Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorzeitiger Eintritt in den Ruhestand. Versorgungsabschlag. Leistungsprinzip. “überlange” Dienstzeit. maximal erreichbares Ruhegehalt. Versorgungsabschlag bei Beamten mit “überlanger” Dienstzeit
Leitsatz (amtlich)
Der Versorgungsabschlag ist auch dann mit Verfassungsrecht vereinbar, wenn die individuelle Lebensdienstzeit des Beamten länger ist als die für den Höchstruhegehaltssatz erforderliche Dienstzeit (Fortführung von BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 12.03 – Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 7 und – BVerwG 2 C 20.03 – BVerwGE 120, 154).
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2, 5; BeamtVG § 14 Abs. 3, § 85 Abs. 5
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19.09.2003; Aktenzeichen 2 A 11048/03) |
VG Neustadt a.d. Weinstraße (Urteil vom 12.05.2003; Aktenzeichen 6 K 2588/02) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz von 19. September 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der geborene Kläger wurde als Polizeioberamtsrat mit Vollendung des 63. Lebensjahres auf seinen Antrag in den Ruhestand versetzt. Mit dem angefochtenen Bescheid setzte der Beklagte das Ruhegehalt des Klägers auf 2 765,15 € fest. Dies ist der Betrag, der sich anhand der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und der ruhegehaltfähigen Dienstzeit des Klägers errechnet, gekürzt um den sog. Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 3 BeamtVG in Höhe von 6 v.H.
Die gegen den Versorgungsabschlag gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Minderung der Versorgungsbezüge durch den Versorgungsabschlag verletze nicht den in Art. 33 Abs. 5 GG wurzelnden Anspruch des Klägers auf amtsangemessene Alimentation. Auch das verminderte Ruhegehalt reiche aus, den Lebensunterhalt des Klägers und seiner Familie zu bestreiten. Das Leistungsprinzip erfordere nicht, dass dem Kläger, weil er eine längere als die für das Erreichen des Ruhegehaltssatzes von 75 v.H. erforderliche Lebensdienstzeit zurückgelegt habe, jedenfalls ein diesem Ruhegehaltssatz entsprechender Betrag verbleiben müsse. Das Verbot der rückwirkenden Geltung von Gesetzen sei durch die Einführung des Versorgungsabschlags nicht verletzt.
Der Kläger rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. September 2003 und des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 12. Mai 2003 aufzuheben und den Beklagten unter entsprechender Änderung der Bescheide der Oberfinanzdirektion Koblenz vom 12. März 2002 und vom 21. August 2002 zu verpflichten, die Versorgungsbezüge des Klägers ohne Minderung durch einen Versorgungsabschlag festzusetzen.
Der Beklagte wendet sich gegen die Revision. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht sich dessen Gründe zu Eigen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2, §§ 141, 125 Abs. 1 VwGO) ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgungsbezüge, die nicht um den sog. Versorgungsabschlag gekürzt sind.
Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz – BeamtVG) in der zur Zeit des Eintritts des Klägers in den Ruhestand geltenden Fassung vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926) – BeamtVG a.F. – vermindert sich das Ruhegehalt um 3,6 v.H. für jedes Jahr, um das der Beamte vor Ablauf des Monats, in dem er das 63. Lebensjahr vollendet, nach § 42 Abs. 4 Nr. 1 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechendem Landesrecht in den Ruhestand versetzt wird. Bei einem Beamten, der, wie der Kläger, aus einem bereits am 31. Dezember 1991 bestehenden Beamtenverhältnis nach dem 31. Dezember 2001 in den Ruhestand getreten ist, beträgt der Vomhundertsatz der Minderung nach der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 5 BeamtVG a.F. für jedes Jahr 3 v.H.
Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit, dass der Beklagte das Ruhegehalt des Klägers in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes, insbesondere unter fehlerfreier Anwendung der Vorschrift des § 14 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 85 Abs. 5 BeamtVG a.F. zutreffend festgesetzt hat.
