Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiträge, Erhebung von – für Besuch von Kindertagesstätten. Kindertagesstätte, Teilnahmebeiträge. Tageseinrichtung i.S.v. § 22 SGB VIII, Kosten für den Besuch. Teilnahmebeiträge für Kindertagesstätte. Zuständigkeit für die Erhebung von Teilnahmebeiträgen in Kindertagesstätten
Leitsatz (amtlich)
§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII stellt eine unmittelbare Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Teilnahmebeiträgen für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (§ 22 SGB VIII) dar.
Ist der Träger der Tageseinrichtung ein Träger der freien Jugendhilfe, so kann nur er Teilnahmebeiträge erheben.
Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist dagegen zu entscheiden befugt, inwieweit er einen vom Träger der freien Jugendhilfe geforderten Teilnahmebeitrag und damit Kosten für den Besuch der Kindertagesstätte unter Berücksichtigung zumutbarer Belastung der Eltern übernimmt (§ 90 Abs. 3 und 4 SGB VIII).
Normenkette
SGB VIII F. 1990 § 90
Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 21.07.1995; Aktenzeichen Bf IV 9/94) |
VG Hamburg (Urteil vom 09.02.1994; Aktenzeichen 8 VG 41/93) |
Tenor
Das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Juli 1995 wird aufgehoben, soweit es das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 9. Februar 1994, den Bescheid der Beklagten vom 9. März 1992 und den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 1992 auch insoweit aufgehoben hat, als darin die Entscheidung den Klägern gegenüber enthalten ist, daß die Beklagte von den Kosten der Tagesheimunterbringung nicht mehr als den 293 DM übersteigenden Betrag übernimmt. Insoweit wird die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 9. Februar 1994 zurückgewiesen.
Soweit das Berufungsurteil den Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 1992 betrifft, wird es aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Hamburgische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Rechtsstreits bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Kläger, für die Unterbringung ihres Sohnes in einer Kindertagesstätte im Zeitraum vom 1. Februar 1992 bis 28. Februar 1993 einen Beitrag zu entrichten.
Die Beklagte gewährte dem 1988 geborenen Sohn der Kläger seit 1989 Jugendhilfe für den Besuch von Kindertagesstätten. Entsprechend ihrer Verwaltungspraxis setzte sie in den Bewilligungsbescheiden auch die Beiträge fest, mit denen sich die Eltern an den Unterbringungskosten zu beteiligen hatten, wobei die Zahlung an den jeweiligen Träger der Tageseinrichtung erfolgen sollte. Solange sich die festgesetzten Beiträge auf 60 DM monatlich beliefen, wurden sie von den Klägern unbeanstandet gezahlt. Anfang 1992 wechselte der Sohn in die Kindertagesstätte des privaten Trägers „B. e.V.”. Zu dieser Zeit nahm der Kläger zu 2 nach abgeschlossenem Studium eine Berufstätigkeit auf. Vor dem Hintergrund der verbesserten Einkommenssituation der Kläger setzte die Beklagte mit Bescheiden vom 9. März 1992 und vom 7. Dezember 1992 höhere Beiträge fest, ab 1. Februar 1992 monatlich 293 DM, für Juli 1992 347 DM und von August 1992 bis einschließlich Februar 1993 monatlich 413 DM. Berechnungsgrundlage war die sogenannte Fachliche Weisung der Beklagten. Danach war gemäß § 90 SGB VIII und entsprechend §§ 76 ff. BSHG das nach zulässigem Abzug von Belastungen über der Einkommensgrenze liegende Einkommen zu ermitteln und davon 22 % – höchstens 700 DM – als zumutbaren Beitrag anzusetzen.
Die Kläger legten gegen beide Bescheide Widerspruch bezüglich der Beitragsfestsetzung ein, weil es hierfür ihrer Ansicht nach keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage gebe. Der Widerspruch gegen den ersten Bescheid wurde von der Beklagten zurückgewiesen, der Widerspruch gegen den zweiten Bescheid blieb unbeschieden, nachdem die Kläger hierzu hilfsweise auch die konkrete Berechnung der Beklagten mit der Begründung angefochten hatten, die Klägerin zu 1 beziehe seit dem 21. November 1992 kein reguläres Einkommen mehr, sondern nur noch zunächst Mutterschafts- und danach Erziehungsgeld.
