Entscheidungsstichwort (Thema)
Ortsübliche Bekanntmachung der Planauslegung. Anstoßwirkung. Umweltverträglichkeitsprüfung. Einwendungsausschluß bei Abschnittsbildung. Einwendungsausschluß bei Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist. Ausschluß grundrechtsrelevanter Einwendungen. greifbare Gesetzeswidrigkeit. Ausschluß aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht herzuleitender Einwendungen. Antrag auf nachträgliche Schutzanordnungen. maßgeblicher Zeitpunkt für die Begründetheit der Planergänzungsklage
Leitsatz (amtlich)
Was als ortsübliche Bekanntmachung im Sinne des § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AEG anzusehen ist, ergibt sich primär aus den dafür maßgeblichen Normen des Landes- oder Ortsrechts.
Reicht danach die Veröffentlichung im Bekanntmachungsteil eines von der Gemeinde herausgegebenen Amtlichen Anzeigers aus, so verstößt die sich daraus ergebende Obliegenheit jedes ortsansässigen Grundstückseigentümers, zur Vermeidung der Präklusion sein Grundstück betreffende Bekanntmachungen dieser Art zur Kenntnis zu nehmen und erforderlichenfalls fristgerecht Einwendungen zu erheben, nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG.
Ist die Bekanntmachung der Auslegung des Plans allein im Amtlichen Anzeiger ortsüblich, so verstößt es nicht gegen Art. 6 der UVP-Richtlinie, wenn sich die Unterrichtung der Öffentlichkeit von dem Projekt auf diese Bekanntmachung und die anschließende Auslegung beschränkt.
Der Einwendungsausschluß nach § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG ist auch dann nicht verfassungswidrig, wenn er im konkreten Fall zum Ausschluß grundrechtsrelevanter Einwendungen führt.
Aus der UVP-Richtlinie ergibt sich nicht, daß im gerichtlichen Verfahren unabhängig von dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG angeordneten Einwendungsausschluß in der Sache geprüft werden muß, ob ein planfestgestelltes Vorhaben die Gesundheit der Kläger gefährdet.
Maßgeblich für die Begründetheit einer auf § 74 Abs. 2 VwVfG gestützten Verpflichtungsklage auf Planergänzung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; VwVfG § 73 Abs. 5, § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 2-3; UVP-Richtlinie Art. 6; AEG § 20 Abs. 1-2
Nachgehend
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der den Klägern zu 7 und 10 durch den Gerichtsbescheid vom 3. Juli 1996 auferlegten Kosten und etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zu 1 bis 6 zu je drei Sechsundzwanzigsteln und die Kläger zu 8 und 9 zu je vier Sechsundzwanzigsteln.
Tatbestand
I.
Die Kläger zu 1 bis 6 und 9 sind nach ihren Angaben Eigentümer und Bewohner von Grundstücken am M…-weg in H…, die mit Wohnhäusern bebaut sind. Der Kläger zu 8 ist Testamentsvollstrecker für einen Nachlaß, zu dem zwei ebenfalls mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke in gleicher Lage gehören. Die Häuser liegen ca. 70 bis 160 m südlich des Schienenweges Hamburg – Büchen – Berlin der Beigeladenen, der jenseits des Flusses Bille auf einem Damm verläuft. Das nördliche Ufer des Flusses bildet dort die Grenze zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Stadt Reinbek in Schleswig-Holstein.
Am 6. April 1994 veröffentlichte die Freie und Hansestadt Hamburg in dem von ihrem Senat herausgegebenen Amtlichen Anzeiger (Teil II des Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblattes) unter der Überschrift “Bekanntmachungen” eine Verlautbarung des Ministers für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein als Anhörungsbehörde. Darin wurde bekanntgegeben, daß die Beigeladene ein Planfeststellungsverfahren “für den Ausbau des genannten Schienenweges im Abschnitt Va von km 264,95 bis km 268,63 auf dem Gebiet der Gemeinde Wentorf und der Stadt Reinbek” beantragt habe und daß der Plan mit den entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen in der Zeit vom 18. April bis einschließlich 18. Mai 1994 in den Rathäusern der Gemeinde Wentorf und der Stadt Reinbek sowie im Bezirksamt Bergedorf während der Dienststunden zur Einsichtnahme ausliege. Die Auslegung im Bezirksamt Hamburg-Bergedorf erfolge im Hinblick auf die auch auf Hamburger Gebiet, insbesondere im Bereich M…-weg, vorgenommenen schalltechnischen Untersuchungen. In der Bekanntmachung wurde ferner u.a. darauf hingewiesen, daß jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt würden, bis einschließlich 1. Juni 1994 schriftlich oder zur Niederschrift bei der Anhörungsbehörde oder bei einer der auslegenden Gemeindebehörden Einwendungen gegen den Plan erheben könne und daß Einwendungen gegen den Plan nach Ablauf der Einwendungsfrist ausgeschlossen seien.
