Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von Jugendhilfe an minderjährige Asylsuchende. Inobhutnahme, Pflicht zu unverzüglichen Benachrichtigung des Vormundschaftsgerichts. Kostenerstattung bei Gewährung von Jugendhilfe an minderjährige Asylsuchende
Leitsatz (amtlich)
Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes und des Asylbewerberleistungsgesetzes schließen die Gewährung von Jugendhilfe an minderjährige Asylbegehrende nicht aus.
Ein Kostenerstattungsanspruch des örtlichen Trägers der Jugendhilfe gegen den vom Bundesverwaltungsamt bestimmten überörtlichen Träger setzt im Falle der Inobhutnahme eine unverzügliche Benachrichtigung des Vormundschaftsgerichtes voraus; die Frist hierfür beträgt auch bei unbegleitet einreisenden Kindern und Jugendlichen regelmäßig nur wenige Tage.
Normenkette
SGB VIII (F. 1993) § 42 Abs. 2 S. 3; SGB VIII (F. 1993) § 42 Abs. 2 S. 4; SGB VIII (F. 1993) § 86 Abs. 7; SGB VIII (F. 1993) § 89d; SGB VIII (F. 1993) § 89f; AsylVfG §§ 44, 52; AsylbLG §§ 6, 9
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 27.08.1998; Aktenzeichen 16 A 3541/97) |
VG Münster (Entscheidung vom 26.06.1997; Aktenzeichen 9 K 3097/96) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. August 1998 insoweit aufgehoben, als es den Beklagten verurteilt hat, der Klägerin die für die Zeit vom 22. Januar 1994 bis zum 18. Februar 1994 für den Hilfeempfänger S. C. entstandenen Jugendhilfekosten zu erstatten; auch insoweit wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Im übrigen wird die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen trägt die Klägerin zu sieben Achteln, der Beklagte zu einem Achtel. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Die klagende Stadt begehrt von dem beklagten überörtlichen Träger der Jugendhilfe gemäß § 89 d SGB VIII die Erstattung von Aufwendungen, die ihr durch die Inobhutnahme des am 24. Juni 1979 in Guinea-Bissau geborenen minderjährigen Asylbegehrenden S. C. entstanden sind.
Am 29. Dezember 1993 reiste der damals vierzehnjährige Hilfeempfänger in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin ein. Mit Schreiben vom selben Tage beantragte ein Rechtsanwalt für ihn Asyl. Am 3. Januar 1994 erhielt er eine ausländerrechtliche Duldung mit der Begründung, die Voraussetzungen zur Asylantragstellung lägen gemäß § 12 AsylVfG noch nicht vor. Am 19. Januar 1994 wurde der Hilfeempfänger in dem Übergangsheim K. untergebracht. Auf Antrag der Klägerin vom 25. April 1994 hat das Vormundschaftsgericht durch Beschluß vom 3. Mai 1994 das Jugendamt der Klägerin zum Amtsvormund bestellt. Der Hilfeempfänger hielt sich bis zum 5. Mai 1994 in der Wohneinrichtung auf.
Bereits durch Verfügung vom 16. Februar 1994 hatte das Bundesverwaltungsamt den Beklagten gemäß § 89 d Abs. 2 SGB VIII zum überörtlichen Träger der Jugendhilfe bestimmt. Dieser verweigerte jedoch die Kostenerstattung mit der Begründung, die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme des Hilfeempfängers gemäß § 42 SGB VIII hätten nicht vorgelegen. Sowohl die für eine vorläufige Maßnahme vorgegebene zeitliche Beschränkung sei hier deutlich überschritten als auch die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nicht unverzüglich eingeholt worden. Im übrigen gingen die Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes vor. Nachdem die Parteien sich auf die Durchführung verwaltungsgerichtlicher Musterverfahren geeinigt hatten, hat die Klägerin am 7. Oktober 1996 Klage auf Erstattung der vom 19. Januar 1994 bis zum 5. Mai 1994 entstandenen Jugendhilfekosten erhoben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen: Die Voraussetzungen für eine rechtmäßige vorläufige Inobhutnahme hätten nicht vorgelegen, weil nicht unverzüglich die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts eingeholt worden sei.
