Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschiebungsschutz wegen innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Irak). willkürliche Gewalt. ernsthafte individuelle Bedrohung. erhebliche individuelle Gefahr. subsidiärer Schutz. humanitäres Völkerrecht. Streitgegenstand bei europarechtlichem und nationalem Abschiebungsschutz
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf das Herkunftsland ist seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im Asylprozess sachdienlich dahin auszulegen, dass in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird.
2. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie) ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. insbesondere die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht vom 12. August 1949 und das Zusatzprotokoll II vom 8. Juni 1977).
3. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken.
4. Die in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG getroffene Regelung, die Abschiebungsschutz suchende Ausländer im Falle allgemeiner Gefahren auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ausländerbehördliche Erlasse verweist, ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass sie nicht die Fälle erfasst, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt sind.
Normenkette
AufenthG § 25 Abs. 3, § 60 Abs. 1, 7 Sätze 2-3, Abs. 11, § 60a; Richtlinie 2004/83/EG Art. 2 Buchst. b, Art. 8, 15 Buchst. c, Art. 17-18; Genfer Konventionen vom 12. August 1949 Art. 3; Zusatzprotokoll I vom 8. Juni 1977 Art. 51; Zusatzprotokoll II vom 8. Juni 1977 Art. 1, 13
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 01.02.2007; Aktenzeichen 13a B 05.30833) |
VG München (Entscheidung vom 09.08.2005; Aktenzeichen M 3 K 05.50773) |
Tenor
Das Revisionsverfahren wird eingestellt, soweit es sich auf den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung (Nr. 1 und 2 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. April 2005) bezieht.
Im Übrigen (hinsichtlich des Begehrens auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG, hilfsweise nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf den Irak) wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Februar 2007 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Kläger tragen die Hälfte der Kosten des bisherigen Verfahrens in allen Rechtszügen. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Die Kläger erstreben europarechtlichen Abschiebungsschutz wegen Gefahren aufgrund eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG; sog. Qualifikationsrichtlinie). Hilfsweise erstreben sie nationalen Abschiebungsschutz wegen ihnen drohender Gefahren für Leib und Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Die miteinander verheirateten Kläger sind irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Der Kläger zu 1 wurde im Januar 1967 in Halabaja in der Provinz Suleimaniya geboren. Nach seiner Einreise nach Deutschland stellte er im Juni 1996 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) – Bundesamt – einen Asylantrag. Zur Begründung berief er sich auf sein Engagement für die kommunistische Bewegung in seiner von militanten Islamisten beherrschten Heimatstadt Halabaja und auf die oppositionelle Einstellung seiner ganzen Familie gegen das herrschende Regime von Saddam Hussein. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 12. September 1996 stellte das Bundesamt fest, dass die Voraussetzungen des Flüchtlingsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 vorliegen.
Die 1974 in Kirkuk geborene Klägerin zu 2 beantragte im Oktober 1999 in Deutschland Asyl. Sie berief sich zur Begründung ihres Asylantrags auf Aktivitäten ihres Vaters und ihres Bruders für die kommunistische Partei im Irak, weshalb sie selbst mehrfach Verhören durch den Sicherheitsdienst ausgesetzt gewesen sei. Das Bundesamt erkannte der Klägerin zu 2 im Juli 2001 die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 51 Abs. 1 AuslG 1990 zu.
Mit Bescheid vom 26. April 2005 widerrief das Bundesamt die Flüchtlingsanerkennungen beider Kläger wegen der veränderten politischen Verhältnisse im Irak. Zugleich stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.
Im Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom August 2005 den Widerrufsbescheid des Bundesamtes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 1. Februar 2007 die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, der Widerruf sei rechtmäßig, weil die Kläger nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein im Jahr 2003 keine Verfolgung im Irak mehr zu befürchten hätten, die ihre Anerkennung als Flüchtlinge rechtfertige. Die Kläger könnten auch nicht die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG beanspruchen. Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG lägen nicht vor. Auch bestehe kein Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Denn die Kläger wären im Fall ihrer Rückkehr in den Irak keiner individuellen erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Soweit sich die Kläger auf die allgemeine Situation im Irak beriefen, zu der auch die Gefahr zu rechnen sei, als Rückkehrer aus dem Ausland Opfer von kriminellen Übergriffen zu werden, müssten sie sich auf den ihnen durch den Erlass des Bayerischen Staatsministeriums des Innern gewährten Schutz vor einer Abschiebung in den Irak verweisen lassen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004. Die hierfür zumindest erforderliche Konfliktsituation von gewisser Dauer und Intensität, die wohl einer Bürgerkriegssituation vergleichbar sein müsse, liege nicht vor. Aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismaterialien sei nicht ableitbar, dass im Irak landesweit eine Bürgerkriegssituation gegeben wäre. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass in Bagdad und anderen Städten, vor allem im zentralirakischen sog. “Sunnitischen Dreieck”, zumindest bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, könne dies nicht zu einem durch die unmittelbare Anwendung von Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c der Richtlinie vermittelten Schutzanspruch führen. Denn ein innerirakisches Ausweichen in andere Landesteile erscheine möglich, damit sei ein interner Schutz im Sinne von Art. 8 der Richtlinie gewährleistet. Hiervon abgesehen stehe wohl auch die bei allgemeinen Gefahren vergleichbaren Abschiebungsschutz bietende Erlasslage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern der Gewährung richtliniengemäßen subsidiären Schutzes entgegen.
