeit einer weiteren Sachaufklärung ist bislang kein Gebrauch gemacht worden. Danach und gegebenenfalls aufgrund weiterer Tatsachenermittlung ist zu beurteilen, ob die Beamten während einer Freiwache in nennenswertem Umfang mit dienstlichen Einsätzen rechnen müssen. Wie bei jedem Bereitschaftsdienst kommt es für die rechtliche Wertung nicht darauf an, ob es in jeder einzelnen Freiwachezeit, für die Ansprüche geltend gemacht werden, zu tatsächlichen Einsätzen gekommen ist, sondern darauf, ob nach den üblichen Umständen mit solchen Einsätzen erfahrungsgemäß zu rechnen ist. Es reicht deshalb aus, die tatsächlichen Ermittlungen auf einen überschaubaren, repräsentativen Zeitraum zu beschränken, der eine typisierende Gesamtbetrachtung ermöglicht. Sollte sich herausstellen, dass diese Polizeieinsätze im Regelfall einen Rückgriff auf die sechs Beamten in der Freiwache erfordern, sind diese Zeiten als Bereitschaftsdienst zu werten.
4. Die weitere Sachaufklärung ist entscheidungserheblich. Die Klage ist nicht aus anderen Gründen entscheidungsreif.
a) Der Anspruch auf eine Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten entfällt nicht deshalb, weil der Kläger bereits eine Stellenzulage nach Nr. 9a der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B des Bundesbesoldungsgesetzes (Marinezulage) und eine Zulage nach § 23b EZulV (Bordzulage) erhält. Die Konkurrenzen ergeben sich aus § 5 EZulV. Nach Absatz 1 der Vorschrift schließt die Gewährung der Marinezulage die Gewährung der Erschwerniszulage nach § 3 Abs. 3 EZulV nicht aus, weil die Marinezulage in dem dortigen Katalog nicht aufgeführt ist. Der Katalog ist abschließend. Der Verordnungsgeber hat mit Änderungsverordnung vom 17. Juni 1998 (BGBl I S. 1378) das Wort “insbesondere” aus dem Normtext des § 5 Abs. 1 EZulV gestrichen, um den abschließenden Charakter der Vorschrift zu betonen (BRDrucks 187/98 S. 17). Dass die dem Kläger außerdem gewährte Bordzulage die Erschwerniszulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten nicht ausschließt, sondern lediglich zu einer Kürzung führt, folgt aus § 5 Abs. 2 EZulV.
b) Die Einordnung der Freiwachen als Bereitschaftsdienst ist auch nicht deshalb unerheblich, weil ohnehin nicht die gesamten Zeiten des Bereitschaftsdienstes, sondern nur die Zeiten eines tatsächlichen Einsatzes während der Freiwachen zulagefähig seien. Die dahin gehende ergänzende Argumentation des Berufungsgerichts trifft nicht zu. Es stützt sich auf § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EZulV, wonach nur Zeiten einer tatsächlichen Dienstausübung zulagefähig sind. Es berücksichtigt indes nicht hinreichend, dass nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 EZulV Bereitschaftsdienst, der zu ungünstigen Zeiten geleistet wird, voll zu berücksichtigen ist. Das bedeutet, dass Bereitschaftsdienst vom Verordnungsgeber einer tatsächlichen Dienstausübung gleichgesetzt wird. Er hat sich dafür entschieden, den Bereitschaftsdienst pauschalierend wie Volldienst als zulagefähig einzustufen. Die Wendung, dass nur Zeiten einer tatsächlichen Dienstausübung zulagefähig sind, kann ersichtlich nicht so verstanden werden, dass dadurch die von der Verordnung bestimmte volle Berücksichtigung des Bereitschaftsdienstes von vornherein eingeschränkt und ihrer Bedeutung entkleidet wird. Wäre die Ansicht des Berufungsgerichts richtig, wäre die Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes in die zulagefähigen Zeiten im Grunde bedeutungslos, weil Zeiten einer tatsächlichen Dienstausübung ohnehin zulagefähig sind. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass eine verbleibende Bedeutung der Regelung in einer bloßen Abgrenzung gegenüber der Berücksichtigungsschwelle für die Zulagefähigkeit des Wachdienstes nach § 3 Abs. 3 Satz 2 EZulV liege. Die Regelung über die volle Berücksichtigung des Bereitschaftsdienstes bestand bereits, als der Wachdienst noch insgesamt nicht zulagefähig war (vgl. die Verordnung zur vorläufigen Regelung der Erschwerniszulagen vom 19. Dezember 1973, BGBl I S. 1947). Die Zulagefähigkeit des Wachdienstes hat der Verordnungsgeber erst mit der Änderungsverordnung vom 20. März 1990 (BGBl I S. 551) in die Erschwerniszulagenverordnung eingefügt. Sie kann deshalb kein Argument für das vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Verständnis der bereits zuvor bestehenden Regelung über die volle Berücksichtigung des Bereitschaftsdienstes liefern.