Das Verwaltungsgericht hat die gegen den ersten Bescheid gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Oberverwaltungsgericht (NVwZ-RR 1996, 580) unter Einbeziehung des zweiten Bescheides das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Bescheide der Beklagten aufgehoben, soweit sie die Beitragsfestsetzung betrafen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
§ 90 SGB VIII sei als Ermächtigungsgrundlage zu unbestimmt. Die Beitrags- und Gebührenregelung unterliege einem umfassenden Landesrechtsvorbehalt. Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß sich der Landesrechtsvorbehalt dem Wortlaut des § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII zufolge nur auf die Staffelung der Beiträge beziehe, weil gerade die Berechnung der Beklagten eine solche Staffelung beinhalte. Die Beklagte habe sowohl dem Wortlaut als auch der Sache nach unzulässige „Kostenbeiträge” erhoben, die nach dem Inkrafttreten des SGB VIII nur noch für die in § 91 SGB VIII genannten Hilfen vorgesehen seien, während § 90 SGB VIII nur die Erhebung von Teilnahmebeiträgen bzw. Gebühren zulasse. Auch auf Landesrecht lasse sich die Beitragserhebung nicht stützen, weil § 11 AGJWG nach Wegfall des JWG funktionslos geworden und außer Kraft getreten sei und das Teilnahmebeitragsgesetz vom 7. Dezember 1994 nicht die zurückliegenden Fälle erfasse.
Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, daß § 90 SGB VIII als Ermächtigungsgrundlage anzusehen sei.
Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und führen ergänzend aus, daß nicht die Beklagte, sondern allenfalls die Kindertagesstätte „Belle e.V.” zur Ermessensausübung berechtigt gewesen sei.
Der Oberbundesanwalt schließt sich der Auffassung des Berufungsgerichts an.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision der Beklagten hat in dem im Tenor bezeichneten Umfang Erfolg. Die vollständige Aufhebung der Bescheide der Beklagten durch das Berufungsgericht verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 26. Juni 1990 (BGBl I S. 1163, 1166) können für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen Teilnahmebeiträge oder Gebühren erhoben werden. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, es bedürfe zur Festsetzung von Teilnahmebeiträgen oder Gebühren zusätzlich einer landesrechtlichen Regelung. Vielmehr rechtfertigt § 90 SGB VIII deren Festsetzung unmittelbar. Der Landesrechtsvorbehalt in § 26 SGB VIII spricht, anders als das Berufungsgericht meint, nicht dagegen, § 90 SGB VIII als ausreichende Ermächtigungsgrundlage anzusehen. § 26 SGB VIII enthält einen Landesrechtsvorbehalt allein dahin, das Nähere über Inhalt und Umfang der im Zweiten Kapitel, Dritter Abschnitt des Achten Buches Sozialgesetzbuch geregelten Aufgaben regele das Landesrecht. Dem kann ein allgemeiner Landesrechtsvorbehalt zu den bundesrechtlichen Bestimmungen zur Beteiligung an den Kosten im Achten Kapitel des Achten Buches Sozialgesetzbuch nicht entnommen werden (vgl. die speziellen Landesrechtsvorbehalte dort, z.B. § 90 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, § 91 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). § 90 SGB VIII enthält seinerseits besondere Landesrechtsvorbehalte zu einzelnen Aspekten, die einen Rückgriff auf einen allgemeinen, weitergehenden Landesrechtsvorbehalt ausschließen. Der spezielle Landesrechtsvorbehalt in § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII macht nicht die Festsetzung von Teilnahmebeiträgen oder Gebühren insgesamt von Landesrecht abhängig, sondern eröffnet Landesrecht nur die Möglichkeit, auf die Gestaltung der bereits kraft § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zulässigen Festsetzung von Teilnahmebeiträgen oder Gebühren Einfluß zu nehmen.