Die in diesen Vorschriften angeordnete Minderung des Ruhegehalts um 6 v.H. steht in Einklang mit der Verfassung. Durch den Versorgungsabschlag wird die Höhe der Versorgungsbezüge auch von dem Lebensalter abhängig gemacht, das der Beamte zu dem Zeitpunkt erreicht hat, ab dem ihm Ruhegehalt gezahlt wird. Dieser Aspekt tritt selbstständig neben die Faktoren, die herkömmlich die Höhe der Versorgungsbezüge bestimmen, nämlich die ruhegehaltfähige Dienstzeit (vgl. § 4 Abs. 1 BeamtVG) und die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (vgl. § 4 Abs. 3 BeamtVG). Der Gesetzgeber hielt bei den Beamten, die auf eigenen Antrag bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand treten, eine Minderung des Ruhegehalts für erforderlich, um die längere Bezugsdauer der Versorgung auszugleichen (vgl. Urteile vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 12.03 – ≪Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 7≫ und – BVerwG 2 C 20.03 – BVerwGE 120, 154, jeweils m.w.N.).
Der Einführung eines zusätzlichen Zeitfaktors, der die Höhe der Versorgungsbezüge an das Lebensalter beim Eintritt in den Ruhestand anknüpft und damit die unterschiedliche Dauer des Bezugs der Leistungen nach versorgungsmathematischen Gesichtspunkten berücksichtigt, steht Art. 33 Abs. 5 GG nicht entgegen. Diese Vorschrift bindet den Gesetzgeber bei der inhaltlichen Gestaltung des Beamtenrechts an die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (vgl. z.B. BVerfGE 8, 1 ≪11≫; 11, 203 ≪210≫). Art. 33 Abs. 5 GG schützt nur den Kernbestand der Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums, die allgemein oder doch überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (vgl. BVerfGE 46, 97 ≪117≫; 58, 68 ≪76 ff.≫; 76, 256 ≪347≫).
Dass dem älteren Dienstrecht für die Berechnung der Versorgungsbezüge der Faktor der voraussichtlichen Bezugsdauer unbekannt war, stand seiner Einführung nicht entgegen. Unter den veränderten rechtlichen und tatsächlichen, insbesondere demografischen Verhältnissen, unter denen Versorgungsbezüge gegenwärtig gezahlt werden, ist der “Zugangsfaktor” geeignet, einen Ausgleich zwischen der Dauer und der Höhe der Alimentierung herbeizuführen. Dabei versteht sich die Alimentation als die zu den hergebrachten Grundsätzen im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG gehörende gesetzlich festzulegende staatliche Gegenleistung des Dienstherrn in Gestalt amtsangemessener Besoldung und Versorgung des Beamten und seiner Familie für die Dienste, die der Beamte in dem auf Lebenszeit angelegten gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnis grundsätzlich unter Einsatz seiner vollen Arbeitskraft im Lebensberuf erbringt. Der vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Dienstleistung und Alimentation besteht nicht mehr fort, wenn der Beamte vorzeitig in den Ruhestand tritt. Die Balance von Leistung und Gegenleistung wird gestört. Scheiden sehr viele Beamte vorzeitig aus dem aktiven Berufsleben aus und beziehen entsprechend länger Ruhegehalt, gerät das Gesamtsystem von Alimentierung der Beamtenschaft einerseits und der von dieser erbrachten Dienstleistung andererseits aus dem Gleichgewicht (BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2004, jeweils a.a.O.). Art. 33 Abs. 5 GG hindert den Gesetzgeber nicht, auf diese rechtlichen und tatsächlichen Veränderungen durch die Modifizierung der Dienstzeitversorgung in der Gestalt der Einführung eines Versorgungsabschlags zu reagieren.
Der Versorgungsabschlag stellt die amtsangemessene Versorgung nicht grundsätzlich in Frage und ist mit dem durch Art. 33 Abs. 2 und Abs. 5 GG gewährleisteten Leistungsprinzip vereinbar.
