Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufbauhypothek. staatlicher Verwalter. faktische staatliche Verwaltung. kommunale Wohnungsverwaltung. Ratsbeschluss
Leitsatz (amtlich)
Ein VEB Gebäudewirtschaft, der die privaten und volkseigenen Miteigentumsanteile an einem Wohngrundstück verwaltete, hatte eine Aufbauhypothek nicht wie ein staatlicher Verwalter bestellt, welche aufzunehmen ihm vom Rat der Stadt nach der Wohnraumlenkungsverordnung von 1967 aufgegeben war.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 4, § 18 Abs. 2, 1
Verfahrensgang
VG Halle (Saale) (Urteil vom 22.02.2001; Aktenzeichen 3 A 2215/97 HAL) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 22. Februar 2001 wird im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es der Klage stattgegeben hat. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Kläger zu 1, 3 und 4 tragen die Kosten des Revisionsverfahrens und zusammen mit der vorinstanzlichen Klägerin zu 2 die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Kläger wenden sich gegen einen Ablösebetrag, den die Beklagte im Bescheid über die Rückübertragung des Eigentums am Mietwohngrundstück Mauerstraße 2 in H. festgesetzt hat.
Ursprüngliche Eigentümer waren seit dem Jahre 1925 der im Jahre 1996 verstorbene Ehemann der Klägerin zu 2 sowie Walter S. und die Klägerin zu 1 mit jeweils 1/3-Anteil. Der Anteil von Walter S. ging 1954 in das Eigentum des Volkes über; Rechtsträger war zunächst der VEB (K) Haus- und Grundbesitz H. Die übrigen Anteile standen wegen Eigentumsverzichts laut Eintragung vom 21. März 1984 ebenfalls im Eigentum des Volkes.
Zuvor hatte die Stadt- und Kreissparkasse H. am 31. Mai 1983 mit dem das Grundstück verwaltenden VEB Gebäudewirtschaft H. für die Klägerin zu 1 und S. einen Kreditvertrag über 207 000 M zwecks Grundstücksreparaturen abgeschlossen. Als Eigenleistung war ein volkseigener Anteil von 1/3 in Höhe von 69 000 M ausgewiesen. Der Kreditvertrag trägt die Unterschrift eines Vertreters des VEB Gebäudewirtschaft H. als „beauftragter vorläufiger Verwalter”. Der Rat des Stadtbezirkes H.-West beschloss ausweislich eines Schreibens vom 24. Juni 1983 an den VEB Gebäudewirtschaft H. für das streitbefangene Grundstück gemäß der „Verordnung über die Lenkung des Wohnraums” zur Sicherung und Erhaltung des im öffentlichen Interesse liegenden Wohnraums die Aufnahme einer Aufbauhypothek in Höhe von 138 000 M; ferner erhielt der Grundstücksverwalter die Auflage, die Mängel im Jahre 1983 beseitigen zu lassen. Die Aufbauhypothek über 138 000 M wurde am 7. Juli 1983 im Grundbuch eingetragen.
Auf Antrag der Kläger übertrug die Beklagte das Eigentum an dem Grundstück mit Bescheid vom 5. August 1994 zurück und setzte zugleich einen Ablösebetrag in Höhe von 50 025 DM mit der Begründung fest: Der Betrag berücksichtige die Aufbauhypothek und sei festzusetzen, weil es sich um eine von einem staatlichen Verwalter aufgenommene Grundschuld handele. Es sei eine jährliche Abzinsung und eine Umrechnung in Deutsche Mark vorzunehmen. Da die Berechtigten keinen Nachweis dafür erbracht hätten, dass eine der Kreditaufnahme entsprechende Baumaßnahme am Grundstück nicht durchgeführt worden sei, müsse abgelöst werden.
Nach erfolglosem Vorverfahren haben die Kläger mit ihrer Klage die Festsetzung des Ablösebetrages angefochten und dazu ausgeführt: Es sei hinreichend dargelegt, dass das Aufbaudarlehen nicht zum Zwecke der Renovierung des Gebäudes aufgenommen worden sei und dass keinerlei Renovierungsarbeiten erfolgt seien. Die Aufbauhypothek sei auch durch einen staatlichen Verwalter bestellt worden. Dies ergebe sich aus dem Schreiben des Rates des Stadtbezirkes H.-West vom 24. Juni 1983 an den VEB Gebäudewirtschaft H., worin ausdrücklich festgehalten sei, dass der Grundstücksverwalter die Auflage erhalte, die Mängel beseitigen zu lassen. Damit stehe fest, dass für das Grundstück die staatliche Verwaltung bestellt gewesen sei.
