Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenhausfinanzierung. Deckelung. Beitragssatzstabilität. Veränderungen der Fallzahlen. Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur. Überschreitung der Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Krankenkassenmitglieder
Leitsatz (amtlich)
Bei der Festlegung des Krankenhausbudgets des Jahres 1997 rechtfertigen Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur oder der Fallzahlen, die in der Deckelungsphase von 1993 bis 1996 eingetreten sind, eine Überschreitung der Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV 1997.
Normenkette
BPflV 1997 § 6 Abs. 1, 3 S. 1, § 28 Abs. 8, 13; KHG § 1 Abs. 1, § 17 Abs. 1; 2. GKV-NOG Art. 11; GG Art. 12
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 26.04.2001; Aktenzeichen 11 L 4232/00) |
VG Hannover (Urteil vom 25.04.2000; Aktenzeichen 5 A 4240/98) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. April 2001 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Budgets, das der Beigeladenen als Trägerin des A.…-K.…-Krankenhauses L.… für die stationäre Behandlung von Patienten im Jahre 1997 zusteht. Dabei geht es allein um die Frage, ob bei den nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der Fassung des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes – 2. GKV-NOG – vom 23. Juni 1997 (BGBl I S. 1520, 1533) berücksichtigungsfähigen Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur oder der Fallzahlen nur Veränderungen anzusetzen sind, die nach dem 1. Januar 1997 erfolgt sind, oder ob auch Veränderungen in den voraus liegenden Jahren seit 1993 einzubeziehen sind.
Das Krankenhaus der Beigeladenen hatte im Zeitraum von 1993 bis 1996 seine jährlichen Fallzahlen um 1 435 erhöht. Wegen der Deckelung des Budgets durch § 17 Abs. 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266, 2310) i.V.m. § 4 BPflV in der Fassung desselben Gesetzes sowie durch das Gesetz zur Stabilisierung der Krankenhausausgaben 1996 (StabG) vom 29. April 1996 (BGBl I S. 654) erhielt das Krankenhaus für diese zusätzlichen Behandlungsfälle ebenso wie für die erhebliche Zahl zusätzlich durchgeführter Operationen von den gesetzlichen Krankenkassen kein Entgelt. Bei den Pflegesatzverhandlungen für das Jahr 1997 verlangte das Krankenhaus eine Überschreitung der nach § 6 Abs. 1 BPflV 1997 zulässigen Veränderungsrate im Hinblick auf eine Veränderung der Fallzahlen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV 1997. Die klagende Krankenkasse sowie die übrigen Kostenträger lehnten dies ab mit der Begründung, Veränderungen, die in der Zeit der Deckelung eingetreten seien, könnten nach deren Wegfall eine Überschreitung der zulässigen Veränderungsrate nicht rechtfertigen.
Auf Antrag der Beigeladenen setzte die Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze durch Beschluss vom 17. März 1998 die pflegesatzfähigen Kosten des Krankenhauses für das Jahr 1997 auf 48 254 241 DM und das Budget auf 42 554 589 DM fest. Dabei brachte sie einen Mehrbetrag von 2 450 000 DM wegen Erhöhung der Fallzahlen und Zunahme der Operationen in Ansatz. Dazu führte sie aus, Basisjahr für die Beurteilung einer Veränderung der Fallzahlen sei das Jahr 1992. Weder § 6 Abs. 3 Satz 1 noch § 28 BPflV rechtfertigten die Annahme der Klägerin, dass ausschließlich Veränderungen gegenüber dem Jahr 1996 zu berücksichtigen seien.
Mit Bescheid vom 7. Mai 1998 genehmigte der Beklagte den Festsetzungsbeschluss der Schiedsstelle.
Gegen die Genehmigung hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, eine Steigerung der Fallzahlen bzw. die Veränderung der medizinischen Leistungsstruktur könne nur an das Budget für das Jahr 1996 anknüpfen. Die Bezugsgröße für die Einhaltung der Veränderungsrate für das Jahr 1997 ergebe sich aus dem Krankenhausstabilisierungsgesetz 1996. Nach § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes habe für 1996 nur ein Budget vereinbart werden dürfen, das von dem (gedeckelten) Jahr 1995 ausgehe. Der Gesetzgeber habe ganz bewusst vier Jahre lang eine Deckelungsphase eingeführt. Nichts spreche dafür, dass er die rückwirkende Aufhebung der Deckelung gewollt habe.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Entscheidung der Schiedsstelle verteidigt.