Das Oberverwaltungsgericht hat dagegen auf die Berufung der Klägerin unter entsprechender Änderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten verurteilt, der Klägerin die für die Zeit vom 19. Januar 1994 bis zum 18. Februar 1994 sowie vom 25. April 1994 bis zum 5. Mai 1994 für den Hilfeempfänger entstandenen Jugendhilfekosten zu erstatten, und im übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im wesentlichen ausgeführt:
Die Leistungsklage sei für den Zeitraum vom 19. Januar 1994 bis zum 18. Februar 1994 und für den Zeitraum vom 25. April 1994 bis zum 5. Mai 1994 begründet. Rechtsgrundlage sei § 89 d SGB VIII in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 16. Februar 1993 (BGBl I S. 239), die am 1. April 1993 in Kraft getreten sei und damit während der Unterbringung des Hilfeempfängers im Übergangswohnheim ab 19. Januar 1994 gegolten habe. Die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und anderer Gesetze vom 29. Mai 1998 (BGBl I S. 1188) in Kraft getretene Neufassung des § 89 d SGB VIII sei für den streitbefangenen Erstattungsanspruch nicht einschlägig, da nach der Übergangsbestimmung in Art. 2 Nr. 11 des Änderungsgesetzes Kosten, für deren Erstattung das Bundesverwaltungsamt vor dem 1. Juli 1998 einen erstattungspflichtigen überörtlichen Träger bestimmt habe, nach den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften zu erstatten seien.
Der Beklagte sei durch bestandskräftige Verfügung des Bundesverwaltungsamts vom 16. Februar 1994 gemäß § 89 d Abs. 2 SGB VIII zum überörtlichen Träger der Jugendhilfe bestimmt worden und damit für den geltend gemachten Erstattungsanspruch passivlegitimiert.
Die Voraussetzungen des § 89 d Abs. 1 SGB VIII in der hier anzuwendenden Fassung seien erfüllt. Dem Hilfeempfänger sei ab dem 19. Januar 1994 – innerhalb eines Monats nach der am 29. Dezember 1993 erfolgten Einreise – Jugendhilfe in der Form der Inobhutnahme (§ 2 Abs. 3, § 42 Abs. 1 SGB VIII) in einer Übergangseinrichtung gewährt worden. Der Erstattungsanspruch sei jedoch nur in dem Umfang begründet, in dem die Klägerin dem Hilfeempfänger zu Recht Jugendhilfe gewährt habe und die zugrundeliegende Maßnahme den materiellrechtlichen Vorschriften entsprochen habe (§ 89 f Abs. 1 SGB VIII).
Der Einwand des Beklagten, dem Hilfeempfänger hätte bereits deshalb keine Jugendhilfe gewährt werden dürfen, weil das Achte Buch Sozialgesetzbuch auf ihn als minderjährigen Asylsuchenden nicht anwendbar sei, greife allerdings nicht durch. Das Asylverfahrensgesetz enthalte keine abschließende Regelung für Unterbringung und Versorgung dieses Personenkreises. Aus der in § 44 Abs. 1 AsylVfG verankerten Verpflichtung der Länder, die erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen für die Unterbringung Asylbegehrender zu schaffen und zu unterhalten sowie die notwendige Zahl von Unterbringungsplätzen bereitzustellen, könne nicht geschlossen werden, daß dadurch in anderen Gesetzen begründete Individualansprüche ausgeschlossen würden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Grundsatz der Konnexität (Art. 104 a Abs. 1 GG), welcher lediglich besage, daß aus der Zuweisung einer Aufgabe auch die Verpflichtung zur Tragung der daraus resultierenden Kosten folge. Daraus, daß das Asylverfahrensgesetz für den in seinen Geltungsbereich einbezogenen Personenkreis durch die Zuweisung bestimmter Aufgaben auch eine Bestimmung über die Verpflichtung zur Tragung der daraus entstehenden Ausgaben getroffen habe, sei nichts über die Anwendbarkeit des Achten Buches Sozialgesetzbuch herzuleiten.
