Entscheidungsstichwort (Thema)
Gustav-Adolf-Sammlung. Eigentumsvermutung zu Gunsten des Besitzers. Widerlegung der Eigentumsvermutung. redlicher Erwerb durch Ersitzung
Leitsatz (amtlich)
Die zu Gunsten des gegenwärtigen Besitzers wirkende Eigentumsvermutung (§ 1006 BGB) ist jedenfalls dann nicht widerlegt, wenn – bei Unerweislichkeit sowohl einer Schenkung als auch einer bloßen Leihe des Vermögenswertes (hier einer Kunstsammlung) – die gegen die seinerzeitige Übereignung sprechenden Indizien nicht überwiegen.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 S. 1; BGB §§ 1006, 937
Verfahrensgang
VG Halle (Saale) (Urteil vom 31.08.2000; Aktenzeichen 3 A 1456/97) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 31. August 2000 sowie der Bescheid des Landratsamtes Weißenfels vom 11. September 1995 und der Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen (Sachsen-Anhalt) vom 30. Mai 1997 werden aufgehoben, soweit darin die Rückübertragung der in der Anlage zu dem Bescheid vom 11. September 1995 aufgeführten Sammlungsgegenstände, die sich in dem Besitz der Klägerin befinden, angeordnet wird.
Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte; ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, eine schwedische Stiftung, wendet sich gegen die durch den Beklagten nach dem Vermögensgesetz angeordnete Rückübertragung der sog. „Gustav-Adolf-Sammlung” an den Beigeladenen. Diese Sammlung gehörte früher dem Vater des Beigeladenen. Sie umfasst Gemälde, Bücher, Münzen, Kupferstiche, Zeichnungen sowie andere Kunst- und Kulturgegenstände und steht – soweit sie Gegenstand des Verfahrens ist – im Besitz der Klägerin. Der wesentliche Teil befindet sich derzeit in der Gustav-Adolf-Gedenkstätte in Lützen.
Der Vater des Beigeladenen hatte diese Sammlung in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zusammengetragen. Für seine Verdienste um die Pflege des Andenkens an König Gustav II. Adolf von Schweden wurde er zum schwedischen Honorarkonsul ernannt; ihm wurde ferner die Aufgabe übertragen, sich um die schwedischen Gedenkstätten in Lützen und Weißenfels pflegerisch zu kümmern. Zugleich war er damals Vertreter der Klägerin. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges bzw. kurz danach überführte er – ob zum Zwecke der Übereignung oder nur zur Verwahrung, ist zwischen den Beteiligten streitig – seine Sammlung in die Gedenkstätte Lützen. Am 23. Juni 1950 flüchtete er aus der ehemaligen DDR. Mit Urteil vom 28. April 1952 verurteilte ihn das Landgericht Halle in Abwesenheit wegen eines Verbrechens nach SMAD-Befehl Nr. 160 in Tateinheit mit § 1 Abs. 1 Nr. 3 WStrVO und §§ 396, 387 KO zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren und zur Vermögenseinziehung nach dem Stande vom 1. Juli 1950; der Ausspruch der Vermögenseinziehung ist im Jahr 1991 durch das Bezirksgericht Magdeburg im Wege der Rehabilitierung aufgehoben worden. Der Beigeladene ist – nach Abtretung vermögensrechtlicher Ansprüche weiterer Erben – alleiniger Rechtsnachfolger seines am 30. Dezember 1955 verstorbenen Vaters.
Mit Schreiben vom 3. September 1990 meldete er vermögensrechtliche Ansprüche an, die sich u.a. auch auf die „als Leihgabe zur Verfügung” gestellte streitbefangene Sammlung bezogen. In einer schriftlichen eidesstattlichen Erklärung vom 11. September 1994 gab der Beigeladene an, dass die Sammlungsgegenstände Privateigentum seines Vaters gewesen seien und sich zumindest bis 1939 im elterlichen Wohnhaus und zum Teil als Leihgabe im sog. Geleitshaus Weißenfels befunden hätten. Die Überführung eines Teils der im Wohnhaus befindlichen Sammlungsgegenstände in die Gustav-Adolf-Erinnerungsstätte nach Lützen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges oder kurz danach sei aus Sicherheitsgründen (amerikanische/sowjetische Besatzung, Enteignungskampagnen) erfolgt. Nach den Aussagen seiner Eltern sei damit kein Eigentumswechsel (Schenkung, Verkauf) verbunden oder beabsichtigt gewesen. Die Klägerin wies demgegenüber darauf hin, es habe bei der Übergabe der Gegenstände dem Willen des Vaters des Beigeladenen entsprochen, dass diese ihr zufallen sollten. Darüber hinaus sei spätestens durch die Anwendung des § 937 BGB lange vor dem In-Kraft-Treten des Zivilgesetzbuches der DDR ihre Eigentümerstellung begründet worden.