Mit der vom Verwaltungsgerichtshof unbeschränkt zugelassenen Revision wenden sich die Kläger – nach Rücknahme der Revision hinsichtlich des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung in der mündlichen Verhandlung – vorrangig dagegen, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen des inzwischen durch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in nationales Recht umgesetzten subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG verneint hat. Sie bemängeln insbesondere, dass das Gericht die Voraussetzungen dieser Schutzgewährung verkannt habe, insbesondere auch die Möglichkeit der Erlangung internen Schutzes im Irak.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II
Das Revisionsverfahren war nach entsprechender Rücknahme der Revision durch die Kläger insoweit einzustellen, als es sich auf den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung (Nr. 1 und 2 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt – vom 26. April 2005) bezogen hat (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Die nunmehr nur noch gegen die Versagung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichtete Revision ist begründet. Das Berufungsurteil beruht insoweit auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Denn es hat einen Anspruch der Kläger auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung verneint, die einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhält. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil über das Vorliegen eines solchen Abschiebungsverbots selbst nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob den Klägern der begehrte Abschiebungsschutz zusteht, ist die neue, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I 2007, 1970) – im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz – am 28. August 2007 geltende Rechtslage. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht dann zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte. Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen (vgl. Urteil vom 11. September 2007 – BVerwG 10 C 8.07 – BVerwGE 129, 251 ≪257 f.≫ Rn. 19).
1. Die während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderung hat zur Folge, dass sich in Asylverfahren von Gesetzes wegen der Streitgegenstand bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geändert hat und im Ausgangsverfahren hinsichtlich der von den Klägern im Falle einer Rückkehr in den Irak geltend gemachten Gefahren die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil bilden. Hierauf haben die Kläger im Revisionsverfahren auf Hinweis des Senats zulässigerweise reagiert und in Anpassung an die neue Rechtslage ihre Anträge dahin präzisiert, dass sie in erster Linie die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes – ABl EG Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EG vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24 – sog. Qualifikationsrichtlinie) und für den Fall, dass ihre Klage insoweit keinen Erfolg hat, hilfsweise die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf den Irak begehren. Diese Abstufung berücksichtigt die mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes eingetretene Änderung des Streitgegenstands bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG und entspricht nunmehr der typischen Interessenlage eines – wie im Ausgangsverfahren – nach rechtskräftigem Widerruf der Flüchtlingsanerkennung in Bezug auf sein Heimatland ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz begehrenden Klägers.
Nach der alten, vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage ist das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass es sich in Asylverfahren bei der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 1, 2 und 4 AuslG einerseits und der Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG andererseits um eigenständige Streitgegenstände oder jedenfalls abtrennbare Streitgegenstandsteile handelt und diese nach dem erkennbaren Regelungszweck des Asylverfahrens- und des Ausländergesetzes in einem bestimmten Rangverhältnis in dem Sinne stehen, dass Schutz vor geltend gemachten Gefahren im Heimatstaat oder einem sonstigen Zielstaat einer Abschiebung vorrangig auf der jeweils den umfassenderen Schutz vermittelnden Stufe zu gewähren ist. Folgerichtig war in Asylverfahren vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes das Begehren auf Gewährung ausländerrechtlichen Abschiebungsschutzes – wenn es nicht ausnahmsweise deutlich erkennbar eingeschränkt sein sollte – sachdienlich dahin auszulegen (§ 86 Abs. 3, § 88 VwGO), dass – jeweils zielstaatsbezogen – primär Schutz vor drohender Abschiebung nach § 53 Abs. 1, 2 und 4 AuslG und hilfsweise zumindest Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG beantragt wird (vgl. Urteil vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 19.96 – BVerwGE 104, 260 ≪262 f.≫).