Die Begründungen des Verordnungsgebers bestätigen zusätzlich, dass § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EZulV sich nicht auf den Bereitschaftsdienst bezieht. Bereits die zur Vereinheitlichung des Erschwerniszulagewesens in Bund und Ländern erlassene Verordnung vom 19. Dezember 1973 (a.a.O.) enthielt eine vergleichbare Bestimmung. Dort war geregelt, dass zulagefähig nur solche Zeiten sind, die als Arbeitszeit (Dienst) berücksichtigt werden, und dass Zeiten eines Dienstes in Bereitschaft voll zu berücksichtigen sind (§ 4 Abs. 2 Satz 1 der vg. Verordnung). Die Regelung beruhte ausweislich ihrer Begründung auf der Erwägung, dass eine Fortzahlungsregelung bei Unterbrechungsfällen wie etwa Krankheit oder Erholungsurlaub, die bis dahin für den Bereich des Bundes bestand, mit dem Sinn und Zweck der Erschwerniszulagen nicht vereinbar sei (BRDrucks 669/73 S. 4). Ausgeschlossen werden sollten also gerade nicht der Bereitschaftsdienst, sondern nur solche Zeiten, in denen zwar ein Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts besteht, aber nicht gearbeitet wird. Diese Regelung hat der Verordnungsgeber durch § 3 Abs. 3 Satz 1 EZulV in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Gewährung von Erschwerniszulagen vom 25. Mai 1979 (BGBl I S. 603) inhaltlich fortgeführt und lediglich sprachlich dahin modifiziert, dass statt der “Zeiten, die als Arbeitszeit (Dienst) berücksichtigt werden”, nunmehr von “Zeiten einer tatsächlichen Dienstausübung” gesprochen wird. Die Formulierung soll (weiterhin) klarstellen, dass fiktive, d.h. nicht geleistete, sondern aus anderen Gründen gutgebrachte Arbeitszeiten nicht zulagefähig sind (BRDrucks 145/79 S. 4). Ein Ausschluss des Bereitschaftsdienstes wäre damit nicht vereinbar.
c) Die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung ist schließlich nicht mit Blick auf § 6 EZulV entbehrlich. Danach entfällt oder verringert sich die Zulage, soweit der Dienst zu ungünstigen Zeiten auf andere Weise als mit abgegolten oder ausgeglichen gilt. § 6 EZulV soll eine Doppelabgeltung vermeiden. Die Gewährung einer Erschwerniszulage für Dienst während der Freiwachen zusätzlich zu dem je 24 Stunden Streifenfahrt gewährten Freizeitausgleich von zwei Stunden wäre aber nur dann eine Doppelabgeltung, wenn während dieser Zeiten geleistete Dienste bereits durch die außerdem gewährte pauschale Mehrarbeitsvergütung von drei Stunden je 24 Stunden Streifenfahrt abgegolten wären. Dann stellte sich die Gewährung von weiteren zwei Stunden Freizeitausgleich als etwas Zusätzliches dar, das keine Mehrarbeit ausgliche, sondern darüber hinaus ginge. Ob dem so ist, kann ohne nähere Kenntnis des Umfangs der während der Freiwachen tatsächlich üblicherweise geleisteten Dienste nicht entschieden werden. Sollte sich herausstellen, dass die Inanspruchnahme während der Freiwachen ein Maß erreicht, dass zur Annahme von Bereitschaftsdienst führt, würde der gewährte Freizeitausgleich schon als solcher nicht ausreichen.
Unterschriften
Herbert, Prof. Dr. Kugele, Dr. Heitz, Thomsen, Buchheister
Fundstellen