Entscheidungsstichwort (Thema)
Habilitation. Lehrbefugnis. mündliche Prüfung. zahnärztliche Abschlussprüfung
Leitsatz (amtlich)
Universitätslehrer im Sinne von § 4 Abs. 3 ZAppO können auch nicht habilitierte Lehrkräfte des Prüfungsfaches sein.
Normenkette
ZAppO § 4
Verfahrensgang
OVG Berlin (Urteil vom 02.07.2002; Aktenzeichen 4 B 11.00) |
VG Berlin (Entscheidung vom 09.02.2000; Aktenzeichen 12 A 1570.97) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 2. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger unterzog sich ohne Erfolg der zahnärztlichen Abschlussprüfung. In den Prüfungsabschnitten Pharmakologie und Innere Medizin erzielte er jeweils das Urteil “nicht genügend (5)” und in den Abschnitten Haut- und Geschlechtskrankheiten, Zahnersatzkunde und Kieferorthopädie jeweils das Urteil “mangelhaft (4)”. Der Vorsitzende des Ausschusses für die zahnärztliche Prüfung an der Freien Universität Berlin erklärte mit Bescheid vom 16. Dezember 1996 die Abschlussprüfung für nicht bestanden.
Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zu den Einwänden des Klägers ausgeführt: Die Prüfungen in den Fächern Innere Medizin und Kieferorthopädie seien nicht im Hinblick auf die Person der Prüfer verfahrensfehlerhaft. Nach § 4 Abs. 3 ZAppO seien in der Regel der Vorsitzende des Prüfungsausschusses und seine Stellvertreter den ordentlichen Professoren der medizinischen Fakultät, die Mitglieder und ihre Stellvertreter den Universitätslehrern der Fächer, die Gegenstand der Prüfung seien, zu entnehmen. Universitätslehrer sei, wer zum Lehrpersonal der Universität gehöre, ohne dass er habilitiert sein müsse. Die Prüfer Dr. B.… und Dr. L.… erfüllten diese Voraussetzung. Der Kläger habe verspätet geltend gemacht, dass mündliche Prüfungsleistungen nicht begründet worden und er prüfungsunfähig gewesen sei. Im Fach Innere Medizin sei dem Kläger zwar unter Verletzung von § 44 ZAppO kein Patient vorgestellt worden, der Kläger habe dies jedoch nicht unverzüglich gerügt, sondern sich auf das fehlerhafte Verfahren eingelassen.
Der Kläger stützt seine Revision auf den Vortrag in der Berufungsinstanz und führt aus, dass Universitätslehrer im Sinne von § 4 Abs. 3 ZAppO nur habilitierte Lehrende an einer Universität sein könnten. Er beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und des Bescheids des Vorsitzenden des Ausschusses für die zahnärztliche Prüfung an der Freien Universität Berlin vom 16. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 1997 den Beklagten zu verpflichten, über das Ergebnis der zahnärztlichen Prüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält die Auslegung des § 4 Abs. 3 ZAppO durch das Oberverwaltungsgericht für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 2 VwGO).
1. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Prüfungen in den Fächern Innere Medizin und Kieferorthopädie nicht deshalb an einem Verfahrensmangel leiden, weil die Prüfer Dr. B.… und Dr. L.…, die ansonsten den Anforderungen an die Qualifikation als Prüfer entsprechen, nicht habilitiert gewesen sind. Nach der – gegenüber der Ursprungsfassung nach wie vor unveränderten – Vorschrift des § 4 Abs. 3 der Approbationsordnung für Zahnärzte vom 26. Januar 1955 (BGBl I S. 37), hier anzuwenden in der Fassung nach Änderung durch Verordnung vom 8. Januar 1987 (BGBl I S. 114) – ZAppO –, sind der Vorsitzende des jeweiligen Prüfungsausschusses und seine Stellvertreter den ordentlichen Professoren der medizinischen Fakultät, die Mitglieder und ihre Stellvertreter den Universitätslehrern der Fächer, die Gegenstand der Prüfung sind, zu entnehmen. Universitätslehrer im Sinne dieser Vorschrift können auch nicht habilitierte Lehrkräfte sein.