Ob sich hieran durch die ab 1. Januar 2005 geltenden Neuregelungen im Zuwanderungsgesetz etwas geändert hat, kann vorliegend offen bleiben. Die für die Bestimmung des Streitgegenstands maßgeblichen Erwägungen führen jedenfalls nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes zu einer Neubewertung. Mit diesem Gesetz hat der nationale Gesetzgeber die seit dem Zuwanderungsgesetz in § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG normierten ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote geändert und in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG zum subsidiären Schutz aufgenommen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 60 AufenthG, BTDrucks 16/5065 S. 186). Er hat dabei die positiven Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 der Richtlinie als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet, über deren Vorliegen bei Asylbewerbern allein das Bundesamt zu entscheiden hat. Die Ausschlussgründe für den subsidiären Schutzstatus nach Art. 17 der Richtlinie hat er dagegen als Versagungsgründe für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG geregelt, über die die Ausländerbehörde – allerdings unter Beteiligung des Bundesamts – zu entscheiden hat. Dies hat zur Folge, dass in Bezug auf das Herkunftsland die dem subsidiären Schutzkonzept der Qualifikationsrichtlinie zuzuordnenden Abschiebungsverbote gegenüber den sonstigen (nationalen) ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten einen selbständigen Streitgegenstand bilden und ihre Feststellung nach der typischen Interessenlage des Schutzsuchenden vorrangig vor der Feststellung eines sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots begehrt wird. Denn die Feststellung eines Abschiebungsverbots durch das Bundesamt mit der zugleich verbindlich die positiven Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie festgestellt werden, vermittelt dem Schutzsuchenden regelmäßig weitergehende Rechte als die Feststellung eines sonstigen (nationalen) ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots. So hat beispielsweise nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie ein subsidiär Schutzberechtigter einen Anspruch auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels, soweit dem nicht zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entgegenstehen. Dagegen hat nach nationalem Recht die Feststellung eines ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots durch das Bundesamt nur zur Folge, dass dem Betroffenen von der Ausländerbehörde bei Nichtvorliegen einer der in § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten Versagungsgründe eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll (vgl. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), der Ausländerbehörde also selbst bei Verneinung eines Versagungsgrundes ein – allerdings auf atypische Fallgestaltungen beschränktes – (Rest-)Ermessen verbleibt. § 25 Abs. 3 AufenthG ist bei einem nach der Richtlinie 2004/83/EG subsidiär Schutzberechtigten zwar richtlinienkonform dahin auszulegen, dass eine Aufenthaltserlaubnis nur abgelehnt werden darf, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Erteilung entgegenstehen. Dies setzt aufgrund der gesetzlichen Aufgabenteilung zwischen dem Bundesamt und der Ausländerbehörde aber voraus, dass für die Ausländerbehörde erkennbar sein muss, ob ein vom Bundesamt festgestelltes ausländerrechtliches Abschiebungsverbot auf den Voraussetzungen des Art. 15 der Richtlinie oder nur auf nationalem Recht beruht. Es würde dem Regelungszweck des subsidiären Schutzes nach der Richtlinie zuwiderlaufen, wenn im Rahmen der vom Bundesamt nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf das Herkunftsland zu treffenden Feststellungen die in Umsetzung von Art. 15 der Richtlinie normierten Abschiebungsverbote zusammen mit den rein nationalen Abschiebungsverboten als einheitlicher, nicht weiter teilbarer Streitgegenstand behandelt würden, da das Bundesamt dann das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG offen lassen und sich auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots beschränken könnte. Die Annahme getrennter Streitgegenstände oder Streitgegenstandsteile entspricht zudem tendenziell eher der in Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG vorgesehenen Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.
Die danach vom Schutzsuchenden typischerweise vorrangig begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbots entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz nach Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG erstreckt sich auf die in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG normierten Abschiebungsverbote. Diese knüpfen an Umstände an, die nach Art. 15 der Richtlinie als ernsthafter Schaden gelten, und sind damit inhaltlich dem Regelungsbereich des subsidiären Schutzes nach der Richtlinie zuzuordnen. Im Einklang damit hat der deutsche Gesetzgeber auch nur für diese Abschiebungsverbote in § 60 Abs. 11 AufenthG die unmittelbare Geltung einzelner Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie angeordnet. Der subsidiäre Schutz nach der Richtlinie bezieht sich zudem nur auf Gefahren, die dem Schutzsuchenden in seinem Herkunftsland drohen (Art. 2 Buchst. e der Richtlinie). Als Herkunftsland bezeichnet die Richtlinie das Land oder die Länder der Staatsangehörigkeit oder – bei Staatenlosen – des früheren gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 2 Buchst. k der Richtlinie). Droht dem Schutzsuchenden eine Abschiebung in einen anderen Zielstaat und beruft er sich in Bezug auf diesen (Dritt-)Staat auf Gefahren i.S.d. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, ist der Anwendungsbereich der Richtlinie nicht berührt, sondern geht es ausschließlich um die Gewährung nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsschutzes.
