Entscheidungsstichwort (Thema)
Andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit. Gewinnspielgerät. Glücksspiel. Krangreiferspiel. unangemessen hohe Verluste. Unbedenklichkeitsbescheinigung. Versagungsgrund
Leitsatz (amtlich)
1. Ob bei einem „anderen Spiel” im Sinne des § 33 d GewO die Gefahr besteht, dass der Spieler unangemessene Verluste in kurzer Zeit erleidet (§ 33 e Abs. 1 Satz 1 GewO), ist in Orientierung an die bei gleichzeitigem Bespielen zweier Geldgewinnspiele im Sinne des § 33 c GewO möglichen Verluste zu ermitteln. Eine Verlustgefahr in der Größenordnung von 100 DM bzw. 50 [Euro] pro Stunde ist gegenwärtig nicht unangemessen hoch.
2. Ein Spielgerät (Automat) ohne Zufallsgenerator mit Geldgewinnmöglichkeit (hier ein Krangreiferspiel) ist dann ein Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB und damit nach § 33 h Nr. 3 GewO nicht gestattungsfähig, wenn der Durchschnitt der Spieler nicht in mehr als 50 v.H. der nicht als Turnier veranstalteten Spiele einen Spielerfolg erzielt.
Normenkette
GewO §§ 33c, 33d, 33e, 33h Nr. 3; StGB § 284
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Entscheidung vom 26.10.2000; Aktenzeichen 8 UE 3924/95) |
VG Wiesbaden (Entscheidung vom 10.10.1995; Aktenzeichen 5/3 E 32/94) |
Tenor
Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Oktober 2000 wird aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 10. Oktober 1995 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 12. Mai 1997 zum Konkursverwalter über das Vermögen der EEH Automatenhandelsgesellschaft mbH ernannt worden, welche Rechtsnachfolgerin der Reppel Handels GmbH ist. Der Kläger beansprucht die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung für das Krangreiferspiel „Good Luck II (neu)”.
Das Bundeskriminalamt hatte der Reppel Handels GmbH im Jahre 1987 eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für das Krangreiferspiel „Good Luck II” erteilt. 1992 beantragte die Gesellschaft die Unbedenklichkeitsbescheinigung für das Spiel mit einigen Abwandlungen und reichte später einen Prototyp sowie einen Ergebnisbericht über durchgeführte Spiele ein, der eine Trefferquote von 48,8 % auswies. Danach soll ein Krangreiferspiel vertrieben werden, bei dem ein Greifer, der mittels eines Joysticks gesteuert werden kann, aus einem mit 3,5 Umdrehungen pro Sekunde rotierenden Topf Kunststoffkapseln greifen kann. Nach Einwurf des vorgesehenen Einsatzes von 1 DM fährt der Greifer in die gesteuerte Richtung und fasst auf Knopfdruck eine Kugel, welche in einem Registrierschacht elektronisch als Spielerfolg verbucht wird. Dieser (erste) Spielerfolg führt zu einer Ausschüttung von 1 DM. Nach einem erfolgreichen Greifversuch können bis zu vier weitere Versuche durchgeführt werden, wobei die Ausschüttungen beim vierten und fünften Erfolg 2 DM bzw. 5 DM betragen. Nach einem misslungenen Greifversuch endet das Spiel und kann erneut durch Einwurf einer Münze gestartet werden.
Das Bundeskriminalamt führte Spielversuche durch, die zu einer durchschnittlichen Spielerfolgsquote von 33,9 % geführt haben. Nach Berechnungen des Bundeskriminalamtes besteht bei einer Dauer von 20 Sekunden je Spiel ein maximaler Verlust für den Spieler von 113 DM pro Stunde, bei 12 bis 15 Sekunden von 240 DM pro Stunde.
Die Reppel Handels GmbH hat, nachdem ihr Antrag bis dahin nicht beschieden worden war, am 11. Januar 1994 Klage erhoben. Das Bundeskriminalamt lehnte mit am 18. Januar 1994 eingegangenem Bescheid vom 6. Januar 1994 den Antrag ab und wies den dagegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 13. Mai 1994 zurück.