Der Begriff des Universitätslehrers ist, wie auch die Revision einräumt, nicht in einer Weise gesetzlich definiert, die Verbindlichkeit auch für die Auslegung der Approbationsordnung für Zahnärzte beanspruchen könnte. Allerdings könnte der Begriff bei deren Erlass in der Rechtssprache – die Alltagssprache weist im vorliegenden Zusammenhang keine hinreichende Trennschärfe auf und scheidet deshalb als Bezugspunkt von vornherein aus – übergreifend in einer bestimmten Weise verstanden worden sein, so dass anzunehmen wäre, der Verordnungsgeber habe an ihn anknüpfen wollen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Aus der Verwendung des Begriffs in der § 4 Abs. 3 ZAppO entsprechenden Vorschrift des § 8 Abs. 3 der Bestallungsordnung für Ärzte vom 15. September 1953 (BGBl I S. 1334) lassen sich keine Rückschlüsse auf seinen Inhalt ziehen. Im Hochschulbeamtenrecht jener Zeit findet sich nicht der Begriff des “Universitätslehrers”, sondern derjenige des “Hochschullehrers” (vgl. Gesetz über die besonderen Rechtsverhältnisse der beamteten Lehrer an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 9. April 1938, RGBl I S. 377 sowie Verordnung zur Durchführung dieses Gesetzes vom 10. Juni 1939, RGBl I S. 1010; ferner §§ 105 ff. des Rahmengesetzes zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts ≪Beamtenrechtsrahmengesetz – BRRG≫ vom 1. Juli 1957, BGBl I S. 667; s. auch Scheven und Perschel in: Flämig u.a., Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. Auflage 1996, S. 326 ff. bzw. 374 ff.). Hinweise darauf, dass im seinerzeitigen Hochschulrecht, das im Wesentlichen aus den Satzungen der Universitäten bestand (vgl. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Auflage 1986, Rn. 40), der Begriff des Universitätslehrers eine prägende Rolle gespielt haben könnte, sind nicht ersichtlich.
Nach dem möglichen Wortsinn umfasst der Begriff des Universitätslehrers alle an einer Universität eingesetzten Lehrkräfte, also das gesamte akademische Lehrpersonal des jeweiligen Faches. Der Umstand, dass in § 4 Abs. 3 ZAppO neben den ordentlichen Professoren der medizinischen Fakultät in vergleichsweise unspezifischer Weise die “Universitätslehrer der Fächer, die Gegenstand der Prüfung sind”, aufgeführt werden und der Verordnungsgeber nicht an die Habilitation, die Erteilung der Lehrbefugnis oder die vorliegenden beamtenrechtliche Begriffe angeknüpft hat, spricht dafür, dass er den möglichen Wortsinn ausschöpfen wollte.
Für diese Auslegung spricht ferner, dass es einer zweckmäßigen Prüfungsgestaltung, namentlich der – gerade auch im Interesse der Prüflinge liegenden – zügigen Durchführung der Prüfungen dient, den Kreis derjenigen, die als Prüfer in Frage kommen, eher weit als eng zu fassen. Demgegenüber ist ein berechtigtes Anliegen der Prüflinge, nur von habilitierten Lehrkräften geprüft zu werden, nicht erkennbar. Dies hat auch in § 4 Abs. 3 ZAppO seinen normativen Niederschlag gefunden, demzufolge ausnahmsweise auch andere als die erwähnten Personen in die Prüfungsausschüsse berufen werden können. Die Belange der Prüflinge werden dadurch gewahrt, dass nach allgemeinen Grundsätzen des Prüfungsrechts nur fachlich hinreichend qualifizierte Personen als Prüfer eingesetzt werden dürfen (vgl. Beschluss vom 20. November 1995 – BVerwG 6 B 66.95 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 360 m.w.N.). Die akademischen Lehrkräfte werden in der Regel in ihrem Fach diesen Anforderungen genügen, auch wenn sie nicht habilitiert sind und die Befugnis zu selbständiger Lehre (noch) nicht erworben haben. Das in § 4 Abs. 2 ZAppO vorgesehene Auswahlverfahren unter Anhörung der medizinischen Fakultät bietet die Möglichkeit einer dahin gehenden Überprüfung.