Die Beklagte hingegen hat gemeint, dass kein staatlicher Verwalter die Aufbaugrundschuld bestellt habe. Außerdem müsse der Berechtigte selbst nachweisen, dass eine der Kreditaufnahme entsprechende Baumaßnahme an dem Grundstück nicht durchgeführt worden sei.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22. Februar 2001 der Klage der Kläger zu 1, 3 und 4 stattgegeben und die der Klägerin zu 2, die im anhängigen Revisionsverfahren nicht mehr beteiligt ist, als unzulässig abgewiesen. In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Aufbauhypothek durch einen staatlichen Verwalter bestellt worden sei. Auch wenn die Verwaltung für die privaten Anteile möglicherweise im Auftragsverhältnis erfolgt sei, verhalte es sich hinsichtlich der Aufnahme des Kredites durch den Kreditvertrag vom 31. Mai 1983 sowie der Bestellung der Aufbauhypothek so, dass daran die in der DDR ansässigen privaten Miteigentümer nicht beteiligt worden seien. Vielmehr habe der VEB Gebäudewirtschaft H. im Kreditvertrag auch für die Anteile der Klägerin zu 1 und S. gehandelt. Die privaten Eigentümer hätten keine Einwirkungsmöglichkeit auf die Aufnahme des Kredits und die Bestellung der Aufbaugrundschuld gehabt, das rechtfertige die Annahme einer sog. „faktischen” staatlichen Verwaltung. Im Übrigen sei erwiesen, dass eine der Kreditaufnahme entsprechende Baumaßnahme an dem Grundstück nicht durchgeführt worden sei. Seit 60 Jahren habe keine Instandsetzung stattgefunden, und das Gebäude befinde sich in einem desolaten Zustand.
Mit der vom Verwaltungsgericht hinsichtlich der Stattgabe der Klage zugelassenen Revision widersetzt sich die Beklagte der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass eine staatliche Verwaltung vorgelegen habe.
Sie beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Die Kläger zu 1, 3 und 4 verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses ist der Auffassung, im Hinblick auf die bekannt gewordenen Umstände müsse von staatlicher Verwaltung ausgegangen werden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt mit seiner Annahme Bundesrecht, der VEB Gebäudewirtschaft H. habe die fragliche Aufbauhypothek wie ein staatlicher Verwalter im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 1 VermG bestellt gehabt (1). Die Entscheidung ist auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO); denn bei der umstrittenen Festsetzung des Ablösebetrages ist diese Hypothek zu berücksichtigen (2).
1. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Verwaltungsakt mit der Begründung aufgehoben, das für einen Ablösebetrag notwendige dingliche Recht sei mangels entsprechender Baumaßnahmen am Grundstück nicht zu berücksichtigen (§ 18 Abs. 2 Satz 5 VermG). Zwar sei bei der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum die am 7. Juli 1983 eingetragene Aufbauhypothek am 21. März 1984 gelöscht worden, so dass gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 VermG die Festsetzung eines Ablösebetrages in Betracht komme; da die Hypothek aber ein staatlicher Verwalter im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 1 VermG bestellt habe, könne der Festsetzung die erwiesene Tatsache entgegengehalten werden, dass keine der Kreditaufnahme entsprechende Baumaßnahme auf dem Grundstück durchgeführt worden sei. Die rechtliche Voraussetzung für diese Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts trifft nicht zu; denn die Aufbauhypothek hatte kein staatlicher Verwalter bestellt.