Auch der Umstand, daß gemäß § 52 AsylVfG die Aufnahme von Asylbegehrenden in dem Fall des § 14 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG auf die Quote nach § 45 AsylVfG angerechnet werde, schließe die Anwendbarkeit des Achten Buches Sozialgesetzbuch auf minderjährige Asylbegehrende nicht aus. Der damals noch nicht 16-jährige Hilfeempfänger habe zu dieser Gruppe gehört, da er um Asyl nachgesucht habe und sein gesetzlicher Vertreter nicht verpflichtet gewesen sei, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Die Regelung in § 52 AsylVfG bewirke, daß diejenigen Länder, die eine überproportional große Zahl an unbegleitet eingereisten minderjährigen Asylbegehrenden aufgenommen hätten, entsprechend weniger Asylbegehrende im Rahmen der allgemeinen Aufnahmequote nach § 45 AsylVfG zugewiesen erhielten. Dem liege erkennbar die Erwägung zugrunde, daß Asylbegehrende, die noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet hätten und deren gesetzlicher Vertreter nicht verpflichtet sei, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, ebenfalls von der Wohnpflicht in einer Aufnahmeeinrichtung freigestellt seien, und deshalb die Länder (mindestens) finanziell so belasteten wie andere Asylbegehrende. Die kumulative Berücksichtigung von unbegleitet eingereisten minderjährigen Asylbegehrenden sowohl im Rahmen des durch § 89 d SGB VIII vorgesehenen Verteilungsverfahrens wie auch bei der Ermittlung der allgemeinen Aufnahmequote gemäß § 45 AsylVfG führe zwar auf den ersten Blick zu einer ungerechtfertigten Besserstellung solcher Jugendhilfeträger, die einen überproportional großen Anteil dieses Personenkreises betreuten; das führe aber nicht dazu, daß diese minderjährigen Asylbegehrenden von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Achten Buches Sozialgesetzbuch ausschieden. Allenfalls sei es Aufgabe des Gesetzgebers, im Rahmen des § 52 AsylVfG eine entsprechende Regelung zu treffen. Allerdings spreche gegen einen dahin gehenden Handlungsbedarf, daß die überdurchschnittlich belasteten Träger der Jugendhilfe die Personalkosten nicht abwälzen könnten.
Der Hilfeempfänger sei auch nicht auf die vorrangige Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder dem Bundessozialhilfegesetz zu verweisen. Falls er leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewesen sei, berühre das gemäß § 9 Abs. 2 AsylbLG Leistungen anderer, besonders der Träger von Sozialleistungen, nicht. Zu den Sozialleistungen gehörten auch die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (§§ 8, 11, 27 Abs. 1 SGB I). Wenn aber sogar Jugendhilfeleistungen nicht ausgeschlossen seien, gelte dies erst recht für die Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII) als eine andere Aufgabe der Jugendhilfe (§ 2 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII). Für den Fall, daß der Hilfeempfänger Sozialhilfe beanspruchen könne, führe § 10 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zum gleichen Ergebnis. Demgemäß seien Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und nach dem Bundessozialhilfegesetz nicht vorrangig gegenüber Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch.
Allerdings habe die vorläufige Inanspruchnahme des Hilfeempfängers in dem Übergangswohnheim nur in der Zeit vom 19. Januar 1994 bis zum 18. Februar 1994 und vom 25. April 1994 bis zu ihrer Beendigung am 5. Mai 1994 den gesetzlichen Anforderungen entsprochen. Für den dazwischenliegenden Zeitraum sei dies nicht der Fall gewesen, weil das Jugendamt nicht unverzüglich eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohle des Kindes herbeigeführt habe (§ 42 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts führe die verspätete Herbeiführung einer vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung nicht dazu, daß die Inobhutnahme während ihrer gesamten Dauer, d.h. auch nach Nachholung dieses Versäumnisses, rechtswidrig gewesen sei. Nachdem das Amt für Soziale Dienste des Bezirksamts H.-M. das Vormundschaftsgericht durch das am 25. April 1994 abgesandte Schreiben unterrichtet habe, sei das zur Herbeiführung einer vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung gemäß § 42 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII Erforderliche in die Wege geleitet worden; von diesem Zeitpunkt an bis zur Beendigung der Inobhutnahme am 5. Mai 1994 verlange die Klägerin zu Recht die Erstattung der dadurch entstandenen Kosten. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch scheitere schließlich auch nicht an § 89 d Abs. 3 SGB VIII. Denn der Zeitraum, während dessen die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme nicht vorgelegen hätten, habe weniger als drei Monate gedauert.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt. Er rügt Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht stützt die Auffassung des Berufungsgerichts.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beklagten ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist mit Bundesrecht unvereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit es den Beklagten für den Zeitraum vom 22. Januar 1994 bis zum 18. Februar 1994 zur Erstattung der für S. C. aufgewendeten Kosten der Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII) verurteilt hat; insoweit ist die vorinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Für den übrigen Teil des noch streitgegenständlichen Zeitraums – vom 25. April 1994 bis zum 5. Mai 1994 – steht die Verurteilung des Beklagten zur Erstattung der Inobhutnahmekosten mit Bundesrecht im Einklang, so daß insoweit die Revision des Beklagten zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO).