Das Oberverwaltungsgericht und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht haben überzeugend dargelegt, dass die Rechtslage in den anderen akademischen Heilberufen die Auffassung der Revision nicht stützt. Eher ist das Gegenteil der Fall. § 15 Abs. 1 Satz 6 und 7 der Approbationsordnung für Ärzte – ÄAppO – vom 28. Oktober 1970 (BGBl I S. 1458), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. April 2002 (BGBl I S. 1467), bestimmt für die Prüfungskommissionen, dass als Vorsitzende, weitere Mitglieder und Stellvertreter Professoren oder andere Lehrkräfte der Fächer, die Gegenstand der Prüfung sind, bestellt werden und als Mitglieder der Prüfungskommission für den Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung daneben auch dem Lehrkörper einer Hochschule nicht angehörende Ärzte, insbesondere niedergelassene Ärzte, zu Mitgliedern bestellt werden können. Als Vorsitzende der Prüfungsausschüsse für die Tierärztlichen Prüfungen und deren Stellvertreter werden Professoren der Universität, als weitere Mitglieder Professoren oder anderes Lehrpersonal der Fächer, die Gegenstand der Prüfung sind, bestellt (§ 3 Abs. 2 Satz 3 der Approbationsordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (TAppO) vom 10. November 1999, BGBl I S. 2162, geändert durch Verordnung vom 12. Januar 2001, BGBl I S. 119). Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) vom 19. Juli 1989 (BGBl I S. 1489), zuletzt geändert durch Verordnung vom 14. Dezember 2000 (BGBl I S. 1714), sind zu Vorsitzenden und Mitgliedern der Prüfungskommission für den Zweiten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung und ihren Stellvertretern Professoren oder Hochschul- oder Privatdozenten der Fächer, die Gegenstand der Prüfung sind, zu Beisitzern Personen, die mindestens die durch die Prüfung festzustellende oder gleichwertige Qualifikation besitzen, zu bestellen; in bestimmten Fällen können auch andere an der Hochschule in diesem Fach selbständig Lehrende bestellt werden. Zu Mitgliedern der Prüfungskommission für den Dritten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung sind Professoren und Hochschul- oder Privatdozenten der Universität sowie Apotheker, die nicht dem Lehrkörper der Universität angehören, zu bestellen; daneben können auch andere geeignete Prüfer bestellt werden (§ 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 AAppO). Ungeachtet der Unterschiede im Einzelnen lässt sich diesen Regelungen zumindest der gemeinsame Grundsatz entnehmen, dass die Habilitation nicht Voraussetzung für die Bestellung als Prüfer ist. Da keine abweichenden Sachgesetzlichkeiten im Bereich der Zahnmedizin ersichtlich ist, können die genannten Bestimmungen als Ausdruck eines fachübergreifenden Regelungsprinzips verstanden werden, an dem sich auch die Auslegung des § 4 Abs. 3 ZAppO orientieren kann. Der Umstand, dass im Prüfungsrecht für Ärzte der ursprünglich ebenso wie in § 4 Abs. 3 ZAppO anzutreffende Begriff des Universitätslehrers (§ 8 Abs. 3 der Bestallungsordnung für Ärzte) nicht weiter verwendet wurde, lässt keinen Rückschluss auf den Inhalt dieses Begriffes zu.
2. Das angefochtene Urteil verstößt auch insoweit nicht gegen Bundesrecht, als es im Fehlen schriftlicher Begründungen der Ergebnisse der mündlichen Prüfungen in den Abschnitten Kieferorthopädie und Haut- und Geschlechtskrankheiten keinen Verfahrensmangel erblickt hat.
Gemäß § 13 Abs. 2 ZAppO hat der Prüfer in dem Einzelzeugnis sein Urteil kurz zu begründen, wenn es auf “nicht genügend” (5) oder “schlecht” (6) lautet. Der Kläger hat in den genannten Fächern jeweils das Urteil “mangelhaft” (4) erzielt. Eine Begründungspflicht nach § 13 Abs. 2 ZAppO bestand danach nicht.
Allerdings kann § 13 Abs. 2 ZAppO im Hinblick auf das aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende Informationsrecht des Prüflings nicht als abschließende Regelung angesehen werden. Die zur Konkretisierung dieses Rechts bei Fehlen ausreichender normativer Regelungen entwickelten Grundsätze sind ergänzend heranzuziehen. Damit wird zugleich den verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung getragen, die gegen § 13 Abs. 2 ZAppO deshalb geltend gemacht worden sind, weil – wie hier – auch das Urteil “mangelhaft” (4) in mehreren Prüfungsabschnitten zum Nichtbestehen der Prüfung führen kann (§ 53 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c ZAppO; vgl. auch § 22 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b, § 29 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c ZAppO; Zimmerling/ Brehm, Prüfungsrecht, 2. Auflage 2001, Rn. 1154).