Anschließend wurden der Plan und die genannten Unterlagen über die Umweltauswirkungen wie vorgesehen zur Einsichtnahme ausgelegt. Danach war in Höhe der Grundstücke der Kläger vorgesehen, nördlich der bisher für den Fern- und S-Bahn-verkehr genutzten beiden Gleise zwei neue Gleise für die S-Bahn zu errichten sowie die vorhandenen Gleise dem Fernbahnverkehr vorzubehalten und zu elektrifizieren. In Höhe der Grundstücke der Kläger zu 3 bis 6 und teilweise auch des Klägers zu 8 war ferner die Errichtung einer ein Meter hohen Schallschutzwand südlich der vorhandenen Gleise vorgesehen.
Durch Beschluß vom 19. Mai 1995 stellte das Eisenbahn-Bundesamt der Beklagten den Plan für das Vorhaben fest. Dabei blieb die Planung in Höhe der Grundstücke der Kläger unverändert. Eine Ausfertigung des Planfeststellungsbeschlusses und des festgestellten Plans wurde im Bezirksamt Bergedorf vom 17. bis zum 31. Juli 1995 zur Einsicht ausgelegt.
Die Kläger, die innerhalb der Einwendungsfrist keine Einwendungen gegen den Plan erhoben hatten, haben am 25. Juli 1995 Klage gegen den Planfeststellungsbeschluß erhoben und diese am 4. September 1995 mit Einwendungen insbesondere gegen die zu erwartende hohe Schallbelastung ihrer Grundstücke sowie mit Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschnittsbildung begründet. Zur Frage des Einwendungsausschlusses haben sie mit ihrer Klagebegründung folgendes vorgetragen:
Da die Bahntrasse in ihrem Verlauf durch Hamburg-Bergedorf zum Planfeststellungsabschnitt IV gehöre, sei der Kläger zu 9 sowie der damalige Rechtsvorgänger des Klägers zu 8 davon ausgegangen, daß auch sie zu diesem Abschnitt gehörten; sie hätten deshalb im November 1993 fristgerecht Einwendungen gegen das Vorhaben des Planfeststellungsabschnitts IV erhoben. Am 14. Februar 1994 habe ein diesen Abschnitt betreffender Erörterungstermin stattgefunden, bei dem auch ihre Einwendungen erörtert worden seien. Dabei seien sie weder von der Anhörungsbehörde noch von der Beigeladenen darauf aufmerksam gemacht worden, daß ihre Grundstücke in den Planfeststellungsabschnitt Va fielen. Ebenso sei es anderen Einwendern in ihrem Wohngebiet ergangen. Auf die Forderung von zwei Einwendern im westlichen Randbereich dieses Wohngebiets nach einer Erhöhung der zunächst geplanten Schallschutzwand von 0,5 m habe ein Vertreter der Beigeladenen sogar erklärt, daß die Wand von Wentorf kommend einschließlich der Billebrücke von der Beigeladenen freiwillig auf 1 m erhöht werde. Im Planfeststellungsbeschluß für den Planfeststellungsabschnitt IV vom 29. Juli 1994 seien dann die Einwendungen des Klägers zu 9 und des Rechtsvorgängers des Klägers zu 8 mit der Begründung zurückgewiesen worden, daß die Festlegung des Schallschutzes im Planfeststellungsabschnitt Va erfolge und nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei. Erst dadurch sei für den Kläger zu 9 und den Rechtsvorgänger des Klägers zu 8 erkennbar gewesen, daß sie unter den Planfeststellungsabschnitt Va fielen. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch die Einwendungsfrist zum Planfeststellungsabschnitt Va bereits abgelaufen gewesen.
Die Kläger vertreten die Auffassung, soweit sie Einwendungen im Planfeststellungsabschnitt IV erhoben hätten, seien sie nicht gehalten gewesen, im Rahmen des Planfeststellungsabschnitts Va erneut Einwendungen gegen die Planung zu erheben. Vielmehr seien die vom Kläger zu 9 und vom Rechtsvorgänger des Klägers zu 8 im Planfeststellungsverfahren zum Abschnitt IV erhobenen Einwendungen gegen den mangelhaften aktiven Lärmschutz im Planfeststellungsverfahren zum Abschnitt Va zu berücksichtigen. Durch die im Planfeststellungsbeschluß für den Abschnitt IV enthaltene Entscheidung, die Festlegung des Schallschutzes für diese Kläger erfolge im Abschnitt Va, habe sich die Beklagte im Wege der Zusage selbst gebunden, in jenem Abschnitt über die Einwendungen noch zu entscheiden. Zumindest hätte die Beklagte im Planfeststellungsabschnitt IV darauf hinweisen müssen, daß der Kläger zu 9 und der Rechtsvorgänger des Klägers zu 8 nach Erlaß des dazu ergangenen Planfeststellungsbeschlusses noch im Anhörungsverfahren zum Abschnitt Va ihre Einwendungen hätten vorbringen können. Dies sei nicht geschehen. Unter diesen Umständen verletze die Nichtberücksichtigung der Einwendungen diese Kläger in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
Sinn und Zweck einer planungsrechtlichen Abschnittsbildung sei es weder, Rechtsmittel abzuschneiden oder zu verkürzen noch Bürger zu zwingen, mehrfach gegen eine Planung Einwendungen erheben und Rechtsmittel durchführen zu müssen. Planungsabschnitte seien deshalb so zu bilden, daß ein Betroffener seine Einwendungen in einem Verfahren und nicht in mehreren Verfahren vorbringen könne und müsse. Dagegen sei hier verstoßen worden. Außerdem habe die Beklagte bei Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses angenommen, daß die Grundstücke der Kläger in Schleswig-Holstein lägen. Wenn sie gewußt hätte, daß dies nicht der Fall ist, hätte sie der Abschnittsbildung so nicht zugestimmt bzw. nicht zustimmen dürfen.
