Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer dem Erben des Beihilfeberechtigten zugeflossenen Beihilfe durch Leistungsbescheid. Rechtsweg für die dagegen gerichtete Klage. Vererblichkeit einer durch Bescheid festgesetzten und zur Auszahlung angewiesenen, aber erst nach dem Tod des Berechtigten dessen Konto gutgeschriebenen Beihilfe
Leitsatz (amtlich)
Eine gegenüber dem Beihilfeberechtigten zu dessen Lebzeiten durch Bescheid festgesetzte und zur Auszahlung angewiesene, seinem Konto aber erst nach dem Tode gutgeschriebene Beihilfe ist vererblich und fällt in den Nachlaß. Der Tod des Beihilfeberechtigten führt nicht zur Rechtswidrigkeit und damit zur Rücknehmbarkeit des Festsetzungsbescheids.
Normenkette
VwVfG § 48 Abs. 2; BhV Nr. 15
Verfahrensgang
VG Hannover (Urteil vom 16.09.1987; Aktenzeichen 7 VG A 108/85) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 16. September 1987 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Beklagte nimmt den Kläger als Alleinerben seiner Tante, der am 13. April 1984 verstorbenen Martha S., auf Rückzahlung einer ihr bewilligten Beihilfe in Anspruch.
Die Verstorbene war die Witwe eines früheren Beamten und damit versorgungs- und beihilfeberechtigt. Am 15. März 1984 ließ sie durch ihren Bruder eine Beihilfe für die Kosten ihrer Unterbringung in einem Pflegeheim beantragen. Mit Bescheid vom 26. März 1984 gewährte ihr der Beklagte eine Beihilfe in Höhe von 4.284 DM. Der Betrag wurde vom Beklagten am 11. April 1984 zur Zahlung angewiesen und am 17. April 1984 dem Konto der Verstorbenen gutgeschrieben.
Nachdem der Bruder der Beihilfeberechtigten dem Landesverwaltungsamt den Tod seiner Schwester mitgeteilt und seinen Sohn – den Kläger – als Erben benannt und die Höhe des Nachlasses mit 56.707 DM beziffert hatte, forderte der Beklagte vom Kläger mit Bescheid vom 27. März 1985 unter Aufhebung des Festsetzungsbescheides vom 26. März 1984 die der Beihilfeberechtigten gewährte Beihilfe in Höhe von 4.284 DM mit der Begründung zurück, im Zeitpunkt des Zahlungseingangs sei die Beihilfeleistung ohne Rechtsgrund erfolgt. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 1985 zurück.
Der Klage mit dem Antrag,
den Bescheid des Beklagten vom 27. März 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 1985 aufzuheben,
hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Der verstorbenen Beihilfeberechtigten habe zwar ein Anspruch auf Gewährung und Zahlung von 4.284 DM gegen den Beklagten zugestanden. Dieser Anspruch sei jedoch mit ihrem Tode nicht auf den Kläger übergegangen, da er höchstpersönlicher Natur und damit nicht vererblich sei. Die der Berechtigten zustehenden Beihilfeansprüche seien vielmehr mit ihrem Tode erloschen und demzufolge nicht in den Nachlaß gefallen. Der durch die Gutschrift auf dem (ererbten) Konto eingetretene Vermögenszuwachs sei mithin nicht in Erfüllung einer dem Kläger gegenüber obliegenden Verbindlichkeit und somit rechtsgrundlos erfolgt. Einer Aufhebung des Beihilfefestsetzungsbescheids habe es deshalb nicht bedurft. Gegenüber dem Rückgewähranspruch des Beklagten könne sich der Kläger nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Maßgeblich für die Frage der Entreicherung sei der Vergleich des Vermögensstandes vor und nach dem Eintritt des Erbfalls, so daß eine Entreicherung erst dann angenommen werden könne, wenn der durch die Erbschaft eingetretene Vermögenszuwachs aufgezehrt sei. Davon könne indes angesichts des Wertes des Nachlasses keine Rede sein. Im übrigen stehe einer Berufung auf den Wegfall der Bereicherung die entsprechende Anwendung des § 820 Abs. 1 BGB entgegen.
Obwohl damit dem Beklagten ein Rückforderungsanspruch gegenüber dem Kläger zustehe, seien die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und daher aufzuheben. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob der geltend gemachte Anspruch überhaupt öffentlich-rechtlicher Natur sei und mittels Leistungsbescheids durchgesetzt werden könne. Wenn der Beklagte das Recht in Anspruch nehme, zur Durchsetzung seiner Forderung einen Leistungsbescheid zu erlassen, müsse er jedenfalls die insoweit geltenden Rechtsvorschriften beachten und insbesondere prüfen, ob gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden könne. Da der Beklagte eine solche Entscheidung ausdrücklich nicht getroffen habe, sei der Rückforderungsbescheid als ermessensfehlerhaft aufzuheben.
Der Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht auf Antrag bzw. mit Zustimmung der Beteiligten zugelassene Sprungrevision eingelegt und beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 16. September 1987 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger tritt der Revision entgegen und beantragt,
sie zurückzuweisen.
