Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablösebetrag. Entschädigungsfonds. Beiladung. Beiladung des Entschädigungsfonds. Beiladung der Bundesrepublik Deutschland. Schädigung während der NS-Zeit. Zwangsverkauf. Übernahme von Hypotheken. Zweitschädigung. Übernahme in Volkseigentum. Vorteilsausgleich. Ablösesystem. Gegenleistung. Tilgungsleistung
Leitsatz (amtlich)
- Zu einem Rechtsstreit über die Festsetzung eines Ablösebetrages nach § 18 Abs. 1 VermG müssen weder der Entschädigungsfonds noch die Bundesrepublik Deutschland als dessen Trägerin beigeladen werden.
- Der nach § 1 Abs. 6 VermG Berechtigte muss für ein bei Überführung des zu restituierenden Grundstücks in Volkseigentum untergegangenes Grundpfandrecht auch dann einen Ablösebetrag nach § 18 Abs. 1 VermG leisten, wenn die Belastung bei dem den Schädigungstatbestand begründenden Zwangsverkauf vom Erwerber unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen worden war.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 6, § 3 Abs. 1a, § 7a Abs. 2, § 16 Abs. 2, § 18 Abs. 1, 2 S. 6, Abs. 3 S. 2, Abs. 7, § 18b Abs. 1; VermG § Abs. 3 S. 1; VermG § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 5; EntschG § 3 Abs. 4, § 9 Abs. 1, 3; VwGO § 65 Abs. 1-2
Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 15.08.2002; Aktenzeichen 22 A 166.99) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. August 2002 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Tatbestand
I.
Die Kläger wenden sich gegen die Höhe eines ihnen mit der Rückübertragung eines Grundstücks auferlegten Ablösebetrages.
Der Rechtsvorgänger der Kläger verkaufte das betroffene Grundstück im Jahre 1940. Der Erwerber übernahm die auf dem Grundstück lastenden Hypotheken Nr. 61 in Höhe von 180 000 GM sowie Nr. 62 in Höhe von 20 000 RM unter Anrechnung auf den Kaufpreis. Die Hypothek Nr. 62 wurde nach der Eintragung des neuen Eigentümers gelöscht.
Die Erben des Erwerbers verzichteten im Jahre 1982 auf das Eigentum an dem Grundstück, das geteilt und in Volkseigentum überführt wurde. Dabei wurde die noch eingetragene Hypothek Nr. 61 aus Mitteln des Staatshaushalts der DDR abgelöst und das Forderungskonto gelöscht. Im Jahre 1983 wurde auch die Hypothek im Grundbuch gelöscht.
Im Jahre 1999 übertrug das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen eines der Teilgrundstücke nach § 3 Abs. 1 i.V.m § 1 Abs. 6 des Vermögensgesetzes – VermG – an die Kläger zurück und stellte hinsichtlich des zweiten, inzwischen investiv veräußerten Teilgrundstückes deren Berechtigung fest. Dabei setzte es unter anderem einen von den Klägern zu zahlenden Ablösebetrag in Höhe von 91 057,18 DM zugunsten der Bundesrepublik Deutschland (Entschädigungsfonds) fest. Zur Begründung dieser Festsetzung berief es sich auf § 18 VermG und verwies darauf, dass das Recht Nr. 61 mit seinem im Verhältnis 2 zu 1 auf Deutsche Mark umgerechneten Nennwert zu berücksichtigen sei, weil es vor dem Eigentumsverlust bestellt worden sei und eine Verpflichtung des Berechtigten ohne diskriminierenden oder sonst benachteiligenden Charakter sichere. Da die betroffene Forderung noch mit 175 827,59 M valutiert habe, entfalle auf diese Hypothek ein Ablösebetrag von 87 913,80 DM.
Dagegen haben die Kläger Klage erhoben und die Aufhebung des Bescheides beantragt, soweit ein 3 143,38 DM übersteigender Ablösebetrag festgesetzt worden sei.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beklagte habe den umstrittenen Betrag nicht nach § 18 Abs. 1 VermG festsetzen dürfen. Die Regelung bezwecke zu verhindern, dass jemand durch die Restitution besser gestellt werde, als er ohne die Überführung des Grundstücks in Volkseigentum stünde. Eine solche Begünstigung der Berechtigten sei hier durch das Erlöschen der Hypothek nicht eingetreten; vielmehr habe die Begünstigung bereits darin gelegen, dass die dingliche Belastung durch den Grundstückserwerber als Teil des Kaufpreises übernommen worden sei. Insofern müsse der Ausgleich für den vom Berechtigten erlangten Vorteil dadurch stattfinden, dass er nach § 7a Abs. 2 VermG die erhaltene Gegenleistung herauszugeben habe. Das sei jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens.
Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Er macht geltend: Für Grundpfandrechte, die zum Zeitpunkt der Überführung in Volkseigentum auf dem Grundstück gelastet hätten und ohne Zwang und diskriminierende Umstände vom Alteigentümer bestellt worden seien, sei ausgehend von ihrem Nennbetrag gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 3 VermG ein Ablösebetrag festzusetzen. Eine Freistellung von einer dinglich gesicherten Verbindlichkeit könne nur in dem Umfang als tatsächlich zugeflossene Gegenleistung nach § 7a Abs. 2 VermG berücksichtigt werden, wie die Forderung bereits vor Überführung in Volkseigentum von einem Dritten getilgt worden sei und daher nach § 18 Abs. 2 Satz 4 VermG bei der Festsetzung des Ablösebetrages außer Acht zu bleiben habe. Altgrundpfandrechte, die nach dem verfolgungsbedingten Vermögensverlust vom Erwerber nicht abgelöst, sondern erst durch Überführung des Grundstücks in Volkseigentum untergegangen seien, fielen nicht in den Anwendungsbereich des § 7a VermG. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. April 1995 – BVerwG 7 C 5.94 – (BVerwGE 98, 137). Dort habe § 7a Abs. 2 Satz 4 VermG entsprechend angewendet werden müssen, weil das Vermögensgesetz für den Vorteilsausgleich in den Fällen des Vermögensverlustes aufgrund einer Verfallserklärung zugunsten des Deutschen Reiches keine speziellen Regelungen vorsehe. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts führe auch zu einem Wertungswiderspruch, wenn das Grundstück nicht später in Volkseigentum überführt worden, sondern Privateigentum des Erwerbers geblieben sei; dann müssten die bestehenden Grundpfandrechte nach § 16 Abs. 2 VermG übernommen werden. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass ein Ablösebetrag dem Grundpfandrechtsgläubiger zugute komme, während Gläubiger einer Gegenleistung der Verfügungsberechtigte sei. Folge man dem Verwaltungsgericht, bestehe die Gefahr, dass der Berechtigte einerseits die Gegenleistung an den Verfügungsberechtigten herausgeben müsse, andererseits das restituierte Grundstück aber über § 3 Abs. 1a VermG erneut mit dem gleichen Grundpfandrecht belastet werden könne.
Die Kläger verteidigen die Ausführungen des angegriffenen Urteils.
Der Vertreter des Bundesinteresses, der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ebenfalls für zutreffend hält, übermittelt die Rechtsauffassungen des Bundesjustizministeriums und des Bundesfinanzministeriums. Das Bundesjustizministerium unterstützt den Standpunkt des Beklagten. Es verweist darauf, dass bei einem Zwangsverkauf unter Übernahme von Grundpfandrechten die Wiedergutmachung durch die Rückübertragung des belasteten Grundstücks bei gleichzeitiger Herausgabe des in Geld geleisteten Kaufpreises erreicht werde. Sei dies nicht mehr möglich, weil die Grundpfandrechte bei der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum gelöscht worden seien, greife § 18 Abs. 1 Satz 1 VermG. Diese Regelung erfasse nach ihrem Sinn und Zweck auch Schädigungen nach § 1 Abs. 6 VermG, bei denen der frühere Zustand wegen einer nachfolgenden zweiten Schädigung nicht wiederhergestellt werden könne. Im Übrigen sei das angegriffene Urteil verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das Gericht die nach § 65 Abs. 2 VwGO erforderliche notwendige Beiladung des Entschädigungsfonds unterlassen habe.