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Beklagten aufgrund der Bestimmung des Bundesverwaltungsamts vom 16. Februar 1994 als passivlegitimierten überörtlichen Träger der Jugendhilfe nach § 89 d des Achten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VIII – in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 3. Mai 1993 (BGBl I S. 637) angesehen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Bestimmungsakt rechtlich als der Bestandskraft fähiger und infolge Nichteinlegung eines Widerspruchs bestandskräftig gewordener Verwaltungsakt, als behördliche Verfahrenshandlung i.S. des § 44 a Satz 1 VwGO oder – was der Wortlaut des § 89 d Abs. 2 Satz 3 SGB VIII in der hier maßgeblichen Fassung nahelegen könnte – rechtlich als Äquivalent einer Schiedsstellenentscheidung einzuordnen ist. Auf diese Fragen kommt es vorliegend deshalb nicht entscheidungserheblich an. Nach der hier noch anzuwendenden ebenso wie nach der jetzt geltenden Fassung des § 89 d SGB VIII hat das Bundesverwaltungsamt nur den gesetzlich näher geregelten Belastungsvergleich anzustellen, nicht aber das Bestehen des geltend gemachten Erstattungsanspruches zu überprüfen (vgl. Kraushaar, in: Fieseler/Schleicher, GK-SGB VIII, 1998, § 89 d, Rn. 19). Dafür, daß dieser Belastungsvergleich nicht oder fehlerhaft angestellt worden sein könnte, hat weder die Revision etwas Substantiiertes vorgetragen noch ist hierfür sonst etwas ersichtlich.
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch dargelegt, daß der Erstattungsanspruch der Klägerin nicht daran scheitert, daß die Jugendhilfe einem minderjährigen Asylbegehrenden gewährt worden ist. Die dem zugrundeliegende Auffassung, die §§ 42, 89 d SGB VIII würden weder durch die Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes noch durch die des Asylbewerberleistungsgesetzes verdrängt, entspricht der Rechtslage. Der Senat sieht davon ab, die zutreffenden Argumente des Berufungsgerichts im einzelnen zu wiederholen. Sie werden bestätigt vor allem durch § 86 Abs. 7 SGB VIII, der zusammen mit der hier anzuwendenden Fassung des § 89 d SGB VIII durch das Erste Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 16. Februar 1993 (BGBl I S. 239) in das Achte Buch Sozialgesetzbuch eingefügt worden ist, um die jugendhilferechtlichen Zuständigkeitsbestimmungen auf die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes abzustimmen (vgl. die Begründung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Frauen und Jugend, BTDrucks 12/3711, S. 44 zu Nr. 26). Die Normierung einer Sonderzuständigkeit „für Leistungen an Asylsuchende” (§ 86 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII F. 1993) läßt aber den unabweisbaren Rückschluß zu, daß Asylsuchende unter den Geltungsbereich des Achten Buches Sozialgesetzbuch fallen und die für sie in Betracht kommenden Sozialleistungen nicht im Asylverfahrens- und im Asylbewerberleistungsgesetz abschließend geregelt sind.
