Entscheidungsstichwort (Thema)
Straßenplanung. Planfeststellung. LKW-Anteil. Partikel. PM(10). Jahresmittelwert. 24-Stundenwert. Auspuff-Anteil. Merkblatt über Luftverunreinigungen an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung (MLuS 02). Konfliktbewältigung, Gebot der –. FFH-Gebiet. Bündelungsgebot. Luftqualität. abwägungserheblicher Belang. Tunnel. Kostengesichtspunkte. Schutzauflage. Summenpegel. Verschattung. DIN 5034. lagebedingter Wertverlust. Übernahme
Leitsatz (amtlich)
1. Die 22. BImSchV ist – auch soweit es um die Einhaltung künftiger Grenzwerte geht – bereits im Verfahren der Zulassung von Vorhaben zu beachten. Eine Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, die Einhaltung der Grenzwerte vorhabenbezogen sicherzustellen, besteht jedoch nicht. Allerdings ist das Gebot der Konfliktbewältigung verletzt, wenn die Planfeststellungsbehörde das Vorhaben zulässt, obgleich absehbar ist, dass seine Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte der 22. BImSchV mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung zu sichern (wie Urteil vom 23. Februar 2005 – BVerwG 4 A 5.04).
2. Das Interesse, vor Beeinträchtigungen durch Luftschadstoffe geschützt zu werden, die im Wege der Luftreinhalteplanung voraussichtlich noch im Rahmen des rechtlich Zumutbaren gehalten werden können, ist ein abwägungserheblicher Belang (wie Urteil vom 23. Februar 2005 – BVerwG 4 A 5.04).
3. Führt ein Vorhaben zu einer durch Schutzauflagen nicht vermeidbaren Verschattung des Grundstücks, die die Grenze des Zumutbaren überschreitet (hier verneint), kann der betroffene Grundstückseigentümer gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs verlangen.
Normenkette
FStrG § 17 Abs. 1 S. 2; BImSchG §§ 41, 42 Abs. 2, § 47; BimSchG § 50 S. 1; BImSchG § 2; 16. BImSchV §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3, 3 Anlage 1; 22. BImSchV § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2, 4, § 11; FFH-RL Art. 6 Abs. 3-4; VwVfG § 74 Abs. 2 Sätze 2-3
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Tatbestand
I.
Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Chemnitz für den Bau der Bundesautobahn A 72 Chemnitz – Leipzig im ersten Teilabschnitt zwischen dem Autobahnkreuz Chemnitz und der Anschlussstelle A 72/S 242 bei Hartmannsdorf. Sie sind Eigentümer des teilweise als Wohngrundstück genutzten Flurstücks 10.. der Gemarkung R.…, das durch die festgestellte Trasse der A 72 durchschnitten werden soll.
Die A 72 verbindet die A 9 beim Dreieck Bayerisches Vogtland bei Hof mit der A 4 beim Autobahndreieck Chemnitz. Sie soll durch die Gesamtbaumaßnahme bis Leipzig verlängert und dort an die A 38 in Richtung Kassel angebunden werden. Der knapp 7 km lange erste Teilabschnitt soll durch den Neu- und Ausbau der Staatsstraßen S 242 und S 243 mit dem bestehenden Verkehrsnetz verknüpft werden. Dadurch soll insbesondere die B 95 im Bereich der Ortsdurchfahrt Hartmannsdorf entlastet werden.
Von dem 6 370 m2 großen Grundstück der Kläger sollen 3 071 m2 für den Bau der A 72 einschließlich der Gestaltungsmaßnahmen G.4.8.1 und G.4.8.5 sowie für die Ersatzmaßnahme E.4.3.4 dauerhaft erworben und 1 085 m2 für die Verlegung einer 380 kV-Freileitung dauerhaft beschränkt werden dürfen. Das lang gestreckte Grundstück ist nordwestlich des Goetheweges mit zwei Wohnhäusern bebaut. Eines davon bewohnen die Kläger. Der Abstand zwischen den Häusern und der Fahrbahnachse beträgt etwa 75 m. Die schalltechnische Untersuchung des Vorhabenträgers hat ergeben, dass der Immissionsgrenzwert von 49 dB(A) nachts an der Süd- und der Westseite im ersten und zweiten Obergeschoss trotz des vorgesehenen aktiven Schallschutzes um bis zu 1,2 dB(A) überschritten wird. Insoweit wurde ein Anspruch der Kläger auf passiven Schallschutz bejaht. Für den Außenwohnbereich wurden 55,3 dB(A) tags und 51,1 dB(A) nachts berechnet. Ein Verschattungsgutachten hat ergeben, dass das stärker beeinträchtigte Wohnhaus nach dem Bau der Brücke über das Jahr verteilt um weniger als 5 %, in den Wintermonaten an der Südseite um etwa 13 % und an der Westseite um etwa 17 % weniger besonnt sein wird.
Im Anhörungsverfahren erhoben die Kläger rechtzeitig Einwendungen. Sie wandten sich u.a. gegen die Entwertung ihres Grundstücks sowie gegen die Verschattung, Verlärmung und Schadstoffbelastung. Bei den Lärmberechnungen seien die vorhandenen Lärmpegel, z.B. das Rauschen der Hochspannungsleitungen, nicht berücksichtigt worden. Sie forderten die Prüfung einer Tunnelvariante für die Ortsquerung Röhrsdorf.
Im Erörterungstermin sagte der Vorhabenträger zu, einen Teil der Fläche, die für landschaftspflegerische Begleitmaßnahmen vorgesehen ist, auszusparen, um vorhandene Parkplätze am Goetheweg zu erhalten.
Mit Bescheid vom 12. November 2003 stellte das Regierungspräsidium Chemnitz den Plan für den Neubau der BAB A 72 und gemäß § 78 VwVfG auch für den Neu- und Ausbau der Staatsstraßen S 242 und S 243 einschließlich aller erforderlichen Folgemaßnahmen fest und wies die Einwendungen der Kläger zurück.
Am 22. Januar 2004 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung nehmen sie auf ihre bisherigen Einwendungen Bezug und tragen ergänzend vor:
Ausweislich des Erläuterungsberichts könne ohne die Verlegung der Staatsstraßen S 242 und S 243 eine verkehrswirksame Lösung im Sinne des § 1 FStrG nicht entstehen. Die Aufnahme überwiegend regionalen Verkehrs werde dem gesetzlichen Auftrag nicht gerecht. Im Übrigen seien Chemnitz und Leipzig bereits durch eine leistungsfähige Fernverbindung, die B 95, verbunden. Die A 72 stelle eine Parallelplanung dar, die dem Bündelungsgebot widerspreche.
Bei der Berechnung der zu erwartenden Lärmimmissionen sei der Planungsträger von zu geringen LKW-Anteilen ausgegangen. Dies habe zur Folge, dass Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte in wesentlich größeren Entfernungen von der Trasse zu erwarten seien. Deutliche Verbesserungen könnten allenfalls durch eine Tunnel- oder Galerielösung erzielt werden.