Demgegenüber folgt das Bundesfinanzministerium der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts. Es beruft sich darauf, dass § 18 VermG nicht anwendbar wäre, wenn der Erwerber die Hypothek vor Überführung des Grundstücks in Volkseigentum abgelöst hätte. Deshalb könne schon unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung die Tatsache, dass die Hypothek erst bei Überführung in Volkseigentum untergegangen sei, nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Im Übrigen ergebe eine konsequente Umsetzung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu der Berücksichtigung von Tilgungsleistungen im Rahmen des § 3 Abs. 4 des Entschädigungsgesetzes – EntschG – in seinem Urteil vom 22. November 2000 zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz, dass die Übernahme von Verbindlichkeiten durch den Käufer wie eine Tilgungsleistung des Verkäufers zu werten sei, wenn der vereinbarte Kaufpreis entsprechend gemindert worden sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Zwar leidet das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht an dem vom Bundesjustizministerium gerügten Verfahrensmangel (1.). Es beruht jedoch auf einer fehlerhaften Auslegung des § 18 Abs. 1 VermG und damit auf einem Verstoß gegen Bundesrecht. Dies führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage; denn das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen hat den umstrittenen Ablösebetrag zu Recht festgesetzt (2.).
1. Das Verwaltungsgericht war weder verpflichtet, den Entschädigungsfonds noch dessen Träger, die Bundesrepublik Deutschland, beizuladen.
a) Eine Beiladung des Entschädigungsfonds kam schon deswegen nicht in Betracht, weil er im Restitutionsrechtsstreit nicht beteiligungsfähig im Sinne des § 61 VwGO ist; denn es kann nur derjenige durch den Streitgegenstand in seinen rechtlichen Interessen im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO berührt sein, dem klagefähige Rechte zustehen können. Da der Entschädigungsfonds nach § 9 Abs. 1 des EntschG nicht rechtsfähig ist, scheidet seine Beteiligungsfähigkeit grundsätzlich aus, soweit ihm nicht ungeachtet seiner generell fehlenden Rechtsfähigkeit einzelne Rechte als eigene oder zur Wahrnehmung in eigenem Namen zugewiesen sind. Dies ist für einen begrenzten Bereich durch § 9 Abs. 3 EntschG geschehen. Danach kann er unter seinem Namen im rechtsgeschäftlichen Verkehr handeln, klagen oder verklagt werden. In diesem Umfang ist er notwendigerweise auch beteiligungsfähig. Die ausdrückliche Beschränkung auf den rechtsgeschäftlichen Verkehr kann allerdings nur so verstanden werden, dass er im Verwaltungsverfahren und – falls es zum Rechtsstreit kommt – im anschließenden Verwaltungsstreitverfahren nicht beteiligungsfähig ist und damit auch nicht beigeladen werden kann (so auch Kuhlmey/Wittmer, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, Rn. 23 zu § 9 EntschG; Impelmann, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Rn. 14 zu § 9 EntschG).
b) Ebenso wenig war die Beiladung des Trägers des Entschädigungsfonds, der Bundesrepublik Deutschland, geboten. Zwar hat der Senat entschieden, dass der Bund als Gläubiger früherer dinglicher Rechte an einem zurückübertragenen Grundstück befugt ist, die Festsetzung eines Ablösebetrages im Klagewege durchzusetzen (Urteil vom 12. Dezember 2002 – BVerwG 7 C 22.02 – VIZ 2003, 333). Dies bedeutet zugleich, dass die Bundesrepublik Deutschland als Gläubigerin solcher Rechte in einem Rechtsstreit zwischen dem Berechtigten und der Vermögensbehörde über die Festsetzung eines Ablösebetrages notwendig beigeladen werden muss, weil die Entscheidung ihr und den übrigen Beteiligten gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 65 Abs. 2 VwGO). Dasselbe gilt jedoch nicht, wenn der Bund lediglich Ansprüche als Träger des Entschädigungsfonds stellt.