Das bestätigt im übrigen auch die Entstehungsgeschichte des § 89 d SGB VIII, die der Beklagte für seine Behauptung in Anspruch nimmt, eine Asylantragstellung stelle einen (ungeschriebenen) Ausschlußgrund für die Kostenerstattung dar. Nach der bis zum 31. März 1993 geltenden Rechtslage (§ 97 Abs. 4 SGB VIII i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts ≪Kinder- und Jugendhilfegesetz – KJHG≫ vom 26. Juni 1990 ≪BGBl I S. 1163≫) war eine Kostenerstattung für Jugendhilfeleistungen an Asylbewerber infolge der in § 97 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII F. 1990 angeordneten entsprechenden Geltung des § 108 Abs. 6 BSHG ausgeschlossen; dieser Ausschluß galt für den gesamten Leistungszeitraum ab Grenzübertritt einschließlich der Zeit nach dem Ende des Asylverfahrens (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1992 – BVerwG 5 C 22.88 – ≪Buchholz 436.0 § 108 BSHG Nr. 1 S. 5≫). Folge dieser Regelung war aber nicht, daß Jugendhilfe an minderjährige Asylbegehrende nicht geleistet werden durfte, sie also vom persönlichen Geltungsbereich des Kinder- und Jugendhilferechts ausgeschlossen waren, sondern daß für sie keine Kostenerstattung vom überörtlichen Jugendhilfeträger begehrt werden konnte.
Daß das Achte Buch Sozialgesetzbuch als Erziehungsgesetz auch für jugendliche Asylbegehrende gelten solle, ist im Gesetzgebungsverfahren auch ausdrücklich betont worden. Während der Regierungsentwurf vom 27. September 1989 noch anstrebte, nur solche Ausländer Deutschen gleichzustellen, die hier auf Dauer leben und weitgehend integriert sind (vgl. BTDrucks 11/5948 S. 50 zu § 5 Abs. 2), entsprach die dann Gesetz gewordene Fassung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes inhaltlich dem abweichenden Vorschlag des Bundesrates. Dieser begründete seinen Änderungsvorschlag, der der heutigen Fassung des § 6 Abs. 2 SGB VIII entspricht, damit, daß ein Ausschluß von Asylbewerbern und geduldeten Ausländern, die auf längere Zeit hier lebten, nicht gerechtfertigt sei. Kinder und Jugendliche, die auf Grund ihres ausländerrechtlichen Status nicht abgeschoben werden könnten oder auf Grund tatsächlicher Gegebenheiten nicht abgeschoben würden, könnten nicht jahrelang ohne die für sie notwendige Hilfe zur Erziehung gelassen werden: „Das Jugendhilfegesetz ist ein Erziehungsgesetz, und eine Verweigerung von Erziehung für einen Zeitraum von möglicherweise mehreren Jahren kann nicht gerechtfertigt werden” (BTDrucks 11/5948 S. 125 zu Artikel 1 § 5 Abs. 1 und Abs. 2).
Eine dem § 97 Abs. 4 SGB VIII F. 1990 i.V.m. § 108 Abs. 6 BSHG vergleichbare Erstattungsausschlußnorm ist in § 89 d SGB VIII in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch bewußt nicht mehr enthalten, um anstelle des Verweises auf § 108 BSHG eine den Bedürfnissen der Jugendhilfe angepaßte eigenständige Regelung zu ermöglichen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 12/2866, S. 24 zu § 89 d; nach Kraushaar, in: Fieseler/Schleicher, GK-SGB VIII, 1998, § 89 d Rn. 32 ist eine solche Ausschlußregelung u.a. auf Betreiben der kommunalen Spitzenverbände nicht in die Neuregelung aufgenommen worden). Dafür, daß der Gesetzgeber gleichwohl an dem früheren Ausschluß der Kostenerstattungspflicht für Jugendhilfe an Asylbegehrende nichts ändern wollte, fehlt es an jedem Anhaltspunkt in den Gesetzesmaterialien zum Ersten Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch. Aus dem Umstand, daß § 89 d Abs. 1 Satz 3 SGB VIII in der seit dem 1. Juli 1998 geltenden Fassung durch Art. 2 Nr. 9 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und anderer Gesetze vom 29. Mai 1998 (BGBl I S. 1188) nunmehr die ausdrückliche Regelung enthält, daß die Erstattungspflicht unberührt bleibt, wenn die aus dem Ausland eingereiste Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt, läßt sich nicht schließen, daß ein entsprechender Erstattungsausschlußgrund vorher entgegen dem gesetzlichen Wortlaut bestanden habe. Nicht von ungefähr ist im Gesetzgebungsverfahren dieser Regelung ausdrücklich nur klarstellende Bedeutung beigemessen worden (vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BTDrucks 13/10330, S. 20 zu Absatz 1).
