Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zeitschriften-Zwangsabonnements für Mitglieder einer Steuerberaterkammer
Leitsatz (amtlich)
Eine Steuerberaterkammer ist nicht befugt, ihren Mitgliedern die Abnahme einer von ihr ausgewählten mit Haushaltsmitteln finanzierten Fachzeitschrift zur Pflicht zu machen.
Leitsatz (redaktionell)
Der Umstand allein, daß die Abnahmeverpflichtung auf einem formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Beschluß der hierfür zuständigen Kammerversammlung zurückzuführen ist, macht diese Maßnahme noch nicht rechtmäßig.
Normenkette
StBerG § 76 Abs. 1-2, § 86 Abs. 2 Nr. 7
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 22.09.1978; Aktenzeichen XV A 104/77) |
VG Köln (Urteil vom 23.09.1976; Aktenzeichen 1 K 2934/75) |
Tenor
Der Umstand allein, daß die Abnahmeverpflichtung auf einem formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Beschluß der hierfür zuständigen Kammerversammlung zurückzuführen ist, macht diese Maßnahme noch nicht rechtmäßig.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und wegen seiner gleichzeitig ausgeübten Tätigkeit als Steuerberater gesetzliches Mitglied der beklagten Steuerberaterkammer, die mit Wirkung vom 1. Januar 1975 an durch den gemäß Art. 5 Abs. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatergesetzes vom 11. August 1972 angeordneten Zusammenschluß der Steuerberaterkammer mit der Steuerbevollmächtigtenkammer K… entstanden ist. Seit Anfang des Jahres 1975 wird ihm die Zeitschrift “Deutsches Steuerrecht, Zeitschrift für Praxis und Wissenschaft des gesamten Steuerrechts, zugleich Organ der Bundessteuerberaterkammer” übersandt, die die Beklagte aufgrund eines von der früheren Bundeskammer der Steuerbevollmächtigten mit der C.H.B-Verlagsbuchhandlung geschlossenen Vertrags in der Weise bezieht, daß der Verlag sie unmittelbar allen Kammermitgliedern zuschickt. Die Zeitschrift enthält neben einem Abhandlungs- und Rechtsprechungsteil Raum für die honorarfreie Veröffentlichung von Mitteilungen der Bundessteuerberaterkammer und ihrer Mitglieder. Hierfür stellt der Verlag durchschnittlich bis zu eine Seite je Heft zur Verfügung. Als Sammelbezugspreis für die zweimal monatlich erscheinende Zeitschrift hat die Beklagte mit dem Verlag seinerzeit einen Betrag von 47,50 DM jährlich anstelle eines im freien Verkauf geforderten Preises von 99,20 DM vereinbart. Die Aufwendungen hierfür werden aus Haushaltsmitteln der Beklagten getragen (Ansatz im Haushaltsplan 1976: 114 000 DM). Die Beklagte selbst gibt ein vierteljährlich erscheinendes Mitteilungsblatt und ein den Mitgliedern übersandtes berufsrechtliches Handbuch heraus.