Wegen des engen Zusammenhangs zwischen Besoldung und Versorgung bleibt auf Grund des Leistungsprinzips zum einen die in der Beförderung eines Beamten liegende Anerkennung seiner Leistung nicht auf die Zeit des aktiven Dienstes beschränkt, sondern wirkt in den Ruhestand hinein: Das Ruhegehalt wird auf das Amt bezogen, das der Versorgungsempfänger zuletzt bekleidet hat, so dass sich auf diese Weise die Qualität der Leistung des Beamten günstig auf die Höhe seiner Versorgungsbezüge auswirkt (BVerfGE 76, 256 ≪324≫). Dieser Zusammenhang erfordert allerdings nicht, dass der Betrag der Versorgungsbezüge auf jeden Fall um einen bestimmten Vomhundertsatz – nach Auffassung des Klägers jedenfalls um mehr als 3,96 v.H. – über den Versorgungsbezügen jedes der nächst niedrigen Versorgungsgruppe angehörenden Beamten mit ebenfalls maximaler ruhegehaltfähiger Dienstzeit liegt. Der im Leistungsprinzip wurzelnde Grundsatz der “amtsangemessenen” Versorgung ist nicht deshalb verletzt, weil durch den Versorgungsabschlag das Ruhegehalt in einem Umfang gemindert sein kann, dass das Leistungsniveau der Versorgung aus niedrigeren Statusämtern unterschritten wird. Zwar ist der Dienstherr verpflichtet, die Versorgungsbezüge des Beamten auf der Grundlage der Dienstbezüge des von dem Beamten zuletzt innegehabten Amtes zu berechnen (vgl. BVerfGE 11, 203 ≪210≫; 14, 30 ≪31≫; 61, 43 ≪58≫; 76, 256 ≪324 f.≫), soweit er nicht günstiger zu stellen ist. Aus dem Grundsatz der amtsangemessenen Versorgung folgt indessen nicht, dass den Beamten höherer Ämter in jedem Falle auch höhere Versorgungsbezüge gewährt werden müssen. Bei unterschiedlichen ruhegehaltfähigen Dienstzeiten waren seit jeher Umkehrungen im Hinblick auf die Versorgung möglich. Der Grundsatz der amtsangemessenen Versorgung fordert vielmehr, dass die an ein höherwertiges Amt anknüpfenden Bezüge im Ruhestand bei ansonsten gleich gelagerten Voraussetzungen ein höheres Niveau erreichen müssen. Deshalb darf der Versorgungsabschlag nicht dazu führen, dass ausschließlich die Bezüge nach bestimmten Ämtern gekappt werden, um die Versorgung zu nivellieren. Diese Verpflichtung lässt der Versorgungsabschlag unberührt (BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2004, jeweils a.a.O.).
Zum anderen verlangt das Leistungsprinzip, dass sich die Länge der aktiven Dienstzeit in der Höhe der Versorgungsbezüge niederschlägt (BVerfGE 76, 256 ≪322≫). Auch diesem Erfordernis läuft die gesetzliche Regelung des Versorgungsabschlags nicht zuwider.
Der Versorgungsabschlag bewirkt nicht, dass ein Teil der aktiven Dienstzeit bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge unberücksichtigt bleibt, sondern besteht in einer Verminderung des – nach Maßgabe der ruhegehaltfähigen Dienstzeit und der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge errechneten – Gesamtbetrages um einen bestimmten Vomhundertsatz. Zwar verringern sich durch den Versorgungsabschlag die Versorgungsbezüge auch solcher Beamter, die, wie der Kläger, eine ruhegehaltfähige Dienstzeit von mehr als 40 Jahren zurückgelegt und damit einen Zeitfaktor erreicht haben, der über den für den Höchstruhegehaltssatz erforderlichen Zeitraum – nach früherem Recht deutlich – hinausgeht. Das Leistungsprinzip steht jedoch einer Minderung der Versorgungsbezüge auch unter diesen Voraussetzungen nicht entgegen. Die Begrenzung der Versorgungsbezüge auf einen Höchstsatz, der unter dem für das zuletzt innegehabte Amt vorgesehenen Besoldungsniveau liegt und auch durch weitere Dienstzeiten nicht erhöht werden kann, ist verfassungsrechtlich zulässig (vgl. BVerfGE 76, 256 ≪332 f.≫).
