Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsabschlag. Teilzeitbeschäftigung. Diskriminierungsverbot
Leitsatz (amtlich)
Auf Grund des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots entfällt der Versorgungsabschlag alten Rechts für Zeiten ab dem 17. Mai 1990 bei Anwendung der degressiven Ruhegehaltstabelle auf teilzeitbeschäftigte Beamte (wie Urteil vom heutigen Tage BVerwG 2 C 6.04).
Normenkette
GG Art. 3; EG Art. 141; Richtlinie 75/117/EWG; BeamtVG § 14 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1987, § 85 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
VG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.03.2004; Aktenzeichen 9 E 6192/00(2)) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2004 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin war seit dem 23. August 1971 Beamtin im Dienste des beklagten Landes. Ab dem 1. August 1981 bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 31. Januar 2000 war sie teilzeitbeschäftigt oder beurlaubt. Ihre Versorgungsbezüge setzte der Beklagte unter Berücksichtigung des Versorgungsabschlags alten Rechts mit 52,18 v.H. ihrer ruhegehaltfähigen Dienstbezüge fest.
Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, dass die Berücksichtigung des Versorgungsabschlags wegen Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung gegen Art. 3 Abs. 1 GG und gegen das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 Abs. 1 EGV verstoße; der Ruhegehaltssatz müsse auf 57,94 v.H. festgesetzt werden.
Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und die Frage der Vereinbarkeit der beamtenversorgungsrechtlichen Vorschriften mit Gemeinschaftsrecht dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Mit Urteil vom 23. Oktober 2003 (Rs. C-4/02 und C-5/02) ist über die Vorlagefragen entschieden worden. Sodann hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, das Ruhegehalt der Klägerin nach einem Ruhegehaltssatz von 57,94 v.H. festzusetzen, und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Regelungen über den so genannten Versorgungsabschlag bei Teilzeitbeschäftigten nach der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1, 2. und 3. Halbsatz BeamtVG a.F. bewirkten eine unzulässige mittelbare Diskriminierung von Beamtinnen. Sie seien mit Art. 141 EG und der Richtlinie 75/117/EWG unvereinbar und müssten bei der Berechnung des Ruhegehaltssatzes unberücksichtigt bleiben. Art. 141 EG enthalte eine in den Mitgliedsstaaten unmittelbar anwendbare Rechtsvorschrift, hinter der nationales Recht in der Anwendung insoweit zurücktreten müsste, wie es zur Realisierung des Verbotes jeder mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung im Bereich der Gewährung von Entgelt für geleistete Arbeit erforderlich sei. Entsprechendes folge aus der Richtlinie 75/117/EWG. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei das System der Beamtenversorgung in Deutschland dem Geltungsbereich des Art. 141 EG zuzuordnen. Von dem so genannten Versorgungsabschlag seien prozentual weitaus mehr Frauen als Männer betroffen, da diese prozentual weitaus häufiger teilzeitbeschäftigt seien. Nach früherem Recht werde die Teilzeitbeschäftigung nicht nur durch Kürzung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit entsprechend dem Umfang der verringerten Arbeitszeit, sondern darüber hinaus durch einen Versorgungsabschlag berücksichtigt. Diese weitere Kürzung könne nicht mit fiskalischen Erwägungen oder aus anderen Gründen objektiv gerechtfertigt werden. Allerdings könne nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die unmittelbare Wirkung von Art. 119 EGV/Art. 141 EG für Leistungen, die auf Grund von Beschäftigungszeiten vor dem 17. Mai 1990 geschuldet worden seien, grundsätzlich nicht geltend gemacht werden, es sei denn, die oder der betroffene Beschäftigte hätte bereits vor diesem Zeitpunkt nach innerstaatlichem Recht Klage erhoben oder einen anderen möglichen Rechtsbehelf eingelegt. Zwar habe die Klägerin vor dem 17. Mai 1990 kein Rechtsbehelfsverfahren eingeleitet. Dennoch habe die Klage Erfolg, da keine Möglichkeit bestehe, Zeiträume der Teilzeitbeschäftigung in unterschiedlicher, nach Zeiträumen differenzierender Weise zu gewichten. Auf der Grundlage der anzuwendenden Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes erweise es sich als schlechterdings unmöglich, den Anwendungsvorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts zur Vermeidung einer durch die Vorschriften bewirkten mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts beschränkt auf die Zeiträume einer Teilzeitbeschäftigung der Klägerin nach dem 17. Mai 1990 zur Geltung zu bringen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene und mit Zustimmung der Klägerin eingelegte Sprungrevision des Beklagten. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist im Ergebnis zutreffend. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass bei der Berechnung ihrer Versorgungsbezüge ein Ruhegehaltssatz von 57,94 v.H. berücksichtigt wird.