In seiner Rolle als früherer Pfandrechtgläubiger muss der Bund genauso behandelt werden, wie alle anderen privaten oder öffentlich-rechtlich organisierten Gläubiger, deren Verlust dinglicher, das heißt subjektiver Rechte durch die Zuerkennung des Ablösebetrages ausgeglichen werden soll. Der Ablösebetrag tritt insoweit an die Stelle des früheren subjektiven Rechts und ist daher ebenfalls eine subjektive Berechtigung. Anders verhält es sich, soweit die Ablösebeträge dem Bund nach § 18b Abs. 1 Satz 2 VermG als Träger des Entschädigungsfonds zugewiesen sind. Hier geht es nicht unmittelbar um Ansprüche, die dem ursprünglich Forderungsberechtigten anstelle der verlorenen Forderung eingeräumt werden, sondern um einen finanziellen Ausgleich, der dem Entschädigungsfonds zusteht, weil der Staat seinerzeit den Rechtsverlust ausgeglichen oder entschädigt hat. Zwar geht der Anspruch des ursprünglichen Forderungsgläubigers im Umfang des staatlichen Ausgleichs oder der Entschädigung nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung auf den Entschädigungsfonds über. Damit soll der Staat aber nicht die Stellung eines mit subjektiv-öffentlichen Rechten ausgestatteten Dritten erhalten. Vielmehr dient die Forderungsüberleitung dazu, das fiskalische Interesse im Hinblick auf frühere staatliche Ersatzleistungen zu wahren. Diesem Interesse und damit dem Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der gesetzentsprechenden Ausstattung des von ihr getragenen Entschädigungsfonds wird erklärtermaßen dadurch Rechnung getragen, dass die neuen Länder einschließlich Berlins die Entscheidungen über Ablösebeträge nach § 18 VermG gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 VermG im Auftrage des Bundes treffen (BTDrucks 12/4887, S. 59). Dem Bund sollen insoweit keine Rechte zustehen, sondern nur finanzielle Interessen (vgl. BTDrucks a.a.O.), die er durch seine Einbindung in den Verwaltungsvollzug wahren soll (vgl. auch § 33 Abs. 2 VermG).
2. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen hat jedoch zu Recht den umstrittenen Ablösebetrag für die Hypothek Nr. 61 festgesetzt, sodass die Klage keinen Erfolg haben kann.
Nach § 18 Abs. 1 VermG hat der Berechtigte bei der Rückgabe von Grundstücken im Wege der Einzelrestitution für die bei der Überführung in Volkseigentum untergegangenen dinglichen Rechte einen Ablösebetrag zu hinterlegen, der im Restitutionsbescheid festzusetzen ist. Nach Abs. 7 der Vorschrift, von dem hier Gebrauch gemacht worden ist, kann die Vermögensbehörde den Berechtigten zur unmittelbaren Zahlung des Ablösebetrages an den Begünstigten verpflichten, wenn sie ohne besondere Ermittlungen Kenntnis davon hat, wer Begünstigter nach § 18b Abs. 1 Satz 1 oder 2 VermG ist, mit anderen Worten: wenn sie weiß, wer als Gläubiger des früheren Rechts anspruchsberechtigt ist (Satz 1) oder inwieweit dieser Anspruch auf den Entschädigungsfonds übergegangen ist (Satz 2). Maßgeblich ist hier Satz 2, weil die DDR die Forderung aus Staatsmitteln abgelöst hat.
Da die Hypothek Nr. 61 bei Überführung des Grundstücks in Volkseigentum untergegangen ist, sind die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 VermG – wie das Verwaltungsgericht einräumt – ihrem Wortlaut nach erfüllt. Die Vorschrift ist aber auch ihrem Sinn und Zweck nach anwendbar. Dem lassen sich weder der Umstand, dass die Berechtigung der Kläger auf einer Schädigungsmaßnahme nach § 1 Abs. 6 VermG beruht, noch die Tatsache, dass der Erwerber seinerzeit die Hypothek unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen hat, entgegenhalten.