Auch bei der Berechnung der zu erwartenden Luftschadstoffkonzentrationen sei der Schwerverkehrsanteil mit 18,6 % zu niedrig angesetzt worden. Die Zahl der LKW zwischen 2,8 und 3,5 t sei erheblich angestiegen. Das gelte auch für Klein-LKW bis 2,8 t. Diese seien bei der Schadstoffprognose nicht berücksichtigt worden. Richtigerweise hätten die Schadstoffimmissionen nach dem Merkblatt für Luftverunreinigungen an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung – Ausgabe 2002 (MLuS 02) berechnet werden müssen. Bei Verwendung eines realen LKW-Anteils von 21,7 % seien insbesondere für NO2 und PM10 erhebliche Grenzwertüberschreitungen zu erwarten.
Das Regierungspräsidium Chemnitz habe schließlich nicht beachtet, dass die Trasse der A 72 im dritten Planungsabschnitt an dem besonders hochwertigen FFH-Gebiet “Mittleres Zwickauer Muldetal” derart nahe entlang führen werde, dass eine Beeinflussung des Schutzgebietes zwingend gegeben sein werde.
Die Kläger beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Chemnitz vom 12. November 2003 für den Bau der Bundesautobahn 72 Chemnitz-Leipzig, Planungsabschnitt 1.1 zwischen dem AK Chemnitz und der AS A 72/S 242 bei Hartmannsdorf aufzuheben,
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, den genannten Planfeststellungsbeschluss um Schutzvorkehrungen zu ihren Gunsten und die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs zu ergänzen.
Der Beklagte verteidigt den Planfeststellungsbeschluss und beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Die Kläger können nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses verlangen. Der Planfeststellungsbeschluss ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.1 Der Neubau der BAB A 72 entspricht den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG. Das ergibt sich aus § 1 Abs. 2 des Fernstraßenausbaugesetzes – FStrAbG – in Verbindung mit dem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen, der dem Gesetz als Anlage beigefügt ist. Der Bau einer Autobahn zwischen Chemnitz und Leipzig ist in den Bedarfsplan aufgenommen. In der bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geltenden Fassung des Bedarfsplans vom 15. November 1993 (BGBl I S. 1877) war die Strecke zwischen dem Autobahnkreuz Chemnitz und der B 175 bei Penig, in der Fassung des Bedarfsplans vom 4. Oktober 2004 (BGBl I S. 2574) ist darüber hinaus auch die Strecke bis zum Anschluss an die A 38 bei Leipzig als vordringlicher Bedarf ausgewiesen. Nach der gesetzgeberischen Wertung ist damit unter Bedarfsgesichtspunkten auch die Planrechtfertigung gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2004 – BVerwG 4 A 11.02 – BVerwGE 120, 1 ≪2≫). Die Feststellung, dass ein Bedarf besteht, ist für die Planfeststellung nach § 17 FStrG verbindlich. Das gilt auch für das gerichtliche Verfahren (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 – BVerwG 4 A 9.97 – BVerwGE 107, 1 ≪9≫ und vom 19. März 2003 – BVerwG 4 A 33.02 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 173 ≪S. 157≫, stRspr). Die Ausführungen des Vorhabenträgers im Erläuterungsbericht zur Verkehrsbedeutung der Straße, die den Klägern Anlass zu Bedenken gegen die Planrechtfertigung geben, sind von vornherein nicht geeignet, die gesetzliche Bedarfsfeststellung in Frage zu stellen. Im Übrigen beziehen sie sich auf die Rechtfertigung nicht des Gesamtvorhabens, sondern des hier in Rede stehenden Teilabschnitts.
Auch der Plan für den ersten Teilabschnitt ist gerechtfertigt. Bei jeder abschnittsweisen Planung muss der Entstehung eines Planungstorsos vorgebeugt werden. Deshalb muss jeder Abschnitt eine eigenständige Verkehrsfunktion haben. Damit wird gewährleistet, dass die Teilplanung auch dann noch sinnvoll bleibt, wenn sich das Gesamtplanungskonzept im Nachhinein als nicht realisierbar erweist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1.92 u.a. – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 55 ≪S. 60≫ und vom 2. November 1992 – BVerwG 4 B 205.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92 ≪S. 105≫; Urteil vom 25. Januar 1996 – BVerwG 4 C 5.96 – BVerwGE 100, 238 ≪255≫). Die Verkehrsfunktion muss vor dem Hintergrund der Gesamtplanung gesehen werden. Sie kann auch darin liegen, bis zur Verwirklichung der Gesamtplanung in erster Linie regionalen Verkehr aufzunehmen und dadurch örtliche Verkehrsprobleme zu lösen. Die Bedeutung des Gesamtvorhabens für den weiträumigen Verkehr wird dadurch nicht in Frage gestellt.
Der hier in Rede stehende erste Teilabschnitt der A 72 hat eine eigenständige Verkehrsfunktion. Er soll über die verlegten Staatsstraßen S 242 und S 243 an die B 95 angebunden werden und dadurch die B 95 zwischen Chemnitz und Hartmannsdorf, die den gegenwärtigen Verkehr nicht mehr aufnehmen kann, entlasten.
1.2 Das Vorhaben ist nicht wegen einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für Verkehrsgeräusche unzulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 – BVerwGE 56, 110 ≪133≫ und vom 18. April 1996 – BVerwG 11 A 86.95 – Buchholz 310 § 78 VwVfG Nr. 6 ≪S. 19 f.≫; Beschluss vom 30. Juni 2003 – BVerwG 4 VR 2.03 – Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 10 ≪S. 5≫) besteht im Falle unzureichender Lärmvorsorge grundsätzlich nur ein Anspruch auf Planergänzung, nicht aber auf Planaufhebung. Eine (teilweise) Planaufhebung kommt nur in Betracht, wenn das Fehlen einer Schallschutzauflage – ausnahmsweise – von so großem Gewicht sein könnte, dass die Ausgewogenheit der Planung insgesamt in Frage gestellt wäre.
Ein derartiges Lärmschutzdefizit haben die Kläger nicht schlüssig vorgetragen. Für welche Grundstücke die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende schalltechnische Untersuchung von einer unzutreffenden Gebietseinteilung und damit von falschen Immissionsgrenzwerten ausgegangen sein sollte, haben sie nicht dargelegt. Gegen die Berechnung der Beurteilungspegel haben sie eingewandt, dass der Anteil der LKW ab 2,8 t an der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke (DTV) mit 18,6 % zu niedrig angesetzt worden sei. Aufgrund der seit 2000 um 36,6 % gestiegenen Zahl der LKW zwischen 2,8 und 3,5 t müsse der Anteil der LKW ab 3,5 t mit einem Korrekturfaktor von 1,366 multipliziert werden. Daraus errechnen die Kläger einen Schwerverkehrsanteil von 21,7 %. Dass ein solcher Schwerverkehrsanteil Lärmschutzprobleme aufwerfen könnte, die die Ausgewogenheit der Planung insgesamt in Frage stellen, machen die Kläger selbst nicht geltend. Im Übrigen geht auch dieser Einwand fehl.