Wie der erkennende Senat im Urteil vom 6. September 1995 – BVerwG 6 C 18.93 – (BVerwGE 99, 185 ff.) ausgeführt hat, müssen die Prüfer die Bewertung mündlicher Prüfungsleistungen, sofern die Prüfungsordnung nichts anderes vorsieht, nur dann schriftlich begründen, wenn der Prüfling dies mit der gebotenen Spezifizierung verlangt und zu diesem Zeitpunkt eine schriftliche Zusammenfassung unter zumutbaren Bedingungen noch möglich ist. Die Unaufklärbarkeit des Prüfungsgeschehens wegen Zeitablaufs geht zu Lasten des Prüflings, wenn er es versäumt, rechtzeitig eine schriftliche Begründung zu verlangen, es sei denn, dass die Prüfungsbehörde ihrer diesbezüglichen situationsabhängigen Hinweispflicht nicht nachgekommen ist (s. im Einzelnen Urteil vom 6. September 1995, a.a.O., S. 193 ff. sowie Urteil vom 16. April 1997 – BVerwG 6 C 9.95 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 382 S. 189 ff.). Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Der Kläger hat Revisionsrügen auch nicht erhoben.
Der Kläger hat die Prüfung im Fach Kieferorthopädie am 19. Februar 1993 und im Fach Haut- und Geschlechtskrankheiten am 18. Oktober 1993 abgelegt. Substantiierte Einwände gegen die Bewertung hat er nicht erhoben. Vielmehr hat er – erstmals mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. August 1997 zur Begründung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 16. Dezember 1996 – lediglich vortragen lassen, seine Leistungen in diesen Fächern seien nicht ordnungsgemäß bewertet worden und es fehle an einer ausreichenden Begründung der Bewertung. Nach den dargelegten Grundsätzen gab dieses Vorbringen nach Inhalt und Zeitpunkt dem Prüfungsausschuss keinen Anlass, von den Prüfern nachträglich eine schriftliche Begründung ihrer Urteile einzuholen. Der Beklagte hat den verfassungsrechtlich verankerten Informationsanspruch des Klägers nicht verletzt.
Besondere Umstände, die ausnahmsweise zu einer anderen Einschätzung führen könnten, liegen nicht vor. Der Kläger kann sich zunächst nicht darauf berufen, im Jahr 1993 seien die dargestellten Grundsätze zur Geltendmachung des prüfungsrechtlichen Informationsanspruchs von der Rechtsprechung noch nicht entwickelt gewesen. Diese Grundsätze beruhen nämlich auf Erwägungen, die sich auf die Sachgesetzlichkeit des Prüfungsablaufs beziehen und den am Prüfungsgeschehen Beteiligten auch ohne rechtliche Ausformung ohne weiteres einsichtig sein müssen. Insbesondere muss es sich einem Prüfling aufdrängen, dass er zur Vermeidung von Rechtsnachteilen unverzüglich nach der mündlichen Prüfung darauf hinzuweisen hat, dass und aus welchen Gründen er sich ungerecht behandelt fühlt. Der denkbare Einwand, ein solcher Hinweis sei im Hinblick auf die Regelung der Begründung von Einzelzeugnissen in § 13 Abs. 2 ZAppO zwecklos und daher einem Prüfling jedenfalls im Jahr 1993 nicht zuzumuten gewesen, überzeugt nicht, weil die in § 13 Abs. 2 ZAppO geregelte Frage, wann ein Prüfer eine Bewertung von sich aus schriftlich begründen muss, von der Frage zu unterscheiden ist, welche Schritte ein auf die Wahrung seiner Rechte bedachter Prüfling vernünftigerweise zu unternehmen hat.
Der Kläger könnte auch nicht darauf verweisen, er habe bei den Prüfungen in den Abschnitten Kieferorthopädie und Haut- und Geschlechtskrankheiten im Februar bzw. Oktober 1993 nicht mit einem weiteren negativen, vor allem nicht mit einem krankheitsbedingt gestörten Verlauf der Abschlussprüfung, wie er sich dann ergeben habe, rechnen müssen. Denn im Hinblick auf die Möglichkeit, dass mehrere Beurteilungen mit “mangelhaft” zum Nichtbestehen der Abschlussprüfung führen (§ 53 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c ZAppO), war der Kläger bei jeder Einzelprüfung gehalten, sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob seine Leistungen zutreffend bewertet worden sind.