Der Ablehnung des Antrags liegt die Auffassung zugrunde, dass bei einer Misserfolgsquote durchschnittlicher Spieler von 50 v.H. und mehr kein Geschicklichkeitsspiel veranstaltet werde. Könnten die Spieler im Durchschnitt nicht eine Trefferquote von mehr als 50 v.H. erreichen, überwögen Zufall und diesem zuzurechnendes unerreichbares Geschicklichkeitsniveau, so dass ein Glücksspiel vorliege, für welches gem. § 33 h Nr. 3 GewO eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erteilt werden dürfe.
Demgegenüber vertritt der Kläger die Auffassung, dass nicht eine 50 v.H. überschreitende Erfolgsquote für das Geschicklichkeitsspiel kennzeichnend sei, sondern die Höhe des Geschicklichkeitsanteils an dem bei dem Spiel für den Durchschnittsspieler zu erzielenden Erfolg. Wenn der durch Vergleich von Blind- und Realspiel zu ermittelnde Geschicklichkeitsanteil doppelt so hoch liege wie der im Blindspiel erreichte Zufallsanteil, sei ein Geschicklichkeitsspiel anzunehmen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, die beantragte Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen, abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat ihr durch Urteil vom 26. Oktober 2000 (Gewerbearchiv 2001, 200) stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe mangels entgegenstehender Gründe der Anspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung für das Spiel „Good Luck II (neu)” zu. Bei diesem Spiel handele es sich nicht um ein Glücksspiel, sondern um ein Geschicklichkeitsspiel. Die Abgrenzung von Glücks- und Geschicklichkeitsspiel bestimme sich danach, ob das Spielergebnis, also die Entscheidung über Gewinn und Verlust, allein oder hauptsächlich vom Zufall bzw. überwiegend von unberechenbaren, dem Einfluss der Beteiligten in ihrem Durchschnitt entzogenen Faktoren bestimmt werde oder ob das Spielergebnis unter Zubilligung einer Einübungsphase von einem durchschnittlich befähigten Spieler durch den Einsatz seiner Geschicklichkeit wesentlich verbessert werden könne, ob der Spieler also bei Anwendung der ihm zu Gebote stehenden körperlichen und geistigen Gaben zu einer Gewinnsteigerung in der Lage sei. Dieser Abgrenzung werde die Methode des Vergleichs der Zufalls- mit den Geschicklichkeitstreffern gerecht. Ein Geschicklichkeitsspiel sei anzunehmen, wenn die dem Spiel immanente Zufallstrefferquote durch den Einsatz der Geschicklichkeit eines Durchschnittsspielers wesentlich verbessert werden könne, also die Trefferquote durch Geschicklichkeit mehr als verdoppelt werden könne. Dabei sei als Treffer nicht erst ein im Vergleich zum Einsatz erzielter Gewinn, sondern bereits die Erfüllung der vom Spiel gestellten Anforderungen wie das Greifen der Kugel zu sehen, wenn der Spielplan daran für den Spieler günstige Folgen knüpfe, etwa ein Freispiel oder die Rückgabe des Einsatzes. Demgegenüber sei die Relation zwischen Trefferquote und Nichttrefferquote zur Abgrenzung von Glücks- und Geschicklichkeitsspiel ungeeignet, weil sie lediglich Ausdruck der Aufgabenschwierigkeit sei und bei dieser Methode die Nichttrefferquote insgesamt dem Zufallsbereich zugewiesen werde, obwohl bei reinen Geschicklichkeitsspielen unter normalen Bedingungen Nichttreffer auch auf Ungeschicklichkeit beruhen könnten.