Eine weitere Einschränkung erfährt das Leistungsprinzip durch das Lebenszeitprinzip, das ebenfalls zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG gehört (vgl. BVerfGE 9, 268 ≪286≫; 71, 255 ≪268≫). Das Berufsbeamtentum und seine Regelungen sind ausgerichtet auf den Lebenszeitbeamten, den Beamten also, dem ein Amt auf Lebenszeit übertragen worden ist. Das Lebenszeitprinzip erfordert allerdings nicht, dass der Beamte bis zu seinem Tod Dienst verrichtet, sondern findet seine Schranke in der Dienstunfähigkeit und der vom Gesetzgeber – nicht notwendigerweise einheitlich für alle Beamten – festzusetzenden gesetzlichen Altersgrenze (BVerfGE 71, 255 ≪268≫). Soweit der Gesetzgeber eine Altersgrenze festlegt, geht er prinzipiell davon aus, dass das Gleichgewicht zwischen Dienstleistung und Versorgung hergestellt ist und deshalb der Höchstruhegehaltssatz erst dann zugrunde gelegt wird, wenn der Beamte diese Altersgrenze erreicht hat. Tritt der Beamte vorzeitig in den Ruhestand, so ist eine Verringerung der Versorgungsbezüge in proportionalem Verhältnis zu der Zeit bis zum Erreichen der Altersgrenze jedenfalls dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn die Versetzung in den Ruhestand auf Gründen beruht, die von einer Dienstbeschädigung unabhängig sind. Auch wenn der Gesetzgeber dem Beamten die Möglichkeit eröffnet, vorzeitig in den Ruhestand zu treten, ist er von Verfassungs wegen nicht gehalten, das Ruhegehalt ausschließlich unter Berücksichtigung des letzten Amtes und der ruhegehaltfähigen Dienstzeit zu ermitteln.
Weil der Absolvierung eines über das Ende der Ruhegehaltsskala hinausreichenden ruhegehaltfähigen Dienstzeit in verfassungskonformer Weise jede Bedeutung für die Versorgung des Beamten genommen ist, fordert Art. 3 Abs. 1 GG nicht, bei einem Beamten mit “überlanger” Dienstzeit die Anwendbarkeit des Versorgungsabschlags auszuschließen, damit er im Ruhestand Bezüge in Höhe eines dem Ruhegehaltshöchstsatz entsprechenden Betrages erhält. Zwischen dem Beamten, der länger gearbeitet hat, als die maximal berücksichtigungsfähige ruhegehaltfähige Dienstzeit beträgt, und dem Beamten, der nur im Umfang dieser Zeit tätig gewesen ist, bestehen in Anbetracht der Geltung des Höchstsatzes für beide keine Unterschiede, die eine differenzierende Behandlung bei der Anwendung des Versorgungsabschlags gebieten (BVerfGE 76, 256 ≪332 f.≫).
Der Versorgungsabschlag ist kein “Eingriff in ein erdientes Ruhegehalt”. Bis zu dem leistungsauslösenden Ereignis hat der Beamte keine gefestigte versorgungsrechtliche Position erlangt (BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2004, jeweils a.a.O. sowie Urteil vom 23. April 1998 – BVerwG 2 C 2.98 – ≪Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 4 S. 3≫). Er besitzt keinen Anspruch darauf, dass der rechnerisch bereits erreichte Ruhegehaltssatz in jedem Fall gewahrt bleibt oder dass die ruhegehaltfähige Dienstzeit nicht durch einen anderen Zeitfaktor relativiert wird. Vielmehr besteht während des aktiven Dienstes nur eine Anwartschaft auf die amtsangemessene Versorgung nach den zum Zeitpunkt des Versorgungsfalles geltenden “verfassungsgemäßen” Regelungen.