Der Einwand des Beklagten, die Gewährung von Jugendhilfe sei deshalb fehlerhaft, weil nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII „Verpflichtungen anderer, insbesondere … der Träger anderer Sozialleistungen” durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch nicht berührt werden und an den Hilfesuchenden Jugendhilfe nicht nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch, sondern nach den Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes zu leisten gewesen wäre, geht fehl. Die Nachrangvorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII schließt die Anwendbarkeit des Achten Buches Sozialgesetzbuch auf junge asylbegehrende Ausländer nicht aus, da das Asylbewerberleistungsgesetz keine der Gewährung von Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbaren Leistungen vorhält. Dies hat den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung bei der Beratung der Neufassung des § 89 d SGB VIII 1998 zu der Feststellung veranlaßt, eine Konkurrenz von Jugendhilfe mit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz entfalle bereits aufgrund des unterschiedlichen Leistungsinhalts (BTDrucks 13/10330, S. 20 zu Absatz 1). Die Auffassung des Beklagten, Leistungen nach § 6 AsylbLG könnten auch Jugendhilfeleistungen sein, wie sie dem Hilfeempfänger gewährt worden seien, findet im Gesetz keine Stütze; weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte der Bestimmung ergeben Anhaltspunkte dafür, daß mit „sonstigen Leistungen” i.S. des § 6 Satz 1 AsylbLG die Gewährung von Jugendhilfe durch die von den Landesregierungen gemäß § 10 AsylbLG bestimmten Behörden gemeint sein könnte.
Das Asylbewerberleistungsgesetz ist kein Erziehungsgesetz wie das Achte Buch Sozialgesetzbuch, sondern befaßt sich mit der Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern; um materielle Anreize für eine illegale Einreise zu beseitigen, gewährt es grundsätzlich nur die Leistung des Existenzminimums vorrangig in Form von Sachleistungen. Neben den Grundleistungen des § 3 Abs. 1 AsylbLG und den Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt (§ 4 AsylbLG) dürfen gemäß § 6 Satz 1 AsylbLG in der bis einschließlich 31. Mai 1997 gültigen Fassung „sonstige Leistungen” nur gewährt werden (Neufassung durch Art. 1 Nr. 5 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 26. Mai 1997 ≪BGBl I S. 1130≫: „können insbesondere gewährt werden”), „wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerläßlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern … geboten sind”; gemäß Satz 2 gilt auch hier der Sachleistungsgrundsatz. Der Gesetzgeber wollte damit dem Umstand Rechnung tragen, daß die Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt und insbesondere die Grundleistungen als Pauschalleistungen auf niedrigem Niveau – in Ermangelung ergänzender Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz – im Einzelfall nicht ausreichen könnten, um das zur Sicherung des Lebensunterhalts und der Gesundheit Unerläßliche sicherzustellen (vgl. BTDrucks 12/4451 S. 10 zu § 5). Daß er mit diesen sonstigen Leistungen nicht das Aufgaben- und Leistungsprogramm der Jugendhilfe in das Asylbewerberleistungsgesetz inkorporieren wollte, ergibt sich deutlich aus der Gesetzesbegründung, die die Leistungen nicht näher umschrieb, sondern darauf hinwies, daß sich ihre konkrete Gestalt „nach den Umständen des Einzelfalles” richte und als ein Beispiel „Hygienemittel für Wöchnerinnen” nannte (BTDrucks 12/4451 a.a.O.). Die Begründung zum Ersten Änderungsgesetz fügte dem „außergewöhnliche Umstände wie beispielsweise … einen Todesfall, … einen besonderen Hygienebedarf oder … körperliche Beeinträchtigungen” (BTDrucks 13/2746 S. 16 zu Nr. 5 ≪§ 6≫) als Beispiele hinzu. Vor diesem Hintergrund kommen als Leistungen „zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern” i.S. des § 6 Satz 1 AsylbLG etwa Leistungen für Kleidung, Ernährung oder Schulbesuch (so etwa Kunkel, NVwZ 1994, 352 f.; Deibel, ZAR 1995, 57 ≪63≫) in Betracht, nicht aber das Aufgaben- und Leistungsprogramm der Jugendhilfe. Es ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß der Gesetzgeber, der mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch bewußt ein auch für jugendliche Asylbegehrende geltendes Erziehungsgesetz geschaffen hat, dessen Leistungen jugendlichen Asylbegehrenden mit der sondergesetzlichen Regelung von Grund- und Zusatzleistungen im Asylbewerberleistungsgesetz wieder hat entziehen wollen. Im Gegenteil, aus § 9 Abs. 1 AsylbLG ergibt sich, daß nur die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz oder vergleichbaren Landesgesetzen ausgeschlossen sein sollen, während „Leistungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger, der Träger von Sozialleistungen oder der Länder im Rahmen ihrer Pflicht nach § 44 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes … durch dieses Gesetz nicht berührt” werden sollen (§ 9 Abs. 2 AsylbLG). Daß mit Leistungen der Träger von Sozialleistungen auch Kinder- und Jugendhilfeleistungen gemeint sind, ergibt sich aus dem Inhalt des Sozialgesetzbuchs, insbesondere dessen Achten Buches (vgl. auch § 27 SGB I).