Die Abgrenzung durch Gegenüberstellung von Zufalls- und Geschicklichkeitstrefferquote bedürfe allerdings dann einer Korrektur, wenn die Geschicklichkeitsanforderungen so hoch seien, dass sie von einem Durchschnittsspieler nicht oder kaum erreichbar seien und eine Blindtrefferquote zwar durch Geschicklichkeit noch mehr als verdoppelt werden könne, die Trefferquote aber insgesamt wegen des hohen Schwierigkeitsniveaus im Verhältnis zur Nichttrefferquote so gering sei, dass diese Gewinnsteigerung nicht mehr als wesentlich und das Spielergebnis deshalb als zufallsabhängig angesehen werden müsse. Dann werde aus einem zu schweren Geschicklichkeitsspiel im mathematischen Sinne ein Glücksspiel im Rechtssinne.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Der Kläger tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dem Kläger steht ein Anspruch auf die nachgesuchte Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht zu. Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
1. Der Rechtsstreit über den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung war gemäß § 173 VwGO, § 240 ZPO unterbrochen. Der Konkursverwalter hat das Verfahren gemäß Art. 103 EGInsO, § 10 KO wirksam aufgenommen. Der geltend gemachte Anspruch gehörte zur Konkursmasse. Unbeschadet des ordnungsrechtlichen Charakters des gewerblichen Spielrechts verkörpert die dem Hersteller oder Vertreiber von Spielgeräten erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung einen wirtschaftlichen Wert, der es rechtfertigt, den darauf gerichteten Anspruch als zur Konkursmasse gehörend anzusehen.
2. Nach § 33 d Abs. 1 GewO bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde, wer gewerbsmäßig ein „anderes Spiel” mit Gewinnmöglichkeit veranstalten will. Nach § 33 d Abs. 2 GewO darf die Erlaubnis nur erteilt werden, wenn der Antragsteller im Besitz einer von dem Bundeskriminalamt erteilten Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eines Abdrucks der Unbedenklichkeitsbescheinigung ist. Nach § 33 e Abs. 1 GewO ist die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu versagen, wenn die Gefahr besteht, dass der Spieler unangemessen hohe Verluste in kurzer Zeit erleidet. Wenn keine Versagungsgründe gegeben sind, besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (Urteil vom 11. März 1997 – BVerwG 1 C 26.96 – Buchholz 451.20 § 33 e GewO Nr. 8 = GewArch 1997, 287). Gemäß § 33 h Nr. 3 GewO finden die §§ 33 c bis 33 g GewO keine Anwendung auf die Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33 d Abs. 1 Satz 1 GewO, die Glücksspiele im Sinne des § 284 des Strafgesetzbuches sind. Das bedeutet, dass Glücksspiele nicht nach § 33 d GewO erlaubnisfähig sind und für sie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erteilt werden darf (Urteil vom 23. August 1994 – BVerwG 1 C 18.91 – BVerwGE 96, 293 ≪295≫).
3. „Andere Spiele” im Sinne des § 33 d GewO sind solche, die nicht unter § 33 c GewO subsumiert werden können.
a) § 33 c GewO betrifft „Spielgeräte, die mit einer den Spielausgang beeinflussenden technischen Vorrichtung ausgestattet sind und die die Möglichkeit eines Gewinnes bieten”. Das bedeutet, dass eine technische Vorrichtung vorhanden ist, die als „zweite Kraft” einen eigenständigen (selbstwirkenden) und für den Spielausgang ausschlaggebenden Einfluss auf den Spielerfolg ausübt (vgl. Urteil vom 9. Juni 1960 – BVerwG 1 C 137.57 – NJW 1960, 1684 = EzGewR § 33 c GewO Nr. 2). Daraus folgt, dass das Spielgerät im Sinne des § 33 c GewO mit einem Zufallsgenerator ausgestattet sein muss. Der Spieler kann den Spielablauf nicht auf Dauer gegen die „technische Einrichtung” steuern.
b) Andere Spiele im Sinne des § 33 d GewO sind daher solche, die dieses Merkmal nicht aufweisen. Bei ihnen kann der Spieler auch dann „entscheidend” eingreifen, wenn das Spiel mit technischen Vorrichtungen ausgestattet ist. § 33 d GewO kann daher neben den nicht technisch ausgerüsteten Spielen (z.B. Dartspiele, Kartenspiele) auch Spielautomaten mit technischen Einrichtungen erfassen, deren Selbstlauf aber durch den Spieler überwunden werden kann. Dabei genügt es, wenn er bei einem Zusammenwirken mehrerer technischer Einrichtungen auf wenigstens eine spielentscheidenden Einfluss nehmen kann, die technischen Vorrichtungen sich also nicht zwangsläufig entscheidend durchsetzen.
c) Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen das Spiel „Good Luck II (neu)” in Übereinstimmung mit den Beteiligten begrifflich als „anderes Spiel” im Sinne des § 33 d GewO angesehen haben. Zwar kann der Spieler nicht auf alle technisch gesteuerten Abläufe einwirken, etwa auf die Umlaufgeschwindigkeit der Drehscheibe oder die Schnelligkeit der Greifbewegung des Krans. Er kann aber bei jedem Spiel durch Steuerung des Krans dessen Richtung und durch Knopfdruck die Auslösung des Greifvorgangs bewirken, ohne dass der Spielautomat dies verhindern könnte.
4. Die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung ist nicht schon wegen des Versagungsgrundes des § 33 e Abs. 1 Satz 1 GewO ausgeschlossen. Es besteht nach den durch die Spielregeln eröffneten Möglichkeiten nicht die Gefahr, dass der Spieler unangemessen hohe Verluste in kurzer Zeit erleidet. Der Spieleinsatz pro Zeiteinheit abzüglich der statistisch zu erwartenden Ausschüttungen (vgl. Urteil vom 9. Oktober 1984 – BVerwG 1 C 20.82 – Buchholz 451.20 § 33 d GewO Nr. 7, S. 27 = GewArch 1985, 59) liegt zwar nicht in einem gänzlich unbedenklichen Bereich, ist aber noch nicht unangemessen hoch.
a) Der Versagungsgrund des § 33 e Abs. 1 Satz 1 GewO gilt sowohl für die Bauartzulassung von Geräten im Sinne des § 33 c GewO als auch für die Unbedenklichkeitsbescheinigung für andere Spiele im Sinne des § 33 d GewO. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass ein bestimmter Verlust pro Zeiteinheit bei der einen Veranstaltung angemessen, der anderen aber unangemessen sein kann. Daher ist für beide Fälle ein einheitlicher Maßstab anzulegen. Unter den gegenwärtigen Umständen ist eine Orientierung an einem Betrag von 100 DM bzw. 50 [Euro] angezeigt.
b) Das Gesetz enthält selbst keinen festen Maßstab. Es ermächtigt aber in § 33 f Abs. 1 Nr. 3 GewO u.a., Anforderungen an die Höchsteinsätze und Höchstgewinne sowie die Mindestdauer eines Spieles zu stellen. Davon ist hinsichtlich der Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit Gebrauch gemacht worden, so dass ermittelt werden kann, welchen Höchstverlust der Verordnungsgeber bei derartigen Geräten hinnimmt. Unbeschadet des Umstandes, dass das Gesetz nicht durch im Rang niedrigeres Verordnungsrecht determiniert ist, muss doch davon ausgegangen werden, dass ein vom Verordnungsgeber bei Geldspielgeräten hingenommener Maximalverlust pro Zeiteinheit bei anderen Spielen nicht unangemessen hoch sein kann, wenn der Gesetzgeber nicht in Kenntnis einer derartigen Rechtsverordnung einen anderen Maßstab bestimmt, was nicht geschehen ist. Für Geldspielgeräte ist anhand der Vorgaben des § 13 SpielV zu ermitteln, dass unter Berücksichtigung des gleichzeitigen Bespielens zweier Geräte ein Maximalverlust von rund 93 DM/h möglich ist. In der gewerberechtlichen Praxis wird die gleichzeitige Bespielbarkeit von zwei Geldspielgeräten ohne weiteres hingenommen. Dies beruht auf der „Selbstbeschränkungsvereinbarung” der Automatenwirtschaft vom 15. November 1989 (BTDrucks 11/6224). Der dargestellte Orientierungswert fügt sich in die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein, das einen Maximalverlust von 210 DM/h für unangemessen hoch erachtet hat (Urteil vom 28. September 1982 – BVerwG 1 C 139.80 – Buchholz 451.20 § 33 d GewO Nr. 6 = GewArch 1983, 60), hingegen einen Verlust von 70 DM/h nicht (Urteil vom 28. September 1982 – BVerwG 1 C 106.78 – Buchholz 451.20 § 33 d GewO Nr. 5 = GewArch 1983, 63).