a) Auf Schädigungsmaßnahmen nach § 1 Abs. 6 VermG ist das Vermögensgesetz nur entsprechend anwendbar mit der Folge, dass jede Norm dieses Gesetzes daraufhin überprüft werden muss, ob sie der Situation eines NS-Geschädigten gerecht wird. Der Regelung des § 18 Abs. 1 VermG liegt der Gedanke des Vorteilsausgleichs zugrunde. Der Berechtigte soll durch die Restitution nicht besser gestellt werden, als er ohne die Übernahme des Grundstücks in Volkseigentum stünde (vgl. BTDrucks 12/2480 S. 50; Urteil vom 5. April 2001 – BVerwG 7 C 22.00 – Buchholz 428 § 7a VermG Nr. 3). Diese ratio legis erfasst auch die Fälle der Rückübertragung von Grundstücken auf NS-Geschädigte. Zwar ist deren Situation insofern eine besondere, als der auszugleichende Vorteil der Lastenfreiheit bei ihnen nicht die unmittelbare Kehrseite ihrer eigenen Schädigung sein kann, sondern notwendigerweise mit einem späteren, den Rechtsnachfolger treffenden Eigentumsverlust und daher häufig mit einer Zweitschädigung einhergeht. Das rechtfertigt es jedoch nicht, NS-Geschädigte generell von dem Ablösesystem auszunehmen; denn maßgeblich dafür ist nicht, ob der wieder gutzu-machende Eigentumszugriff als solcher zu einer Verbesserung des entzogenen Gegenstandes geführt hat, entscheidend ist allein, dass der Gegenstand nicht mehr in dem – schlechteren – Zustand zurückgegeben werden kann, in dem er sich vor der Überführung in Volkseigentum befand. Der in § 3 Abs. 2 VermG angeordnete restitutionsrechtliche Vorrang der Erstschädigung vor der Zweitschädigung führt zwangsläufig dazu, dass dem Erstgeschädigten auch die Verbesserungen des Restitutionsgegenstandes zugute kommen, die mit einer zweiten oder weiteren Schädigung verbunden sind. Dem muss – soll der Vorteilsausgleich in diesen Fällen nicht leer laufen – notwendigerweise dadurch Rechnung getragen werden, dass auch dann die vom Wortlaut her ohne weiteres anwendbare Vorschrift des § 18 Abs. 1 VermG greift. Dass der Gesetzgeber dies ebenfalls so gesehen hat, verdeutlicht die Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 6 VermG, nach der die Sätze 1 bis 5 unter anderem auch für Grundpfandrechte gelten, die erst nach Eintritt des Eigentumsverlustes bestellt wurden, es sei denn, die gesicherte Verpflichtung hatte keinen diskriminierenden Charakter. Diese Regelung setzt voraus, dass das Ablösesystem Schädigungen nach § 1 Abs. 3 und Abs. 6 VermG erfasst, denen eine Übernahme des betroffenen Vermögensgegenstandes in Volkseigentum und damit gegebenenfalls eine Zweitschädigung nachfolgte (vgl. Wolters, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, Rn. 34 zu § 18 VermG; Kleene-Debring, in: Fieberg/ Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Rn. 58 zu § 18; Flotho, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Rn. 62 zu § 18 VermG). Soweit der Senat zu dieser Frage in seinem Urteil vom 6. April 1995 – BVerwG 7 C 5.94 – (BVerwGE 98, 137 ≪145≫) eine andere Auffassung vertreten hat, hält er daran nicht mehr fest.
b) Die Anwendung des § 18 Abs. 1 VermG ist hier auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Erwerber seinerzeit die Hypothek unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen hat. Das Verwaltungsgericht, das Bundesfinanzministerium und der Vertreter des Bundesinteresses sehen zu Unrecht einen Konflikt mit der Vorschrift des § 7a Abs. 2 VermG, den sie zugunsten der Anwendbarkeit dieser Norm entscheiden.