Die Meinung des Beklagten, aus der Verpflichtung der Länder zur Unterbringung Asylbegehrender (§ 44 Abs. 1 AsylVfG) folge ein Ausschluß von Leistungsansprüchen von Asylbegehrenden gegen andere Leistungsträger, ist von der Vorinstanz zutreffend mit der Begründung zurückgewiesen worden, daß ein solcher Ausschluß aus dieser Bestimmung nicht herzuleiten ist (S. 9 f. des Urteils). Die Aufgabenbestimmung in § 44 AsylVfG besagt nichts über das Verhältnis der Aufgaben nach dem Asylverfahrensgesetz und dem Asylbewerberleistungsgesetz zu anderen Aufgaben; insoweit ist für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz dessen § 9 einschlägig.
Ob es, wie der Beklagte geltend macht, eine ungerechtfertigte Begünstigung der Länder mit hohen Einreisezahlen darstellt, daß in diesen Erstattungsfällen schon eine Anrechnung auf die Asylquote erfolgt ist (§ 52 AsylVfG), erscheint schon in tatsächlicher Hinsicht als zweifelhaft und wird von der Revision auch in keiner Weise belegt. Demgegenüber wird in dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung im Gesetzgebungsverfahren zur Neufassung des § 89 d SGB VIII 1998 darauf hingewiesen, daß die Erstattungspflicht „nach wie vor nur die Sachkosten, nicht die Verwaltungskosten” erfasse (BTDrucks 13/10330, S. 20 zu Nr. 9 ≪§ 89 d≫ zu Absatz 1); auch Wiesner (SGB VIII, § 86 Rn. 45) stellt fest, daß die Kostenerstattung die erhöhten Aufwendungen bei der Versorgung des Personenkreises der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge im Alter von unter 16 Jahren, der sich infolge der Nichteinbeziehung in das Verteilungsverfahren auf einzelne Ballungsgebiete konzentriere und dort Versorgungsprobleme verursache, nicht kompensiere, da nur ein Teil der tatsächlichen Aufwendungen erstattungsfähig sei. Jedenfalls ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, daß sich aus § 52 AsylVfG nicht folgern läßt, neben der Anrechnung sei eine Kostenerstattung ausgeschlossen. Die Auffassung des Beklagten, das Asylrecht sei auch hinsichtlich der Finanzierung ein „geschlossenes System” in dem Sinne, daß es keine gegenläufigen Vorschriften geben dürfe, wird schon durch die gesetzliche Ausgestaltung widerlegt.