Der Senat teilt auch nicht die Ansicht des Berufungsgerichts, daß es der Ermächtigung in § 90 SGB VIII an der erforderlichen Bestimmtheit fehle. Denn bereits aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben nach § 90 SGB VIII, also auch dann, wenn von der Möglichkeit landesrechtlicher Regelungen nach § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII kein Gebrauch gemacht wird, sind normativ ausreichend Kriterien bestimmt, nach welchen die Höhe von Teilnahmebeiträgen oder Gebühren zu bemessen ist. Das gleichgeordnete Nebeneinander der Begriffe „Teilnahmebeiträge” und „Gebühren” sowie ihre gemeinsame Abhängigkeit von der Inanspruchnahme von Leistungen der Jugendhilfe in § 90 SGB VIII lassen erkennen, daß sie nicht den Begriffen der „Beiträge” einerseits und der „Gebühren” andererseits im allgemein abgabenrechtlichen Sinne entsprechen. Entscheidend für die Bemessung der Teilnahmebeiträge und Gebühren der Höhe nach ist, daß sie für die Inanspruchnahme von Angeboten der Jugendhilfe festgesetzt werden können. Der Inanspruchnahme eines Angebots der Jugendhilfe (hier der Förderung eines Kindes in einer Tageseinrichtung ≪§ 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII≫) steht die Verpflichtung zur finanziellen Beteiligung an den Kosten gegenüber. Zwar sind Teilnahmebeitrag und Gebühr keine volle Gegenleistung, kein volles Entgelt (zur Ausrichtung an der empfangenen Leistung vgl. BVerwG, Beschluß vom 13. April 1994 – BVerwG 8 NB 4.93 – ≪Buchholz 401.84 Nr. 69 = NVwZ 1995, 173/4≫) für die in Anspruch genommene Jugendhilfeleistung; aber sie sind dazu bestimmt, die dafür erforderlichen Kosten mitzutragen. Danach ist für die Bemessung von Teilnahmebeitrag und Gebühr der Höhe nach von Bedeutung, in welcher Höhe durch die Jugendhilfeleistung Kosten entstehen, die nicht bereits durch institutionelle Förderung – freier wie öffentlicher Jugendhilfe – gedeckt sind. Dabei kann und muß gegebenenfalls nach weiteren kostenrelevanten Gesichtspunkten, z.B. Ganztages- oder Halbtagesplatz, Gruppengröße, Betreuungs- und Beschäftigungsintensität, differenziert werden. Bei der Festsetzung ist auch zu beachten, welche Bedeutung dem jeweiligen Jugendhilfeangebot zukommt, für dessen Inanspruchnahme der Teilnahmebeitrag oder die Gebühr bestimmt ist. Je stärker das öffentliche Interesse an der Inanspruchnahme von bestimmten Jugendhilfeangeboten ist, desto weniger sollte die Höhe der Teilnahmebeiträge oder Gebühren von der tatsächlichen Inanspruchnahme abhängen. Allerdings sind für die Festsetzung der Teilnahmebeitrags- oder Gebührenhöhe nur solche Umstände maßgeblich, die die Jugendhilfeleistung selbst betreffen. Dagegen ist bei der Festsetzung der Teilnahmebeitrags- oder Gebührenhöhe nicht die individuelle Leistungsfähigkeit der Pflichtigen zu berücksichtigen; die Teilnahme- beitrags- oder Gebührenhöhe ist für die Inanspruchnahme gleicher Jugendhilfeleistungen gleich. Die Frage, ob und inwieweit die Belastung im Einzelfall zumutbar ist, stellt sich erst, wenn der Teilnahmebeitrag oder die Gebühr der Höhe nach feststeht und nach § 90 Abs. 2 oder 3 SGB VIII in Verbindung mit § 90 Abs. 4 SGB VIII zu entscheiden ist, ob der Teilnahmebeitrag oder die Gebühr erlassen oder übernommen werden kann (§ 90 Abs. 2 SGB VIII) bzw. soll (§ 90 Abs. 3 SGB VIII).
Gleichwohl stellt sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen teilweise als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Beklagten fehlt nämlich als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe die Befugnis, Teilnahmebeiträge für den Besuch der Tageseinrichtung eines Trägers der freien Jugendhilfe festzusetzen und zu erheben. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 90 SGB VIII, seiner Stellung im System des Achten Kapitels des Achten Buches Sozialgesetzbuch sowie der in § 90 SGB VIII selbst angelegten Systematik.