Nach § 7a Abs. 2 Satz 1 VermG muss der Berechtigte eine Gegenleistung oder eine Entschädigung, die ihm aus Anlass des Vermögensverlustes tatsächlich zugeflossen ist, im Falle der Rückübertragung des Eigentums an den Verfügungsberechtigten herausgeben. Dabei sind Geldbeträge in Reichsmark im Verhältnis von 20 zu 1 umzustellen (vgl. § 7a Abs. 2 Satz 3 VermG), während ein Ablösebetrag nach § 18 VermG sich grundsätzlich an dem im Verhältnis 2 zu 1 auf Deutsche Mark umgerechneten Nennbetrag des Rechts ausrichtet. Die Vorstellung, § 7a Abs. 2 Satz 3 VermG greife zugunsten der Kläger ein, ist jedoch schon nach dem Wortlaut der Vorschrift verfehlt; denn dieser regelt ausschließlich die Herausgabe von Geldbeträgen. Die als Kaufpreis geleistete Befreiung von der Hypothek und der durch sie gesicherten Forderung kann aber zumindest so lange nicht als Geldbetrag in diesem Sinne angesehen werden, wie die Forderung nicht erfüllt worden ist; denn bis zu diesem Zeitpunkt existiert die als Gegenleistung übernommene Belastung noch. Wäre das Rechtsgeschäft seinerzeit rückgängig gemacht worden, wäre die Rückzahlung eines Geldbetrages für die Hypothekenübernahme nur dann in Betracht gekommen, wenn und soweit die Hypothek abgelöst und daher eine Rückgabe des belasteten Grundstücks nicht möglich gewesen wäre. Dasselbe gilt, wenn eine Zweitschädigung nicht stattgefunden hätte und der Erwerber nach der Wiedervereinigung vermögensrechtlich verpflichtet worden wäre, das immer noch belastete Grundstück zurückzuübertragen. Dann hätten die Berechtigten nur den tatsächlich erhaltenen Geldbetrag erstatten müssen, während sie das Grundstück nach § 16 Abs. 2 VermG einschließlich der noch vorhandenen Belastung zurückerhalten hätten. In diesem Sinne beschränkt sich § 7a Abs. 2 VermG darauf, die synallagmatische Rückabwicklung von Leistung und Gegenleistung im Falle der Restitution sicherzustellen. Demgegenüber regelt § 18 VermG den Sonderfall, dass dingliche Belastungen des zu restituierenden Grundstücks infolge der Überführung in Volkseigentum entfallen sind. Eine Kollision des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift mit dem des § 7a Abs. 2 VermG, der zur teleologischen Reduktion der einen oder anderen Norm führen müsste, ist nicht erkennbar; vielmehr sind beide Vorschriften zwanglos nebeneinander anwendbar. Solange und soweit die als Gegenleistung zurückzugebende Hypothek noch existiert, fällt sie mit dem belasteten Grundstück an den Berechtigten zurück. Soweit sie bei der Überführung des Grundstücks in Volkseigentum gelöscht worden ist, greift die Sonderregelung des § 18 VermG ein mit dem Zwang zur Zahlung eines Ablösebetrages zugunsten des Pfandrechtsgläubigers oder – soweit dieser durch den Staat befriedigt worden ist – zugunsten des Entschädigungsfonds. Die Rückgabe einer Gegenleistung an den Verfügungsberechtigten kommt insoweit nicht in Betracht, weil durch den seinerzeitigen Erwerber, den Rechtsvorgänger des Verfügungsberechtigten, im Umfang des der Ablöseberechnung zugrunde liegenden Betrages keine Leistungen auf die dinglich gesicherte Forderung erbracht worden sind. Soweit die Forderung bei Übernahme in Volkseigentum getilgt war und daher in die Berechnung des Ablösebetrages nicht einfließt (vgl. § 18 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3 Satz 2 VermG), bleibt es bei der Anwendung des § 7a Abs. 2 VermG. Insoweit ist der Kaufpreis tatsächlich geflossen, und der zur Befreiung von der Verbindlichkeit vom Erwerber geleistete Geldbetrag muss vom Berechtigten an den Verfügungsberechtigten nach entsprechender Umstellung in DM zurückgegeben werden.
Das Argument, der nach § 18 VermG abzuschöpfende Vorteil habe nicht mehr bestanden, wenn die Verpflichtung aus der Hypothek vom Erwerber übernommen worden sei, überzeugt demgegenüber nicht. Richtig wäre es nur, wenn diese Übernahmevereinbarung wie eine Tilgungsleistung bewertet werden müsste. Das ist jedoch nur in dem Umfang vertretbar, wie infolge einer solchen Vereinbarung die hypothekarisch gesicherte Forderung tatsächlich getilgt worden ist; denn nur in diesem Umfang mindert sich auch der Vorteil, der dem Berechtigten durch die Rückgabe des lastenfreien Grundstücks zugewendet wird. Der Übernahmevereinbarung als solcher kann im Übrigen auch deswegen im Rahmen der Restitution keine tilgende Wirkung beigemessen werden, weil sie Bestandteil des rückabzuwickelnden Zwangsverkaufs ist.