c) Der hier von dem Bundeskriminalamt ermittelte maximale Gesamtverlust bei einer realistischen Spieldauer von 20 sec/Spiel beträgt 113 DM. Er entfernt sich nicht so weit von dem Betrag von 93 DM, dass ein unangemessener Verlust in kurzer Zeit angenommen werden kann, zumal auch die sachkundige Beklagte den hier erörterten Versagungsgrund nicht für gegeben erachtet.
5. Die nachgesuchte Unbedenklichkeitsbescheinigung darf jedoch nicht erteilt werden, weil das Spiel „Good Luck II (neu)” ein Glücksspiel ist. Wie bereits erwähnt lässt § 33 h Nr. 3 GewO die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung für andere Spiele im Sinne des § 33 d Abs. 1 Satz 1, die Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind, nicht zu. Dies gilt auch dann, wenn der Versagungsgrund des § 33 e Abs. 1 Satz 1 GewO nicht gegeben ist. Denn die Strafzwecke des § 284 StGB können auch dann eingreifen, wenn die Gefahr unangemessen hoher Verluste in kurzer Zeit nicht besteht. § 33 e Abs. 1 Satz 1 GewO hindert kein zeitlich ausgedehntes Spiel mit der Folge sich summierender Verluste.
a) Die Vorinstanzen haben zur Bestimmung der Glücksspieleigenschaft von Spielautomaten mit Geldgewinn unterschiedliche Auffassungen vertreten.
aa) Das Verwaltungsgericht (ebenso Dickersbach WiVerw 1985, 23 ≪38≫; GewArch 1998, 265 ≪268≫) geht davon aus, dass ausschlaggebend das Überwiegen des nicht durch Geschicklichkeit erzielbaren Erfolgs ist. Es hält deshalb ein Geschicklichkeitsspiel nur für gegeben, wenn die Trefferquote eines Spielexperiments mit hinreichend großer Zahl von Spielgängen mindestens 50 % beträgt. Dann könne gesagt werden, dass die Zufallsabhängigkeit nicht überwiege. Der Misserfolg des Spielers, also der Erfolg des Automaten, beruhe entweder auf Zufall oder auf einer Überforderung des durchschnittlichen Geschicklichkeitsniveaus. Die Geschicklichkeitsüberforderung wird also dem Zufall gleichgestellt.
bb) Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof in Anlehnung an Schilling (GewArch 1995, 318; ders. in Automatenspiel und Recht, S. 31 ff.) die Auffassung vertreten, es müsse die durch Geschicklichkeit erzielbare Steigerung der Trefferquote ermittelt werden. Nicht das Verhältnis von Treffern zu Nichttreffern soll entscheidend sein, sondern das Verhältnis der durch Zufall erzielten Treffer zu den durch Geschicklichkeit verursachten Treffern. Das Verhältnis von Gewinn- und Verlustquote gibt danach nur Aufschluss über den Schwierigkeitsgrad des Spieles, nicht über den Geschicklichkeitsanteil. In der durch „Blindspiel” oder (je nach Konstruktion des Automaten) durch „Selbstspiel” des Automaten erzielten Trefferquote wird das Zufallsergebnis gesehen. Erziele eine Vergleichsspielergruppe mit durchschnittlichem Geschick eine mehr als doppelt so hohe Trefferquote, so liege ein Geschicklichkeitsspiel vor.
b) Der erkennende Senat folgt der Auffassung des Verwaltungsgerichts.