Bei der Rückübertragung von Eigentumsrechten, die – wie hier – nicht nach § 6 VermG erfolgt, hat der Berechtigte für die mit Überführung des Grundstücks in Volkseigentum untergegangenen dinglichen Rechte einen in dem Bescheid über die Rückübertragung festzusetzenden Ablösebetrag zu hinterlegen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 VermG). Diese Regelung trägt dem Grundsatz Rechnung, dass der Berechtigte oder sein Rechtsnachfolger den Vermögenswert einschließlich der auf ihm lastenden Verbindlichkeiten so zurückerhalten soll, wie er sich im Zeitpunkt der Schädigung dargestellt hat. Demgegenüber sind Aufbauhypotheken und vergleichbare Grundpfandrechte zur Sicherung von Baukrediten dann, wenn sie durch einen staatlichen Verwalter bestellt wurden, nur mit Abschlägen oder gar nicht zu berücksichtigen (§ 18 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 5 VermG). Der Berechtigte oder sein Rechtsnachfolger soll für die ihm aufgedrängten Grundpfandrechte nur unter der Voraussetzung einstehen, dass sich durch sie gesicherte Aufwendungen heute noch wertsteigernd oder werterhaltend auf das zurückübertragene Grundstück auswirken. Anderenfalls werden die vom staatlichen Verwalter bestellten Grundpfandrechte ihrerseits als wiedergutzumachende Schädigung angesehen, weil sie auf die Schädigungsmaßnahme der Anordnung der staatlichen Verwaltung (§ 1 Abs. 4 VermG) zurückzuführen sind (stRspr; vgl. Urteile vom 29. April 1999 – BVerwG 7 C 18.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 4 VermG Nr. 3 und vom 13. Dezember 2000 – BVerwG 8 C 31.99 – Buchholz 428 § 16 VermG Nr. 5).
Die Fallgruppen, in denen nach dem Recht der DDR staatliche Verwaltung anzuordnen war, sind in § 1 Abs. 4 VermG allgemein umschrieben und in der Begründung der Bundesregierung hierzu näher erläutert (vgl. BTDrucks 11/7831, S. 2). Danach erfassten, abgesehen von der Fallgruppe des Vermögens ausländischer Staatsangehöriger, Rechtsvorschriften über die Anordnung der staatlichen Verwaltung namentlich die Vermögenswerte von Bürgern, welche die DDR oder Berlin-Ost bis zum 10. Juni 1953 mit Genehmigung oder nach dem 10. Juni 1953 ohne erforderliche Genehmigung verlassen hatten, sowie derjenigen deutschen Staatsangehörigen, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt bereits am 8. Mai 1945 im Westen Deutschlands hatten (Näheres im Urteil vom 29. April 1999 – BVerwG 7 C 18.98 – a.a.O.).
Im vorliegenden Fall steht nach den vom Verwaltungsgericht ermittelten, nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Tatsachen fest, dass für das Grundstück keine staatliche Verwaltung angeordnet worden war. Die materiellen Voraussetzungen für eine solche Anordnung waren auch nicht gegeben. Der eine der drei Miteigentumsanteile stand bei Bestellung der Aufbauhypothek im Eigentum des Volkes, die anderen beiden Teile gehörten Personen mit Wohnsitz in der DDR. Der VEB Gebäudewirtschaft H. trat in das fragliche Grundstück betreffenden Angelegenheiten als „beauftragter vorläufiger Verwalter” auf und hatte den privaten Miteigentümern Rechnung gelegt. Diese Umstände sieht auch das Verwaltungsgericht nicht anders. Doch es geht–jedenfalls in Bezug auf die Aufbauhypothek – von einer „faktischen” staatlichen Verwaltung auch dann aus, wenn die privaten Miteigentümer keine Einwirkungsmöglichkeiten bei der Aufnahme des Kredits und auf die Bestellung der Hypothek gehabt hatten. Dieser Gesichtspunkt allein reicht indes nicht dafür aus, eine dem Zweck von § 1 Abs. 4 VermG entsprechende „faktische” staatliche Verwaltung anzunehmen, liegt doch bereits kein teilungsbedingtes Unrecht vor.