Nach der Systematik des Gesetzes ist die Kostenbeteiligung für die in § 90 SGB VIII bezeichnete Inanspruchnahme von Angeboten dort abschließend geregelt. Die Regelungen in § 90 SGB VIII einerseits und §§ 91 bis 93 SGB VIII andererseits beruhen auf unterschiedlichen Konzeptionen. Nach §§ 91 bis 93 SGB VIII trägt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kosten der in § 91 SGB VIII genannten Leistungen und anderen Aufgaben und erhebt dafür Kostenbeiträge. Für die Erhebung der Kostenbeiträge ist also nicht entscheidend, wer die Jugendhilfeleistung (selbst) erbringt, sondern wer die Kosten der Jugendhilfeleistung trägt. Nach § 90 SGB VIII hingegen ist Anknüpfungspunkt für den Teilnahmebeitrag oder die Gebühr die Inanspruchnahme des Angebots der (freien oder öffentlichen) Jugendhilfe, hier die Teilnahme an der Tageseinrichtung. Der Teilnahmebeitrag oder die Gebühr stellt im Falle des § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII eine Art Entgelt oder Gegenleistung (wobei damit noch nichts zu deren Höhe gesagt ist) für die Förderung des Kindes in der Tageseinrichtung dar. Dieser Zielrichtung entsprechend steht sie dem Träger der Tageseinrichtung zu, in dem das Kind gefördert wird, und ist von ihm zu erheben. Also ermächtigt § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII den öffentlichen Träger zur Festsetzung von Teilnahmebeiträgen oder Gebühren nur für die Inanspruchnahme seiner eigenen Einrichtungen, nicht aber für die Inanspruchnahme der Einrichtungen von Trägern der freien Jugendhilfe.
Die unterschiedlichen Konzeptionen der Kostenbeteiligungsregelungen in § 90 SGB VIII einerseits und §§ 91 bis 93 SGB VIII andererseits erweisen sich auch bei der (Höhen-)Festsetzung der Teilnahmebeiträge oder Gebühren einerseits und der Bemessung der Kostenbeiträge nach §§ 91 ff. SGB VIII andererseits. Dabei wird insbesondere erkennbar, daß zwar die Zumutbarkeit der Belastung für beide Kostenbeteiligungsregelungen bedeutsam, aber auf je verschiedenen Stufen zu berücksichtigen ist.
Ausgangspunkt für die Bemessung des Kostenbeitrags nach §§ 91 ff. SGB VIII sind zunächst die konkreten, für eine bestimmte Jugendhilfeleistung vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe getragenen Kosten. Zugleich, d.h. unmittelbar bei der Bemessung des Kostenbeitrags nach §§ 91 ff. SGB VIII, ist aber auch zu prüfen, ob dem Kostenbeitragspflichtigen die Kostenbelastung zumutbar ist. Der Kostenbeitrag nach §§ 91 ff. SGB VIII wird sogleich und nur in der Höhe bemessen und festgesetzt, die dem Kostenbeitragspflichtigen zumutbar ist.