Das Gesetz enthält nicht den Begriff des Geschicklichkeitsspiels, sondern lässt gemäß § 33 h Nr. 3 GewO eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für andere Spiele nicht zu, die Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind. Daraus folgt, dass nicht festzustellen ist, ob ein anderes Spiel im Sinne des § 33 d GewO ein Geschicklichkeitsspiel ist, sondern ob es ein Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB ist. Das Glücksspiel ist, wie der Senat bereits betont hat (Urteil vom 28. März 2001 – BVerwG 6 C 2.01 – GewArch 2001, 334), dadurch geprägt, dass der Spielerfolg allein oder überwiegend vom Zufall abhängt; ein Glücksspiel liegt auch vor, wenn der Spielerfolg zwar nicht allein vom Zufall abhängt, dem Zufallselement aber ein deutliches Übergewicht gegenüber den vom Spieler zu beeinflussenden Umständen zukommt.
Bei der Prüfung, ob der Ausgang des Spiels hauptsächlich durch den Zufall bedingt ist oder ob er durch Fähigkeiten und Fertigkeiten beeinflusst werden kann, sind die Spielverhältnisse zugrunde zu legen, unter denen das Spiel eröffnet ist und gewöhnlich betrieben wird, also die Fähigkeiten und Erfahrungen des Durchschnittsspielers. Denn das Spielangebot richtet sich nicht an bestimmte Personen, sondern an eine unbestimmte Vielzahl von Interessenten. Entscheidend ist deshalb, ob die zufallsüberwindende Beeinflussung einem spielinteressierten Menschen mit durchschnittlichem Standard in so kurzer Zeit möglich wird, dass sich die Herrschaft des Zufalls allenfalls auf eine Einspielzeit beschränkt, deren Länge sich nach der erfahrungsgemäßen durchschnittlichen Dauer der Spielteilnahme bestimmt (vgl. Urteil vom 9. Oktober 1984 – BVerwG 1 C 20.82 – Buchholz 451.20 § 33 d GewO Nr. 7 = GewArch 1985, 59). Lassen sich solche Möglichkeiten der Beeinflussung des Spielerfolgs durch den durchschnittlichen Spieler nicht feststellen, liegt ein Glücksspiel vor.
Bei reinen Glücksspielen ist das Spielergebnis durch Überlegung oder Geschick des Spielers nicht beeinflussbar, der Spieler setzt allein auf den Zufall. Kann das Ergebnis durch den Spieler beeinflusst werden, so muss geprüft werden, ob nach den Spielbedingungen trotz dieser Beeinflussbarkeit die nicht zu beeinflussenden Spielelemente den Ausgang des Spieles überwiegend bestimmen. Bei einem Spiel, das nicht gegen einen anderen Spieler ausgetragen wird und dessen Ausgang sowohl durch vom Spieler zu beeinflussende Umstände als auch durch andere Elemente bestimmt werden kann, kann nicht ermittelt werden, ob ein bestimmter Einzeltreffer im Sinne des Spielerfolgs durch Zufall oder durch Geschick verursacht worden ist; ebenso wenig ist ermittelbar, ob ein Nichttreffer auf der Herrschaft des Zufalls oder mangelndem Geschick beruht. Deshalb ist es geboten zu prüfen, ob die Spielbedingungen es zulassen, dass bei einer Vielzahl von Spielen im Durchschnitt die Einflussnahme des Spielers den Spielausgang bestimmt. Ist das nicht der Fall, so bestimmen der Zufall oder dem Einfluss des Spielers entzogene Spielbedingungen über Erfolg oder Nichterfolg. Ohne Bedeutung muss es dabei sein, aus welchen Gründen der Spieler im Durchschnitt nicht den Spielausgang beeinflussen kann. Werden die Spielbedingungen so gestaltet, dass die Anforderungen an das Geschick so hoch sind, dass der Durchschnittsspieler im dargelegten Verständnis sie nicht erfüllen kann, so steuert nicht der Spieler das Spielgeschehen. Dies steht, da eine Beeinflussbarkeit durch den Durchschnittsspieler nicht gegeben ist, dem Zufall gleich.