Dass nur dieses Verständnis der beiden in Rede stehenden Normen zu tragfähigen Ergebnissen führt, zeigt – worauf der Beklagte zu Recht hinweist – der Blick auf den Pfandrechtsgläubiger. Eine Rechtfertigung dafür, ihm – oder im Falle seiner Befriedigung dem Entschädigungsfonds – trotz des Untergangs des Grundpfandrechts den Ablösebetrag vorzuenthalten und den Gegenwert über § 7a Abs. 2 VermG dem Verfügungsberechtigten zuzuwenden, gibt es nicht. Zwar könnte er, soweit der Untergang der dinglich gesicherten Forderung eine Schädigungsmaßnahme war, nach § 3 Abs. 1a VermG eine Wiederbegründung des Rechts verlangen. Dies könnte jedoch die nicht hinzunehmende Folge haben, dass der Berechtigte doppelt belastet wird, indem er einerseits den auf die Hypothek entfallenden Kaufpreis an den Verfügungsberechtigten zurückzahlen und andererseits die Eintragung der Hypothek hinnehmen müsste. Demgegenüber stellt die Anwendung der §§ 18 ff. VermG sicher, dass es allein bei der Auskehrung des Auslösebetrages an den Hypothekengläubiger bleibt, weil die durch das frühere Recht gesicherte Forderung nach § 18b Abs. 3 Satz 1 VermG insoweit erlischt.
Das bereits erwähnte Urteil des Senats vom 6. April 1995 (a.a.O.) steht dazu im Ergebnis nicht in Widerspruch. Der Senat hat seinerzeit entschieden, dass bei der Rückübertragung eines Grundstücks, das aufgrund rassisch diskriminierender Vorschriften als dem Reich verfallen erklärt worden ist, für die infolge der Verfallserklärung auf das Reich übergegangenen und durch Zuschlag in der späteren Zwangsversteigerung untergegangenen Grundpfandrechte § 7a Abs. 2 VermG entsprechend anzuwenden sei; eine entsprechende Heranziehung der §§ 18 ff. VermG erscheine wenig sachgerecht, weil die dinglichen Rechte mit der Verfallserklärung gerade nicht untergegangen seien. Dies entspricht der hier vertretenen Auffassung. Allerdings sind die damaligen Ausführungen insoweit ungenau, als der Senat die schuldbefreiende Wirkung, die zur Anwendung des § 7a Abs. 2 VermG führt, der Verfallserklärung zugeordnet hat; denn erst mit der Tilgung der Forderungen in der Zwangsversteigerung war die Gegenleistung geflossen, die nach § 7a Abs. 2 VermG auszukehren war.
Schließlich lässt sich auch den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz – EALG – (Urteil vom 11. April 2000 – 1 BvR 2307/94 u.a. – BVerfGE 102, 254) nichts entnehmen, was zur Korrektur der hier vertretenen Auffassung führen müsste. Die maßgeblichen Passagen dieses Urteils, auf die sich das Bundesfinanzministerium beruft, befassen sich mit § 3 Abs. 4 des Entschädigungsgesetzes (a.a.O. S. 327). Nach dieser Vorschrift sind dinglich gesicherte Verbindlichkeiten in Höhe ihres zum Zeitpunkt der Schädigung valutierenden Betrages von der Bemessungsgrundlage für die Entschädigung abzuziehen. Als valutierender Betrag gilt der Nennwert des früheren Rechts vorbehaltlich des Nachweises von Tilgungsleistungen oder anderer Erlöschensgründe seitens des Berechtigten. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Vorschrift verfassungskonform dahin ausgelegt, dass Tilgungsleistungen und andere Erlöschensgründe auch dann zu berücksichtigen sind, wenn sie nach der Schädigung erbracht worden oder eingetreten sind. Zweck der verfassungskonformen Auslegung ist es, nur solche Belastungen von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, die den Wert des Vermögensgegenstandes auch im Zeitpunkt der Anrechnung noch tatsächlich mindern. Aus dieser Rechtsprechung folgert das Bundesfinanzministerium für den vorliegenden Fall, dass auch die Übernahme von Verbindlichkeiten durch den Käufer wie eine Tilgungsleistung des Verkäufers zu werten sei, wenn der Kaufpreis entsprechend gemindert worden sei. Diese Schlussfolgerung geht zu weit; denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts äußert sich nur zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Berücksichtigung von Tilgungsleistungen, nicht aber dazu, was als Tilgungsleistung angesehen werden muss. Jedenfalls lassen die Ausführungen zur Berechnung einer Entschädigung keine Schlüsse auf die Bedingungen zu, unter denen ein ehemals belastetes Grundstück zurückzuübertragen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Sailer, Kley, Herbert, Postier, Neumann
Fundstellen
Haufe-Index 978437 |
BVerwGE 2004, 328 |
ZfIR 2004, 209 |
DÖV 2004, 133 |