Nach § 3 der 16. BImSchV ist der Beurteilungspegel für Straßen nach Anlage 1 zu berechnen. Diese sieht vor, dass der maßgebende LKW-Anteil mithilfe der der Planung zugrunde liegenden prognostizierten durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke nach Tabelle A berechnet wird, sofern “keine geeigneten projektbezogenen Untersuchungsergebnisse” vorliegen, die unter Berücksichtigung der Verkehrsentwicklung im Prognosezeitraum zur Ermittlung des maßgebenden LKW-Anteils für den Zeitraum zwischen 22:00 und 6:00 Uhr als Mittelwert über alle Tage des Jahres herangezogen werden können. Anlage 1 der 16. BImSchV erlaubt mithin ausdrücklich das Heranziehen geeigneter projektbezogener Untersuchungsergebnisse. Hiergegen sind rechtliche Bedenken nicht ersichtlich (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 – BVerwG 4 A 10.95 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13 ≪S. 39 f.≫, vom 11. Januar 2001 – BVerwG 4 A 13.99 – und vom 23. November 2001 – BVerwG 4 A 46.99 – Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 16 ≪S. 16 f.≫ und Nr. 19 ≪S. 44 f.≫). Maßgebend sind nach der Anlage 1 LKW mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t.
Für die A 72 ist der LKW-Anteil projektbezogen, nämlich durch Auswertung der Verkehrszählungen an den automatischen Dauermessstellen im sächsischen Verkehrsnetz, ermittelt worden. Die Messstellen erfassen LKW ab 3,5 t. Die Auswertung ergab einen Anteil der LKW ab 3,5 t an der DTV von 15,9 %. Der Anteil der LKW ab 2,8 t wurde aufgrund von Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen durch Multi-plikation des LKW-Anteils ab 3,5 t mit dem Faktor 1,17 auf 18,6 % errechnet. Die Forderung der Kläger nach einem Umrechnungsfaktor 1,366 ist nicht schlüssig. Selbst wenn die Zahl der LKW zwischen 2,8 t und 3,5 t in einem bestimmten Zeitraum um 36,6 % gestiegen sein sollte, ließe dies keine Rückschlüsse auf das Verhältnis zwischen LKW ab 2,8 t und LKW ab 3,5 t zu. Denn es ist davon auszugehen, dass im gleichen Zeitraum auch die Zahl der LKW ab 3,5 t gestiegen ist. Zur Entwicklung dieser Fahrzeuggruppe machen die Kläger aber keine Angaben. Sie tragen auch nicht vor, auf der Grundlage welcher Daten der behauptete Zuwachs der LKW zwischen 2,8 t und 3,5 t ermittelt wurde. Ob die Zahlen Rückschlüsse auf die hier maßgebliche Verkehrszusammensetzung auf dem streitigen Streckenabschnitt der A 72 zulassen, muss deshalb bezweifelt werden. Aus den statistischen Angaben des Kraftfahrtbundesamtes über den “Bestand an Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern nach zulässigem Gesamtgewicht und Fahrzeugarten in Deutschland”, auf die sich die Kläger im Zusammenhang mit dem ebenfalls behaupteten Zuwachs der LKW bis 2,8 t berufen, lassen sich jedenfalls keine Erkenntnisse über den LKW-Anteil im streitigen Streckenabschnitt gewinnen. Im Übrigen weisen die Kläger selbst darauf hin, dass in einer ihnen bekannten Untersuchung ein Umrechnungsfaktor zwischen 1,13 und 1,15 als “relativ abgesichert” angesehen werde.
1.3 Das Vorhaben wirft keine Probleme für die Luftqualität auf, die im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss hätten bewältigt werden müssen.
1.3.1 In zeitlicher Hinsicht war im Planfeststellungsbeschluss vom 12. November 2003 die am 18. September 2002, also nach Stellung des Planfeststellungsantrags am 9. August 2002, in Kraft getretene 22. BImSchV vom 11. September 2002 (BGBl I S. 3626) anzuwenden. Davon ist auch die Planfeststellungsbehörde ausgegangen. Die 22. BImSchV dient der Umsetzung der Richtlinie 96/92/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl EG Nr. L 296 S. 55) und der Richtlinie 1999/30/EG vom 22. April 1999 (1999/30/EG) über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft (ABl EG Nr. L 163 S. 41).
Für Stickstoffdioxid legt § 3 der Verordnung für die Zeit ab 1. Januar 2010 zum Schutz der menschlichen Gesundheit einen über ein Jahr gemittelten Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³ fest (§ 3 Abs. 4 der 22. BImSchV). Für Partikel ist seit 1. Januar 2005 ein über ein Kalenderjahr gemittelter Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³ und ein über 24 Stunden gemittelter Immissionsgrenzwert von 50 µg/m³ bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr einzuhalten (§ 4 Abs. 2 und 4 der 22. BImSchV). Untersuchungen im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen haben ergeben, dass zwischen dem Jahresmittelwert der PM10-Konzentration und der Anzahl der Überschreitungen des 24-Stunden-Grenzwertes ein enger statistischer Zusammenhang besteht. Danach muss bei Überschreitung eines Jahresmittelwertes von etwa 28 µg/m³ mit einer Überschreitung des 24-Stunden-Grenzwertes an mehr als 35 Tagen gerechnet werden (vgl. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Merkblatt über Luftverunreinigungen an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung, Ausgabe 2002 – MLuS 02 – S. 11, Bild 3.2.2; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Luftreinhalte-/Aktionsplan Berlin 2005 – 2010 – Februar 2005, S. A 38, http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/luftqualitaet/de/luftreinhalteplan/dokumentation.shtml). Die Kläger meinen, dass darüber hinaus die in der Anlage 1 der 22. BImSchV festgelegten oberen und unteren Beurteilungsschwellen einzuhalten seien. Das trifft nicht zu. Die genannten Beurteilungsschwellen sind keine Immissionsgrenzwerte im Sinne des § 1 Nr. 3 der 22. BImSchV; sie sind allein maßgebend dafür, ob zur Beurteilung der Luftqualität nur Messungen oder auch eine Kombination von Messungen und Modellrechnungen oder Schätzverfahren angewandt werden dürfen (§ 1 Nr. 11 und 12, § 10 Abs. 2 bis 4 der 22. BImSchV).
Die 22. BImSchV ist – auch soweit es um die Einhaltung künftiger Grenzwerte geht – bereits im Verfahren der Zulassung von Vorhaben anwendbar. Eine Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, die Einhaltung der Grenzwerte der Verordnung im Planfeststellungsverfahren vorhabenbezogen sicherzustellen, besteht jedoch nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2004 – BVerwG 9 A 6.03 – DVBl 2004, 1289 ≪1291≫). Die Grenzwerte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem System der Luftreinhalteplanung (vgl. § 47 BImSchG, § 11 der 22. BImSchV). Mit ihm hat der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber in Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben einen abgestuften Regelungsmechanismus vorgesehen, der Grenzwertüberschreitungen immissionsquellenunabhängig begegnen soll. Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, so hat die für den
Immissionsschutz zuständige Behörde nach § 47 Abs. 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen. Darin werden die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festgelegt, die nach Maßgabe des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG entsprechend dem Verursacheranteil unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten sind. Zwar werden hierdurch auf die Einhaltung der Grenzwerte gerichtete Maßnahmen außerhalb der Luftreinhalteplanung nicht ausgeschlossen. Die durch das Gemeinschaftsrecht gewährte Freiheit, zwischen den zur Einhaltung der Grenzwerte geeigneten Mitteln zu wählen, wird durch die Regelungen des BImSchG und der 22. BImSchV jedoch nicht beschränkt. Sie schließt eine Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, die Einhaltung der Grenzwerte vorhabenbezogen zu garantieren, aus (vgl. Urteil vom 26. Mai 2004, a.a.O.).