Der Rechtsvorgänger der Beigeladenen hat keinen Antrag gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 25. April 2000 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 26. April 2001 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die allein streitige Frage, von welchem Basisjahr im maßgeblichen Pflegesatzzeitraum 1997 für die Überschreitung der Veränderungsrate bei Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur und der Fallzahlen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV 1997 auszugehen sei, sei durch den angefochtenen Genehmigungsbescheid zu Recht dahin beantwortet worden, dass es auf Veränderungen gegenüber dem Jahr 1992 ankomme. Der Wortlaut der genannten Vorschrift sei insoweit offen. Auch die Gesetzesmaterialien gäben keine eindeutige Auskunft. Die allgemeinen Grundsätze des Pflegesatzrechts und der Gesetzeszweck ließen aber nur die Auslegung zu, dass Veränderungen seit 1992 zu berücksichtigen seien. Zweck des Krankenhausfinanzierungsgesetzes sei nach dessen § 1 Abs. 1 die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser. Nach dem Wegfall der als Notmaßnahme konzipierten Deckelungen gelte für die Pflegesatzregelung wieder uneingeschränkt der Grundsatz des § 17 Abs. 1 Satz 3 KHG, wonach die Pflegesätze medizinisch leistungsgerecht sein und einem Krankenhaus bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, den Versorgungsauftrag zu erfüllen. Damit sei es unvereinbar, Leistungssteigerungen, die in der Deckelungsphase erreicht worden seien, auch für die Zukunft von jeder Vergütung auszuschließen. Darin läge auch eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber Krankenhäusern, die ihre Fallzahlen erst nach Ablauf der Deckelungsphase erhöhten und die entsprechenden Leistungen honoriert bekämen. Eine dauerhafte Verpflichtung bestimmter Krankenhäuser, Leistungen dieser Größenordnung unentgeltlich zu erbringen, wäre mit der Gewährleistung der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG unvereinbar.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, das Berufungsurteil verkenne die Bedeutung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität. Es liefe diesem Grundsatz zuwider, wenn den Krankenhäusern Budgetanteile, die der Gesetzgeber in der Deckelungsphase von 1993 bis 1996 versagt habe, im Nachhinein zugestanden würden. In Wahrheit hätte es sich dann zwischen 1993 und 1996 nicht um eine Deckelung sondern um eine Art Stundung gehandelt.
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließt sich dem Urteil des Berufungsgerichts an. Er verweist darauf, dass das Bundesministerium für Gesundheit bereits in den Jahren 1997 und 1998 in mehreren Schreiben die Auffassung vertreten hat, nach der Systematik des Pflegesatzrechts müssten in den Jahren 1993 bis 1996 erfolgte Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur und der Fallzahlen bei der Budgetvereinbarung für 1997 Berücksichtigung finden.
Die Beigeladene hat zur Revision nicht Stellung genommen.
Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Genehmigung des Schiedsstellenbeschlusses durch den Beklagten sei rechtmäßig, verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Grundlage hierfür ist § 18 Abs. 5 Satz 1 KHG, wonach die Genehmigung zu erteilen ist, wenn die festgesetzten Pflegesätze den Vorschriften des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und sonstigem Recht entsprechen. Diese Voraussetzung ist erfüllt.
In Betracht zu ziehen ist insoweit nur die Frage, ob die Schiedsstelle die Steigerung der Fallzahlen und der Operationszahlen in den Jahren 1993 bis 1996 als Veränderung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV 1997 werten und zur Grundlage für eine Überschreitung der Veränderungsrate nach § 6 Abs. 1 BPflV 1997 machen durfte. Dies haben die Vorinstanzen zu Recht bejaht:
Nach § 17 Abs. 1 Satz 4 KHG ist bei der Ermittlung der Pflegesätze der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu beachten. § 6 Abs. 1 BPflV 1997 konkretisiert den dafür geltenden Maßstab. Dieser besteht in der Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder aller Krankenkassen je Mitglied. Für das Jahr 1997 ist diese Veränderungsrate in § 28 Abs. 13 BPflV 1997 für das Beitrittsgebiet auf 2,3 % und für das übrige Bundesgebiet auf 1,3 % festgesetzt worden.
Die genannte Veränderungsrate bildet nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BPflV 1997 grundsätzlich die Obergrenze für die Vereinbarung des Budgets für das einzelne Krankenhaus. Dabei ist Bezugsgröße für das Jahr 1997 der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Stabilisierungsgesetzes 1996 vereinbarte Gesamtbetrag (§ 28 Abs. 8 Satz 1 BPflV 1997).