Die Bestellung der Aufbauhypothek erfolgte im Rahmen des Wohnungsbauprogramms für Wohngebäude mit schwer vermietbaren Wohnungen. Dazu hatte der Rat des Stadtbezirks H.-West am 24. Juni 1983 die Aufnahme der Aufbauhypothek beschlossen und dem VEB Gebäudewirtschaft H. als damaligem Grundstücksverwalter die Auflage erteilt, die Mängel am Wohnhaus zu beseitigen. Als Rechtsgrundlage diente die Verordnung über die Lenkung des Wohnraums vom 14. September 1967 (GBl DDR II S. 733), die für sich gesehen keine diskriminierende Vorschrift darstellte. Nach ihrem § 16 hatten die Räte der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden im Zusammenwirken mit den kommunalen Wohnungsverwaltungen die Hauseigentümer, Rechtsträger und Verwalter von Wohngebäuden und von anderen für Wohnzwecke ausbaufähigen Gebäuden zur Durchführung von erforderlichen Erhaltungs-, Um- und Ausbau- sowie Modernisierungsarbeiten anzuregen und sie bei der Vorbereitung und Sicherung dieser Maßnahme auf der Grundlage der vom Minister der Finanzen erlassenen Kredit-, Zins- und Steuerbestimmungen zu unterstützen; die Räte der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden waren berechtigt, erforderliche Erhaltungsmaßnahmen an Wohngebäuden sowie notwendige Um- und Ausbauten zur Gewinnung von Wohnraum anzuordnen und, wenn erforderlich, die entsprechenden Bauarbeiten in Auftrag zu geben; die Kosten der Bauarbeiten hatte in der Regel der Hauseigentümer bzw. der Rechtsträger zu tragen. Eine derartige Anordnung setzte keine staatliche Verwaltung an dem Wohngrundstück voraus, sondern konnte DDR-Bürger und Eigentümer mit Wohnsitz außerhalb der DDR gleichermaßen treffen. Es besteht folglich kein Grund, die von solchen Anordnungen betroffenen Eigentümer denjenigen gleichzusetzen, deren Grundstücke durch vom staatlichen Verwalter bestellte Grundpfandrechte belastet wurden (vgl. Urteil vom 29. April 1999 – BVerwG 7 C 18.98 – a.a.O.).
2. Die vom Verwaltungsgericht ermittelte und nicht mit Verfahrensrügen angegriffene Tatsache, dass eine der Kreditaufnahme entsprechende Baumaßnahme an dem Grundstück nicht durchgeführt worden war, rechtfertigt keinen Verzicht auf den Ablösebetrag. Im Interesse einer baldigen Rückübertragung des entzogenen Vermögens sieht das Vermögensgesetz vielmehr vor, dass der Berechtigte entsprechend dem Sicherungscharakter der Grundpfandrechte zunächst den festgesetzten Ablösebetrag hinterlegt, ehe seine Einwendungen geklärt werden (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 7. Mai 2001 – BVerwG 7 B 25.01 – RÜ BARoV 2001 Nr. 8 und vom 4. Juli 2001 – BVerwG 8 B 114.01 – Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 13). Das Restitutionsverfahren soll von der unter Umständen aufwändigen Prüfung der wirksamen Begründung des dinglichen Rechts oder des Bestehens oder Erlöschens der gesicherten Forderung frei bleiben. Dem Berechtigten bleibt die Möglichkeit, im Herausgabeverfahren gemäß § 18 b Abs. 1 Satz 3 VermG geltend zu machen, das dingliche Recht sei nicht entstanden oder erloschen. Zwar können nach § 18 Abs. 1 Satz 4 VermG solche Rechte unberücksichtigt bleiben, die nachweislich zwischen dem Berechtigten und dem Gläubiger einvernehmlich bereinigt sind. Aber das dazu nach § 3 Abs. 1 HypAblV notwendige Einvernehmen des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen als Vertreter der Interessen des Entschädigungsfonds liegt hier nicht vor.
Schließlich erweist sich das der Klage stattgebende Urteil im Ergebnis nicht deshalb als richtig, weil die angefochtenen Bescheide ihrerseits dem genannten Bundesrechtsverstoß unterliegen. Zwar wird auch hier angenommen, die Aufbauhypothek sei durch einen staatlichen Verwalter bestellt worden und daher nur mit Abschlägen gemäß § 18 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VermG zu berücksichtigen, aber dieser Rechtsfehler beeinträchtigt die Kläger nicht in ihren Rechten, müssten sie doch aufgrund von § 18 Abs. 1 Satz 1 VermG eigentlich den vollen Ablösebetrag hinterlegen. Deshalb kann ihre Anfechtungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO keinen Erfolg haben.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß, Postier
Fundstellen
VIZ 2002, 570 |
NJ 2002, 495 |