Mit Bescheid vom 11. September 1995 übertrug das Landratsamt Weißenfels – Amt zur Regelung offener Vermögensfragen – gemäß § 1 Abs. 7, § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG das Eigentum an den in der Anlage zu dem Bescheid aufgelisteten Gegenständen der Gustav-Adolf-Sammlung – und zwar sowohl soweit sie sich im Besitz der Klägerin als auch soweit sie sich im Besitz der Stadt Weißenfels befänden – an die Rechtsnachfolger des Vaters des Beigeladenen zurück, weil dieser sein Eigentum an der Sammlung durch das inzwischen insoweit aufgehobene Strafurteil verloren habe und Eigentum des Volkes begründet worden sei. Den Widerspruch der Klägerin wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 30. Mai 1997 mit der Begründung zurück, der größte Teil der Sammlung sei damals nur als Leihgabe zur Verfügung gestellt worden; für das im Zeitpunkt der Vermögenseinziehung noch bestehende Eigentum des Vaters des Beigeladenen sprächen Zeitungsartikel aus den Jahren 1932 und 1948 sowie zwei Briefe des damaligen Vorsitzenden der Klägerin aus dem Jahr 1950, in denen der Vater jeweils als Besitzer der Sammlung erwähnt werde bzw. in denen von „seinen” Sachen und gesammelten Erinnerungen gesprochen werde, und schließlich dessen eigenes Schreiben vom 12. Februar 1954 an das Göteborgs-Museum, in welchem er ein (in seinem Besitz befindliches) Gemälde aus der Sammlung zum Kauf angeboten habe. Eine Ersitzung der Sammlung durch die Klägerin gemäß § 937 BGB komme angesichts der Tatsache nicht in Betracht, dass die Sammlung zu DDR-Zeiten in Gebäuden untergebracht gewesen sei, die in Volkseigentum gestanden hätten.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin insbesondere die fehlerhafte Würdigung der vom Beklagten als Beleg für das fortbestehende Eigentum des Vaters des Beigeladenen herangezogenen Briefe und Zeitungsartikel gerügt. Mit Urteil vom 31. August 2000 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob die angefochtenen Bescheide rechtswidrig oder rechtmäßig seien. Jedenfalls werde die Klägerin durch die Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt, da sie nicht verfügungsberechtigt i.S.v. § 2 VermG sei; denn die Sammlung stehe nicht in ihrem Eigentum. Die Klägerin habe zwar behauptet, die Sammlung sei ihr vom Vater des Beigeladenen nicht nur übergeben, sondern auch übereignet worden. Nähere Umstände einer solchen Übereignung, die allenfalls als Handschenkung in Betracht komme, seien aber weder ansatzweise dargelegt noch unter Beweis gestellt worden. Zu Gunsten der Klägerin greife auch nicht die Eigentumsvermutung aus § 1006 Abs. 1 BGB ein. Insoweit könne dahinstehen, ob § 1006 BGB im Vermögensrecht überhaupt uneingeschränkt anwendbar sei, da die Eigentumsvermutung zur Überzeugung der Kammer jedenfalls widerlegt sei. Dabei sei besonders dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Klägerin sich für den Eigentumserwerb auf eine sog. Handschenkung berufe. Zwar ändere sich dadurch an der Beweislast nichts, an die Widerlegung der Vermutung dürften aber keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Der Gegenbeweis könne auch mit Hilfe von Beweiszeichen (Indiztatsachen) und Erfahrungssätzen geführt werden. Danach sei die Eigentumsvermutung widerlegt, da der Beigeladene nachvollziehbar vorgetragen habe, dass sein Vater aus Sicherheitsgründen die Sammlung in die Gustav-Adolf-Gedenkstätte