Er verteidigt im wesentlichen das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 134 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zulässige (Sprung–)Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß für die vom Kläger erhobene Klage der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.
Der Beklagte hat sein Rückforderungsbegehren gegenüber dem Kläger durch Leistungsbescheid und damit durch Verwaltungsakt geltend gemacht und über dessen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid entschieden. Damit ist der Verwaltungsrechtsweg für die Klage gegeben. Ob der Beklagte berechtigt war, insoweit hoheitlich zu handeln, ist demgegenüber für die Frage des Rechtswegs ohne Belang (vgl. Urteil vom 23. Januar 1990 – BVerwG 8 C 37.88 – ≪zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung bestimmt≫).
Die zulässige Klage ist auch begründet. Dem Beklagten steht der gegenüber dem Kläger geltend gemachte Rückzahlungsanspruch nicht zu. Die der Beihilfeberechtigten durch Bescheid vom 26. März 1984 bewilligte und zur Zahlung angewiesene, aber erst nach ihrem Tod zur Auszahlung gelangte Beihilfe ist dem Kläger nicht rechtsgrundlos zugeflossen. Der Anspruch auf Gewährung der Beihilfe ist durch den Tod der Beihilfeberechtigten nicht erloschen, sondern gemäß § 1922 BGB auf den Kläger als Erben übergegangen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung den Beihilfeanspruch infolge seiner höchstpersönlichen Natur als nicht vererblich und demzufolge als nicht in den Nachlaß des verstorbenen Beihilfeberechtigten fallend angesehen (vgl. BVerwGE 16. 68 ≪69≫; 50, 292 ≪296 ff.≫; Urteile vom 13. Juni 1979 – BVerwG 6 C 59.78 – ZBR 1980, 65 ≪66≫ und vom 27. Mai 1982 – BVerwG 2 C 50.81 – ≪Buchholz 238.911 Nr. 15 BhV Nr. 3 = ZBR 1983, 106 = RiA 1983, 37 ≪38≫; ebenso BAGE 27, 152 ≪156 ff.≫). Begründet wurde diese Auffassung damit, daß die Beihilfevorschriften ihren Rechtsgrund in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn haben, die sich nur auf den Beamten und seine engeren Familienangehörigen, nicht aber notwendigerweise auf die Erben erstreckt, die diesem Personenkreis nicht angehören müssen (BVerwGE 50, 292 ≪299≫). In seiner neueren Rechtsprechung hat der erkennende Senat die Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Beihilfe dahin präzisiert, daß der Dienstherr durch sie die Alimentation durch die Dienstbezüge ergänzt, mit denen zur angemessenen Eigenvorsorge des Beamten ein Durchschnittssatz der zu erwartenden Krankheitsaufwendungen zur Verfügung gestellt wird, und daß der Gesetzgeber bei der Regelung der Besoldung und Versorgung diese ergänzende Hilfeleistung des Dienstherrn voraussetzt (vgl. insoweit BVerwGE 77. 331 ≪334≫; 79, 249 ≪252≫: Entscheidung vom 25. Juni 1987 – BVerwG 2 N 1.86 – ≪Buchholz 271 Nr. 2 = NJW 1987, 2948≫). Ob unter diesem Gesichtspunkt Bedenken dagegen bestehen, daß zwar etwaige rückständige Besoldungs- und Versorgungsbezüge auf den Erben des Beamten übergehen, der sie ergänzende Beihilfeanspruch dagegen grundsätzlich nicht, bedarf hier keiner Erörterung.
Die sich hier stellende Frage, ob der Grundsatz der Nichtvererblichkeit von Beihilfeansprüchen auch dann gilt, wenn die Behörde – wie im vorliegenden Fall – über einen Beihilfeantrag des Beihilfeberechtigten noch zu dessen Lebzeiten entschieden und den bewilligten Betrag zur Zahlung angewiesen hat, die Gutschrift auf dem Konto aber erst nach dem Tod des Berechtigten erfolgt, ist bisher in der Rechtsprechung ausdrücklich offengelassen worden (vgl. dazu BVerwGE 50, 292 ≪299≫). Sie ist zu verneinen. Durch die bescheidmäßige Festsetzung der beantragten Beihilfe wird zwischen dem Beihilfeberechtigten und dem Dienstherrn eine öffentlich-rechtliche Leistungsbeziehung begründet, in die der Erbe kraft Erbgangs eintritt. Der den Beihilfeanspruch konkretisierende Bescheid bildet insoweit einen rechtlich selbständigen Zahlungsgrund, der nachträglich nicht deswegen entfällt, weil der Berechtigte nach Zahlungsanweisung, aber vor Zahlungseingang stirbt. Das Ableben des Beihilfeberechtigten stellt – entgegen der Auffassung des Beklagten – keinen Umstand dar, der den Beihilfebescheid rechtswidrig und damit im Sinne des § 48 Abs. 2 VwVfG zurücknehmbar macht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Schwarz, Dr. Franke, Dr. Lemhöfer, Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller ist durch Urlaub an der Beifügung seiner Unterschrift verhindert. Dr. Schwarz, Dr. Maiwald
Fundstellen
Haufe-Index 1210894 |
DVBl. 1990, 885 |