Entscheidungsstichwort (Thema)
Beamter auf Probe: Entlassung ohne Mitwirkung des Personalrats. Entlassung eines Beamten auf Probe, verspäteter Antrag auf Mitwirkung des Personalrats. Personalrat, Mitwirkung bei Entlassung eines Beamten auf Probe bei verspätetem Antrag
Leitsatz (amtlich)
Die Entlassung eines Beamten auf Probe ist nicht wegen unterbliebener Mitwirkung des Personalrats rechtswidrig, wenn der Beamte nach der personalvertretungsrechtlich vorgeschriebenen vorherigen Unterrichtung über die beabsichtigte Maßnahme erst während des Widerspruchsverfahrens einen Antrag auf Mitwirkung stellt.
Normenkette
BBG § 31 Abs. 1 Nr. 2; BPersVG §§ 72, 78 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
OVG der Freien Hansestadt Bremen (Urteil vom 14.04.1986; Aktenzeichen 2 BA 44/85) |
VG Bremen (Entscheidung vom 07.10.1985; Aktenzeichen 4 A 144/84) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 14. April 1986 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist seit 1981 bei der Bundesanstalt für Flugsicherung Beamtin auf Probe in der Laufbahn des mittleren nichttechnischen Flugsicherungsbetriebsdienstes. Die Beklagte verlängerte die Probezeit der Klägerin bis zum 30. Juli 1983 mit der Begründung, daß deren gesundheitliche Eignung noch nicht hinreichend festgestellt werden könne. Das von der Beklagten um Erstattung eines Gutachtens gebetene Hauptgesundheitsamt – Beratungsstelle für Hörbehinderte – kam im Juli 1983 zu den Ergebnis, daß bei der Klägerin eine linksseitige mittel – bis hochgradige Hochton- Innenohrschwerhörigkeit bestehe.
Die Beklagte teilte der Klägerin unter dem 9. November 1983 mit, daß ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung beabsichtigt sei und gab ihr anheim, sich zu der beabsichtigten Maßnahme zu äußern. Ferner wies die Beklagte darauf hin; daß die Klägerin gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG das Recht habe, die Beteiligung der Personalvertretung zu beantragen. Falls bis zum 20. November 1983 kein entsprechender Antrag vorliege, gehe sie davon aus, daß keine Beteiligung gewünscht werde. Mit Schreiben vom 25. November 1983 verlängerte die Beklagte die Frist für einen Antrag gemäß, § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG unter Beifügung einer Kopie des vom Hauptgesundheitsamt im Juli 1983 erstatteten Gutachtens nochmals bis zum 12. Dezember 1983. Mit Schreiben vom 16. Dezember 1983 gab die Bundesanstalt der Klägerin auf Antrage verschiedene Hinweise auf Aktenvorgänge, die der Klägerin noch nicht überlassen worden waren. Gleichzeitig erklärte sie, nunmehr gehe sie davon aus, daß der Klägerin eine Stellungnahme zur Beteiligung der Personalvertretung möglich sei. Sofern ihr in den nächsten Tagen keine entsprechende Nachricht zugehe, nehme sie an, daß eine derartige Beteiligung gewünscht werde. Mit Schreiben vom 7. Februar 1984 nahm die Klägerin zu der beabsichtigten Entlassung im einzelnen Stellung, ohne eine Beteiligung des Personalrats zu beantragen.
Die Bundesanstalt entließ die Klägerin durch Verfügung vom 10. Februar 1984 wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung mit Ablauf des 31. März 1984 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe. Die Klägerin erhob Widerspruch und beantragte nunmehr, den Personalrat gemäß § 78 Abs. 2 BPersVG zu beteiligen. Die Bundesanstalt wies den Widerspruch zurück, u.a. auch mit der Begründung, die Klägerin habe ihr Recht, die Beteiligung des Personalrats zu beantragen, verwirkt.
Das Verwaltungsgericht hat der von der Klägerin erhobenen Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, im wesentlichen mit folgenden Gründen:
Die Klägerin habe noch im Widerspruchsverfahren wirksam den Antrag gestellt, den Personalrat bei ihrer Entlassung gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG zu beteiligen. Der Antrag unterliege keiner gesetzlichen Ausschlußfrist. Sie ergebe sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Mitwirkung des Personalrats. Der Antrag könne solange gestellt werden, als das Verfahren durch den Erlaß eines Widerspruchsbescheides noch nicht endgültig abgeschlossen sei. Die Klägerin habe ihr Recht, die Mitwirkung des Personalrats zu beantragen, nicht verwirkt.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom erkennenden Senat zugelassene Revision eingelegt und beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 14. April 1986 sowie das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. September 1985 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Revision rügt die Verletzung des § 78 Abs. 1 Nr. 4. Abs. 2 Satz 2 BPersVG, des § 31 VwVfG und des § 79 VwGO.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Rechtsgrundlage für die Entlassung der Klägerin ist § 31 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes – BBG –. Hiernach kann ein Beamter auf Probe wegen mangelnder Bewährung (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung) entlassen werden. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, die Entlassung der Klägerin sei schon deshalb rechtswidrig, weil der Personalrat nicht gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 des Bundespersonalvertretungsgesetzes – BPersVG – bei der Entlassung mitgewirkt habe.
Gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 BPersVG wirkt der Personalrat bei der Entlassung eines Beamten auf Probe nur auf Antrag mit. Dabei ist der Beschäftigte von der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig vorher in Kenntnis zu setzen. Diese gesetzlich vorgeschriebene Unterrichtung über die beabsichtigte Maßnahme soll den Beschäftigten nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung zu den nach dem Bundespersonalvertre tungsgesetz in seiner Entscheidungsfreiheit liegenden Entschluß veranlassen, ob die Personalvertretung in seiner Angelegenheit in einem Beteiligungsverfahren zwischen ihr und der Dienststelle vor der beabsichtigten Maßnahme gemäß § 72 BPersVG tätig werden soll, in dem nicht in erster Linie seine Individualinteressen, sondern vornehmlich das Wohl aller Beschäftigten und die Verhältnisse in der Dienststelle als Ganzes die Richtschnur des personalvertretungsrechtlichen Handelns darstellen, oder ob er zur Abwehr eines Eindringens in seine Persönlichkeitssphäre auf eine Einschaltung der Personalvertretung verzichten und deshalb den zum Schutz seiner individuellen Rechtsstellung einer Beteiligung der Personalvertretung vorgeschalteten Antrag nicht stellen will. Diesem Zweck wird nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats eine Unterrichtung nur dann gerecht, wenn der Beschäftigte klar erkennen kann, daß er die dargestellte Entscheidung über sein personalvertretungsrechtliches Antragsrecht nunmehr zu treffen hat. Diese Hinweiswirkung kann eine Unterrichtung auch ohne ausdrückliche Belehrung über das Antragsrecht entfalten, wenn dem Beschäftigten für seine Entschließung eine klare Grundlage geboten wird (vgl. hierzu im einzelnen BVerwGE 68, 197 ≪201 f.≫ mit weiteren Nachweisen). Dem Beschäftigten ist ferner eine angemessene Überlegungsfrist für seine Entscheidung einzuräumen.
Diesen Anforderungen an die Unterrichtung hat die Beklagte genügt. Sie hat die Klägerin ausdrücklich auf ihr Recht, gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG die Beteiligung des Personalrats zu beantragen, hingewiesen und erklärt, nach Fristablauf nehme sie an, daß eine Mitwirkung des Personalrats nicht gewünscht werde. Sie hat zudem die gesetzte Frist mehrfach verlängert. Auch wenn der Klägerin zunächst nicht alle Unterlagen zur Verfügung standen, so waren sie ihr doch schließlich vollständig zugänglich. Sie hat sodann ausführlich zu der beabsichtigten Entlassung Stellung genommen, ohne aber von ihrem Antragsrecht Gebrauch zu machen oder sich dieses jedenfalls vorzubehalten. Die Beklagte konnte damit aufgrund des Verhaltens der Klägerin davon ausgehen, daß diese einen Antrag auf Beteiligung des Personalrats nicht stellen wolle (vgl. auch Fischer/Goeres in: Fürst, GKÖD V, K § 78 Rz 20; Lorenzen/Eckstein, BPersVG, § 78 Rz 36; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 77 Rz 12). Die beabsichtigte Entlassung ist deshalb durch Verfügung vom 10. Februar 1984 im Einklang mit den personalvertretungsrechtlichen Vorschriften ausgesprochen worden. Sie ist nicht schon wegen Verletzung personalvertretungsrechtlicher Vorschriften rechtswidrig.
An dieser Rechtslage hat sich durch den gleichzeitig mit der Einlegung des Widerspruchs nachträglich gestellten Antrag auf Beteiligung des Personalrats nichts geändert. Der Antrag gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz BPersVG ist zwar an keine Frist gebunden. Er ist jedoch – ausgehend von der gebotenen ordnungsgemäßen Unterrichtung des Beamten gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BPersVG – nach der gesetzlichen Regelung vor der beabsichtigten Maßnahme zu stellen. Die beabsichtigte Maßnahme ist hier der Ausspruch der Entlassung durch Verfügung vom 10. Februar 1984, nicht aber erst der Widerspruchsbescheid.