Jedenfalls seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes ist beim nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz zugleich die frühere Differenzierung zwischen zwingenden Abschiebungshindernissen (früher § 53 Abs. 1, 2 und 4 AuslG) und fakultativen Abschiebungshindernissen (früher § 53 Abs. 6 AuslG) entfallen. Denn das Bundesamt ist bei Asylbewerbern nunmehr auch für die ausländerrechtliche Ermessensentscheidung zuständig, ob nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Vorschrift von der Abschiebung abgesehen werden soll (vgl. Urteil vom 11. September 2007 – BVerwG 10 C 8.07 – BVerwGE 129, 251 ≪261≫ Rn. 23). Eine vom Bundesamt in Ausübung dieses (Rest-)Ermessens ausgesprochene positive Entscheidung führt daher inzwischen zu denselben Rechtsfolgen wie die Feststellung eines sonstigen nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots (vgl. § 25 Abs. 3, § 59 Abs. 3 AufenthG). Damit handelt es sich bei den nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten – bezogen auf den jeweiligen Abschiebezielstaat – um einen einheitlichen, nicht weiter teilbaren Streitgegenstand.
2. Entsprechend dem abgestuften Klageantrag der Kläger ist zunächst über den Hauptantrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf den Irak nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zu entscheiden. Hinsichtlich der vom Verwaltungsgerichtshof verneinten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG hat die Revision keine Einwände erhoben, so dass nur der auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gestützte Anspruch zu prüfen bleibt. Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrere Voraussetzungen für die Gewährung dieses europarechtlich vorgegebenen Abschiebungsschutzes rechtsfehlerhaft ausgelegt. Seine Entscheidung beruht auf der Rechtsverletzung.
Das durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 neu in das Aufenthaltsgesetz eingefügte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dient der Umsetzung der Regelung über den subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 23. April 2007 zu § 60 AufenthG, BTDrucks 16/5065 S. 187 zu Buchst. d). Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Bestimmung entspricht trotz teilweise geringfügig abweichender Formulierung den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie (zu dem in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht ausdrücklich erwähnten Merkmal der Bedrohung “infolge willkürlicher Gewalt” vgl. unten 3b).
a) Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorliegen der Voraussetzungen des jetzt in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geregelten Abschiebungsverbots in erster Linie mit der Begründung verneint, dass im Irak kein landesweiter bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift bestehe (UA S. 19). Damit hat er zu hohe Anforderungen an das Vorliegen eines solchen Konflikts gestellt.
aa) § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG setzt – wie die umgesetzte Vorschrift des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie – einen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt voraus. Erst wenn Konflikte eine solche Qualität erreicht haben, wird danach ein Schutzbedürfnis für die betroffenen Zivilpersonen anerkannt. Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht auszulegen. Dabei sind insbesondere die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht vom 12. August 1949 (Sartorius II Nr. 53 ff) heranzuziehen. Die Interpretation der in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. c der Richtlinie gewählten Begriffe in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht entspricht dem Kontext der Richtlinie, wie er in den Erwägungsgründen 11 und 25 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, die auf die Bindung der Mitgliedstaaten an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen hinweisen. Auch in der Begründung zum Entwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes wird ausgeführt, dass der Begriff des “bewaffneten Konflikts” als völkerrechtlicher Begriff zu verstehen ist (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung a.a.O.).
Gegenstand der vier Genfer Konventionen von 1949 – GK 1949 – ist die Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde (1. Konvention – BGBl 1954 II S. 783), sowie der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See (2. Konvention – BGBl 1954 II S. 813), die Behandlung von Kriegsgefangenen (3. Konvention – BGBl 1954 II S. 838) und der Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten (4. Konvention – BGBl 1954 II S. 917, ber. 1956 II S. 1586). Nahezu alle Staaten der Welt haben die Abkommen unterzeichnet, die deshalb auch als Völkergewohnheitsrecht angesehen werden können (vgl. Greenwood, in: Fleck, Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, München 1994, S. 20 f. Rn. 125). In Art. 3 der Abkommen wird in übereinstimmendem Wortlaut der innerstaatliche bewaffnete Konflikt beschrieben; zugleich werden Regelungen zur humanen Behandlung von Personen getroffen, die nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen, wie auch zur Pflege von Kranken und Verwundeten unter Einschluss des Einsatzes von Mitarbeitern des Internationalen Roten Kreuzes. Art. 3 GK 1949 definiert den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt nur allgemein als “bewaffneten Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist und der auf dem Gebiet einer der Hohen Vertragsparteien entsteht”.