Das Beamtenverhältnis, aus dem die Klägerin in den Ruhestand getreten ist, hatte bereits am 31. Dezember 1991 bestanden. Die Klägerin ist vor dem 1. Januar 2002 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten. Deshalb ist der Ruhegehaltssatz nach der zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin in den Ruhestand geltenden, durch Art. 1 Nr. 34 des BeamtVGÄndG vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2218) eingefügten Übergangsregelung des § 85 BeamtVG zu ermitteln. Die Berechnung erfolgt auf Grund eines Vergleichs zwischen drei verschiedenen Rechengrößen, nämlich
Ruhegehaltssatz gemäß der linearen Ruhegehaltstabelle nach „neuem” (am 1. Februar 2000 geltendem) Recht:
ruhegehaltfähige Dienstzeit von 25,23 Jahren (unstreitig) × 1,875 v.H. = 47,31 v.H.;
Ruhegehaltssatz gemäß der Mischberechnung nach § 85 Abs. 1 BeamtVG:
ruhegehaltfähige Dienstzeit bis 31. Dezember 1991 von (aufgerundet) 19 Jahren:
erste 10 Jahre - |
35 v.H. |
weitere 9 Jahre (bis 31. Dezember 1991) × 2 v.H. - |
18 v.H. |
|
53 v.H. |
Dienstzeit ab 1. Januar 1992 - 4,94 Jahre (x 1 v.H.) = |
4,94 v.H. |
|
57,94 v.H. |
3. Ruhegehaltssatz gemäß der Berechnung nach altem Recht (§ 85 Abs. 3 BeamtVG): 52,18 v.H.
unter Berücksichtigung des Versorgungsabschlags alten Rechts nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG (vgl. Fassung vom 12. Februar 1987, BGBl I S. 570).
Gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG wird der so ermittelte Ruhegehaltssatz zugrunde gelegt, wenn er höher ist als der Ruhegehaltssatz, der sich nach neuem Recht für die gesamte ruhegehaltfähige Dienstzeit ergibt; allerdings darf dieser Ruhegehaltssatz gemäß § 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG den Ruhegehaltssatz, der sich nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht ergäbe, nicht übersteigen. Danach würde früheres Recht den Ruhegehaltssatz auf 52,18 v.H. begrenzen. Somit wäre der so genannte Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. auf Grund der Begrenzungswirkung alten Rechts eine maßgebende Rechengröße.
Nach den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts ist das Ruhegehalt der Klägerin jedoch für die Zeit ab dem 17. Mai 1990 ohne Berücksichtigung des Versorgungsabschlags festzusetzen. In seinem Urteil vom 23. Oktober 2003 – Rs. C-4/02, Schönheit, und Rs. C-5/02, Becker – Slg. I – 2003, 12575, das auf den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Verfahren ergangen ist, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ausgeführt:
„73 Somit ist … festzustellen, dass Bestimmungen wie diejenigen, um die es im Ausgangsverfahren geht, zu einer Diskriminierung weiblicher Arbeitnehmer gegenüber männlichen Arbeitnehmern führen können, die gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit verstößt, es sei denn, diese Bestimmungen sind durch Faktoren objektiv gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben …
84 In diesem Zusammenhang ist sogleich darauf hinzuweisen, dass der Zweck, die öffentlichen Ausgaben zu begrenzen, auf den sich die Behörden dem vorlegenden Gericht zufolge bei der Einführung des Versorgungsabschlags in das nationale Recht berufen haben, nicht mit Erfolg zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts angeführt werden kann …
89 Aus den Vorlagebeschlüssen geht hervor, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Versorgungsabschlag in Fällen der Teilzeitbeschäftigung und der Beurlaubung ohne Dienstbezüge zu einer proportionalen Kürzung des Ruhegehalts führt und daher keine mittelbare Diskriminierung darstellt, die gegen den vom Gemeinschaftsrecht gewährleisteten Grundsatz des gleichen Entgelts für männliche und weibliche Arbeitnehmer verstößt. Eine solche Minderung sei vielmehr insofern sachlich gerechtfertigt, als in diesem Fall die Versorgung einer geminderten Dienstleistung entspreche.