Die Auswirkungen des Vorhabens auf die Luftqualität dürfen im Planfeststellungsverfahren jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. Aus dem planungsrechtlichen Abwägungsgebot folgt, dass der Planungsträger grundsätzlich die durch die Planungsentscheidung geschaffenen oder ihr sonst zurechenbaren Konflikte zu bewältigen hat und sie hierzu – gegebenenfalls in Form von Vorkehrungen gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG – einer Lösung zuführen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1981 – BVerwG 4 C 68.78 – BVerwGE 61, 307 ≪311≫; Beschluss vom 14. Juli 1994 – BVerwG 4 NB 25.94 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 75). Die Problembewältigung kann allerdings auch darin bestehen, dass die Planfeststellungsbehörde die endgültige Problemlösung einem nachfolgenden Verwaltungsverfahren überlässt, wenn dort die Durchführung der erforderlichen Problemlösungsmaßnahmen sichergestellt ist. Das gilt auch für das Verhältnis von straßenrechtlicher Planfeststellung und Luftreinhalteplanung. Das Gebot der Konfliktbewältigung ist erst verletzt, wenn die Planfeststellungsbehörde das Vorhaben zulässt, obgleich absehbar ist, dass seine Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu vereinbarenden Weise zu sichern (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2004, DVBl 2004, 1289 ≪1292≫). Das ist insbesondere der Fall, wenn die von einer planfestgestellten Straße herrührenden Immissionen bereits für sich genommen die maßgeblichen Grenzwerte überschreiten. Von diesem Fall abgesehen geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich die Einhaltung der Grenzwerte in aller Regel mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2004, a.a.O. und vom 18. November 2004 – BVerwG 4 CN 11.03 – UA S. 19 f., zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). Für die Annahme, dass dies nicht möglich ist, müssen deshalb besondere Umstände vorliegen. Derartige Umstände können sich vor allem aus ungewöhnlichen örtlichen Gegebenheiten (zentrale Verkehrsknotenpunkte, starke Schadstoffvorbelastung durch eine Vielzahl von Emittenten) ergeben, die sich der Planfeststellungsbehörde auf der Grundlage des Anhörungsverfahrens, insbesondere der Beteiligung der zuständigen Fachbehörden, erschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004, a.a.O.).
1.3.2 Gemessen hieran ist der angefochtene Planfeststellungsbeschluss nicht zu beanstanden. Die Planfeststellungsbehörde ist auf der Grundlage der vom Vorhabenträger vorgelegten Untersuchung der SPACETEC vom 6. August 2002 davon ausgegangen, dass der Betrieb des planfestgestellten Abschnitts der A 72 die Belastung im Bereich der Wohnbebauung durch Stickstoffdioxid um bis zu 10 µg/m³ und durch Partikel (PM10) um bis zu 6 µg/m(3) erhöhen wird (vgl. S. 96 f. des Planfeststellungsbeschlusses). Im Hinblick auf die Partikel hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass nur die durch den Auspuff emittierten Anteile, nicht – wie dies im Zeitpunkt der Planfeststellung möglich gewesen wäre (vgl. Merkblatt über Luftverunreinigungen an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung, Ausgabe 2002, S. 5) – die Feinstäube aus Straßen-, Reifen-, Kupplungs- und Bremsabrieb abgeschätzt wurden. Diese Anteile seien in etwa so hoch wie der Auspuff-Anteil, so dass sich die Belastung im Prognosejahr 2015 vorhabenbedingt um bis zu 12 µg/m³ erhöhen werde.
Die Einwände der Kläger gegen die Berechnung der dem Vorhaben zuzurechnenden Schadstoffkonzentrationen greifen nicht durch. Sie meinen auch insoweit, dass der Schwerverkehrsanteil mit 18,6 % zu niedrig angesetzt worden sei. Über ihren bereits im Zusammenhang mit den Verkehrsgeräuschen erörterten Einwand hinaus machen sie geltend, dass die LKW bis 2,8 t bei der Berechnung der Luftschadstoffe unberücksichtigt geblieben seien. Deren Anzahl sei, wie sich aus beigefügten Tabellen des Kraftfahrtbundesamtes ergebe, zwischen dem 1. Juli 2000 und dem 1. Januar 2004 von 755 053 auf 975 563, mithin um etwa 30 % gestiegen. Dies müsse sich auf die Planung auswirken.
Insoweit gehen die Kläger von falschen tatsächlichen Voraussetzungen aus. Der behauptete Zuwachs bei den LKW unter 2,8 t beruht auf einem Ablesefehler aus den Tabellen des Kraftfahrtbundesamtes. Nach diesen Tabellen betrug die Zahl der LKW zwischen 2 001 und 2 800 kg am 1. Juli 2000 insgesamt 1 035 162 (280 109 LKW zwischen 2 001 und 2 500 kg und 755 053 LKW zwischen 2 501 und 2 800 kg), am 1. Januar 2004 975 563. Sie hat mithin sogar abgenommen. Im Übrigen lassen die Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes – wie bereits dargelegt – keine Rückschlüsse auf die hier maßgebliche Zusammensetzung des Verkehrs auf dem streitigen Abschnitt der A 72 zu. Warum die Kläger meinen, dass das bei den Berechnungen eingesetzte Programm IMMPROG die leichten Nutzfahrzeuge nicht berücksichtigt habe, legen sie nicht dar. Ausweislich der Untersuchung der SPACETEC (S. 9) gehört der Anteil an leichten und schweren Nutzfahrzeugen zu den Eingangsgrößen für das Berechnungsmodell. Da in der Regel nur PKW- und LKW-Anteile vorliegen, wird der Emissionsanteil der leichten und schweren Nutzfahrzeuge jedoch auch in anderen Emissionsmodellen aus DTV und LKW-Anteil errechnet (vgl. MLuS 02, S. 10). Bedenken hiergegen zeigen die Kläger nicht auf.
Die Kläger meinen außerdem, dass die Schadstoffimmissionen nach dem Merkblatt über Luftverunreinigungen an Straßen ohne oder mit lockerer Randbebauung – Ausgabe 2002 (MLuS 02) hätten berechnet werden müssen. Die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Schadstoffberechnungen wurden mit dem Programm IMMPROG durchgeführt. Das Gericht hat Prognosen als rechtmäßig hinzunehmen, soweit sie methodisch einwandfrei zustande gekommen und in der Sache vernünftig sind. Es kann daher eine Prognose grundsätzlich nur darauf prüfen, ob sie mit den seinerzeit zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln methodengerecht erstellt wurde (vgl. Urteil vom 19. März 2003 – BVerwG 9 A 33.02 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 173 ≪S. 158≫ m.w.N.). Zweifel an der methodischen Eignung des Programms IMMPROG haben die Kläger nicht aufgezeigt. Dass die zu erwartenden Immissionen auch auf der Grundlage des MLuS 02 hätten berechnet werden können, stellt die methodische Eignung des Programms IMMPROG nicht in Frage.