verbracht habe. Angesichts der Tatsache, dass die Besetzung des Landes durch die Gegner Deutschlands im Zweiten Weltkrieg unmittelbar bevorgestanden habe bzw. bereits erfolgt gewesen sei, sei es verständlich und nachvollziehbar, dass der Vater des Beigeladenen als Vertreter der Stiftung in Lützen aus Furcht vor Enteignung seine Sammlung in die Obhut der schwedischen Stiftung gegeben habe, um sie dem Zugriff durch die Besatzungsmacht oder andere staatliche Stellen zu entziehen. Gegen eine Eigentumsübertragung spreche aber auch der Brief des damaligen Vorsitzenden der Klägerin vom September 1950 an den Vater des Beigeladenen. Die darin zum Ausdruck gebrachte Hoffnung, dass dieser sein Heim mit den Gustav-Adolf-Erinnerungen zurückbekomme, lasse den nahe liegenden Schluss zu, dass der Vater des Beigeladenen seine Sammlung nicht übereignet, sondern der Klägerin lediglich treuhänderisch in Verwahrung gegeben habe. Darüber hinaus rufe auch der in sich nicht schlüssige Vortrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren erhebliche Zweifel an einer Übereignung der Sammlung hervor; denn sie habe sich neben der behaupteten Schenkung auch auf Ersitzung berufen und damit erst später begründeten Eigenbesitz eingeräumt. Ein redlicher Eigentumserwerb durch Ersitzung gemäß § 937 BGB werde durch das Vermögensgesetz ausgeschlossen, weil dieses grundsätzlich abschließend und umfassend alle Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Korrektur von Eigentumsverlusten von 1945 bis zum Ende der DDR regele. Das Vermögensgesetz liefe in weiten Teilen leer, wenn sich die Besitzer von restitutionsbehafteten Vermögenswerten auf die §§ 900 oder 937 BGB berufen könnten.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Sie hält das angefochtene Urteil für bundesrechtswidrig, weil der Streitstoff unzureichend gewürdigt und bei der Interpretation der vorliegenden Urkunden Denkgesetze außer Acht gelassen worden seien, so dass die Überzeugung des Verwaltungsgerichts insoweit nicht auf dem Gesamtergebnis des Verfahrens i.S.d. § 108 VwGO beruhe; ferner habe das Gericht die Tragweite der Eigentumsvermutung des § 1006 BGB verkannt und diese Vorschrift falsch – nämlich unter Anlegung zu geringer Anforderungen an die Widerlegung der Vermutung – angewandt sowie zu Unrecht den Restitutionsausschluss gemäß § 4 Abs. 2 VermG durch Ersitzung nach § 937 BGB verneint.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 31. August 2000 sowie den Bescheid des Landratsamtes Weißenfels vom 11. September 1995 und den Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen (Sachsen-Anhalt) vom 30. Mai 1997 aufzuheben, soweit darin die Rückübertragung der in der Anlage zu dem Bescheid vom 11. September 1995 aufgeführten Sammlungsgegenstände im Besitz der Gustav-Adolf-Gedenkstätte in Lützen angeordnet wird.
Der Beklagte und der Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil verstößt mit seiner Annahme, die Klägerin sei mangels Eigentums an den streitigen Gegenständen nicht in subjektiven Rechten im Sinne von § 113 Abs. 1 VwGO verletzt, gegen Bundesrecht (– 1. –). Auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts erweisen sich die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig; sie waren deshalb aufzuheben, ohne dass es insoweit einer Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht bedurft hätte (– 2. –).