Zumindest ergebe sich aus den genannten Vorgängen, daß der Kläger zu 9 und der Rechtsvorgänger des Klägers zu 8 ohne Verschulden verhindert gewesen seien, die Einwendungsfrist zum Planfeststellungsabschnitt Va einzuhalten. Sie hätten deshalb Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gehabt. Diese komme nicht mehr in Betracht, da der Planfeststellungsbeschluß bereits ergangen sei. In einem solchen Fall greife jedoch die materiellrechtliche Präklusion nicht ein, so daß mit der Klage die bisher unverschuldet nicht erhobenen Einwendungen noch vorgebracht werden könnten.
Abgesehen davon könne sämtlichen Klägern ein Einwendungsausschluß schon deshalb nicht entgegengehalten werden, weil die Freie und Hansestadt Hamburg die Auslegung des Plans im Bezirksamt Bergedorf entgegen § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AEG nicht ortsüblich bekanntgemacht habe. Die Veröffentlichung vom 6. April 1994 enthalte nur eine Bekanntmachung der Anhörungsbehörde. Außerdem habe die Bekanntmachung die Betroffenheit der Kläger nicht eindeutig kenntlich gemacht. Da die Bekanntmachung in ihrem Titel nur eine Planfeststellung auf dem Gebiet der Gemeinde Wentorf und der Stadt Reinbek erwähne und als Unterzeichner allein den Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein nenne, werde nicht deutlich, daß hier eine Planfeststellung für Hamburger Gebiet und mit Auswirkungen für Hamburger Bürger habe erfolgen sollen.
Jedenfalls habe die Veröffentlichung im Amtlichen Anzeiger zur ortsüblichen Bekanntmachung nicht ausgereicht. Bei den Bezirksämtern der Freien und Hansestadt Hamburg würden routinemäßig neben dieser Veröffentlichung noch Plakate mit der Überschrift “Mitteilungen” im betroffenen Bereich angehängt sowie Pressemitteilungen herausgegeben. Die Kläger hätten daher darauf vertrauen können, daß sie auch in dem ihre Grundstücke betreffenden Verfahren in der Tagespresse zweifelsfrei informiert würden. Dies sei jedoch im vorliegenden Fall nicht geschehen. Der Amtliche Anzeiger sei hingegen bei den Bürgern weitgehend unbekannt.
Eine materielle Einwendungspräklusion sei nur dann mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, wenn die Betroffenen hinreichend Gelegenheit zur Einwendung gehabt hätten und eine mögliche Versäumung der Einwendungsfrist in ihren Verantwortungsbereich gefallen sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da das Vorhaben nur im Amtlichen Anzeiger, nicht aber auch in der Tageszeitung bekanntgemacht worden sei.
Ohne Schallschutzwand drohe den Klägern zu 1, 2, 8 und 9 im Jahre 2010 eine Schallbelastung von zumindest 72 dB(A) tags und 74 dB(A) nachts. Damit sei die Schwelle der Gesundheitsgefahr überschritten. Müßte § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG so ausgelegt werden, daß er es derart Betroffenen verwehre, die zum Schutz ihrer Gesundheit erforderlichen Vorkehrungen zu verlangen, dann wäre die Vorschrift verfassungswidrig.
Die Beklagte selbst sei bei Erlaß des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses davon ausgegangen, daß sie auch den Klägern zu 1, 2, 8 und 9 aktiven Lärmschutz mit einer Schallbelastung von tags etwa 55 dB(A) und nachts etwa 56 – 57 dB(A) zuerkannt habe. Tatsächlich sehe der Planfeststellungsbeschluß für die Grundstücke dieser Kläger jedoch überhaupt keinen Schallschutz vor. Diesen Fehler müsse die Beklagte auf die Klage hin im Wege der Selbstkontrolle heilen, ohne daß dem eine Präklusion entgegenstehe. Denn eine derart greifbare Gesetzeswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses zwinge zur Richtigstellung.
Die Präklusion verstoße darüber hinaus gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, nämlich gegen Art. 6 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten – UVP-Richtlinie – vom 27. Juni 1985 (ABl EG Nr. L 175 S. 40). Abs. 3 dieser Vorschrift verpflichte die Mitgliedsstaaten, in geeigneter Form die Öffentlichkeit, insbesondere den betroffenen Personenkreis, zu unterrichten. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet gewesen, sicherzustellen, daß die Öffentlichkeit tatsächlich, nicht nur fiktiv, die Möglichkeit habe, von dem Vorhaben Kenntnis zu nehmen. Die Bekanntmachung allein im Amtlichen Anzeiger reiche dazu nicht aus, weil dieser von den Bürgern nicht gelesen werde.