Nur bei diesem Verständnis des Glücksspielbegriffs kann dem Glücksspielverbot in § 284 StGB angemessen Rechnung getragen werden. Der Senat hat in seinem Urteil vom 28. März 2001 (a.a.O.) ausgeführt, dass es u.a. Zweck der Strafandrohung des § 284 StGB ist, eine übermäßige Anregung der Nachfrage von Glücksspielen zu verhindern, durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten und eine Ausnutzung des natürlichen Spieltriebs zu privaten oder gewerblichen Gewinnzwecken zu verhindern. Mit dieser Zielsetzung hat nämlich der Gesetzgeber im Rahmen einer Strafrechtsreform eine Verschärfung des § 284 StGB vorgenommen (vgl. BTDrucks 13/8587, S. 67). Namentlich der Gesichtspunkt der Verhinderung der Ausnutzung des Spieltriebs erfordert es, das unerreichbare Geschicklichkeitsniveau dem Zufall gleichzusetzen. Denn der Spieltrieb kann dadurch angeregt werden, dass dem Spieler suggeriert wird, er könne durch Geschick und dessen Steigerung durch häufiges Spielen das Spielgeschehen beherrschen. Eine solche Vorstellung ist jedoch verfehlt, wenn die Spielbedingungen so ausgestaltet sind, dass der durchschnittliche Spieler das erforderliche Niveau nicht erreichen kann. Unter diesen Umständen berührt das Spielangebot den Zweck der Strafandrohung des § 284 StGB.
Die vorstehende Auslegung des Glücksspielbegriffs wird auch durch Gründe der Praktikabilität und der Rechtssicherheit gestützt. Die Höhe der nach der Gegenmeinung zu ermittelnden Geschicklichkeitsquote lässt sich normativ nicht ableiten. Deren Methode muss zudem – wie der Verwaltungsgerichtshof eingeräumt hat – versagen, wenn ein Spiel im Blind- oder Selbstlauftest eine ganz geringfügige Trefferquote erzielt, die durch Geschick verdoppelt werden kann, und sie erfordert die Festlegung einer Mindestzufallstrefferquote. Die dargestellte Auffassung muss also an zwei Stellen Festlegungen treffen, die normativ nicht vorgezeichnet sind, nämlich bei der Bestimmung der „Geschicklichkeitsquote” und der „Mindestzufallstrefferquote”. Demgegenüber erfordert die vom Senat vorgenommene Auslegung lediglich die Bestimmung der die Grenze zum Glücksspiel markierenden durchschnittlichen Nichttrefferquote von 50 vom Hundert. Wenn berücksichtigt wird, dass es auf die Fähigkeiten des Durchschnittsspielers ankommt, so lässt sich aus einer Nichttrefferquote von über 50 % ableiten, dass das durchschnittliche Geschick nicht ausgereicht hat, das Zufallsmoment zu überwinden. Unter diesen Umständen ist das Spielergebnis überwiegend durch Umstände erzielt worden, auf die der Spieler keinen Einfluss nehmen konnte.
c) Die Einschätzung des Gesetzgebers, im Anwendungsbereich des § 33 c GewO Glücksspiele zuzulassen, andere Spiele, die Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind, jedoch nicht, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in dem Urteil vom 28. September 1982 – BVerwG 1 C 139.80 – (Buchholz 451.20 § 33 d GewO Nr. 6 = GewArch 1983, 60) darauf hingewiesen, dass der unterschiedlichen Behandlung von Gewinnspielgeräten im Sinne des § 33 c GewO und anderen Spielen im Sinne des § 33 d GewO die Erwägung zugrunde liegt, dass die Gefahr einer unerwünschten Ausuferung und Ausbeutung der Spielleidenschaft bei den Geräten mit Zufallsgenerator geringer ist als bei anderen Glücksspielen, bei denen dem Spieler eine Beeinflussung des Spielablaufs ermöglicht wird. Es hat entschieden, dass sich die auf dieser Einschätzung beruhende unterschiedliche Behandlung im Rahmen des dem Gesetzgeber in Art. 3 GG eingeräumten Differenzierungsermessens hält. Daran ist festzuhalten. Lässt das Gesetz unter engen Voraussetzungen bestimmte Glücksspiele zu, so muss es nicht auch weitere Glücksspielmöglichkeiten eröffnen. Dass die Schutzvorschrift des § 33 e Abs. 1 Satz 1 GewO für die Geräte nach §§ 33 c und 33 d GewO unterschiedslos gilt, gebietet nicht deren Gleichbehandlung. Wie bereits oben erwähnt, bietet § 33 e Abs. 1 Satz 1 GewO keinen Schutz vor sich summierenden Verlusten bei zeitlich ausgedehntem Spiel. Dies sowie die weitere Zielvorstellung des Gesetzgebers, die Spielsucht auch unabhängig von mit ihr verbundenen Vermögensverlusten einzudämmen, rechtfertigt die Privilegierung der Glücksspielgeräte nach § 33 c GewO gegenüber den für attraktiver und damit gefährlicher gehaltenen Glücksspielen mit Geschicklichkeitselementen. Insofern kommt dem dargestellten Regelwerk eine Begrenzungsfunktion zu, die mittels sachgerechter Differenzierungskriterien ausgefüllt wird.