Auf der Grundlage der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Berechnungen ist mithin davon auszugehen, dass die von dem Vorhaben herrührenden NO2- und PM10-Immissionen für sich genommen den jeweiligen über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³ nicht überschreiten werden. Die Annahme der Planfeststellungsbehörde, dass die Grenzwerte der 22. BImSchV auch in der Summe aus Vor- und Zusatzbelastung in jeder Hinsicht ohne Luftreinhalteplanung eingehalten werden können, begegnet allerdings Bedenken. Probleme könnte insbesondere die Einhaltung des 24-Stunden-Grenzwertes für PM10 bereiten. Schon auf der Grundlage des von der Planfeststellungsbehörde zugrunde gelegten Vorbelastungswertes von 19 µg/m³ dürfte bei einer Zusatzbelastung von bis zu 12 µg/m³ mit mehr als 35 Überschreitungen des 24-Stunden-Grenzwertes zu rechnen sein. Im Übrigen ist auch die Ermittlung des Vorbelastungswertes nicht frei von rechtlichen Bedenken. Sie beruht auf vorhabenbezogenen Messungen der Vorbelastung. Das ist nicht zu beanstanden. Die Messergebnisse wurden jedoch nicht für jede Messstelle gesondert ausgewertet, sondern es wurde aus den Messergebnissen ein einheitlicher Vorbelastungswert abgeleitet. Ein Verfahren hierfür stellt die 22. BImSchV nicht zur Verfügung (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2004, a.a.O.). Außerdem genügt es nicht, dass die Grenzwerte im Gesamtgebiet nicht flächendeckend oder im Durchschnitt nicht überschritten werden; der 22. BImSchV und der Richtlinie 1999/30/EG liegt keine ausschließlich gebiets- oder ballungsraumbezogene Betrachtung zugrunde (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Mai 2004 – BVerwG 9 A 6.03 – DVBl 2004, 1289 ≪1291≫ und vom 18. November 2004 – BVerwG 4 CN 11.03 – UA S. 18). Ob die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Abschätzung der Gesamtbelastung tragfähig ist, kann jedoch offen bleiben. Denn besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigen würden, dass die Einhaltung der Grenzwerte nicht jedenfalls im Wege der Luftreinhalteplanung sichergestellt werden kann, liegen nicht vor. Die Realisierung des Vorhabens wird im Hinblick auf Ausbaustandard, Verkehrsbelastung und Lage nicht zu einer atypischen Schadstoffsituation führen. Planfestgestellt ist eine Autobahn mit vier Fahrstreifen. Die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke ist für das Prognosejahr 2015 auf 52 600 Fahrzeuge und der Anteil der LKW ab 2,8 t auf 18,6 % prognostiziert worden. Damit hält sich das Vorhaben im Rahmen des für eine Autobahn Üblichen (vgl. MLuS 02, S. 19 f.). Größere Steigungen oder eine schluchtartige Randbebauung weist der Planungsabschnitt nicht auf. Auf der Grundlage der vorhabenbezogen ermittelten Vorbelastungswerte sind, wenn überhaupt, jedenfalls keine extremen Grenzwertüberschreitungen zu erwarten. Diese dürften die Luftreinhalteplanung nicht vor eine unlösbare Aufgabe stellen. Auch die beteiligten Fachbehörden haben im Hinblick auf die Luftqualität keine Bedenken gegen die Planung erhoben. Das Staatliche Umweltfachamt hat in seiner Stellungnahme vom 16. Oktober 2002 zwar nicht ausschließen wollen, dass es sowohl bei NO2 als auch bei Feinstaub (PM10) an der Wohnbebauung, die sehr nahe der Trasse liegt, zu Überschreitungen der Grenzwerte kommt; dass diese Überschreitungen auch im Wege der Luftreinhalteplanung nicht zu verhindern seien, hat es jedoch nicht geltend gemacht.
1.4 Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht im Hinblick darauf, dass im übernächsten Planungsabschnitt das gemeldete FFH-Gebiet “Mittleres Zwickauer Muldetal” gequert oder umgangen werden muss, gegen europäisches Naturschutzrecht.
Eine Planung, die sich in einem nachfolgenden Planungsabschnitt vor unüberwindbare Hindernisse gestellt sieht, verfehlt ihren gestaltenden Auftrag (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1998 – BVerwG 4 VR 3.97 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 135 ≪S. 229≫; Urteile vom 19. Mai 1998 – BVerwG 4 A 9.97 – BVerwGE 107, 1 ≪16≫ und vom 27. Februar 2003 – BVerwG 4 A 59.01 – Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 1 ≪S. 17≫). Der Grundsatz der Konfliktbewältigung verbietet es, Probleme ungelöst zu lassen, die durch die Gesamtplanung aufgeworfen werden. Ist bei abschnittsweiser Planung vorhersehbar, dass sich das Vorhaben in einem nachfolgenden Abschnitt als undurchführbar erweisen wird, so darf der Planungsträger hiervor nicht die Augen verschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003, a.a.O.). Bereits im planfestgestellten Abschnitt ist deshalb abwägungsrelevant und ggf. als eine Frage zwingenden Rechts entscheidungserheblich, ob die Planfeststellung eines nachfolgenden Abschnitts mit den Vorschriften des europäischen Naturschutzrechts vereinbar wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1998, a.a.O. ≪S. 229≫).
Die Planfeststellungsbehörde hat nicht übersehen, dass das FFH-Gebiet “Mittleres Zwickauer Muldetal” im Bereich des Lochmühlentals unter dem Blickwinkel des europäischen Naturschutzrechts Probleme aufwerfen kann. Sie hat dieses Gebiet jedoch zu Recht nicht als unüberwindliches Hindernis für die weitere Planung angesehen. Bei der weiteren Trassenführung kann das Gebiet im Bereich des Lochmühlentals östlich mit einem Mindestabstand von 200 m umgangen werden. Der vorliegende Planungsabschnitt steht einer solchen Trassenführung nicht entgegen. Das Schutzregime des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL erfasst zwar auch erhebliche Beeinträchtigungen, die ihre Ursachen außerhalb des Gebiets haben und sich auf das Gebiet auswirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1998, a.a.O. ≪S. 17≫). Auch derartige Beeinträchtigungen wären bei einer Umgehung des Gebiets jedoch nicht zu erwarten. In der vom Beklagten vorgelegten Ergänzung der FFH-Verträglichkeitsprüfung wird dargelegt, dass der Abstand zum trassennächsten Vorkommen von Lebensraumtypen nach Anlage I der FFH-Richtlinie (9170 – Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald) mindestens 400 m betragen würde und dass der möglicherweise betroffene Flächenanteil des Lebensraumtyps durch Schadstoffeintrag und Lärmeinwirkungen sehr gering wäre. Das Vorkommen von besonders störungsempfindlichen Tierarten sei nicht bekannt. Die Kläger sind diesen Ausführungen nicht entgegengetreten. Ob die Beeinträchtigungen auch dann unterhalb der Erheblichkeitsschwelle bleiben, wenn das FFH-Gebiet – wie nach gegenwärtigem Planungsstand vorgesehen – im Bereich des Lochmühlentals gequert wird, braucht im vorliegenden Planungsabschnitt nicht geklärt zu werden.