Der Versorgungsabschlag, den der Kläger in Höhe von 6 v.H. des Ruhegehalts hinzunehmen hat, verletzt nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder das Übermaßverbot. Zwar wirkt sich der Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 3 BeamtVG auf die Gesamtheit der Versorgungsbezüge aus, die der Beamte nach Eintritt in den Ruhestand erhält. Der Versorgungsabschlag ist indessen keine Sanktion für ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten und hat nicht den Charakter einer Straf- oder Disziplinarmaßnahme. Er tritt auch unabhängig davon ein, ob der Betroffene aus eigenem Entschluss vorzeitig in den Ruhestand tritt. Vielmehr liegt es in der Zielsetzung des Versorgungsabschlags, unabhängig von solchen individuellen Bedingungen allein die längere Dauer des Bezuges von Versorgungsleistungen jedenfalls dann auszugleichen, wenn die Gründe für den vorzeitigen Ruhestand nicht aus der Sphäre des Dienstherrn herrühren. Der Versorgungsabschlag ist auch prinzipiell geeignet, Anreize für eine vorzeitige Pensionierung und den Anstieg der Ausgaben zur Finanzierung der anwachsenden Versorgungslasten zu mindern.
Die Einführung des Versorgungsabschlags verstößt weder gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot noch gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2004, jeweils a.a.O.). Eine echte Rückwirkung kommt der mit Wirkung ab dem 1. Januar 2001 (vgl. Art. 6 des Gesetzes zur Neuordnung der Versorgungsabschläge vom 19. Dezember 2000 ≪BGBl I S. 1786≫) eingefügten Neufassung des § 14 Abs. 3 BeamtVG nicht zu. Die Regelung hat nicht die Rechtslage für die Zeit vor dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens, sondern ausschließlich mit Wirkung für die Zeit danach geändert: Erst ab dem 1. Januar 2001 verminderten sich die Versorgungsbezüge “unter Beachtung der Übergangsregelung des § 85 Abs. 5 BeamtVG” um 3,6 v.H. für jedes Jahr zusätzlich unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 BeamtVG. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger noch im aktiven Dienst und hatte noch keinerlei Versorgungsansprüche.
Die im Vergleich zu der Rechtslage, die bei Begründung des Beamtenverhältnisses bestand, dem Beamten ungünstige Änderung des Beamtenversorgungsrechts ist verfassungsrechtlich zulässig. Dem Gesetzgeber ist es möglich, Normen, die in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anknüpfen, zu erlassen und unter Änderung der künftigen Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte Gegebenheiten mit einer Änderung seines Normenwerkes zu reagieren und durch eine solche Änderung bestimmte soziale Gegebenheiten zu beeinflussen (vgl. BVerfGE 76, 256 ≪347 f.≫ m.w.N.). Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes, der im Bereich des Beamtenversorgungsrechts durch Art. 33 Abs. 5 GG seine besondere Ausprägung erfahren hat, garantiert nicht das Fortbestehen der Rechtslage, die der Betroffene beim Eintritt in das Beamtenverhältnis vorgefunden hat. Änderungen der bisherigen Rechtslage waren und sind nicht nur zu Gunsten, sondern auch zu Lasten der Beamten zulässig. Sie müssen deshalb auch damit rechnen, dass sich ihre Gesamtversorgung ändern kann (BVerfGE 76, 256 ≪359≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Groepper, Dr. Bayer, Dr. Heitz
Fundstellen
Haufe-Index 1369200 |
ZBR 2006, 166 |
ZTR 2005, 500 |
DÖD 2006, 30 |
DÖV 2005, 781 |
RiA 2005, 189 |
NPA 2006, 0 |
Städtetag 2005, 47 |