Abgesehen davon könnten die für die Präklusion maßgeblichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs es ohnehin nicht rechtfertigen, die Möglichkeit der nationalen Gerichte einzuschränken, Verletzungen des Gemeinschaftsrechts von Amts wegen zu prüfen. Deshalb sei das Gericht unabhängig von den bundesrechtlichen Präklusionsvorschriften verpflichtet, zu prüfen, ob der angefochtene Planfeststellungsbeschluß die Gesundheit der Kläger schädige. Der Schutz der menschlichen Gesundheit sei nämlich ein Hauptziel der genannten Richtlinie. Tatsächlich werde durch die Regelung des Planfeststellungsbeschlusses die Gesundheit der Kläger gefährdet, da auf ihren Grundstücken der Grenzwert von 55 dB(A) nachts nicht eingehalten werde und innerhalb der Gebäude bei geschlossenen Fenstern der äquivalente Dauerschallpegel über 30 dB(A), der Maximalpegel über 40 dB(A) liege.
Der Rechtsanspruch der Kläger ergebe sich auch aus § 75 Abs. 2 VwVfG. Diese Vorschrift finde nach ihrem Wortlaut Anwendung nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Erst recht hätten die Kläger deshalb Anspruch auf Nachrüstung, wenn vor Rechtskraft eine bei Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht voraussehbare nachteilige Wirkung auftrete. Dafür reiche es aus, daß die Schädlichkeit oder Gefährlichkeit von Auswirkungen nunmehr aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse anders zu beurteilen sei. Bei Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses sei nicht voraussehbar gewesen, daß mit der Planung deshalb eine aktuelle Gesundheitsgefahr verbunden sei, weil der Mensch vorzeitig sterbe, wenn der Schlaf nicht sichergestellt sei. Im konkreten Fall sei der Schlaf nicht sichergestellt, weil in den Innenräumen der Gebäude der Kläger der äquivalente Dauerschallpegel mindestens 40 dB(A) betrage und die maximalen Pegel mindestens 56mal je Nacht über 55 dB(A) lägen. Im Planfeststellungsverfahren sei an keiner Stelle darauf hingewiesen worden, daß mit der Planung gesundheitliche Gefahren für die Kläger verbunden seien. Erst nach Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses hätten sich neuere Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung Bahn gebrochen. Aus diesen ergebe sich für den Bereich des Straßenverkehrslärms,
– daß die Gefahr, vorzeitig durch Lärmbelastung zu sterben, ab Grenzwerten von tags 65 dB(A) und nachts 55 dB(A) bestehe,
– daß eine Gewöhnung an Verkehrslärm diese Gefahr nicht verhindere,
– daß bezüglich der Nachtruhe insbesondere auf den Innenpegel zur Nachtzeit abzustellen sei, der 30 dB(A) als äquivalenter Dauerschallpegel und 40 dB(A) als Spitzenpegel nicht überschreiten dürfe,
– daß bereits 16 Ereignisse je Nacht mit einem Maximalpegel von 55 dB(A) zu aktuellen Gesundheitsschädigungen führten.
Diese Erkenntnisse könnten auf den Schienenverkehr übertragen werden, weil bei der Berechnung des Schienenverkehrslärms bereits ein Bonus von 5 dB(A) berücksichtigt werde. Selbst wenn die Übertragung aber noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit möglich sei, gebiete es Art. 2 Abs. 2 GG, diese Übertragung vorzunehmen. Es wäre unerträglich, von den Klägern zu verlangen, erst die Realisierung der Gefahr abzuwarten.
Die Klage, mit der die Kläger zunächst die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Planergänzung beantragt hatten, hat der erkennende Senat durch Gerichtsbescheid vom 3. Juli 1996 – BVerwG 11 A 64.95 – (Buchholz 442.09 § 20 Nr. 7) abgewiesen. Daraufhin haben die Kläger zu 1 bis 6, 8 und 9 mündliche Verhandlung beantragt. Unter Zurücknahme der Klage im übrigen beantragen sie nunmehr nur noch,
die Beklagte zu verpflichten,
1. im Wege einer Planergänzung durch Festsetzung geeigneter Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG dafür Sorge zu tragen, daß durch die von dem Bau und Betrieb der Bahnanlage ausgehenden Verkehrsgeräusche folgende Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden:
tags 55 dB(A), nachts 45 dB(A),
hilfsweise tags 59 db(A), nachts 49 dB(A),
2. im Wege einer Planergänzung festzusetzen, daß die Kläger – soweit Grundstückseigentümer – dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung für die Vornahme passiver Schallschutzmaßnahmen haben und darüber hinaus den Klägern dem Grunde nach ein darüber hinausgehender Entschädigungsanspruch zusteht wegen Wertminderung des Grundstücks, Minderung des Gebrauchswertes, Schädigung der Gesundheit, Beeinträchtigung beruflicher Tätigkeit und sonstiger verbleibender Beeinträchtigungen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Kläger für materiell präkludiert und verteidigt den Planfeststellungsbeschluß in der Sache.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie schließt sich dem Vortrag der Beklagten an und führt ergänzend aus, daß über den Anspruch der Kläger auf Entschädigung für die Vornahme passiver Schallschutzmaßnahmen noch nicht abschließend entschieden sei.