1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei – unbeschadet der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide – mangels Eigentums an den streitigen Gegenständen durch deren angeordnete Rückübertragung nicht in eigenen subjektiven Rechten verletzt. Dies trifft nicht zu. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des Verwaltungsgerichts, eine Handschenkung durch den Rechtsvorgänger des Beigeladenen zu Gunsten der Klägerin – und damit die Übereignung der Sammlung – sei nicht erwiesen. Das angefochtene Urteil verstößt jedoch gegen § 1006 BGB, weil die entscheidungstragende Annahme, die Eigentumsvermutung zu Gunsten der Klägerin sei widerlegt, mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Die festgestellten Tatsachen tragen den vom Verwaltungsgericht gezogenen Schluss nicht und genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Widerlegung. Da die gesetzliche Vermutung aufgrund der Aktenlage in Wahrheit nicht widerlegt ist, gilt die Klägerin weiterhin als Eigentümerin der Sammlung; darauf hat sie im Rahmen ihrer Verfahrensrüge in der Sache zu Recht hingewiesen.
a) Die Voraussetzungen für die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB zu Gunsten der Klägerin liegen vor. Entgegen den vom Verwaltungsgericht angedeuteten Zweifeln (vgl.a. VG Dresden VIZ 1993, 213 ≪215≫) ist diese Vorschrift auch im Vermögensrecht anwendbar. Denn der öffentlich-rechtliche Restitutionsanspruch nach dem Vermögensgesetz knüpft an zivilrechtliche Rechtspositionen an. Vorfragen sind nach dem jeweiligen Fachrecht zu beantworten, solange der Gesetzgeber – wie hier – keine abweichende Sonderregelung getroffen hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb bei der Prüfung zivilrechtlicher Fragen, die materiellrechtliche Merkmale vermögensgesetzlicher Tatbestände sind, ohne weiteres auf die jeweils geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches oder des Zivilgesetzbuches der DDR zurückgegriffen. Die Voraussetzungen der somit anwendbaren Norm liegen vor. Die Klägerin ist Eigenbesitzer im Sinne von § 872 BGB, da sie die Gegenstände als ihr gehörend im Besitz hat. Das Merkmal, das den Besitz zum Eigenbesitz macht, ist – unabhängig von der Überzeugung, Eigentümer zu sein – allein der Wille, die Sache wie ein Eigentümer zu beherrschen (Staudinger-Bund, BGB, Neubearb. 2000, § 872 Rn. 2 m.w.N.). Allein die Behauptung des Besitzers, Eigentümer zu sein, belegt ohne weiteres seinen Eigenbesitzwillen (Staudinger-Gursky, BGB, Neubearb. 1999, § 1006 Rn. 6). Gemäß § 1006 Abs. 3 BGB greift die Vermutung des Absatzes 1 auch zu Gunsten des mittelbaren Besitzers ein. Da der Besitz der Klägerin an der Sammlung vom Verwaltungsgericht bindend festgestellt worden ist und die Klägerin sich auf ihr Eigentum beruft, ist gemäß § 1006 BGB zu ihren Gunsten zu vermuten, dass sie als gegenwärtiger Eigenbesitzer beim Besitzerwerb auch das Eigentum an den streitigen Gegenständen erlangt hat (vgl. Staudinger-Gursky, a.a.O., Rn. 7).
b) Diese Vermutung ist nicht widerlegt. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts verkennt die hierfür maßgeblichen gesetzlichen Anforderungen und verstößt damit gegen § 1006 BGB. Die Widerlegung wäre beispielsweise dann gelungen, wenn der Gegner das Abhandenkommen der Sache (§ 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB), den Fremdbesitzwillen des Besitzers oder den fehlenden Eigentumserwerb beweist (Palandt-Bassenge, BGB, 61. Aufl., 2002, § 1006 Rn. 6 f.). Zwar dürfen wegen der Unzuverlässigkeit des Schlusses vom Besitz auf das Eigentum – insbesondere bei behaupteter Schenkung – an die Widerlegung der Vermutung keine hohen Anforderungen gestellt werden (MünchKomm-Medicus, BGB, 3. Aufl., 1997, § 1006 Rn. 22). Auch bei Zubilligung von Beweiserleichterungen in derartigen Fällen müssen jedoch zumindest Umstände bewiesen werden, die das Eigentum des Gegners der Vermutung – hier also des Beigeladenen – wahrscheinlicher erscheinen lassen als das Eigentum des gegenwärtigen Besitzers, oder die die vom Besitzer behaupteten Erwerbstatsachen – hier also die Schenkung – widerlegen. Weder das eine noch das andere ist dem Beklagten oder dem Beigeladenen gelungen.