Anders ist es bei der Festsetzung von Teilnahmebeiträgen oder Gebühren nach § 90 SGB VIII. Ausgangspunkt für die Festsetzung von Teilnahmebeiträgen oder Gebühren sind die einem Träger durch die (Inanspruchnahme des Angebotes der) Förderung von Kindern in seiner Tageseinrichtung entstehenden Kosten. Diese sind insoweit konkret, als sie z.B. nach § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII das konkrete Förderungsangebot für Kinder in Tageseinrichtungen erfassen – zum Beispiel einen Halbtagesplatz oder einen Ganztagesplatz –, nicht aber so konkret, daß sie zugeschnitten auf den Individualfall festgesetzt werden. Institutionelle Förderung einer bestimmten Tageseinrichtung eines freien Trägers durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe bewirkt, daß sie in ihrem Umfang die eigenen Aufwendungen des Einrichtungsträgers, die Grundlage der Teilnahmebeiträge oder Gebühren sind, verringert. In welcher Höhe und nach welchen Kriterien nun der Einrichtungsträger die Teilnahmebeiträge oder Gebühren auch festsetzen mag und darf, ihre Festsetzung ist jedenfalls nicht davon abhängig, inwieweit den einzelnen Teilnahme- beitrags- oder Gebührenpflichtigen eine Belastung zumutbar ist. Die Frage der konkret-individuellen Zumutbarkeit der Kostenbeteiligung ist nach § 90 SGB VIII kein Gesichtspunkt, der bereits bei der Festsetzung der Teilnahmebeiträge oder Gebühren berücksichtigt werden dürfte. Die konkret-individuelle Zumutbarkeit der Kostenbeteiligung ist im Rahmen des § 90 SGB VIII erst für die Frage des Erlasses oder der Übernahme eines Teilnahmebeitrages oder einer Gebühr nach § 90 Abs. 2, 3 und 4 SGB VIII von Bedeutung. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß nach § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII Landesrecht für die Inanspruchnahme von Tageseinrichtungen für Kinder pauschale Beträge festsetzen und diese nach Einkommensgruppen oder Kinderzahl staffeln kann. Diese nach Landesrecht mögliche Differenzierung bereits bei der Festsetzung der Teilnahmebeiträge oder Gebühren beruht zwar auch auf Zumutbarkeitsgesichtspunkten, berücksichtigt aber nur ein Grobraster nach Einkommensgruppen bzw. Kinderzahl und schließt eine der Festsetzung von (danach gestaffelten) Teilnahmebeiträgen und Gebühren nachfolgende, konkret-individuelle Zumutbarkeitsprüfung mit der Folge nach § 90 Abs. 2, 3 und 4 SGB VIII nicht aus.
Gerade die der Festsetzung der Teilnahmebeiträge oder Gebühren nach § 90 Abs. 1 SGB VIII erst folgende, also von ihr getrennte Prüfung und Berücksichtigung der konkret-individuellen Zumutbarkeit der Belastung für den Teilnahme- beitrags- oder Gebührenpflichtigen zeigt, daß die Festsetzung der Teilnahmebeiträge oder Gebühren nicht immer dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe zusteht. Andernfalls ließe sich die Unterscheidung in § 90 Abs. 2 und 3 SGB VIII, daß der Teilnahmebeitrag oder die Gebühr „erlassen oder vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernommen werden” kann bzw. soll, nicht erklären. Sinnvoll ist diese Unterscheidung nur dann, wenn die Festsetzung der Teilnahmebeiträge oder Gebühren jeweils dem in Anspruch genommenen Jugendhilfeträger zukommt, im Falle des § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII also dem Träger der Tageseinrichtung. Denn während der in § 90 Abs. 2 und 3 SGB VIII geregelte Erlaß von dem Jugendhilfeträger erklärt werden kann bzw. soll, der den Teilnahmebeitrag oder die Gebühr festgesetzt hat, setzt die in § 90 Abs. 2 und 3 SGB VIII ebenfalls vorgesehene Übernahme durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe voraus, daß der Teilnahmebeitrag oder die Gebühr nicht von diesem, sondern von einem anderen Träger festgesetzt und nicht erlassen worden ist. Nach alledem kommt auf der Grundlage des § 90 SGB VIII eine Erhebung von Teilnahmebeiträgen oder Gebühren durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur bei Inanspruchnahme seiner eigenen Einrichtungen in Betracht. Ebensowenig können nach der für das Revisionsgericht maßgebenden Entscheidung des Berufungsgerichts zum Bestehen und Inhalt von Landesrecht (§ 173 VwGO, § 562 ZPO, § 137 Abs. 1 VwGO) die streitgegenständlichen Bescheide auch nicht auf § 11 AGJWG oder das Hamburgische Teilnahmebeitragsgesetz vom 7. Dezember 1994 gestützt werden.