Der Kläger, der bereits in der Kammerversammlung erfolglos den Antrag gestellt hatte, die Ausgaben für den Bezug des “Deutschen Steuerrechts” zu streichen und den Mitgliedsbeitrag entsprechend zu senken, hat u.a. Unterlassungsklage erhoben und hierzu geltend gemacht: Es stehe der Beklagten nicht zu, gleichsam als Einkaufsgenossenschaft für ihre Mitglieder zu wirken und den Bezugspreis über die Mitgliedsbeiträge zu finanzieren. Jedem Steuerberater müsse es freistehen, selbst diejenige Fachzeitschrift zu wählen, die ihm und seinem Spezialgebiet am meisten gerecht werde. Die Zeitschrift “Deutsches Steuerrecht” sei ungeeignet, die Gesamtheit der Kammermitglieder fallbezogen zu informieren.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit sie auf Unterlassung gerichtet war, für die Lieferung der Zeitschrift “Deutsches Steuerrecht” an ihre Mitglieder Haushaltsmittel aufzuwenden, als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger den vorgeschriebenen kammerinternen Verfahrensgang nicht ausgeschöpft habe. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unbegründet, weil der “Sammelbezug” des “Deutschen Steuerrechts” unter Belieferung auch der daran nicht interessierten Mitglieder gegen indirekte Bezahlung durch einen Teil des geleisteten Beitrags von der Aufgabenstellung der Beklagten gedeckt sei. Zu den von ihr zu wahrenden beruflichen Belangen der Gesamtheit der Mitglieder seien alle diejenigen zu rechnen, die in einer unmittelbaren oder mittelbaren Beziehung zu der Berufstätigkeit der Steuerberater stünden. Zur Wahrung dieser beruflichen Belange gehöre es u.a., die Mitglieder in der Berufsausübung zu fördern und ihre berufsständischen Interessen in der Öffentlichkeit zu vertreten. Von dieser allgemeinen Aufgabenstellung sei auch die Herausgabe eines Organs gedeckt, das im wesentlichen der Information der Kammermitglieder über berufsbezogene Vorgänge und Themen diene. Die Zeitschrift “Deutsches Steuerrecht” behandle vor allem steuerrechtliche Fragen und Problemstellungen durch Abdruck der einschlägigen Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen sowie durch Veröffentlichung entsprechender fachbezogener Aufsätze. In ihr könnten ferner Mitteilungen der Bundeskammer und ihrer Mitglieder veröffentlicht werden. Durch die vierzehntägig erfolgende Übersendung an alle Kammermitglieder werde sichergestellt, daß jedes Mitglied sich preisgünstig über die neuesten Entwicklungen im Steuerrecht unterrichten könne. Ob es hiervon Gebrauch mache, sei ebenso unerheblich wie die Frage, ob das einzelne Mitglied seiner beruflichen Spezialisierung und Qualifikation nach einer solchen Unterrichtung bedürfe. In das Grundrecht der negativen Informationsfreiheit werde schon deswegen nicht eingegriffen, weil es dem einzelnen überlassen bleibe, die zugesandte Zeitschrift zu lesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die durch das Bundesverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er seine Auffassung wiederholt und ergänzt, der “Sammelbezug” der Zeitschrift “Deutsches Steuerrecht” liege nicht innerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises der Beklagten.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil und das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Dauer seiner Mitgliedschaft es zu unterlassen, Verpflichtungen aufrechtzuerhalten, kraft deren sie für die Lieferung der Zeitschrift “Deutsches Steuerrecht” an ihre Mitglieder Haushaltsmittel aufzuwenden hat.
Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Sie trägt im wesentlichen vor: Es bestünden bereits erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Klage, da nicht erkennbar sei, in welchen Rechten der Kläger verletzt sein könne. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Mitglieder eines öffentlich-rechtlichen Verbandes aufgrund ihrer Mitgliedschaft einen im Verwaltungsrechtsweg verfolgbaren Anspruch hätten, daß sich der Verband nicht mit Aufgaben befasse, die ihm der Gesetzgeber nicht zugewiesen habe, betreffe Fälle einer bewußten und offensichtlichen Überschreitung des gesetzlichen Aufgabenbereichs der Körperschaft, die hier jedoch nicht vorliege. Der “Sammelbezug” des “Deutschen Steuerrechts” sei durch die den Berufskammern gestellten Aufgaben gedeckt. Es handle sich um eine berufsständische Zeitung, die sich im wesentlichen auf berufsspezifische Themen beziehe, der Förderung der Berufsarbeit aller Kammermitglieder diene und inhaltlich auch nicht ungeeignet sei, diese Zielsetzung zu erfüllen. Sie sei die einzige steuerrechtliche Zeitschrift, auf deren inhaltliche Gestaltung die Bundeskammer und über sie die Berufskammern Einfluß nehmen könnten. Eine enge Verbindung zwischen Berufsvertretung und Publikationsorgan stelle sicher, daß jedem Berufsangehörigen das Mindestmaß an aktuellen steuerrechtlichen Informationen zugehe, das für die ordnungsgemäße Erfüllung der besonderen Funktionen des steuerberatenden Berufes notwendig sei.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er teilt die Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Gemeinschaftsbezug der Zeitschrift “Deutsches Steuerrecht” im Rahmen der von der Beklagten wahrzunehmenden Aufgaben liege, hat aber in der Revisionsverhandlung einschränkend erklärt, daß es sich hier um einen Grenzfall handele.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Die Beklagte ist nicht berechtigt, von ihren Mitgliedern den Bezug der Zeitschrift “Deutsches Steuerrecht” zu verlangen und hierfür allgemeine Haushaltsmittel aufzuwenden.