Die Veränderungsrate darf nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV 1997 aber überschritten werden, soweit Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur oder der Fallzahlen dies erforderlich machen. Dabei sind entgegen der Auffassung der Klägerin die Zahlen des Jahres 1997 nicht nur mit denen des Jahres 1996 zu vergleichen; vielmehr sind auch Veränderungen aus der Zeit der Deckelungsphase von 1993 bis 1996 zu berücksichtigen, so dass das Jahr 1992 als Basisjahr heranzuziehen ist.
Außer Frage steht, dass § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV 1997 zu dieser Problematik keine ausdrückliche Aussage macht. Der Wortlaut enthält insoweit keine Angabe, welcher Bezugszeitraum maßgeblich ist. Allerdings dürfte für die Jahre nach 1997 unzweifelhaft sein, dass bei der jährlichen Budgetvereinbarung jeweils Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Betracht zu ziehen sind. Die Frage ist aber, ob dies auch angesichts der vorangegangenen vierjährigen Deckelungsphase für das Jahr 1997 gilt. Dem Berufungsgericht ist jedenfalls darin beizustimmen, dass der Wortlaut des § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV 1997 insoweit offen ist.
Auch die speziell für das Jahr 1997 geltende Übergangsregelung des § 28 Abs. 8 BPflV 1997 gibt für die von der Klägerin vertretene Auffassung nichts her. Dort wird der nach dem Stabilisierungsgesetz 1996 vereinbarte Gesamtbetrag zur Bezugsgröße für die Einhaltung der Veränderungsrate nach § 6 Abs. 1 und 3 BPflV 1997 für das Jahr 1997 bestimmt. Diese Bezugsgröße wird nach Durchführung verschiedener Abzüge und Hinzurechnungen in Satz 5 Halbsatz 1 zur maßgeblichen Grundlage der Berechnung für 1997 erklärt. Halbsatz 2 setzt dem aber hinzu: Dies gilt nicht für die Ausnahmetatbestände nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV, auch soweit diese bei Fallpauschalen und Sonderentgeltleistungen zu Kostenerhöhungen führen. Diese Regelung enthält keine Fixierung der Ausnahmetatbestände nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV auf das Vergleichsjahr 1996. Die Vorgängerregelung der Bundespflegesatzverordnung vom 26. September 1994 – BPflV 1994 – BPflV 1995 – (BGBl I 1994 S. 2750) hatte in § 28 Abs. 8 Satz 2 BPflV zwar noch eine Anpassung an die seit dem 1. Januar 1993 eingetretenen Veränderungen der Leistungsstruktur und des Leistungsumfangs vorgesehen. Warum in der Neufassung eine entsprechende ausdrückliche Bestimmung unterblieb, ist jedoch nicht ersichtlich. Die Bundesregierung hatte in ihrem Entwurf des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes noch die völlige Streichung des § 28 Abs. 8 BPflV vorgeschlagen, weil die alte Fassung für das Jahr 1997 nicht mehr anwendbar sei; auf die Vorgabe einer neuen Vorschrift werde verzichtet, weil davon auszugehen sei, dass die Vertragsparteien den § 6 Abs. 3 i.V.m. § 28 Abs. 13 BPflV für das Jahr 1997 sachgerecht anwenden würden (vgl. BTDrucks 13/6087 S. 13, 35). Auf Empfehlung des Gesundheitsausschusses wurde sodann die neue Fassung des § 28 Abs. 8 BPflV eingefügt mit der Begründung, die beteiligten Verbände hätten die Festlegung eines Rechenschemas für den erforderlichen Vergleich der neuen Vereinbarungsergebnisse mit dem Gesamtbudget des Jahres 1996 gefordert, um Streitfälle und Schiedsstellenverfahren zu vermeiden (vgl. BTDrucks 13/7264 S. 41, 72). Die in Rede stehende Übergangsregelung hatte mithin nicht die Ausnahmetatbestände des § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV 1997 zum Gegenstand sondern zielte auf die Feststellung der zulässigen Veränderungsrate nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1.
Unter diesen Umständen legt das Berufungsgericht bei der Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV 1997 zu Recht entscheidendes Gewicht auf die allgemeinen Grundsätze des Pflegesatzrechts und den Sinn und Zweck der Regelung. Maßgebend ist dabei die grundsätzliche Aussage des § 1 KHG, wonach Zweck dieses Gesetzes die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser ist, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen. Die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser ist hiernach das unmittelbare Ziel des Gesetzes, das seinerseits der Verwirklichung des Versorgungsauftrages und der Erreichung sozial tragbarer Pflegesätze gewidmet ist. Ergänzend dazu bestimmt § 17 Abs. 1 Satz 3 KHG, dass die Pflegesätze medizinisch leistungsgerecht sein müssen und einem Krankenhaus bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, den Versorgungsauftrag zu erfüllen. Diese Grundsätze sprechen eindeutig für die vom Berufungsgericht gewählte Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV 1997. Die von der Klägerin für richtig gehaltene Auslegung hätte zur Folge, dass Leistungen des Krankenhauses auch nach Ablauf der Deckelungsphase Jahr für Jahr nicht honoriert werden könnten, wenn und soweit die Steigerung der jährlichen Fallzahlen erstmalig in der Zeit der Deckelungsphase erfolgt ist. Das Krankenhaus müsste mithin Jahr für Jahr unentgeltliche Behandlungsleistungen erbringen. Es liegt auf der Hand, dass dies mit dem Gebot, die Pflegesätze müssten medizinisch leistungsgerecht sein, nicht vereinbar ist.