Eine Präzisierung erfährt der Begriff durch das am 8. Juni 1977 abgeschlossene Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Zusatzprotokoll II – ZP II). Das Zusatzprotokoll I (ZP I) vom gleichen Tag bezieht sich auf die internationalen bewaffneten Konflikte (BGBl 1990 II S. 1551), das Zusatzprotokoll II auf die nicht internationalen bewaffneten Konflikte (BGBl 1990 II S. 1637). Das Zusatzprotokoll II definiert in Art. 1 Nr. 1 den Begriff des nicht internationalen bewaffneten Konflikts und grenzt ihn in Nr. 2 von Fällen “innerer Unruhen und Spannungen” ab, die nicht unter den Begriff fallen (zur Entstehungsgeschichte der Vereinbarungen vgl. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, S. 1210 – 1220). Die Vorschrift lautet:
Art. 1 Sachlicher Anwendungsbereich
1. Dieses Protokoll, das den den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 gemeinsamen Art. 3 weiterentwickelt und ergänzt, ohne die bestehenden Voraussetzungen für seine Anwendung zu ändern, findet auf alle bewaffneten Konflikte Anwendung, die von Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) nicht erfasst sind und die im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen.
2. Dieses Protokoll findet nicht auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen Anwendung, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten.
Danach liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts jedenfalls dann vor, wenn der Konflikt die Kriterien des Art. 1 Nr. 1 ZP II erfüllt. Er liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt sind, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nach Auffassung des Senats nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss hierfür aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der völkerrechtliche Begriff des “bewaffneten Konflikts” wurde gewählt, um klarzustellen, dass nur Auseinandersetzungen von einer bestimmten Größenordnung an in den Regelungsbereich der Vorschrift fallen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung a.a.O.). Ob die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreichen müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts findet ihre Grenze jedenfalls dort, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für in Drittstaaten Zuflucht Suchende nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie widerspricht (vgl. hierzu Urteil des für Berufungen in Asylsachen zuständigen britischen Asylum and Immigration Tribunal – AIT – vom 1. Februar 2008, KH ≪Article 15(c) Qualification Directive≫ Iraq CG [2008] UKAIT 00023, Rn. 54 ≪nicht rechtskräftig≫). Das bedeutet jedoch nicht, dass auch ein sog. “low intensity war” die Qualität eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllt, zumal der Begriff wenig präzise erscheint (a.A. Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung – Qualifikationsrichtlinie, Stand: November 2006, § 40 Rn. 7 – 18 und ihm folgend das OVG Schleswig, Urteil vom 21. November 2007 – 2 LB 38/07 – juris; für den Ausschluss von “low level violence” aus Art. 3 GK 1949 plädiert Bothe, in: Graf Vitzhum, Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 722 Rn. 123 m.w.N.).
Weitere Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts können sich aus dem Völkerstrafrecht ergeben, insbesondere aus der Rechtsprechung der Internationalen Strafgerichtshöfe (vgl. etwa Entscheidung der Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien vom 2. Oktober 1995, ICTY-Appeals Chamber Prosecuter v. Tadic., Nr. IT-94-1, www.un.org/icty/tadic/appeal/decision-e/51002.htm, Rn. 70; jüngst Urteil vom 3. April 2008, ICTY-Trials Chamber Prosecutor v. Haradinaj et al., Nr. IT-04-84-T, www.un.org/icty/haradinaj/trialc/judgement/tcj080403e.pdf, Rn. 49).
Kriminelle Gewalt dürfte bei der Feststellung, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, jedenfalls dann keine Berücksichtigung finden, wenn sie nicht von einer der Konfliktparteien begangen wird (vgl. auch das britische AIT in seinem Urteil vom 1. Februar 2008, KH ≪Article 15(c) Qualification Directive≫ Iraq CG [2008] UKAIT 00023, Rn. 95 ff., das den Gesichtspunkt allerdings im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzung der “willkürlichen Gewalt” erörtert; vgl. auch die Differenzierung der Internationalen Strafgerichtshöfe zwischen “war crime” und “purely domestic offence” etwa im Urteil der Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien vom 12. Juni 2002 – ICTY-Appeals Chamber Prosecuter v. Kunarac et al.; Nr. IT-96-23&23/1, www.un.org/icty/kunarac/appeal/judgement/index.htm, Rn. 58 f.).
bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht eine landesweite Konfliktsituation als Voraussetzung für die Schutzgewährung nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie verlangt (UA S. 19). Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt demgegenüber auch dann vor, wenn die oben genannten Voraussetzungen nur in einem Teil des Staatsgebiets erfüllt sind. Das ergibt sich schon daraus, dass gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG auch für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG die Regeln über den internen Schutz nach Art. 8 der Richtlinie gelten. Ein aus seinem Herkunftsstaat Geflohener kann aber nur auf eine landesinterne Schutzalternative verwiesen werden, wenn diese außerhalb des Gebietes eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikt liegt. Damit wird anerkannt, dass sich ein innerstaatlicher Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken muss. Auch nach Art. 1 ZP II genügt, dass die bewaffneten Gruppen Kampfhandlungen in einem “Teil des Hoheitsgebiets” durchführen.
b) Soweit der Verwaltungsgerichtshof ein Abschiebungsverbot nach dem jetzt maßgeblichen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auch deshalb verneint hat, weil die Kläger bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts in Teilen des Irak jedenfalls internen Schutz in anderen Landesteilen des Irak finden könnten (UA S. 19), ist diese Begründung ebenfalls nicht mit Bundesrecht vereinbar, weil sie auf zu schmaler Tatsachengrundlage getroffen worden ist.