Zutreffend ist bereits das Verwaltungsgericht und ihm folgend das Berufungsgericht davon ausgegangen, der Kläger habe einen im Verwaltungsrechtsweg verfolgbaren Anspruch darauf, daß die beklagte Kammer sich auf die ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben beschränke. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, daß die Mitglieder öffentlich-rechtlicher Zwangsverbände, worunter auch die berufsständischen Kammern fallen, von dem Verband die Einhaltung der Grenzen verlangen können, die seinem Tätigwerden durch die gesetzlich normierte Aufgabenstellung gezogen sind (vgl. insbesondere BVerwGE 34, 69; 59, 242 (245); 59, 231 (238); a.A. Fröhler-Oberndorfer: Körperschaften des öffentlichen Rechts und Interessenvertretung S. 77). Das folgt insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 GG, der nicht nur das Recht gewährt, von der Mitgliedschaft in einem “unnötigen” Verband verschont zu bleiben, sondern dem einzelnen Mitglied auch ein Abwehrrecht gegen solche Eingriffe des Verbandes in seiner Handlungsfreiheit einräumt, die sich nicht im Wirkungskreis legitimer öffentlicher Aufgaben halten oder bei deren Wahrnehmung nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen wird (BVerwGE 59, 231 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Hierzu gehört auch der mitgliedschaftsrechtliche Anspruch, daß die aus den Beitragsleistungen der Mitglieder aufgebrachten Haushaltsmittel nicht für verbandsfremde Zwecke verwendet werden. Fehl geht in diesem Zusammenhang die Auffassung der Beklagten, ein Unterlassungsanspruch könne nur dort anerkannt werden, wo es um eine bewußte und offensichtliche Überschreitung des gesetzlichen Aufgabenbereichs gehe. Die Intensität einer Rechtsverletzung ist kein Maßstab für das Wirksamwerden des Grundrechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG. Macht jedenfalls, wie hier, ein Mitglied geltend, daß der Zwangsverband in einer Weise tätig wird, die sich als ein mit seiner gesetzlichen Aufgabenstellung nicht zu vereinbarender Eingriff in die Handlungsfreiheit einzelner oder der Gesamtheit der Mitglieder darstellt, so steht ihm ohne Rücksicht auf den Umfang der Beeinträchtigung seiner Handlungsfreiheit ein Klagerecht gegen den Verband zu. Daran ändert nichts, daß auch die Staatsaufsicht verpflichtet ist, auf die Einhaltung der dem Verband hinsichtlich seiner Tätigkeit gesetzten Grenzen zu achten. Das Recht des einzelnen Mitglieds, sich gegen eine Beeinträchtigung seiner Rechte zu wehren, wird hierdurch nicht berührt (vgl. hierzu Fröhler-Oberndorfer: Die rechtliche Zulässigkeit einer Zeitungsherausgabe durch Handwerkskammern, GewArch. 1974, 177 (181)).