90 Dazu ist zunächst zu sagen, dass das Gemeinschaftsrecht, wie der Generalanwalt in Nummer 102 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, einer zeitanteiligen Berechnung des Ruhegehalts bei Teilzeitbeschäftigung nicht entgegensteht …
93 Dagegen kann eine Maßnahme, die bewirkt, dass das Ruhegehalt eines Arbeitnehmers stärker als unter proportionaler Berücksichtigung seiner Zeiten der Teilzeitbeschäftigung gekürzt wird, nicht dadurch als objektiv gerechtfertigt angesehen werden, dass in diesem Fall das Ruhegehalt einer geminderten Arbeitsleistung entspreche …
95 Dieses Ergebnis kann keine Rechtfertigung in dem von der deutschen Regierung angeführten Argument finden, dass ein solcher Versorgungsabschlag durch den Zweck gerechtfertigt sei, im System der degressiven Ruhegehaltsskala eine Gleichbehandlung der teilzeit- und der vollzeitbeschäftigten Beamten zu gewährleisten.
96 Mit dem Versorgungsabschlag kann dieses Ziel nämlich nicht erreicht werden. Wie sich aus den Nummern 60 bis 63 und 100 der Schlussanträge des Generalanwalts ergibt, kann in einem Fall, in dem ein teilzeitbeschäftigter und ein vollzeitbeschäftigter Beamter während ihrer gesamten Laufbahn insgesamt die gleiche Zahl Dienststunden abgeleistet haben, die Anwendung der Versorgungsabschlagsregelung auf Ersteren zur Zuweisung eines niedrigeren Ruhegehaltssatzes führen, als Letzterem nach § 14 BeamtVG a. F. zugewiesen würde. Tatsächlich hatte die Einführung des Versorgungsabschlags zur Folge, dass für einen solchen teilzeitbeschäftigten Beamten die Vorteile aus der degressiven Ruhegehaltsskala verringert wurden, während vollzeitbeschäftigte Beamte weiterhin in den Genuss dieser Vorteile kamen, insbesondere wenn sie das Ruhegehalt nach den ersten Zeiten ihres Dienstes, die zu höheren jährlichen Ruhegehaltsansprüchen als in den folgenden Jahren führten, in Anspruch nahmen …”
Diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bindet den erkennenden Senat. Nach ständiger Rechtsprechung kommt den Rechtsakten des Gemeinschaftsrechts im Falle eines Widerspruchs zu innerstaatlichem Gesetzesrecht auch vor deutschen Gerichten der Anwendungsvorrang zu (vgl. BVerfGE 75, 223, 244 f.; BVerfGE 85, 191, 204). Kollidiert also Gemeinschaftsrecht mit nationalem Recht, so muss das nationale Gericht den Normenkonflikt lösen und dabei den Vorrang des Gemeinschaftsrechts beachten. Dies gilt sowohl für das primäre als auch für das sekundäre Gemeinschaftsrecht (vgl. BVerfGE 85, 191, 205). Ein Widerspruch zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht durch die mangelhafte Umsetzung einer Richtlinie führt dazu, dass sich der Betroffene gegenüber den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar auf die Richtlinie berufen kann, sofern diese klar und unbedingt ist und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsaktes mehr bedarf (vgl. BVerfGE 75, 223, 237 ff.; BVerfGE 85, 191, 205). Die Autorität, das Gemeinschaftsrecht authentisch und abschließend zu interpretieren, kommt ausschließlich dem Europäischen Gerichtshof zu. Der Normenkonflikt zwischen Art. 141 EG sowie der Richtlinie 75/117/EWG einerseits und § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F., den der Europäische Gerichtshof aufgezeigt hat, kann nur so gelöst werden, dass die frühere, noch übergangsweise geltende Regelung über den Versorgungsabschlag bei Teilzeitbeschäftigung nicht anzuwenden ist.