3. Für den im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen Teil des Zeitraums der Inobhutnahme vor Einschaltung des Vormundschaftsgerichts (vom 19. Januar 1994 bis zum 18. Februar 1994) hat jedoch die Revision des Beklagten für die Zeit vom 22. Januar 1994 bis zum 18. Februar 1994 Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Beklagten insoweit zu Unrecht zur Erstattung der entstandenen Jugendhilfekosten verurteilt; denn (auch) in diesem zeitlichen Umfang entsprach die Inobhutnahme des S. C. nicht den Bestimmungen des Achten Buches Sozialgesetzbuch (§ 89 f Abs. 1 SGB VIII). Insoweit war deshalb die vorinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
Die am 19. Januar 1994 erfolgte Inobhutnahme des Hilfesuchenden entsprach – wovon auch die Vorinstanz ausgeht – nicht mehr den gesetzlichen Bestimmungen, nachdem der durch das Gebot einer „unverzüglichen” Herbeiführung einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohle des Kindes (§ 42 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII) umrissene Zeitraum überschritten war. Dies war jedoch nicht, wie das Oberverwaltungsgericht meint, erst mit Ablauf eines Monats nach Inobhutnahme der Fall, sondern bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt, den der Senat hier mit dem Ablauf des 21. Januar 1994 als erreicht ansieht. Nach der am 19. Januar 1994, einem Mittwoch, erfolgten Inobhutnahme hätte das Jugendamt das Vormundschaftsgericht jedenfalls mit Ablauf des darauffolgenden Freitags von der Einreise und Inobhutnahme des unbegleiteten asylbegehrenden Hilfesuchenden und der Nichterreichbarkeit des Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unterrichten müssen, was jedoch erst am 25. April 1994 mit der „Anzeige gemäß § 50 KJHG” des Amtes für Soziale Dienste des Bezirksamtes H.-M. geschehen ist. Mit dem Gebot, „unverzüglich” eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts über die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen erforderlichen Maßnahmen herbeizuführen, bringt das Gesetz zum Ausdruck, daß es sich bei den Entscheidungen und Maßnahmen des Jugendamtes zunächst nur um vorläufige Maßnahmen handelt, während die erforderlichen sorgerechtlichen Maßnahmen vom Vormundschaftsgericht zu treffen sind (vgl. Wiesner, SGB VIII, § 42 Rn. 1, 32). Dem widerspräche es, wenn das Jugendamt die Befugnis hätte, ein Kind oder einen Jugendlichen wochen- oder monatelang in eigener Zuständigkeit unter Obhut zu halten, ohne eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts herbeizuführen. Bei der Auslegung des Begriffs „unverzüglich” ist mangels entgegengesetzter Anhaltspunkte davon auszugehen, daß dieser – wie in § 121 BGB – „ohne schuldhaftes Zögern” bedeutet. Zwar ist „unverzüglich” nicht gleichbedeutend mit „sofort”, vielmehr muß dem Jugendamt eine angemessene Zeit zur Prüfung und Entscheidung bleiben, welche sich durch die Sorge um das Wohl des Minderjährigen bestimmt (vgl. Münder u.a., Frankfurter LPK-KJHG, 1998, § 42 Rn. 11). Eine solche teleologische Auslegung des Begriffs (Wiesner, SGB VIII, § 42 Rn. 27) kann jedoch nicht dazu führen, daß bei unbegleitet einreisenden ausländischen Kindern und Jugendlichen das Tatbestandsmerkmal „unverzüglich” im Ergebnis zu einer im Gesetz nicht vorgesehenen Monatsfrist wird. Es ist auch nicht zu erkennen, warum bei dieser Fallgruppe im Interesse einer sachgerechten Sachverhaltsermittlung generell eine Frist von einem Monat zur Unterrichtung des Vormundschaftsgerichts erforderlich sein soll; so läßt auch die hier am 25. April 1994 erfolgte Anzeige an das Vormundschaftsgericht nichts ersehen, was nicht auch schon bis zum 22. Januar 1994 zur Herbeiführung einer vormundschaftsgerichtlichen Entscheidung hätte mitgeteilt werden können; dies gilt insbesondere auch für den Grund der Inobhutnahme, welcher bei unbegleitet einreisenden asylbegehrenden Kindern und Jugendlichen in dem Umstand liegt, daß sie ohne Personensorgeberechtigten sind. Die Klägerin macht selbst nicht geltend, von einer früheren Anzeige durch einen konkreten weiterreichenden Ermittlungsbedarf abgehalten worden zu sein, sondern beruft sich lediglich auf die damalige Belastungssituation, welche ein rascheres Handeln unmöglich gemacht habe. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit es infolge einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fällen einer Inobhutnahme gerechtfertigt gewesen sein könnte, von einer frühzeitigen, ansonsten keine weiteren, individuellen Ermittlungen erfordernden Einleitung des vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens abzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Pietzner, Dr. Bender, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke
Fundstellen