1.5 Die Abwägungsentscheidung, die die Planfeststellungsbehörde in Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG getroffen hat, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
1.5.1 Die Entscheidung, nicht die B 95 zu ertüchtigen, sondern die A 72 neu zu bauen, ist nicht zu beanstanden. Die Kläger meinen, dass die parallele Führung beider Verkehrswege im Abstand weniger Kilometer dem Bündelungsgebot widerspreche. Die negativen Auswirkungen des Neubaus der A 72 durch Brückenneubauten, Flächeninanspruchnahmen und Verkehrsanbindungen lägen mit größter Wahrscheinlichkeit über denen eines Ausbaus der B 95. Zweifelhaft sei auch, ob angesichts der Bevölkerungs-, Verkehrs- und Wirtschaftsentwicklung an der Verkehrsprognose für 2005 und 2015 festgehalten werden könne. Mit diesem Vorbringen ist ein Abwägungsfehler nicht schlüssig dargelegt.
Die Planfeststellungsbehörde hat einen Ausbau der B 95 in Erwägung gezogen und gegen den Neubau der A 72 abgewogen. Eine “Bündelung” der beiden Verkehrswege käme hier nur in der Weise in Betracht, dass die B 95 auf jeweils zwei Richtungsfahrbahnen unter Umgehung der Ortschaften ausgebaut und auf einen Neubau der A 72 verzichtet wird. Wie sich die Kläger eine teilweise Nutzung der vorhandenen Trasse der B 95 vorstellen, legen sie nicht dar. Überlegungen in diese Richtung mussten sich der Planfeststellungsbehörde jedenfalls nicht aufdrängen.
Die Planfeststellungsbehörde hat in die Abwägung eingestellt, was insoweit nach Lage der Dinge einzustellen war. Sie hat die beiden Alternativen im Hinblick auf ihre Verkehrsqualität und die von ihnen ausgehenden Beeinträchtigungen verglichen. Die Verkehrsqualität einer neu trassierten Autobahn hat sie als besser angesehen, weil die Autobahn eine höhere Sicherheit biete, leistungsfähiger sei und sich besser in vorhandene Strukturen einpasse. Eine Ertüchtigung der B 95 würde nach ihrer Auffassung wegen des erforderlichen Baus von Ortsumgehungen und neuen Anbindungen nicht zu offensichtlich geringeren Beeinträchtigungen Dritter bzw. anderer abwägungsrelevanter Schutzgüter führen. Weil der Neubau der Autobahn dem Verkehrsbedarf nach ihrer Einschätzung deutlich besser entsprach, brauchte sie eine ins Einzelne gehende vergleichende Untersuchung der Beeinträchtigungen nicht vorzunehmen.
Soweit das Vorbringen der Kläger darauf zielt, den Verkehrsbedarf für die A 72 neu untersuchen zu lassen, ist es bereits durch die gesetzgeberische Entscheidung im FStrAbG ausgeschlossen. Die durch die Aufnahme in den Bedarfsplan getroffene Feststellung, dass ein verkehrlicher Bedarf besteht, ist für die Planfeststellung verbindlich und so auch als Belang in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 – BVerwG 4 A 9.97 – BVerwGE 107, 1 ≪9≫ und vom 19. März 2003 – BVerwG 9 A 33.02 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 173 ≪S. 157≫). Die Kläger können Mängel der Verkehrsprognose allerdings geltend machen, sofern die angenommene Verkehrsentwicklung von Bedeutung für die planerische Abwägung ist. Solange nicht die im Bedarfsgesetz getroffene Leitentscheidung in Frage gestellt wird, können sie rügen, dass die Straße überdimensioniert geplant sei, weil sie erheblich weniger Verkehr werde aufnehmen müssen, als prognostiziert worden sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2003, a.a.O. ≪S. 157 f.≫).
Zweifel an den Grundlagen oder dem Verfahren der Verkehrsuntersuchung der PTV vom 11. Februar 2002 haben die Kläger jedoch nicht schlüssig dargelegt. Grundlage der Modellrechnung waren neben dem auch von den Klägern geforderten VISUM-Netzmodell Raumstrukturdaten (z.B. Einwohner, Erwerbstätige, Beschäftigte) sowie Verkehrsverhaltenskennwerte. Anhaltspunkte dafür, dass die Bevölkerungsentwicklung in Sachsen bei der Untersuchung ausgeblendet worden sein könnte, sind nicht ersichtlich. Der Untersuchung ist im Übrigen zu entnehmen, dass die Bevölkerungsentwicklung Rückschlüsse auf den Verkehrsbedarf nicht ohne weiteres zulässt. So wird dargelegt, dass der Kfz-Bestand in Sachsen und die jährliche Fahrleistung – trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen – in den vergangenen Jahren weiter zugenommen haben.
Die planerische Entscheidung, den Neubau einer Autobahn aus verkehrlichen Gründen dem Ausbau der B 95 vorzuziehen, beruht auch nicht auf einer unverhältnismäßigen Fehlgewichtung der betroffenen Belange.
1.5.2 Auch bei der Trassenauswahl hat die Planfeststellungsbehörde nicht gegen das Abwägungsgebot verstoßen. Die Kläger meinen, dass die planfestgestellte Variante bei Anwendung des § 50 BImSchG keine Chance auf Genehmigung gehabt hätte. Es sei nicht erkennbar, ob der Planungsträger bereits beim Linienentwurf ausreichende Lärmschutzüberlegungen angestellt habe. Wertminderungen der Grundstücke hätten bei der Linienfindung keine Rolle gespielt. Deutliche Verbesserungen für die Gemeinde Röhrsdorf könnten nur durch eine Tunnel- oder Galerielösung erzielt werden.
Die Planfeststellungsbehörde hat nicht verkannt, dass § 50 Satz 1 BImSchG bereits unterhalb der in § 41 BImSchG bezeichneten Lärmschwelle im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 FStrG gebotenen Abwägung unter Lärmschutzgesichtspunkten die Funktion einer Abwägungsdirektive zukommt (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Januar 1999 – BVerwG 4 CN 5.98 – BVerwGE 108, 248 ≪253≫ und vom 11. Januar 2001 – BVerwG 4 A 13.99 – Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 16 ≪S. 11≫). Gemäß § 50 Satz 2 BImSchG ist bei raumbedeutsamen Maßnahmen und Planungen in Gebieten, in denen die Grenzwerte u.a. der 22. BImSchV nicht überschritten werden, bei der Abwägung der betroffenen Belange auch die Einhaltung der bestmöglichen Luftqualität als Belang zu berücksichtigen. Das Interesse, vor Beeinträchtigungen durch Luftschadstoffe geschützt zu werden, die im Wege der Luftreinhaltung noch im Rahmen des rechtlich Zumutbaren gehalten werden können, ist mithin ein abwägungserheblicher Belang. Auch das hat die Planfeststellungsbehörde nicht verkannt. Sie hat fünf Trassenvarianten näher untersucht. Bei der Abwägung hat sie insbesondere dem Schutz der Wohngebiete wesentliche Bedeutung beigemessen. Anhaltspunkte dafür, dass sie dabei neben der Gesundheit der Bewohner nicht auch den Wertverlust der Grundstücke im Blick gehabt hat, sind nicht ersichtlich. Welche andere, die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke vermeidende Trasse sich der Planfeststellungsbehörde als vorzugswürdig hätte aufdrängen sollen, haben die Kläger nicht dargelegt.