Der “Sammelbezug” der Zeitschrift “Deutsches Steuerrecht” durch die Beklagte unter Verwendung der von den Kammerangehörigen aufgebrachten Haushaltsmittel verletzt den Kläger in seinem Mitgliedsrecht und ist deshalb rechtswidrig. Der Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte handle insoweit noch im Rahmen des ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenkreises, kann nicht gefolgt werden. Welche Aufgaben die Beklagte zu erfüllen hat, ergibt sich aus § 76 Abs. 1 und 2 Steuerberatungsgesetz – StBerG – vom 4. November 1975 (BGBl. I S. 2735). Danach hat die Berufskammer die Aufgabe, die beruflichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder zu wahren und die Erfüllung der beruflichen Pflichten zu überwachen. Absatz 2 Nrn. 1 bis 9 dieser Vorschrift führt Beispiele dafür auf, um welche Aufgaben es sich hierbei insbesondere handeln kann. Im Rahmen des so umschriebenen Aufgabenbereichs bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Beklagten, daß die Kammer die beruflichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder zu wahren sowie wichtige unterschiedliche Interessen abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen hat. Daraus kann keine Berechtigung der Beklagten hergeleitet werden, für den Bezug der Zeitschrift “Deutsches Steuerrecht” und deren verbindlich eingeführte Belieferung aller Mitglieder Haushaltsmittel aufzuwenden.
Zutreffend ist bereits das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Begriff der Wahrung der Belange der Gesamtheit der Mitglieder qualitativ und nicht quantitativ zu verstehen ist. Wenn der Gesetzgeber in § 76 StBerG Aufgaben des öffentlichen Wohls, deren Wahrnehmung an sich dem Staat obliegen würde, auf die Kammern delegiert hat (vgl. hierzu insbesondere BVerfGE 10, 89 (102); Kolbeck/Peter/Rawald, Komm. z. StBerG, Rdnr. 5 zu § 76), dann kann es sich bei den zu wahrenden beruflichen Belangen der Mitglieder auch nur um solche handeln, die in der öffentlichen Aufgabenstellung der Kammer begründet sind, also den Berufsstand als solchen betreffen. Das schließt es aus, Maßnahmen der Kammer allein schon dann als zur Wahrung der beruflichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder anzusehen, wenn sie dem Willen aller oder der weit überwiegenden Zahl der Mitglieder entsprechen. Für die Rechtmäßigkeit des vom Kläger bekämpften Zwangs, sich an der Abnahme der angeführten Zeitschrift und dadurch mittelbar auch an den Abonnementskosten zu beteiligen, kann es deshalb nicht darauf ankommen, ob seinerzeit die weit überwiegende Mehrheit der Kammerversammlung hierfür gestimmt hat und auch jetzt noch die Mitglieder – von wenigen Ausnahmen abgesehen – die Zwangsabnahme billigen oder wenigstens hinzunehmen gewillt sind. Der Umstand allein, daß die Abnahmeverpflichtung auf einem formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Beschluß der hierfür zuständigen Kammerversammlung zurückzuführen ist, macht diese Maßnahme noch nicht rechtmäßig. Maßgebend ist vielmehr, ob der darin liegende Eingriff in die Freiheitssphäre des einzelnen Mitglieds geeignet und erforderlich ist, zur Verwirklichung einer die Zwangsmitgliedschaft rechtfertigenden Zielsetzung des Verbandes beizutragen und ob dadurch nicht in unzumutbarer Weise in das Recht des einzelnen auf freie Ausübung seines Berufs eingegriffen wird. Wo es dem Gesetzgeber versagt ist, Verbandsaufgaben zu bestimmen, die den Anspruch des einzelnen auf Freiheit vor unzulässiger Pflichtmitgliedschaft verletzen, fehlt auch dem Verband die Befugnis, sich ein entsprechendes Betätigungsfeld zu schaffen (BVerwGE 59, 231 (238)).
Zu weitgehend ist deshalb die Auffassung des Berufungsgerichts, zu den nach § 76 StBerG zu wahrenden beruflichen Belangen der Mitglieder seien alle diejenigen zu rechnen, die in einer unmittelbaren oder mittelbaren Beziehung zu der Berufstätigkeit der Steuerberater stünden. Diese Auslegung des § 76 StBerG läßt nahezu jede Reglementierung der Berufstätigkeit der Mitglieder zu, was unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG durch die mit der Verbandsbildung verfolgte Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben nicht mehr gedeckt wäre und zudem im Widerspruch zu dem in § 57 Abs. 1 StBerG normierten Grundsatz stünde, daß der Steuerberater seinen Beruf eigenverantwortlich ausübt.