Die durch den Versorgungsabschlag bewirkte mittelbare Diskriminierung ist nicht deshalb zulässig, weil sie durch objektive Faktoren bzw. Gründe gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun haben. Solche Rechtfertigungsgründe liegen vor, wenn die gewählten Mittel einem legitimen Ziel der Sozialpolitik des Mitgliedsstaates dienen und zur Erreichung dieses Zieles geeignet und erforderlich sind. Dies festzustellen, ist Sache des nationalen Gerichts, das für die Beurteilung des Sachverhalts und die Auslegung des innerstaatlichen Rechts allein zuständig ist.
Wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshofs bereits zutreffend ausgeführt hat, vermögen fiskalische Erwägungen eine mittelbare Diskriminierung nicht zu rechtfertigen. Damit ist die Begründung des Bundesrats, die für die Einführung des Versorgungsabschlags angeführt worden ist, nicht geeignet, die weitere Minderung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit zu rechtfertigen. Danach sollten nämlich die durch Erweiterung der Beurlaubungs- und Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten unmittelbar entstehenden Mehrkosten durch die Einführung von Abschlägen bei der Versorgung für alle Fälle einer verminderten Dienstleistung aufgefangen werden (vgl. BTDrucks 10/930 S. 2).
Die Erwägung des erkennenden Senats, dass der Versorgungsabschlag einen dem Versorgungssystem immanenten Korrekturmechanismus darstellt, mit dem eine auf der früheren degressiven Ruhegehaltstabelle beruhende vergleichsweise Besserstellung der teilzeitbeschäftigten Beamten habe vermieden werden sollen (vgl. Urteile vom 23. April 1998 – BVerwG 2 C 2.98 – Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 4; vom 11. März 1999 – BVerwG 2 C 18.98 – Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 5 und vom 22. Juli 1999 – BVerwG 2 C 19.98 – Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 6), hat der Europäische Gerichtshof ebenfalls nicht als Rechtfertigungsgrund anerkannt. Nach der für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts allein maßgebenden Auffassung des Europäischen Gerichtshofs kommt es im Hinblick auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit nur auf den Vergleich der Arbeitszeit an. Danach ist unerheblich, dass ein teilzeitbeschäftigter Beamter von dem hohen Ruhegehaltssatz für die ersten 10 Jahre (35 v.H.) weitaus häufiger profitiert hat als ein vollzeitbeschäftigter Beamter, der die dreifache Arbeitszeit (30 Jahre) bewältigen musste, um einen doppelt so hohen Ruhegehaltssatz zu erreichen.
Eine Rechtfertigung der mittelbaren Diskriminierung ergäbe sich ebenfalls dann nicht, wenn der Versorgungsabschlag früheren Rechts einer Kürzung des Ruhegehaltssatzes nach dem gleichen Verhältniswert entspräche, nach dem das neue Versorgungsrecht die Teilzeitbeschäftigung im Verhältnis zur Vollzeitbeschäftigung bewertet. Eine Versorgungsregelung, die das Diskriminierungsverbot verletzt, ist nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil sie als solche mit sonstigem höherrangigem Recht im Einklang steht. Die frühere Ungleichbehandlung wird auch nicht durch die präsente Gleichbehandlung der Teilzeitbeschäftigung und der Vollzeitbeschäftigung auf Grund der linearen Versorgungstabelle neuen Rechts nachträglich legitimiert. Dass das neue Recht die proportionale Schlechterstellung der Teilzeitbeschäftigten nach altem Recht im Ergebnis – wenn auch nicht mittels eines „Versorgungsabschlags” – perpetuiert und dieses „System” nunmehr ebenfalls auf die Vollzeitbeschäftigten erstreckt, so dass beide Gruppen im Vergleich zum früheren Recht in gleicher Weise schlechter gestellt sind, verschafft der (vormaligen) Diskriminierung keinen legitimierenden Grund. Der Vergleich zwischen den Gruppen der Teilzeit- und der Vollzeitbeschäftigten kann zeitlich nur aus horizontaler Sicht angestellt werden. Die Ungleichbehandlung in der Vergangenheit wird nicht dadurch beseitigt, dass der Gesetzgeber für spätere Zeiträume Regelungen schafft, die dem Gleichbehandlungsgebot entsprechen, ohne für die Vergangenheit die Ungleichbehandlung zu kompensieren.