Nach § 60 Abs. 11 AufenthG bestimmt sich die Möglichkeit der Erlangung internen Schutzes im Fall eines geltend gemachten Abschiebungsverbots im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG. Nach Art. 8 Abs. 1 benötigt ein Antragsteller keinen internationalen Schutz, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr besteht, dass er einen ernsthaften Schaden erleidet, und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Weiter sind nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen. Entsprechende Feststellungen lassen sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen. Das Berufungsurteil lässt schon Feststellungen dazu vermissen, in welchen Regionen des Irak für die Kläger keine Gefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie besteht. Der Verwaltungsgerichtshof hat lediglich in Betracht gezogen, dass “in Bagdad und anderen Städten, vor allem im zentralirakischen sog. ‘sunnitischen Dreieck’, zumindest bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen” (UA S. 19), hat aber keine Aussage dazu getroffen, dass und warum in anderen näher zu bezeichnenden Teilen des Irak kein ernsthafter Schaden droht. Der allgemeine Verweis auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11. Januar 2007 ohne Hinweis darauf, welche Tatsachenfeststellungen für ein Ausweichen in welche Landesteile des Irak herangezogen werden sollen, reicht hierfür nicht aus. Insoweit genügen auch nicht die Ausführungen des Berufungsgerichts im Rahmen des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung.
Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof auch keinerlei Tatsachenfeststellungen dazu getroffen, ob und warum den Klägern ein Ausweichen in die konkret zu bestimmenden Regionen des Irak aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände der Kläger zumutbar ist. Bei den persönlichen Umständen wäre mit zu berücksichtigen gewesen, aus welcher Herkunftsregion die Kläger stammen und ob in dem Gebiet des internen Schutzes jedenfalls ihr Existenzminimum gesichert ist (zu den weiteren Voraussetzungen des internen Schutzes nach Art. 8 der Richtlinie, vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 – BVerwG 10 C 11.07 – zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen, Rn. 3b und 4b).
c) Das angefochtene Urteil steht auch insoweit nicht im Einklang mit revisiblem Recht, als der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung ergänzend darauf gestützt hat, dass “wohl auch die bei allgemeinen mit einem bewaffneten Konflikt in Zusammenhang stehenden Gefahren vergleichbaren Schutz bietende oben dargestellte Erlasslage” der Gewährung richtliniengemäßen subsidiären Schutzes entgegenstehe (UA S. 19). Der Verwaltungsgerichtshof bezieht sich dabei auf einen Erlass des Bayerischen Staatsministeriums des Innern aus dem Jahr 2003 und nachfolgende Regelungen, mit denen die Abschiebung irakischer Staatsangehöriger grundsätzlich ausgesetzt wurde. (UA S. 18).
Der Verwaltungsgerichtshof durfte von der Prüfung der materiellen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht schon unter Hinweis auf die erwähnte Erlasslage absehen. Denn die nunmehr in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG getroffene Regelung, die Abschiebungsschutz suchende Ausländer im Fall allgemeiner Gefahren auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ausländerbehördliche Erlasse verweist, ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass sie nicht die Fälle erfasst, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt sind.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sind Gefahren im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 oder Satz 2 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ermächtigt die oberste Landesbehörde zur Aussetzung der Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen für die Dauer von längstens sechs Monaten. Ein Ausländer, der die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllt, hat – wie bereits unter 1. ausgeführt – nach Maßgabe des Art. 24 Abs. 2 einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Es widerspräche den Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, wenn einem Ausländer, der Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie hat und nicht den Ausschlusstatbestand des Art. 24 Abs. 2 Halbs. 2 erfüllt, kein Aufenthaltstitel, sondern lediglich eine Duldung wegen Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG erteilt würde. Deshalb ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG richtlinienkonform dahin auszulegen, dass er bei Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie keine Sperrwirkung entfaltet. Der Verwaltungsgerichtshof durfte von der Prüfung der materiellen Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG somit nicht deshalb absehen, weil nach seinen Feststellungen in Bayern ein Abschiebestopperlass zugunsten der Kläger besteht.
Von der richtlinienkonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bleibt die vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretene Rechtsauffassung unberührt, dass Ausländer bei der Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall allgemeiner Gefahren grundsätzlich auf eine Regelung durch die oberste Landesbehörde nach § 60a AufenthG verwiesen werden dürfen und bei Fehlen einer solchen Regelung das Bundesamt nur dann zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gelangt ist, wenn dieses zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist (vgl. Urteil vom 12. Juli 2001 – BVerwG 1 C 2.01 – BVerwGE 114, 379 ≪381 f.≫; Beschlüsse vom 23. August 2006 – BVerwG 1 B 60.06 – Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19, Rn. 4 und vom 27. November 2007 – BVerwG 10 B 119.07 – juris Rn. 4).