Entscheidungsgründe
II.
Hinsichtlich des zunächst als Hauptantrag geltend gemachten Begehrens auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses haben die Kläger die Klage zurückgenommen. Insoweit ist das Verfahren einzustellen (vgl. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Im übrigen ist die Klage unbegründet. Die Kläger haben weder Anspruch auf die von ihnen begehrten Planergänzungen, noch sind sie durch deren Unterlassung aus anderen Gründen in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
1. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluß leidet an keinem Verfahrensfehler, der es rechtfertigen könnte, der auf Planergänzung gerichteten Klage stattzugeben.
a) Wie der erkennende Senat bereits in der Begründung des Gerichtsbescheides vom 3. Juli 1996 ausgeführt hat, entsprach die Bekanntmachung der Auslegung des Plans in Hamburg den dafür geltenden Vorschriften. Gemäß § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AEG hatte die Freie und Hansestadt Hamburg die Auslegung vorher ortsüblich bekanntzumachen. Was als ortsübliche Bekanntmachung in diesem Sinne anzusehen ist, ergibt sich primär aus den dafür maßgeblichen Normen des Landes- oder Ortsrechts, hier aus § 73 Abs. 5 Satz 1 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – HmbVwVfG – vom 9. November 1977 (GVBl S. 333). Danach reichte die Veröffentlichung im Bekanntmachungsteil des vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg herausgegebenen Amtlichen Anzeigers aus und war eine zusätzliche Bekanntmachung in örtlichen Tageszeitungen, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken würde (vgl. § 72 Abs. 2, § 73 Abs. 6 Satz 5, § 74 Abs. 5 HmbVwVfG), gerade nicht erforderlich. Die von den Klägern vermißte Berichterstattung privater Presseorgane kommt als Bekanntmachung schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich dabei – anders als etwa bei einem von der Behörde veranlaßten “Einrücken” des Hinweistextes (§ 73 Abs. 5 Satz 2 VwVfG) in die örtliche Zeitung – nicht um Verwaltungstätigkeit im Sinne des § 1 HmbVwVfG handelt.
Im Hinblick auf die Ortsüblichkeit der Bekanntmachung der Planauslegung im Amtlichen Anzeiger kann keine Rede davon sein, daß die sich daraus ergebende Obliegenheit jedes Hamburger Grundstückseigentümers, zur Vermeidung der Präklusion sein Grundstück betreffende Bekanntmachungen dieser Art zur Kenntnis zu nehmen und erforderlichenfalls fristgerecht Einwendungen zu erheben, unverhältnismäßig oder unzumutbar wäre und deshalb gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstieße. Insoweit gilt nichts anderes als bei der jedem Bürger zuzumutenden Kenntnisnahme des Inkrafttretens von Rechtsvorschriften, die nur im jeweiligen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet werden. Darauf, ob der jeweils Betroffene oder eine größere Zahl von Bürgern ein solches amtliches Veröffentlichungsorgan regelmäßig hält oder liest, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Die Bekanntmachung der Auslegung des Plans allein im Amtlichen Anzeiger verstieß offenkundig auch nicht gegen Art. 6 der UVP-Richtlinie. Zwar war nach Abs. 2 dieser Vorschrift die Beklagte verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß der Öffentlichkeit der Planfeststellungsantrag der Beigeladenen sowie die nach Art. 5 der Richtlinie eingeholten Informationen zugänglich gemacht wurden und der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben wurde, sich vor Durchführung des Projekts dazu zu äußern. Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie überläßt es jedoch ausdrücklich den Mitgliedsstaaten, die Einzelheiten dieser Unterrichtung und Anhörung festzulegen und dabei zu präzisieren, wie die Öffentlichkeit unterrichtet werden kann. Bei den dafür aufgeführten Beispielen handelt es sich ersichtlich um keine abschließende Aufzählung. Angesichts der Ortsüblichkeit entsprechender Veröffentlichungen im Allgemeinen Anzeiger kann nicht davon ausgegangen werden, daß eine solche Veröffentlichung den Zweck der gebotenen Unterrichtung verfehlte. Eine nicht zweifelsfrei zu beantwortende Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die den Senat zur Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 177 Abs. 3 EGV verpflichten würde, wird dadurch nicht aufgeworfen.