Die den Mitgliedern der Beklagten auferlegte Pflicht zur Abnahme des “Deutschen Steuerrechts” und die Verwendung von Haushaltsmitteln hierfür läßt sich weder mit der Aufgabe der Beklagten, die beruflichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder zu wahren, noch mit der Überwachung der beruflichen Pflichten der Mitglieder vereinbaren. Zwar kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, über ihre Tätigkeit und berufsbezogene Themen und Vorgänge zu informieren und entsprechende Mitteilungen, auch in Form von Zeitschriften, an ihre Mitglieder zu versenden. Dies folgt aus dem Informationsrecht und der Informationspflicht der Kammer gegenüber ihren Mitgliedern; dem korrespondiert ein Anspruch des einzelnen Mitglieds, über die Tätigkeit der Kammer wenigstens in ihren Grundzügen unterrichtet zu werden. Unbedenklich ist auch, wenn insoweit ein Abonnementzwang auf die Mitglieder ausgeübt wird. Um derartige Veröffentlichungen geht es hier jedoch nicht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Beklagte unabhängig von ihren im “Deutschen Steuerrecht” veröffentlichten Verlautbarungen neben einem berufsrechtlichen Handbuch einen eigenen Informationsdienst herausgibt, und zwar in Gestalt eines vierteljährlich erscheinenden Mitteilungsblattes, das gemäß § 24 ihrer Satzung ihr offizielles Bekanntmachungsorgan ist. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß diese Mitteilungen nicht auch für etwa notwendig werdende zwischenzeitige Verlautbarungen an die Mitglieder eingesetzt werden können.
Unabhängig davon ist die Zeitschrift “Deutsches Steuerrecht” jedenfalls kein Informationsorgan, das ausschließlich oder überwiegend der Unterrichtung der Mitglieder über die Tätigkeit der Kammer dient. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wird hierfür und für die Mitteilungen der Bundessteuerberaterkammer, die diese Zeitschrift zu ihrem amtlichen Organ bestimmt hat, durchschnittlich ein Raum bis zu einer Seite pro Heft zur Verfügung gestellt, während der Inhalt im übrigen dem Abdruck der einschlägigen auch steuerberatungsrechtlichen Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen sowie der Veröffentlichung entsprechender fachbezogener Aufsätze dient. Das Ziel soll nach dem mit dem Verlag geschlossenen Vertrag eine Zeitschrift sein, die, wie die Neue Juristische Wochenschrift auf dem Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit, auf dem Gebiet des Steuerrechts eine besonders repräsentative Stellung einnimmt. Diese Zielsetzung macht deutlich, daß die Zeitschrift sowohl nach der Absicht ihrer Herausgeber als auch nach ihrer tatsächlichen Ausgestaltung ein steuerrechtliches Fachblatt ist. Die Verpflichtung zur Abnahme einer Fachzeitschrift solcher Prägung läßt sich nicht durch die daneben verfolgte Zielsetzung rechtfertigen, auch Informationen an die Kammermitglieder in Kammerangelegenheiten, insbesondere in Fragen ihres Berufsstandes und Berufsrechts weiterzugeben. Dieser Informationsteil spielt angesichts der primären Zielsetzung der Zeitschrift und des nach Umfang und Kostenaufwand weit überwiegenden Rechtsprechungs- und Abhandlungsteils keine Rolle. Der Oberbundesanwalt hat in diesem Zusammenhang zwar darauf verwiesen, daß für das frühere Fachorgan der Bundessteuerberaterkammer alter Art, nämlich “Der Steuerberater”, ein vergleichbarer Abonnementzwang der Kammermitglieder bestand und daß ein Landesfinanzminister es abgelehnt hatte, im Wege der Staatsaufsicht hiergegen einzuschreiten. Hierfür hatte dieser aber angeführt, daß es sich bei jener Zeitschrift nicht um übliche Fachliteratur, sondern um eine vor allem der Veröffentlichung von Mitteilungen berufsständischer Art dienende Zeitschrift handle. Ob diese Würdigung gerechtfertigt war, kann hier dahinstehen. Der Zeitschrift “Deutsches Steuerrecht” kommt jedenfalls diese Bedeutung nicht zu, weil hier die Behandlung berufsständischer Fragen nur den geschilderten minimalen Raum einnimmt.