Allerdings beschränkt sich der Vorrang des Gemeinschaftsrechts auf die Zeit ab dem 17. Mai 1990. In dem Urteil vom 23. Oktober 2003 (a.a.O.) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ausgeführt:
„100 … gemäß dem Urteil Barber (kann) die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EG-Vertrag zur Stützung der Forderung nach Gleichbehandlung auf dem Gebiet der betrieblichen Renten nur für Leistungen geltend gemacht werden, die aufgrund von Beschäftigungszeiten nach dem 17. Mai 1990 – des Datums des Erlasses des Urteils Barber – geschuldet werden, vorbehaltlich der Ausnahme, die für Arbeitnehmer oder deren anspruchsberechtigte Angehörige vorgesehen ist, die vor diesem Zeitpunkt nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt haben …”
Da der Normenkonflikt zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht erst seit dem 17. Mai 1990 besteht, sind die Verwaltungsgerichte nicht berechtigt, § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. für die Zeit vor diesem Datum unberücksichtigt zu lassen. Nur wenn das Bundesverfassungsgericht die bis zu diesem Zeitpunkt europarechtskonforme gesetzliche Regelung für nichtig erklärt, ist sie nicht mehr anzuwenden.
Unzutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich auf der Grundlage der anzuwendenden Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes „als schlechterdings unmöglich” erweise, den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zur Vermeidung einer durch die Vorschriften bewirkten mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts beschränkt auf die Zeiträume einer Teilzeitbeschäftigung der Klägerin nach dem 17. Mai 1990 zur Geltung zu bringen. Vielmehr ist es rechtlich möglich und nach den gesetzlichen Vorgaben geboten, den von der Klägerin bis zum 17. Mai 1990 erreichten Ruhegehaltssatz nach altem Recht unter Berücksichtigung des Versorgungsabschlags zu ermitteln und den Ruhegehaltssatz für die Zeit danach wie bei einem vollzeitbeschäftigten Beamten zu berechnen.
Im vorliegenden Falle führt diese Berechnung im Ergebnis jedoch nicht zu einer Änderung des erstinstanzlichen Urteils, da bereits der für die Zeit bis zum 17. Mai 1990 unter Berücksichtigung des Versorgungsabschlags alten Rechts und für die Zeit danach ohne einen solchen Versorgungsabschlag ermittelte Wert höher ist als der Wert, der sich auf Grund der „Mischberechnung” nach § 85 Abs. 1 BeamtVG ergibt. Er würde sich noch weiter erhöhen, wenn der Versorgungsabschlag auch für die Zeit vor dem 17. Mai 1990 nicht berücksichtigt werden dürfte, ohne dass dies Auswirkungen auf das maßgebliche Ergebnis der „Mischberechnung” hätte. Deshalb ist es vorliegend unerheblich, ob der Versorgungsabschlag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. für die Zeit vor dem 17. Mai 1990 mit Art. 3 GG vereinbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Groepper, Dr. Bayer, Dr. Heitz
Fundstellen
Haufe-Index 1386327 |
ZTR 2005, 666 |
RiA 2006, 84 |
DVBl. 2005, 1148 |
Städtetag 2005, 38 |