d) Nach den dargelegten Maßstäben ist das Spiel „Good Luck II (neu)” nicht gestattungsfähig. Denn die Trefferquote liegt sowohl nach den Berechnungen des Klägers als auch nach denjenigen des Bundeskriminalamts bei unter 50 %.
d) Der Hinweis des Klägers auf das Urteil vom 26. Juni 1979 – BVerwG 1 C 40.76 – (BVerwGE 58, 162 = GewArch 1979, 371) führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Dort hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings ein Spiel als Glücksspiel angesehen, jedoch nicht als nach § 284 StGB strafbares Glücksspiel. Es hat eine teleologische Reduktion des Begriffs des Glücksspiels vorgenommen. Durch das Spiel werde, so heißt es, keiner der Schutzzwecke des § 284 StGB berührt. Denn es stehe der Unterhaltungscharakter im Vordergrund, und mangels Verlustgefahr sei jegliche Übervorteilung der Spieler ausgeschlossen. Ob dieser Entscheidung weiterhin zu folgen ist, kann auf sich beruhen. Das Spiel „Good Luck II (neu)” berührt nämlich die Strafzwecke des § 284 StGB. Der Spieleinsatz kann hier nicht gleichsam auf andere Leistungen des Veranstalters angerechnet werden, wie auf den Eintritt zu einer Tanzveranstaltung. Die Verlustgefahr ist mit etwa 113 DM/h nicht ganz unerheblich, und das Gerät zielt auf die Spielleidenschaft der Interessenten, die zu Gewinnzwecken des Veranstalters ausgenutzt werden soll.
6. Ohne Bedeutung ist, ob ein „Geldgeschicklichkeitsautomat”, der zu einer Spielererfolgsquote von mehr als 50 % führt, wirtschaftlich betrieben werden kann. Darauf stellt das Gesetz nicht ab. Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass die Wirtschaftlichkeit durch eine entsprechende Gestaltung des Gewinnplanes auch bei einer für die Annahme des Geschicklichkeitsspiels erforderlichen Trefferquote von mehr als 50 % erreicht werden kann. Sollten Geldgeschicklichkeitsautomaten nicht wirtschaftlich betrieben werden können, so liegt das an dem Verhältnis von Einsatz und Gewinn, das der Unternehmer festsetzt. Kann dieses Verhältnis nicht so attraktiv gestaltet werden, dass das Spiel nachgefragt wird, so bietet der Markt dafür eben keine Absatzmöglichkeiten. Es besteht kein Anspruch darauf, von Gesetzes wegen die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass ein solches Spiel wirtschaftlich veranstaltet werden kann. Das Regelwerk über das gewerbliche Glücksspiel sieht mit den Geräten nach § 33 c GewO wirtschaftlich sinnvolle Betätigungsmöglichkeiten vor.
7. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Büge, Graulich, Vormeier
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.10.2001 durch Klebba Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NJW 2002, 2487 |
BVerwGE, 179 |
NVwZ 2002, 862 |
GewArch 2002, 76 |