3. Das angefochtene Urteil steht ferner im Einklang mit Bundesrecht, soweit sich der Kläger auf eine Prüfungsunfähigkeit bei der Prüfung im Fach Innere Medizin am 18. Juni 1993 berufen hat. Auch insoweit hat der Kläger keine Revisionsrügen erhoben.
Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger seiner Obliegenheit nicht nachgekommen ist, sich unverzüglich nach dem Prüfungstermin auf eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit zu berufen (stRspr; vgl. Urteil vom 7. Oktober 1988 – BVerwG 7 C 8.88 – BVerwGE 80, 282, 284 ff.), und deshalb den Rücktritt von der Prüfung nicht wirksam erklärt hat. Der Kläger war von der Erfüllung dieser Obliegenheit auch nicht etwa deshalb entbunden, weil dem Prüfungsausschuss die maßgeblichen Umstände bekannt waren oder bekannt sein mussten. Dem Oberverwaltungsgericht ist darin zu folgen, dass dies allenfalls dann in Betracht zu ziehen wäre, wenn das Verhalten des Klägers in der Prüfung offensichtlich und zweifelsfrei dem Prüfer den Eindruck einer psychischen Erkrankung vermittelt hätte. Nach den das Bundesverwaltungsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts war dies jedoch nicht der Fall.
4. Die Revision hat schließlich die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Rüge des Klägers, ihm sei bei der Prüfung im Fach Innere Medizin entgegen § 44 ZAppO kein Patient vorgestellt worden, nicht angegriffen. Das Berufungsurteil ist zumindest im Ergebnis auch insoweit nicht zu beanstanden.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass ihm in der Prüfung im Fach Innere Medizin entgegen der Regelung in § 44 ZAppO keine Möglichkeit gegeben wurde, seine Kenntnisse “an einem für sein Gebiet in Frage kommenden Kranken” nachzuweisen. Seinem Vorbringen steht bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (Verwirkung) entgegen (zur Anwendung dieses Grundsatzes im Prüfungsrecht vgl. Urteil vom 18. September 1970 – BVerwG 7 C 26.70 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 42; Urteil vom 7. Oktober 1988, a.a.O., S. 286; Beschluss vom 29. Oktober 1996 – BVerwG 6 B 45.96 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 375). Dem Kläger war bekannt, dass die Prüfung nach langjähriger allgemeiner Praxis im Interesse der Prüflinge entsprechend ihrer Ausbildung im Fach Innere Medizin ohne die Erhebung von Befunden am Kranken durchgeführt wurde. Der Kläger hat sich der so ausgestalteten Prüfung unterzogen, ohne den absehbaren Rechtsmangel bei der Anmeldung zur Prüfung oder zu einem ihm zumutbaren späteren Zeitpunkt vor dem Prüfungstermin geltend zu machen. Zu diesem einem Einverständnis mit den Prüfungsbedingungen nahe kommenden früheren Verhalten des Klägers steht es im Widerspruch, wenn er sich nach dem ungünstigen Prüfungsverlauf – erstmals im erwähnten Schriftsatz vom 30. August 1997 – auf den Mangel der Prüfung berufen hat. Jedenfalls bei einer solchen Sachlage widerspräche es dem Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht, einem Prüfling eine “zweite Chance” einzuräumen.
Dem Einwand treuwidriger Rechtsausübung durch den Kläger stehen auch keine rechtsstaatlichen Bedenken entgegen. Solche Bedenken kämen etwa dann zum Tragen, wenn sich die Prüfungsbehörde und die Prüflinge gewissermaßen einvernehmlich über wesentliche Vorschriften der Prüfungsordnung hinwegsetzten und damit insbesondere der Zweck der Prüfung verfehlt würde. Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht. Es geht um die Ausgestaltung der Prüfung in einem Nebenfach, bei der an die Stelle der Erhebung von Befunden am Kranken deren Schilderung durch den Prüfer tritt. Es besteht kein Anlass für die Annahme, dass die Abweichung vom vorgeschriebenen Prüfungsablauf die Eignung der Prüfung in Frage stellen könnte, zu klären, ob die Kandidaten die erforderlichen – auch praxisbezogenen – Kenntnisse im Fach Innere Medizin haben.
5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Gerhardt, Graulich, Vormeier
Fundstellen
DÖV 2003, 726 |
MedR 2003, 584 |
DVBl. 2003, 1012 |