Die Planfeststellungsbehörde hat auch abgewogen, ob die Ortslage Röhrsdorf über eine Brücke oder durch einen Tunnel gequert werden soll. Dabei hat sie die abwägungserheblichen Belange berücksichtigt. Sie hat erkannt, dass die Lärmbelastung einer Mehrzahl der Anwesen im unmittelbaren Querungsbereich bei einer Tunnellösung gesenkt würde und dass auch die Möglichkeit, den Lärmschutz unterhalb der Grenzwerte der 16. BImSchV zu verbessern, abwägungsrelevant ist. Bei der Entscheidung für die eine oder andere Planungsvariante dürfen jedoch auch Kostengesichtspunkte den Ausschlag geben (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 1996 – BVerwG 4 A 27.95 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110 und vom 28. Januar 1999 – BVerwG 4 CN 5.98 – BVerwGE 108, 248 ≪254≫). Aufgrund einer von der Vorhabenträgerin in Auftrag gegebenen Vergleichsuntersuchung ist die Planfeststellungsbehörde davon ausgegangen, dass die Mehrkosten für den untersuchten, unter Lärmschutzgesichtspunkten noch verbesserungsbedürftigen Tunnel etwa 43 Mio. DM (Stand 1999) betragen. Die Mehrkosten einer Einhausung wären nicht geringer. Einwendungen gegen die Kostenabschätzung haben die Kläger nicht erhoben. Bei Mehrkosten in dieser Größenordnung ist es nicht unverhältnismäßig, dem sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln gegenüber dem Interesse der Anwohner an einem über die Grenzwerte der 16. BImSchV hinausgehenden Lärmschutz den Vorzug zu geben.
1.6 Die Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks begegnet keinen Bedenken. Soweit der Planfeststellungsbeschluss den Erwerb des Grundstücks für den Bau der A 72 einschließlich der Lärmschutzwälle erlaubt, beruht die Inanspruchnahme auf § 19 Abs. 1 Satz 2, § 1 Abs. 4 Nr. 1 FStrG. Die Gestaltungsmaßnahmen G.4.8.1 und G.4.8.5 sollen auf diesen Flächen verwirklicht werden.
Soweit das Grundstück für die Ersatzmaßnahme E.4.3.4 erworben oder durch eine Grunddienstbarkeit beschränkt werden darf, beruht die Inanspruchnahme des Grundstücks auf § 19 Abs. 1 FStrG i.V.m. § 9 Abs. 3 SächsNatSchG. Die Verlegung der 380 kV-Freileitung ist eine notwendige Folgemaßnahme des Vorhabens im Sinne des § 75 Abs. 1 VwVfG. Insoweit haben die Kläger Einwände gegen die Inanspruchnahme ihres Grundeigentums nicht erhoben.
2. Der hilfsweise gestellte Antrag, den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um Schutzauflagen zugunsten der Kläger und die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs zu ergänzen, ist ebenfalls unbegründet.
2.1 Ein Anspruch gemäß §§ 41, 43 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 2 der 16. BImSchV auf ergänzende Vorkehrungen des aktiven Schallschutzes steht den Klägern nicht zu. Nach dieser Regelung ist bei dem Bau einer öffentlichen Straße sicherzustellen, dass der nach § 3 der 16. BImSchV berechnete Beurteilungspegel auf den in der Nachbarschaft gelegenen Grundstücken bestimmte Immissionsgrenzwerte nicht überschreitet; dies gilt nicht, soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden.
Nach der vom Vorhabenträger vorgelegten schalltechnischen Untersuchung werden die nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV maßgeblichen Immissionsgrenzwerte von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts nur an der Süd- und der Westseite im ersten und zweiten Obergeschoss des Neubaus um bis zu 1,2 dB(A) überschritten. Die Vorbelastung des Grundstücks, insbesondere durch das Rauschen der Hochspannungsleitungen, ist bei der Berechnung der Beurteilungspegel zu Recht außer Betracht geblieben. Nach der 16. BImSchV kommt es, wie sich aus § 1 der Verordnung und ihrer Entstehungsgeschichte ergibt, allein auf den von dem zu bauenden oder zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärm an (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 9.95 – BVerwGE 101, 1; Beschluss vom 11. November 1996 – BVerwG 11 B 66.96 – juris). Lärm, der nicht gerade auf der zu bauenden oder zu ändernden Strecke entsteht, wird von der Verkehrslärmschutzverordnung nicht berücksichtigt. Aus Gründen des Grundrechtsschutzes kann allerdings die zusätzliche Berücksichtigung anderer Lärmquellen nach Maßgabe eines Summenpegels geboten sein (vgl. BVerwGE 101, 1 ≪9 f.≫; Urteil vom 20. Mai 1998 – BVerwG 11 C 3.97 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18 ≪S. 51≫; Urteil vom 10. November 2004 – BVerwG 9 A 67.03 – juris). Dass die durch den Neubau der A 72 auf ihrem Grundstück verursachten Schallimmissionen unter Einbeziehung anderer Lärmquellen Werte von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts erreichen könnten, oberhalb derer in Wohngebieten ein aus Sicht des Grundrechtsschutzes kritischer Bereich beginnt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Mai 1998 und vom 10. November 2004, jeweils a.a.O.), haben die Kläger selbst nicht geltend gemacht.
Die Planfeststellungsbehörde hat die Kläger wegen der errechneten Grenzwertüberschreitungen auf passive Schallschutzmaßnahmen verwiesen, weil die Kosten weitergehenden aktiven Schallschutzes außer Verhältnis zu dem damit erreichbaren Zweck stehen würden. Das ist nicht zu beanstanden. Im Planfeststellungsbeschluss wird dargelegt, dass die Einhaltung der Grenzwerte am Gebäude der Kläger sowie an sieben weiteren Gebäuden, an denen es zu Überschreitungen des Nachtgrenzwertes kommt, eine Erhöhung der Lärmschutzwand auf der Brücke (Bau-km 2+150 bis 2+570) von 5,85 m auf 8 m in Verbindung mit einer Erhöhung des Walls bei Bau-km 1+900 bis 2+150 von 6 m auf 7 m erfordern würde. Die Lärmpegel könnten dadurch um 0,8 bis 2,1 dB(A) gemindert werden. Die Mehrkosten für die höhere Lärmschutzwand bzw. den höheren Wall beliefen sich auf 375 945 € zuzüglich mindestens 1 Mio. € für konstruktive Veränderungen an der Brücke. Die Kläger haben diese Feststellungen der Planfeststellungsbehörde nicht bestritten. Mehrkosten in dieser Größenordnung stehen auch unter Berücksichtigung der Lärmminderung für Anwohner, bei denen die Grenzwerte nicht überschritten werden, außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg.
2.2 Einen Anspruch auf Entschädigung für die erforderlichen Maßnahmen des passiven Schallschutzes gemäß § 42 Abs. 2, § 43 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG i.V.m. der 24. BImSchV hat die Planfeststellungsbehörde den Klägern zuerkannt. Da die Grenzwerte auf diese Weise eingehalten werden können, stehen den Klägern weitergehende Ansprüche wegen der Verkehrsgeräusche nicht zu.