3. Da das Berufungsurteil zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, der Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG umsetzt, keine ausreichenden Feststellungen enthält, ist das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. In dem erneuten Berufungsverfahren wird der Verwaltungsgerichtshof die fehlenden Feststellungen zum Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts und zu den weiteren Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einschließlich der Möglichkeit der Erlangung internen Schutzes nach § 60 Abs. 11 AufenthG in Verbindung mit Art. 8 der Richtlinie nachzuholen haben. Hierbei wird er folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben:
a) Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass im Irak landesweit oder regional, etwa in der Herkunftsregion der Kläger, ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht, wird es weiter zu prüfen haben, ob dieser Konflikt eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben der Kläger als Angehörige der Zivilbevölkerung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG begründet. Die Tatbestandsvoraussetzungen der “erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben” entsprechen denen einer “ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit” im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie. Hierbei ist zu prüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende – und damit allgemeine – Gefahr in der Person der Kläger so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Nach Auffassung des Senats kann sich auch eine allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt ausgeht, individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllen. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, dürfte eine gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfrage sein, die abschließend der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften klären müsste. Insoweit wird auch auf das bereits anhängige Vorlageverfahren des Niederländischen Raad van State (C-465/07, Vorlage vom 17. Oktober 2007, ABl. C 8 vom 12. Januar 2008, S. 5) verwiesen.
Allerdings geht der Senat davon aus, dass ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt normalerweise nicht eine solche Gefahrendichte hat, dass alle Bewohner des betroffenen Gebiets ernsthaft persönlich betroffen sein werden. Das ergibt sich unter anderem aus dem 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/83/EG, nach dem Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre. Ausgeschlossen wird eine solche Betroffenheit der gesamten Bevölkerung oder einer ganzen Bevölkerungsgruppe allerdings nicht, was schon durch die im 26. Erwägungsgrund gewählten Formulierung “normalerweise” deutlich wird. Der Zusatz “normalerweise” wurde nach Angaben der Vertreterin des Bundesministeriums des Innern in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachträglich in den von Deutschland vorgeschlagenen 26. Erwägungsgrund aufgenommen, um die von Deutschland vorgeschlagene striktere Fassung abzumildern. Eine allgemeine Gefahr kann sich aber insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche individuellen gefahrerhöhenden Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung werden in diesem Zusammenhang für den Irak etwa die Zugehörigkeit zu einer der dortigen politischen Parteien sowie zur Berufsgruppe der Journalisten, Professoren, Ärzte und Künstler genannt (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 8. August 2007 – A 2 S 229/07 – NVwZ 2008, 447 ≪449≫). Bei Soldaten ist allerdings zu berücksichtigen, dass Personen mit Kombattantenstatus nicht als Angehörige der Zivilbevölkerung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG anzusehen sind und deshalb nicht durch diese Vorschrift geschützt werden. Zugleich bemerkt der Senat, dass aus seiner Sicht die allgemeinen Lebensgefahren, die lediglich Folge des bewaffneten Konflikts sind – etwa eine dadurch bedingte Verschlechterung der Versorgungslage – nicht in die Bemessung der Gefahrendichte einbezogen werden können (vgl. auch Funke-Kaiser, InfAuslR 2008, 90 ≪94≫). Im Übrigen können für die Feststellung der Gefahrendichte ähnliche Kriterien gelten wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung (vgl. Urteile vom 12. Juni 2007 – BVerwG 10 C 24.07 – Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 28 Rn. 21 bis 23 und vom 18. Juli 2006 – BVerwG 1 C 15.05 – BVerwGE 126, 243 Rn. 20 bis 25), sofern nicht Besonderheiten des subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entgegenstehen (zum Erfordernis der Gefahrendichte vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 21. März 2007 – 20 A 5164/04.A – juris Rn. 30; OVG Schleswig, Urteil vom 21. November 2007 – 2 LB 38/07 – juris Rn. 49). Die Kläger müssen allerdings stichhaltige Gründe dafür darlegen, dass sie bei einer Rückkehr in den Irak tatsächlich von einer in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie beschriebenen Gefahr betroffen wären (vgl. Art. 2 Buchst. e der Richtlinie).
b) Bei der Prüfung, ob die Kläger eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu befürchten haben, wird der Verwaltungsgerichtshof auch zu berücksichtigen haben, dass den Klägern infolge von “willkürlicher Gewalt” Gefahr drohen muss. Dieses Erfordernis ist zwar nicht ausdrücklich in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aufgenommen worden. Die Begründung des Regierungsentwurfs verweist aber darauf, dass die Vorschrift “die Tatbestandsmerkmale des Artikels 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie” umfasst und nennt als Regelungsgehalt des umzusetzenden Art. 15 Buchst. c der Richtlinie ausdrücklich die subsidiäre Schutzgewährung “in Fällen willkürlicher Gewalt” im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 23. April 2007, a.a.O. S. 187 zu Buchst. d). Welchen Inhalt dieses Merkmal hat, sieht der Senat als eine gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfrage an, die letztlich nur vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften geklärt werden kann.