Dieses Gebot hat ausweislich der Gesetzesmaterialien direkten Einfluss auf die Fassung der hier in Rede stehenden Bestimmung des § 6 Abs. 3 BPflV 1997 gehabt. In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung heißt es unter Berufung auf § 17 Abs. 1 KHG, nach neuem Recht seien leistungsgerechte Budgets zu verhandeln. Bei den Pflegesatzverhandlungen könnten die Krankenhäuser ihr für das Jahr 1997 geplantes Leistungsvolumen in die Pflegesatzverhandlungen einbringen. Es war mithin die Absicht des Gesetzgebers, nach Ablauf der Deckelungsphase den Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit wieder zum Maßstab der Budgetbestimmung zu machen (BTDrucks 13/6087 S. 33).
Auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ist die Position der Klägerin nicht nachvollziehbar. Es steht außer Zweifel, dass ein Krankenhaus Steigerungen der Fallzahlen, die ab 1997 erfolgen, in die Budgetvereinbarung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV 1997 einbringen kann. Diese Leistungssteigerungen werden also voll vergütet. Warum entsprechende Leistungen, die auf Leistungssteigerungen in der Deckelungsphase zurückgehen und in dieser Zeit nicht zu einer Budgeterhöhung haben führen können, in der Folgezeit nicht vergütet werden sollten, ist nicht ersichtlich.
Fehl geht insoweit die Argumentation der Klägerin, die Auslegung des Berufungsgerichts konterkariere die Regelungen des Gesundheitsstrukturgesetzes und des Stabilisierungsgesetzes 1996 und verwandle die durch diese Gesetze erstrebten Kosteneinsparungen in bloße Stundungen. Es geht nicht um die rückwirkende Vergütung von Leistungen aus der Deckelungsphase. Entscheidend ist vielmehr, ob nach Ablauf dieser Phase erbrachte Leistungen deshalb weiter vergütungsfrei gestellt werden müssen, weil während der Deckelung für entsprechende Leistungen eine Vergütung nicht zu erlangen war. Dies ist aus den genannten Gründen zu verneinen.
Gegen die Auslegung der Klägerin bestehen, wie das Berufungsgericht zu Recht feststellt, auch verfassungsrechtliche Bedenken. Der Senat hat in seinem Urteil vom 26. Oktober 1995 (BVerwG 3 C 11.94 – BVerwGE 99 S. 362, 368) unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt, ein gesetzlicher Zwang, der Allgemeinheit über mehrere Jahre Leistungen zu einem Preis anzubieten, der notwendige und unaufschiebbare Kosten in erheblichem Umfang nicht decke, würde im Hinblick auf die Garantie der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Nichts anderes könnte gelten, wenn ein Krankenhaus in erheblichem Umfang Leistungen auf unabsehbare Zeit unentgeltlich erbringen müsste, weil es entsprechende Leistungen ohne Entgelt schon in der Deckelungsphase erbracht hat. Einschränkungen, die für eine vorübergehende Zeit zumutbar sein mögen, können unzumutbar werden, wenn die Unentgeltlichkeit zu einer dauerhaften Verpflichtung wird. Das gilt insbesondere, wenn entsprechende Leistungen, die von anderen Krankenhäusern erstmalig nach Ablauf der Deckelung erbracht werden, ohne weiteres vergütungspflichtig sind.
Die Entscheidung des Senats steht in Übereinstimmung mit den einschlägigen Äußerungen der Literatur (vgl. Tuschen/Quaas, BPflV, 4. Aufl., Erläuterungen § 6 S. 218; Dietz/Bofinger, KHG, BPflV und Folgerecht, § 6 BPflV 1997 Bemerkung 6 S. 94 f.). Sie deckt sich auch mit der von Anfang an vom Bundesministerium für Gesundheit vertretenen Auffassung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Fundstellen
Haufe-Index 886245 |
NVwZ-RR 2003, 510 |