Die dem Kläger zur Pflicht gemachte Abnahme des “Deutschen Steuerrechts” läßt sich auch nicht unter dem Aspekt rechtfertigen, die Mitglieder der Beklagten in ihrer Berufsausübung zu fördern. Dabei bedarf es keiner Erörterung, ob und in welcher Hinsicht berufliche Förderungsmaßnahmen zu den Aufgaben der Berufskammer gehören. Nach der Regelung des § 86 Abs. 2 Nr. 7 StBerG ist die Förderung der beruflichen Fortbildung in den steuerberatenden Berufen der Bundessteuerberaterkammer zugewiesen. Ob und inwieweit daneben noch den Berufskammern Raum für berufliche Förderungsmaßnahmen gelassen ist, kann hier dahinstehen. Der Begriff der Förderung steht jedenfalls der Auferlegung der strittigen Verpflichtung entgegen. Er läßt lediglich ein Angebot zu, dessen Annahme der freien Willensentschließung des Adressaten überlassen bleibt. Auch wenn man hier zusätzlich die der Kammer zugewiesene Aufgabe in Betracht zieht, die Erfüllung der beruflichen Pflichten der Kammerangehörigen zu überwachen, läßt sich eine Befugnis der Beklagten, von ihren Mitgliedern die Abnahme des “Deutschen Steuerrechts” zu verlangen und dafür Haushaltsmittel aufzuwenden, nicht rechtfertigen. Zwar ist der Steuerberater ähnlich wie der Rechtsanwalt gehalten, die Entwicklung von Lehre und Rechtsprechung auf dem Gebiet des Steuerrechts zu verfolgen; er wird sich also durch die regelmäßige Lektüre entsprechender Fachliteratur in seinen Sachgebieten auf dem laufenden zu halten haben. Dies liegt nicht nur im Interesse derer, die seine Hilfe in Anspruch nehmen, sondern auch im allgemeinen Interesse. Es handelt sich dabei um eine diesem Beruf wesenseigene Verpflichtung, die keiner besonderen gesetzlichen Normierung bedarf und deren Einhaltung die Berufskammer zu überwachen hat. Das rechtfertigt jedoch entgegen der Meinung des Berufungsgerichts noch nicht die hier in Frage stehende Maßnahme. Es begegnet bereits Zweifeln, ob die Anordnung der Pflichtabnahme einer bestimmten Zeitung überhaupt ein geeignetes Mittel der Überwachung ist. Die Zustellung einer Fachzeitschrift könnte nur dann als eine sinnvolle Maßnahme der Fortbildung angesehen werden, wenn gewährleistet wäre, daß der Empfänger von ihrem Inhalt Kenntnis nähme. Das ist aber hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat bereits darauf hingewiesen, es bleibe der Entscheidung des einzelnen Kammermitglieds überlassen, die zugesandte Zeitschrift zu lesen oder nicht. Ein Pflichtbezug, in welcher rechtlichen Form auch immer, ist mithin ungeeignet, zur Fortbildung gerade jener Steuerberater beizutragen, die schlicht fortbildungsunwillig sind oder aber, wie der Kläger, andere Fachzeitschriften oder sonstige Informationsmöglichkeiten vorziehen. Über diese Maßnahme ließe sich damit auch nicht das von der Beklagten in der Revisionsverhandlung angeführte Ziel erreichen, das allgemeine Niveau des Berufsstandes zu heben. Ob sich aus alledem bereits ergibt, daß es unzulässig ist, den Kammermitgliedern eine bestimmte Fachzeitschrift zu oktroyieren, bedarf jedoch keiner abschließenden Erörterung.