Der Umstand, daß die Beklagte nicht befugt war, selbst einen Teilnahmebeitrag oder eine Gebühr festzusetzen, führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide insgesamt. Denn der Sache nach enthalten sie nicht nur das Teilnahmebeitrags- bzw. Gebührenverlangen, sondern auch einerseits einen begünstigenden Teil insoweit, als die Beklagte darin bestimmt, daß sie als Träger der öffentlichen Jugendhilfe die den monatlichen Betrag von 293 DM (in den Monaten Februar 1992 bis Juni 1992), 347 DM (im Juli 1992) bzw. 413 DM (in den Monaten August 1992 bis Februar 1993) übersteigenden Kosten für den Besuch der Kindertagesstätte übernehme, sowie andererseits einen nicht begünstigenden Teil insoweit, als die Beklagte darin bestimmt, daß sie als Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur in dieser Höhe Jugendhilfe leiste, also eine weitergehende Kostenübernahme und damit auch eine weitergehende Übernahme eines gegebenenfalls vom freien Träger der Kindertagesstätte von den Klägern geforderten Teilnahmebeitrags unter Berücksichtigung zumutbarer Belastung (§ 90 Abs. 3 und 4 SGB VIII) ablehne. Insoweit, also in bezug auf die nur begrenzte Kostenübernahme (§ 90 Abs. 3 SGB VIII), war die Beklagte zur Entscheidung zuständig.
Die nur begrenzte, also den Betrag von monatlich 293 DM nicht einschließende Kostenübernahme im Bescheid vom 9. März 1992 verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Soweit die Kläger einen Gleichheitsverstoß darin sehen, daß sie entsprechend ihrem monatlichen Einkommen herangezogen würden, das auf das Jahr gesehen Schwankungen unterliege, während bei Selbständigen das sich aus dem Steuerbescheid ergebende Jahreseinkommen Berechnungsgrundlage sei, ist dem entgegenzuhalten, daß die Kostenübernahme bei einer Änderung des monatlichen Verdienstes entsprechend angepaßt wird. Auch der Vortrag, daß der Steuerbescheid anders als die Verdienstbescheinigung nur das reine Nettoeinkommen enthalte, vermag einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht zu begründen, weil sich aus § 76 BSHG und der dazu ergangenen Verordnung ergibt, was von den jeweiligen Einkommen abzusetzen ist. Es führt auch zu keiner Benachteiligung der Kläger, daß Ansparungen für die Anschaffung von Hausrat im Gegensatz zur Kreditaufnahme für denselben Zweck nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden. Insofern verkennen die Kläger, daß § 84 Abs. 2 BSHG nur finanzielle Notlagen vermeiden soll.
In bezug auf den Bescheid vom 7. Dezember 1992, der im Berufungsrechtszug zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist, war die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hatte ausgehend von seiner Rechtsauffassung, daß diesem Bescheid bereits eine Rechtsgrundlage fehle, keinen Anlaß zu prüfen, ob der Bescheid bei ausreichender Rechtsgrundlage in seinen einzelnen Festsetzungen rechtmäßig wäre. Da die Beklagte aber befugt ist, darüber zu entscheiden, inwieweit sie als Träger öffentlicher Jugendhilfe einen gegebenenfalls vom freien Träger der Kindertagesstätte von den Klägern geforderten Teilnahmebeitrag und damit Kosten für den Besuch der Kindertagesstätte unter Berücksichtigung zumutbarer Belastung der Eltern übernimmt (§ 90 Abs. 3 und 4 SGB VIII), müssen in der Tatsacheninstanz noch die Einwendungen der Kläger gegen den Bescheid vom 7. Dezember 1992 im einzelnen geprüft werden, um zu ermitteln, ab welcher Höhe es gerechtfertigt war, eine weitergehende Übernahme von Teilnahmebeiträgen und damit von Kosten für den Besuch der Kindertagesstätte abzulehnen. So haben die Kläger in ihrem Widerspruchsschreiben vom 16. Dezember 1992 gegen den Bescheid vom 7. Dezember 1992 vorgetragen, daß die Klägerin „seit dem 21.11.1992 bis acht Wochen nach der Entbindung, voraussichtlicher Termin 05.01.1993 Mutterschaftsgeld in gesetzlicher Höhe und anschließend lediglich Erziehungsgeld in Höhe von DM 600 monatlich” erhalte, während die Beklagte in ihren Berechnungen zum Bescheid vom 7. Dezember 1992 von Einkommen der Klägerin in der Zeit ab August 1992 in Höhe von 2 314,59 DM ausging.
Die Kostenentscheidung war insgesamt der Schlußentscheidung vorzubehalten.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke
Fundstellen
ZfJ 1998, 434 |
ZfSH/SGB 1998, 736 |
DVBl. 1997, 1438 |
Jugendhilfe 1998, 250 |