2.3 Wegen der Verschattung ihres Grundstücks haben die Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs. Als Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch kommt allein § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG in Betracht. Nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG hat der von der Planung Betroffene einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld, wenn (weitere) Schutzvorkehrungen nicht vorgenommen werden können, sei es, weil sich technisch-reale Maßnahmen als unzureichend oder angesichts der Höhe ihrer Kosten als unverhältnismäßig erweisen, sei es, weil sich die Beeinträchtigungen – wie im Fall einer Verschattung – durch geeignete Maßnahmen überhaupt nicht verhindern lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 – BVerwG 4 A 39.95 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 ≪S. 17 f.≫). Der Anspruch auf angemessene Entschädigung ist ein Surrogat für nicht realisierbare Schutzmaßnahmen; greift § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, der den Anspruch auf Schutzvorkehrungen regelt, tatbestandlich nicht ein, so ist auch für die Anwendung von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG kein Raum (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – BVerwGE 77, 332 ≪377≫; vom 14. Mai 1992 – BVerwG 4 C 8.89 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 88 und vom 27. November 1996 – BVerwG 11 A 27.96 – und Buchholz 445.5 § 14 WaStrG Nr. 7). § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG setzt voraus, dass Vorkehrungen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Die Beeinträchtigungen müssen, unabhängig davon, ob der Gewährleistungsgehalt des Art. 2 Abs. 2 GG oder des Art. 14 GG berührt ist, die Grenze des Zumutbaren überschreiten (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 u.a. – BVerwGE 56, 110 ≪131≫; vom 20. Oktober 1989 – BVerwG 4 C 12.87 – BVerwGE 84, 31 ≪39 f.≫ jeweils zu § 17 Abs. 4 FStrG a.F.; vom 28. Januar 1999 – BVerwG 4 CN 5.98 – BVerwGE 108, 248 ≪254≫ zu § 41 BImSchG).
Rechtsvorschriften, welche für den Fall einer Verschattung die Grenze des Zumutbaren konkretisieren, sind nicht ersichtlich. Auch die DIN 5034, die die Planfeststellungsbehörde herangezogen hat, dürfte hierfür nicht geeignet sein. Sie stellt – wie im Gutachten zur Verschattung dargelegt wird – in der Fassung vom Oktober 1999 darauf ab, ob in einem Wohnraum einer Wohnung am 17. Januar eine Mindestbesonnung von mindestens einer Stunde vorliegt; in der Fassung vom Februar 1983 ist entscheidend, ob am Tag der Tag- und Nachtgleiche eine Mindestbesonnung von vier Stunden für einen Aufenthaltsraum pro Wohnung nachgewiesen wird. Nach den Angaben des Gutachters geht es in der DIN 5034 nur um die “Einhaltung eines wohnhygienischen Aspektes”. Dass hygienische oder gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht drohen, genügt jedoch nicht, um die Zumutbarkeit einer Verschattung zu bejahen. Auch Beeinträchtigungen der Wohnqualität muss ein Planbetroffener nicht bis zur Schwelle von Gesundheitsgefahren ohne Ausgleich hinnehmen. Aber auch wenn man mangels anderer Maßstäbe die Zumutbarkeit der Verschattung nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 1989, a.a.O. und vom 9. Februar 1995 – BVerwG 4 C 26.93 – BVerwGE 97, 367 ≪373≫), ist die Verschattung des klägerischen Grundstücks durch die geplante Brücke der A 72 über das Pleißenbachtal hier noch als zumutbar anzusehen. Über das Jahr verteilt wird sich die Besonnung des Wohnhauses um weniger als 5 %, also in nur geringem Umfang, vermindern. In den sonnenarmen Wintermonaten, in denen das Sonnenlicht als besonders kostbar empfunden wird, vermindert sich die Besonnung der Südseite zwar um etwa 13 % und der Westseite um etwa 17 %. Eine solche Beeinträchtigung liegt aber noch im Rahmen dessen, womit ein Grundstückseigentümer in einem ländlich geprägten Wohngebiet aufgrund möglicher Veränderungen der Umgebung – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine Autobahn in einem Wohngebiet ein Fremdkörper ist – rechnen muss. Insoweit liegt der Sachverhalt anders als in dem – gleichfalls mit Urteil vom 23. Februar 2005 abgeschlossenen – Parallelverfahren BVerwG 4 A 2.04. Für das Wohnhaus der dortigen Kläger ist durch das Brückenbauwerk eine Verminderung der Besonnung in den Wintermonaten um bis zu einem Drittel zu erwarten. Mit Blick auf diese erhebliche nachteilige Auswirkung hat auf Anregung des erkennenden Senats der Beklagte den Klägern in der mündlichen Verhandlung durch Erklärung zu Protokoll dem Grunde nach einen Entschädigungsanspruch wegen unzumutbarer Verschattung zugesprochen.
2.4 Andere die Zumutbarkeitsschwelle übersteigende nachteilige Wirkungen des Vorhabens auf das Grundstück der Kläger, die einen Anspruch auf Schutzvorkehrungen oder auf Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Kläger begehren einen Ausgleich für den durch die Lage zur A 72 bedingten Wertverlust ihres Grundstücks. Dass ein Grundstück am Grundstücksmarkt wegen seiner Belegenheit zur Autobahn an Wert verliert, ist jedoch keine nachteilige Wirkung auf ein Recht des Grundstückseigentümers. Derartige Wertminderungen werden deshalb von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG nicht erfasst. Die darin liegende Beschränkung des finanziellen Ausgleichs ist mit Art. 14 GG vereinbar. Der Gesetzgeber muss nicht vorsehen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung ausgeglichen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 9.95 – BVerwGE 101, 1 ≪11 f.≫ und vom 24. Mai 1996 – BVerwG 4 A 39.95 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 ≪S. 18 f.≫). Ergibt erst eine Gesamtschau aller Beeinträchtigungen, dass eine weitere Nutzung des Grundstücks als unzumutbar erscheint, können die Betroffenen auf der Grundlage von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG die Übernahme des Grundstücks verlangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 – BVerwG 4 A 44.00 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 59). Dass die Verwirklichung des Vorhabens die Situation des Wohngrundstücks derart nachhaltig beeinträchtigt, dass den Klägern die Nutzung zu Wohnzwecken nicht mehr zugemutet werden kann, ergibt sich aus ihrem Vorbringen nicht. Die Kläger haben die Übernahme ihres Grundstücks auch nicht beantragt. Die Planfeststellungsbehörde hat über einen Übernahmeanspruch aber nur auf einen entsprechenden Antrag zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1981 – BVerwG 4 C 4.78 – BVerwGE 61, 295 ≪306≫; Beschluss vom 8. September 2004 – BVerwG 4 B 42.04 – juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Paetow, Halama, Gatz, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen
Haufe-Index 1348880 |
BVerwGE 2006, 37 |
BauR 2005, 1216 |
BauR 2005, 1280 |
NuR 2005, 532 |
DVBl. 2005, 914 |
Städtetag 2005, 46 |
UPR 2005, 276 |