Die hier in Frage stehende Regelung ist jedenfalls keine im oben dargelegten Sinne der Verhältnismäßigkeit erforderliche und zumutbare Maßnahme, um die Erfüllung beruflicher Pflichten zu ermöglichen und zu überwachen. Die Lektüre des “Deutschen Steuerrechts” stellt für den Steuerberater nicht die einzige Möglichkeit dar, sich in seinem Fachgebiet auf dem laufenden zu halten. Das Berufungsurteil weist bereits darauf hin, daß es verschiedene Fachpublikationen gibt, die mit dem “Deutschen Steuerrecht” in Wettbewerb stehen. Es kann auch nicht davon gesprochen werden, ein Steuerberater werde typischerweise seinen Beruf auf Dauer nicht ordnungsgemäß ausüben können, wenn er sich nicht durch die Lektüre gerade des “Deutschen Steuerrechts” in seinem Fachgebiet auf dem laufenden halte. Der Kläger selbst hält, wie den Feststellungen des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, eine Reihe sonstiger steuerrechtlicher Zeitschriften und Veröffentlichungen. Den Kammermitgliedern die Abnahme einer bestimmten Fachzeitschrift aufzuzwingen und ihnen hierfür durch eine entsprechende Ausgestaltung des Kammerbeitrags die Kosten aufzubürden, erweist sich unter diesen Umständen als eine die Handlungsfreiheit der Betroffenen in unnötiger Weise einengende dirigistische Maßnahme; dies gegenüber Angehörigen eines Berufsstandes, die ihre Tätigkeit nach der ausdrücklichen Regelung des Steuerberatergesetzes eigenverantwortlich ausüben (vgl. § 57 Abs. 1 StBerG). Sie sind damit auf einer beruflichen “Rangstufe” angesiedelt, die der der Rechtsanwälte vergleichbar ist. Beiden Berufsgruppen ist gemeinsam, daß die Einhaltung ihrer Berufspflichten ein besonderes Maß eigenverantwortlicher Bereitschaft voraussetzt. Wenn aber irgend etwas der eigenverantwortlichen Entscheidung des freiberuflich tätigen Steuerberaters oder Rechtsanwalts überlassen bleiben muß, dann ist es wohl zunächst die Ausstattung seiner Bücherei und die Wahl, welche der mannigfachen Fachzeitschriften er beziehen und dort einstellen will. Es ist nicht Sache des Staates, ihm dahin gehende Vorschriften zu machen und ihm bestimmte Publikationen aufzuzwingen. Schon gar nicht kann es Inhalt des Überwachungsrechts der Berufskammern sein, derartige Reglementierungen gegenüber ihren Mitgliedern vorzunehmen.
Daß sich, worauf die Beklagte in der Revisionsverhandlung besonders hingewiesen hat, der Bezug der Zeitschrift für den einzelnen Interessenten bei Einführung einer Pflichtabnahme verbilligt und andererseits für die bezugsunwilligen Kammermitglieder nur eine geringfügige finanzielle Mehrbelastung im Rahmen ihrer allgemeinen Betriebskosten mit sich bringt, ist ohne rechtliche Bedeutung. Dem Interesse der Mehrheit der Kammermitglieder an einem möglichst preiswerten Bezug einer Fachzeitschrift steht der sachlich durchaus vertretbare Wunsch einer Minderheit entgegen, sich diese Zeitschrift nicht aufzwingen zu lassen. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Berufskammer, wirtschaftlichen Interessen der Mehrheit der Kammerangehörigen unter Eingriff in die Handlungsfreiheit der Minderheit Geltung zu verschaffen. Die Verbilligung des Bezugspreises ist deshalb kein die Abnahmepflicht rechtfertigender Grund. Im übrigen sieht der zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und dem Verlag geschlossene Bezugsvertrag bereits neben der hier umstrittenen Alternative, die ersichtlich auf eine von sämtlichen Kammermitgliedern gewünschte oder wenigstens akzeptierte Belieferung zugeschnitten ist, noch zwei Möglichkeiten eines Sammelbezugs vor, bei denen die Beklagte die Zeitschrift nicht im eigenen Namen, sondern in Vertretung (nur) der interessierten Mitglieder bestellt, wobei diese in den Genuß ähnlicher Preisvorteile gelangen. Es ist Sache der Beklagten, hiervon Gebrauch zu machen und den Kläger zukünftig von der Abnahme des “Deutschen Steuerrechts” freizustellen.
Fundstellen