Die geltend gemachte Schenkung ist weder erwiesen noch widerlegt. Für beides fehlt es an ausreichenden Beweisen. Davon geht auch das Verwaltungsgericht zu Recht aus. Das Eigentum des Beigeladenen ist auch nicht wahrscheinlicher als dasjenige der Klägerin. Hierfür wären zumindest Indizienumstände erforderlich, die „mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit” das vermutete Eigentum der Klägerin erschüttern (vgl. BGH, NJW 1993, 935 ≪937, 938≫). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Gunsten des Beigeladenen auf drei Indizien zurückgegriffen, die die darauf gestützte Widerlegung der Vermutung jedoch durchweg nicht tragen. Es hat die Ambivalenz der von ihm herangezogenen Indizien verkannt und ihnen trotz ihrer objektiv mehrdeutigen Aussagekraft einseitig Indizwirkung nur in einer Richtung zuerkannt. Das stellt – sei es als Verfahrensfehler (§ 108 Abs. 1 VwGO), sei es mangels Erfüllung der materiellrechtlichen Anforderungen – einen revisiblen Fehler dar (Urteil vom 2. Februar 2000 – BVerwG 8 C 29.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 10; BGH, NJW 1987, 1557 f.).
In erster Linie hat das Verwaltungsgericht aus dem Motiv des Rechtsvorgängers des Beigeladenen – die Sammlung aus Sicherheitsgründen in die Gedenkstätte einzubringen – auf deren mangelnde Übereignung geschlossen. Dies ist weder zwingend noch nahe liegender als die aus diesem Motiv zu Gunsten der (ggf. treuhänderischen) Übertragung des Eigentums an die Klägerin sprechenden, vom Verwaltungsgericht offenkundig übersehenen Bedeutungsvariante. Denn der Absicht, die Sammlung als deutsches Vermögen vor dem Zugriff der Besatzungsmächte zu schützen, könnte am effektivsten gerade ihre Übertragung in das Eigentum einer ausländischen juristischen Person und nicht nur in deren Besitz bei fortbestehendem deutschen Eigentum gedient haben. Im Falle der bloßen Leihgabe hätte die Klägerin nämlich die befürchtete Beschlagnahme und Enteignung rechtlich und tatsächlich nur unzureichend abwehren können. Das Motiv für die Überlassung der Sammlung gibt demnach zu Gunsten des Eigentums des Beigeladenen nichts her; selbst bei Annahme eines Treuhandverhältnisses wäre nicht der Treugeber, sondern nur der Treunehmer Eigentümer und Verfügungsberechtigter im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG (Beschluss vom 21. August 2000 – BVerwG 8 B 178.00 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 46 S. 6 ≪7≫).
Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts spricht auch der Brief vom 29. September 1950 nicht gegen die Übereignung der Sammlung an die Klägerin. Darin hatte der damalige Stiftungsvorsitzende mit Blick auf den Vater des Beigeladenen der Hoffnung Ausdruck verliehen, „…dass Du bald Dein Heim mit den lieben Gustav-Adolf-Erinnerungen zurück bekommst”. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass damit auf die streitige Sammlung angespielt wird; die Verknüpfung der „Gustav-Adolf-Erinnerungen” mit dem „Heim” des Vaters des Beigeladenen legt jedoch näher, dass der enteignete Grundbesitz und dort vorhandene persönliche Erinnerungsstücke gemeint sind. Weshalb sich aus diesem Brief ergeben soll, dass die Sammlung nur zur Verwahrung übergeben worden sein soll, ist nur schwer nachvollziehbar. Weitere schriftliche Belege, die mit zumindest gleichem Gewicht gegen das fortbestehende Eigentum des Vaters des Beigeladenen sprechen – wie etwa dessen Brief vom 26. Mai 1953 („…ich besaß eine… Sammlung…”; „Eines der wertvollen Stücke, was noch in meinem Besitz ist…”) –, hat das Verwaltungsgericht nicht gewürdigt.