Der im Amtlichen Anzeiger bekanntgemachte Text reichte aus, um die nötige Anstoßwirkung gegenüber den Eigentümern und Bewohnern der Grundstücke der Kläger zu erzielen (dazu vgl. BVerwG, Urteil vom 16. August 1995 – BVerwG 11 A 2.95 – ≪Buchholz 407.3 § 3 VerkPBG Nr. 1 S. 5≫). Bereits aus der Überschrift ergab sich, daß die Planfeststellung den “Ausbau der Strecke Hamburg-Büchen(- Berlin) … auf dem Gebiet der Gemeinde Wentorf und der Stadt Reinbek” betraf; damit war klargestellt, daß es sich um die ca. 70 bis 160 m nördlich der Grundstücke der Kläger verlaufende Bahnstrecke handelte. Zudem wurde im Text der Bekanntmachung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Auslegung im Bezirksamt Bergedorf im Hinblick auf die insbesondere im Bereich M…-weg vorgenommenen schalltechnischen Untersuchungen erfolge. Dies konnte im Zusammenhang mit der Überschrift vernünftigerweise nur so verstanden werden, daß bei dem Vorhaben mit Schallauswirkungen auf den unmittelbar an der Landes- und Gemeindegrenze liegenden Bereich M…-weg zu rechnen war.
b) Unbegründet ist auch der für einen Planergänzungsanspruch möglicherweise erhebliche Einwand der Kläger, durch die Einschaltung des Technischen Überwachungs-Vereins Nord e.V. bei der Erarbeitung der Umweltverträglichkeitsuntersuchung, der zusammenfassenden Darstellung der Umweltauswirkungen und der Bewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens sei die gesetzliche Kompetenzverteilung im durch europäisches Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung unterlaufen worden, weil weder die Anhörungs- noch die Planfeststellungsbehörde ihren Kompetenzen entsprechend ausgestattet und deshalb ihre Aufgaben in Wahrheit durch den genannten Verein wahrgenommen worden seien. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß sich die Behörden bei der ihnen gemäß §§ 10, 24 VwVfG obliegenden Ermittlung des Sachverhalts auch der Hilfe von Sachverständigen bedienen können, wie § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwVfG ausdrücklich hervorhebt. Das Gesetz setzt damit als selbstverständlich voraus, daß die für eine Behörde tätigen Amtsträger in der Lage sind, den maßgeblichen Sachverhalt zu erfassen und die Zuarbeit von Sachverständigen kritisch zu beurteilen, bevor sie sich die Ergebnisse dieser Zuarbeit zu eigen machen. Es ist nämlich gerade die Aufgabe eines Sachverständigen, aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse einer Behörde oder einem Gericht bei der Erfassung des Sachverhalts zu helfen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 5. März 1997 – BVerwG 11 A 25.95 – S. 33).
2. Da das Anhörungsverfahren den Klägern gegenüber ordnungsgemäß durchgeführt wurde, steht deren Einwendungen gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses die Präklusionswirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG entgegen. Danach sind Einwendungen gegen den Plan, die nach Ablauf der Einwendungsfrist erhoben werden, ausgeschlossen. Dieser Einwendungsausschluß erstreckt sich auch auf das der Planfeststellung nachfolgende gerichtliche Verfahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. August 1995, a.a.O. ≪S. 2≫).
a) Die Kläger haben innerhalb der gesetzlichen Einwendungsfrist des § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG, die am 1. Juni 1994 ablief, keine Einwendungen gegen den Plan erhoben, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Die Erhebung von Einwendungen in einem früheren Planfeststellungsverfahren für einen anderen Abschnitt desselben Schienenweges reicht dazu nicht aus. Die Ausschlußwirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG wird durch das öffentliche Interesse daran gerechtfertigt, Rechts- und Verkehrssicherheit in bezug auf den Bestand der künftigen Planfeststellung, soweit sie den ausgelegten Unterlagen entspricht, innerhalb einer angemessenen Frist herbeizuführen (vgl. BVerfGE 61, 82 ≪114≫). Jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Abschnittsbildung rechtlich nicht zu beanstanden ist, ist es deshalb jedem, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, grundsätzlich zumutbar, Einwendungen gegen den einen bestimmten Planfeststellungsabschnitt betreffenden Plan innerhalb der dafür geltenden Einwendungsfrist auch dann – nochmals – zu erheben, wenn er sich bereits am Planfeststellungsverfahren für einen anderen Abschnitt mit Einwendungen beteiligt hat. Die formale Selbständigkeit der für jeden Abschnitt einzeln durchzuführenden Planfeststellungsverfahren schließt es aus Gründen der Rechtssicherheit aus, Einwendungen, die in einem dieser Verfahren erhoben wurden, damit zugleich als in allen oder einzelnen folgenden Verfahren erhoben anzusehen.
Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang weiterhin die Rechtmäßigkeit der Abschnittsbildung in Frage stellen, verweist der Senat gemäß § 84 Abs. 4 VwGO auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid vom 3. Juli 1996 (S. 10 bis 12), mit denen er die entsprechenden Bedenken als unbegründet erkannt hat. Die Auffassung, eine Abschnittsbildung sei rechtswidrig, wenn ein Betroffener seine Einwendungen in mehreren Verfahren vorbringen müsse, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Vielmehr besteht bei jeder Abschnittsbildung die Möglichkeit, daß in den Grenzbereichen einzelne Grundstücke von zwei Abschnitten betroffen sein können und ihre Eigentümer oder Bewohner deshalb in beiden Planfeststellungsverfahren zu Einwendungen gehalten sind, wenn sie ihre Rechte wahren wollen. Abgesehen davon waren die Kläger hinsichtlich des Schallschutzes nur vom Planfeststellungsabschnitt Va betroffen und mußten deshalb ihre diesbezüglichen Einwendungen auch nur in dem diesen Abschnitt betreffenden Verfahren vorbringen. Die Behauptung der Kläger, die Beklagte habe sich bei Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses über dessen die Landesgrenze übergreifende Auswirkung geirrt, ist im Hinblick auf die vorangegangene, von der Beklagten mit Schreiben vom 7. Februar 1994 an die Anhörungsbehörde veranlaßte Auslegung des Plans (auch) in Hamburg nicht nachvollziehbar und wird mit dem Hinweis auf einen später berichtigten Irrtum in der Klageerwiderung auch nicht schlüssig belegt.
b) Darin, daß die Beklagte die schallschutzbezogenen Einwendungen des Klägers zu 9 und des Rechtsvorgängers des Klägers zu 8 im Planfeststellungsverfahren für den Abschnitt IV dahin beschieden hat, die Festlegung des Schallschutzes erfolge im Planfeststellungsabschnitt Va und sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens, liegt keine Zusage, diese Einwendungen ohne weiteres als im Verfahren für den Abschnitt Va erhoben anzusehen. Vielmehr wurden im verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses vom 29. Juli 1994 für den Abschnitt IV die Einwendungen, soweit ihnen nicht entsprochen wurde oder sie nicht zurückgenommen wurden, ausdrücklich zurückgewiesen. Dies läßt im Hinblick auf die formale Selbständigkeit der für jeden Abschnitt einzeln durchzuführenden Planfeststellungsverfahren keinen Raum für die Annahme, die genannten Einwender hätten ohne ausdrückliche anderweitige Belehrung davon ausgehen dürfen, daß keine erneute Erhebung ihrer Einwendungen im Verfahren für den Abschnitt Va erforderlich war. Deshalb wird die Präklusionswirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG vorliegend auch nicht dadurch teilweise ausgeschlossen, daß der Kläger zu 9 und der Rechtsvorgänger des Klägers zu 8 bis zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens ohne Verschulden gehindert gewesen wären, Einwendungen gegen das Vorhaben zu erheben, so daß sie gemäß § 32 VwVfG Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gehabt hätten (vgl. BVerwGE 60, 297 ≪309≫). Auch insoweit verweist der Senat gemäß § 84 Abs. 4 VwGO auf die Begründung des Gerichtsbescheides vom 3. Juli 1996 (S. 16 f.). Die dort dargestellte verfahrensrechtliche Lage im Zeitpunkt der Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses vom 29. Juli 1994 ergab sich mit hinreichender Bestimmtheit aus den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften (§ 20 Abs. 2 Satz 1 AEG, § 32 Abs. 2 VwVfG); über deren Inhalt ließ sich, erforderlichenfalls unter Inanspruchnahme rechtskundigen Rats, ohne unzumutbaren Aufwand eine Gewißheit erlangen, die jedenfalls ausreichte, um mögliche Rechtspositionen im Planfeststellungsabschnitt Va zu wahren. Eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG liegt darin nicht (vgl. BVerfGE 61, 82 ≪109 ff.≫).
c) Die Behauptung der Kläger zu 1, 2, 8 und 9, ihnen drohe “ohne Schallschutzwand” eine gesundheitsgefährdende Immissionsbelastung von über 70 dB(A), auf die sich die Präklusion nicht erstrecken könne, wird zum einen durch die dafür herangezogenen Emissionspegel nicht schlüssig belegt und ist zum anderen schon deshalb unerheblich, weil für das Wohngebiet sämtlicher Kläger im angefochtenen Planfeststellungsbeschluß tatsächlich eine 1 m hohe Schallschutzwand vorgesehen ist; diese wird für die Grundstücke des Klägers zu 8 eine Pegelminderung um 3,0 bis 7,1 dB(A) zur Folge haben und läßt auch für das östlich daran angrenzende Grundstück des Klägers zu 9 und das südlich davon jenseits der Straße gelegene Grundstück der Kläger zu 1 und 2 eine Pegelminderung erwarten. Abgesehen davon wäre die Ausschlußwirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG auch dann nicht verfassungswidrig, wenn sie im konkreten Fall zum Ausschluß grundrechtsrelevanter Einwendungen führen würde. Denn diese Vorschrift beschränkt in zulässiger Weise die von den Klägern insoweit ins Feld geführten Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 61, 82 ≪114≫; BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 – BVerwG 4 A 38.95 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 119 m.w.N.).