Maßgebend sind insoweit allein personalvertretungsrechtliche Vorschriften und nicht die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG – oder der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –. Das Mitwirkungsverfahren und das Verwaltungsverfahren, auch in Form des Widerspruchsverfahrens, sind getrennte Verfahren. Der Personalrat ist nicht am Verwaltungsverfahren, der Beschäftigte nicht am Mitwirkungsverfahren beteiligt (vgl. Fischer/Goeres, a.a.O., § 72 Rz 24). Wie der erkennende Senat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, ist das Mitwirkungsverfahren ein eigenständiges Verfahren der Beteiligung der Personalvertretung an einer beamtenrechtlichen Maßnahme des Dienstherrn, durch das dieser Gelegenheit haben soll, auf die Willensbildung der Dienststelle wirkungsvoll Einfluß zu nehmen (BVerwGE 68, 189 ≪192 f.≫). Diese kann ihre Auffassung (nur) in dem eigenständig geregelten Mitwirkungsverfahren gemäß § 72 BPersVG zur Geltung bringen. So ist die Personalvertretung, die in Übereinstimmung mit § 72 BPersVG vor einer beabsichtigten Entlassung eines Beamten auf Probe antragsgemäß mitgewirkt hat, nach beendetem Mitwirkungsverfahren während oder gar am Widerspruchsverfahren auch dann nicht mehr zu beteiligen, wenn zwischen Personalvertretung und Dienststelle über die zu treffende Entscheidung keine Einigung erzielt worden ist. Ein erneuter Antrag des Beschäftigten auf Beteiligung des Personalrats ist unbeachtlich. Nichts anderes gilt, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Beamte trotz ordnungsgemäßer Unterrichtung über sein Antragsrecht mit ausreichender Fristgewährung von diesem keinen Gebrauch macht und daraufhin die Entlassungsverfügung ebenfalls ohne Verletzung personalvertretungsrechtlicher Vorschriften ergeht. Für die nachträgliche Einleitung des eigenständig geregelten personalvertretungsrechtlichen Mitwirkungsverfahrens ist nach der gesetzlichen Regelung über das Mitwirkungsverfahren auf Antrag auch in diesem Falle kein Raum mehr. Durch einen späteren Antrag auf Zuziehung des Personalrats wird die Rechtmäßgkeit der getroffenen Maßnahme nicht nachträglich in Frage gestellt (Fischer/Goeres, a.a.O., § 78 Rz 28; Lorenzen/Eckstein, a.a.O., § 77 Rz 21. § 78 Rz 36.58; Dietz/Richardi, a.a.O., § 77 Rz 8 f.).
Die vom Berufungsgericht herangezogenen Urteile des erkennenden Senats vom 24. November 1983 – BVerwG 2 C 9.82 – (BVerwGE 68, 189) sowie – BVerwG 2 C 26.83 – (DVBl. 1984 441) vermögen eine gegenteilige Auffassung nicht zu stutzen. In der im Verwaltungsstreitverfahren BVerwG 2 C 26.83 getroffenen Entscheidung ist – ebenso wie in dem bereits erwähnten, in BVerwGE 68, 197 (201) abgedruckten Urteil – zu den Anforderungen an die personalvertretungsrechtlich vorgeschriebene vorherige Unterrichtung über die beabsichtigte Maßnahme ausgeführt, daß der Beamte zu den: auch in seiner Entscheidungsfreiheit liegenden Entschluß veranlaßt werden soll, ob er auf sine Einschaltung, der Personalvertretung verzichten und deshalb den Antrag nicht stellen will. Auch jene Entscheidungen gehen davon aus, daß die beabsichtigte Maßnahme die Entlassungsverfügung, der Erstbescheid, ist. Sie betreffen im übrigen die – vom erkennenden Senat bejahte – Frage, ob eine unter Verletzung personalvertretungsrechtlicher Vorschriften unterbliebenen Mitwirkung des Personalrats, die zur Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung eines Beamten auf Widerruf bzw, auf Probe geführt hat, noch während des Widerspruchsverfahrens mit der Folge nachgeholt werden kann, daß die Entlassung, nicht aus diesem Grunde fehlerhaft ist. Das eigenständige Mitwirkungsverfahren war in jenen Verwaltungsstreitverfahren noch nicht beendet und konnte somit noch während des Widerspruchsverfahrens durchgeführt werden. Im vorliegenden Fall ist hingegen die Entlassungsverfügung ohne Verletzung personalvertretungsrechtlicher Vorschriften ergangen.
Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Beklagte hat die Entlassungsfrist gemäß § 31 Abc. 2 Satz 1 BBG zum Schluß des Kalendervierteljahres eingehalten. Die Entlassung der Klägerin ist ferner nicht deshalb rechtswidrig, weil sie erst einige Monate nach Ablauf der laufbahnrechtlichen Probezeit ausgesprochen worden ist. Die vom Berufungsgericht bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen lassen nicht erkennen, daß die Beklagte diese Entscheidung ungebührlich lange hinausgezögert hat (vgl. hierzu auch BVerwGE 19, 344 ≪347 f.≫; 26, 228 ≪232≫; 41, 75 ≪78 ff.≫; Beschluß vom 22. September 1986 – BVerwG 2 B 82.86 – ≪Buchholz 232 § 31 Nr. 40≫ m.w.N.). Tatsächliche Feststellungen zu der gesundheitlichen Bewährung der Klägerin im Zeitpunkt der Entlassung hat das Berufungsgericht – ausgehend von seiner anderen Rechtsauffassung – noch nicht getroffen. Da es dem Revisionsgericht verwehrt ist, diese im Revisionsverfahren nachzuholen, ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverweisen.
Unterschriften
Dr. Schwarz, Dr. Franke, Dr. Lemhöfer, Dr. Müller, Dr. Maiwald
Fundstellen
Haufe-Index 1213627 |
BVerwGE, 277 |
DVBl. 1989, 771 |