Die vermeintliche Unschlüssigkeit des Klagevortrags kann ebenfalls nicht als Beleg für das fortbestehende Eigentum des Beigeladenen herangezogen werden. Die Berufung der Klägerin auf eine mögliche Ersitzung der Sammlung ist ersichtlich hilfsweise mit Rücksicht auf die schwierige Beweislage hinsichtlich der in erster Linie geltend gemachten Schenkung als rechtlicher Einwand gegen die Rückübertragung (vgl. § 4 Abs. 2 VermG) vorgebracht worden. Ein widersprüchlicher Tatsachenvortrag kann daraus nicht abgeleitet werden. Damit fällt auch dieses Indiz gegen die Eigentumserlangung der Klägerin in sich zusammen.
Weitere Umstände, die angesichts der mehrdeutigen Tatsachenlage das für die Widerlegung der Eigentumsvermutung mindestens erforderliche Übergewicht zu Gunsten des Beigeladenen herbeiführen könnten, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich, so dass es bei der gesetzlichen Eigentumsvermutung zu Gunsten der Klägerin verbleibt, ohne dass eine Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht erforderlich wäre.
2. Die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Abweisung der Klage erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Es fehlt an einer schädigenden Maßnahme im Sinne des Vermögensgesetzes gegenüber dem Rechtsvorgänger des Beigeladenen.
Als solche kommt allein das im Rehabilitierungsverfahren hinsichtlich der Vermögenseinziehung wieder aufgehobene Strafurteil gegen den Vater des Beigeladenen vom 28. April 1952 in Betracht. Voraussetzung einer darin liegenden Schädigung wäre jedoch, dass die streitigen Gegenstände im Zeitpunkt der Rechtskraft dieses Urteils, das allerdings entgegen der Auffassung der Klägerin ohne weiteres Volkseigentum begründet hätte (vgl. Urteil vom 19. Juli 2000 – BVerwG 8 C 6.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 5 S. 18 ≪22≫), noch im Eigentum des Vaters des Beigeladenen standen. Dieser Beweis ist – wie bereits erörtert – nicht gelungen; es sprechen mindestens ebenso starke Indizien für eine vor dem Strafurteil und vor dem Zeitpunkt der ausgesprochenen Vermögenseinziehung erfolgte Übertragung des Eigentums an der Sammlung auf die Klägerin wie für eine bloße Leihe. Beweispflichtig für diese zwischen den Beteiligten – wie dargelegt – umstrittene Frage ist der Beklagte bzw. der Beigeladene. Die Unerweislichkeit des fortbestehenden Eigentums des Alteigentümers geht zu deren Lasten; weitere Ermittlungsmöglichkeiten sind nicht ersichtlich. Überdies käme auch insoweit die gesetzliche Eigentumsvermutung zu Gunsten der Klägerin für die Dauer ihres früheren Besitzes zur Anwendung (vgl. § 1006 Abs. 2 BGB). Danach wäre auch schon im Jahr 1952 bzw. am 1. Juli 1950 von ihrem Eigentum an den streitigen Gegenständen und nicht von demjenigen des Alteigentümers auszugehen; das Strafurteil gegen den Vater des Beigeladenen erfasste damit die Sammlung nicht. Da auch konkrete faktische Einziehungshandlungen – etwa eine Vollstreckung zu Gunsten des Eigentums des Volkes – nicht erfolgt sind, fehlt es an einer vermögensrechtlichen Schädigung gegenüber dem Rechtsvorgänger des Beigeladenen.
Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage des redlichen Erwerbs (§ 4 Abs. 2 und 3 VermG) durch Ersitzung gemäß § 937 BGB kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an.
Da die angefochtenen Bescheide auch die Rückübertragung der im Besitz der Stadt Weißenfels stehenden Sammlungsteile anordnen, diese aber nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sind, waren die angefochtenen Bescheide nur in dem im Tenor umschriebenen Umfang aufzuheben. Von der Aufhebung der Rückgabeanordnung sind danach diejenigen, in der Anlage zu dem Bescheid vom 11. September 1995 aufgelisteten Gegenstände nicht erfasst, die sich im Besitz der Stadt Weißenfels – vermutlich im sog. Geleitshaus – befinden; insoweit haben die Restitutionsbescheide weiterhin Bestand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Müller, Sailer, Krauß, Golze, Postier
Fundstellen