Denkbar ist, dass das Merkmal – ähnlich wie der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts – im Licht des humanitären Völkerrechts auszulegen ist. Diese Rechtsauffassung vertreten das britische Asylum and Immigration Tribunal in seinem Urteil vom 1. Februar 2008 (KH ≪Article 15(c) Qualification Directive≫ Iraq CG [2008] UKAIT 00023, Rn. 85 bis 94) und ihm folgend die Vertreter des Bundesministeriums des Innern in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Danach soll der Begriff der willkürlichen Gewalt (englische Fassung: indiscriminate violence) nur solche Gewaltakte erfassen, die unter Verletzung der Regeln des humanitären Völkerrechts, insbesondere der Genfer Konventionen von 1949 und der zu ihrer Präzisierung vereinbarten Zusatzprotokolle von 1977 begangen werden. Das bezieht sich insbesondere auf Gewalt, die nicht zwischen zivilen und militärischen Objekten unterscheidet (englische Fassung: indiscriminate attacks ≪“unterschiedslose Angriffe”≫- vgl. Art. 51 Abs. 4 und 5 ZP I und Art. 13 ZP II). Ferner sollen Anschläge erfasst werden, die nicht auf die bekämpfte Konfliktpartei gerichtet sind, sondern die Zivilbevölkerung treffen sollen (vgl. hierzu Bothe, in: Graf Vitzthum Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 689 ff. Rn. 65 f.). Der Begriff erstreckt sich ferner auf Gewaltakte, bei denen die Mittel und Methoden in unverhältnismäßiger Weise die Zivilbevölkerung treffen (z.B. chemische Waffen). Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Kläger von völkerrechtswidrigen Gewaltakten in dem hier näher beschriebenen Sinn betroffen sind, dürfte das im Rahmen der Prüfung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit zu berücksichtigende Merkmal der willkürlichen Gewalt jedenfalls erfüllt sein.
Nach anderer Ansicht soll das Merkmal der “willkürlichen Gewalt” die Anforderungen begrenzen, die an das Vorliegen einer erheblichen individuellen Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu stellen sind. Dies wird mit der fehlenden Zielgerichtetheit willkürlicher Gewaltakte begründet (französische Fassung: violence aveugle – blinde Gewalt). Würden Gewaltakte nicht gezielt gegen bestimmte Personen oder Personengruppen, sondern wahllos ausgeübt, könnten die Betroffenen in aller Regel keine individualisierenden Merkmale vorweisen, die sie von anderen unterscheiden (vgl. Hruschka/Lindner, NVwZ 2007, 645 ≪649≫). In eine ähnliche Richtung zielt die weitere Ansicht, nach der das Erfordernis willkürlicher Gewalt den Anwendungsbereich des 26. Erwägungsgrundes der Richtlinie, demzufolge allgemeine Gefahren für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, begrenzen soll. Sei die Situation im Herkunftsland von willkürlichen Gewaltmustern geprägt, herrsche keine Situation lediglich allgemeiner Gewalt (vgl. Marx, a.a.O. Rn. 50).
Sollten die vorstehend angesprochenen gemeinschaftsrechtlichen Zweifelsfragen aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts entscheidungserheblich sein, wird es die Revision zulassen müssen, um den Weg für eine Vorlage des Senats an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Vorabentscheidungsverfahren zu eröffnen.
4. Da das Berufungsgericht in dem zurückverwiesenen Verfahren zu prüfen hat, ob die Kläger Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG haben, hatte der Senat über den hierzu hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO, da die Kläger ihre Revision betreffend den Widerruf ihrer Flüchtlingsanerkennung zurückgenommen haben und wegen der damit rechtskräftig gewordenen Abweisung ihrer Klage durch das Berufungsgericht insoweit die Kosten erster und zweiter Instanz als Unterlegene zu tragen haben. Hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Unterschriften
Dr. Mallmann, Prof. Dr. Dörig, Richter, Beck, Prof. Dr. Kraft
Fundstellen
Haufe-Index 2039647 |
BVerwGE 2009, 198 |
DÖV 2009, 91 |
InfAuslR 2008, 474 |
ZAR 2008, 37 |
ZAR 2009, 35 |
AuAS 2008, 245 |
DVBl. 2008, 1329 |