d) Die Auffassung, der Ausschlußwirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG stehe vorliegend eine “greifbare Gesetzeswidrigkeit” des Planfeststellungsbeschlusses entgegen, weil die Beklagte bei Erlaß dieses Beschlusses fälschlicherweise davon ausgegangen sei, auch den Klägern zu 1, 2, 8 und 9 Schallschutz zuerkannt zu haben, geht wegen der erwähnten Schallschutzwand für das Wohngebiet der Kläger schon in tatsächlicher Hinsicht fehl. Fraglich kann nur sein, ob Länge und Höhe dieser Schallschutzwand den Ansprüchen der Kläger gerecht werden. Unter diesen Umständen kann von “greifbarer Gesetzeswidrigkeit” keine Rede sein. Im übrigen soll dadurch, daß die in ihren Rechten möglicherweise Betroffenen gehalten sind, ihre Einwendungen bereits im Planfeststellungsverfahren vorzubringen, gerade gewährleistet werden, daß die Planfeststellungsbehörde die Sachverhalte zureichend ermitteln und rechtzeitig würdigen kann, auf die sich die Einwendungen beziehen (vgl. BVerfGE 61, 82 ≪114≫). Mit diesem Zweck der Präklusionsvorschrift wäre es unvereinbar, den Fall der fehlerhaften Ermittlung und Würdigung eines solchen Sachverhalts aus dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG auszunehmen.
e) Ob den Bedenken der Kläger gegen die Erstreckung der Präklusion auf aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht herzuleitende Einwendungen im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Dezember 1995 – C-312/93 – (DVBl 1996, S. 249 f.) zu folgen ist, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Selbst wenn man dies bejaht und eine vollständige Prüfung der von den Klägern gerügten Verletzungen der UVP-Richtlinie, soweit sie für den geltend gemachten Planergänzungsanspruch erheblich sein können, für zulässig hält, führt dies nämlich nicht dazu, daß im gerichtlichen Verfahren unabhängig von dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG angeordneten Einwendungsausschluß in der Sache geprüft werden muß, ob das planfestgestellte Vorhaben die Gesundheit der Kläger gefährdet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Umweltrecht durch die UVP-Richtlinie keine materielle Anreicherung erfahren. Vielmehr enthält sich die gemeinschaftsrechtliche Regelung materiellrechtlicher Vorgaben. Sie beschränkt sich auf verfahrensrechtliche Anforderungen im Vorfeld der Sachentscheidung, zu der ein Bezug nur insoweit hergestellt wird, als das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Art. 8 “im Rahmen des Genehmigungsverfahrens” zu berücksichtigen ist. Insoweit unterscheidet die UVP-Richtlinie sich deutlich von anderen Richtlinien, durch die die Mitgliedsstaaten mit Hilfe von Schutzstandards dazu angehalten werden, konkrete Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu ergreifen. Sie verlangt nur, daß die Zulassungsbehörde das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung in ihre Erwägungen einbezieht, schreibt aber nicht vor, welche Folgerungen hieraus zu ziehen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1996 – BVerwG 4 C 5.95 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 59 und vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 19.94 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 113 S. 108). Daß der Rat der Europäischen Gemeinschaften in der Präambel der UVP-Richtlinie mitteilt, er habe die Richtlinie unter anderem in der Erwägung erlassen, daß die Umweltauswirkungen eines Projekts auch mit Rücksicht auf die Bestrebung beurteilt werden müßten, die menschliche Gesundheit zu schützen, ändert daran nichts.
3. Die Kläger können ihren Verpflichtungsantrag auf Planergänzung auch nicht auf § 75 Abs. 2 VwVfG stützen. Denn es fehlt bisher an dem dafür gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 VwVfG erforderlichen schriftlichen Antrag an die Planfeststellungsbehörde. Daß andere Betroffene erfolglos einen derartigen Antrag gestellt haben, reicht hierfür im Verfahren der Kläger nicht aus. Ihre Klage gegen den Planfeststellungsbeschluß kann den erforderlichen Antrag auf nachträgliche Anordnungen schon deshalb nicht ersetzen, weil der Streitgegenstand dieser Klage mit dem Gegenstand eines solchen Antrags nicht identisch ist. Maßgeblich für die Begründetheit der Anfechtungsklage wie der auf § 74 Abs. 2 VwVfG gestützten Verpflichtungsklage auf Planergänzung ist nämlich schon wegen des dabei bestehenden Abwägungsspielraums der Planfeststellungsbehörde grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. BVerwGE 80, 7 ≪13≫). Die Behauptung der Kläger, die Schädlichkeit oder Gefährlichkeit bestimmter Wirkungen des Vorhabens sei aufgrund erst nach Erlaß dieses Beschlusses gewonnener neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse anders zu beurteilen, ist deshalb im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen. Dagegen ist der Entscheidung über einen Antrag nach § 75 Abs. 3 Satz 1 VwVfG die jeweils aktuelle Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2, § 159 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 2 ZPO.
Unterschriften
Dr. Diefenbach, Dr. Storost, Kipp, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen
BVerwGE, 337 |
DÖV 1998, 300 |
DVBl. 1997, 1119 |