Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf eines Investitionsvorrangbescheid. Berechtigter. Wertersatz. Erlösauskehr. Abtretung. Rückabtretung. Form. Formbedürftigkeit. Beurkundung, notarielle. Bedingung
Leitsatz (amtlich)
Mit der Abtretung des Anspruchs auf Wertersatz nach § 16 InVorG verliert der Anmelder eines Restitutionsanspruchs die Stellung als Berechtigter, die für den Antrag auf Widerruf des Investitionsvorrangbescheids Voraussetzung ist.
Die Abtretung des Anspruchs auf Erlösauskehr bedarf nicht der notariellen Beurkundung.
Normenkette
InVorG § 4 Abs. 5, § 15 Abs. 1 S. 2; InVorG § 16; VermG § 3 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
VG Magdeburg (Urteil vom 11.12.2001; Aktenzeichen 5 A 763/00) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 11. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt den Widerruf eines Investitionsvorrangbescheides zugunsten des Beigeladenen zu 1.
Mit Investitionsvorrangbescheid vom 13. Dezember 1993 gestattete die Beklagte den Verkauf des Grundstücks T. 22 und 22a in A., Grundbuch-Blatt 1394, Flur 63, Flurstück 105/1, für das der Kläger mit Schreiben vom 27. September 1990 die Rückübertragung beantragt hatte, an den Beigeladenen zu 1 für einen investiven Zweck. Der notarielle Kaufvertrag wurde am 11. Februar 1994 geschlossen und der Beigeladene zu 1 am 25. August 1994 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Die zunächst bis zum Ablauf des 31. Dezember 1995 festgesetzte Frist zur Durchführung des Vorhabens wurde zuletzt bis zum 31. Dezember 2000 verlängert.
Mit Vereinbarung vom 14. August 1994 trat der Kläger seine Ansprüche auf Auszahlung des Wertersatzes in Höhe von 26 700 DM für das von dem Investitionsvorrangbescheid betroffene Grundstück unwiderruflich an die Beigeladenen zu 2 in Höhe von 3 500 DM und an die Beigeladene zu 3 in Höhe von 23 200 DM ab.
Mit Bescheid vom 10. November 1994, in dem die Beigeladenen zu 2 und 3 als Antragsteller zu 2 und 1 bezeichnet werden, lehnte der Landkreis Aschersleben-Staßfurt – Amt zur Regelung offener Vermögensfragen – den Antrag auf Rückübertragung des Grundstücks ab und stellte fest, dass die Antragsteller zu 1 und 2 Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes sind. Gleichzeitig wurde der Beklagten als Verfügungsberechtigte aufgegeben, den bei dem Verkauf des Grundstücks an den Beigeladenen zu 1 erhaltenen Kaufpreis in Höhe von 3 500 DM an die Beigeladenen zu 2 und in Höhe von 23 200 DM an die Beigeladene zu 3 zu zahlen. In den Gründen des Bescheides wird die Abtretungsvereinbarung des Klägers mit den Beigeladenen zu 2 und 3 als Bestandteil des Feststellungsbescheides bezeichnet. Der Kaufpreis wurde mit Auszahlungsanordnung vom 23. Januar 1995 an die Beigeladenen zu 2 und 3 ausgezahlt.
Mit Schreiben vom 25. August 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Hinweis darauf, dass der Beigeladene zu 1 die Bedingungen aus dem Investitionsvorrangbescheid nicht erfüllt habe, gemäß § 15 InVorG den Widerruf des Bescheides. Unter dem 27. Juni 2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil der Kläger nach Abtretung seiner Ansprüche auf Auszahlung des Wertersatzes nicht mehr antragsberechtigt im Sinn des § 15 Abs. 1 Satz 2 InVorG sei und im Übrigen der Beigeladene zu 1 das Investitionsvorhaben nachhaltig begonnen habe. Den Widerspruch des Klägers wies der Landrat des Landkreises Aschersleben-Staßfurt mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2000 zurück.
Mit Urteil vom 11. Dezember 2001 hat das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Klage als unzulässig abgewiesen. Der Kläger sei nicht klagebefugt, weil ihm die Antragsbefugnis nach § 15 Abs. 1 Satz 2 InVorG fehle. Die Abtretung vom 14. August 1994 führe dazu, dass der Kläger ohne Mitwirkung der Zessionare keine Rechte mehr geltend machen könne, die auf den Bestand der Forderung einwirkten. An der Formwirksamkeit der Abtretung beständen keine Zweifel. Die notarielle Beurkundung sehe § 3 Abs. 1 Satz 2 VermG nur für die Übertragung von Ansprüchen auf Rückübertragung eines Grundstücks, Gebäudes oder Unternehmens vor. Der Anspruch auf Auskehr des Erlöses falle nicht darunter. Die Abtretung sei auch nicht unwirksam, weil sie unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung erfolgt sei. Der Umstand, dass der Bestand eines Erlösauskehranspruchs von dem Bestand der investiven Veräußerung abhänge, sei keine echte Bedingung, sondern eine Rechtsbedingung, die darin bestehe, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs vorliegen müssten. Auch die Rückabtretungsvereinbarung vom 6. Juni 2001 führe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt dazu, dass der Kläger durch sie die ihm fehlende Antragsbefugnis nach § 15 Abs. 1 Satz 2 InVorG erlangt habe. Da der Zahlungsanspruch durch Erfüllung erloschen sei, könne er nicht mehr Gegenstand einer (Rück-)Abtretung sein. Im Übrigen bedürfe die Rückübertragung der Form des § 3 Abs. 1 Satz 2 VermG, wenn sie nach dem Willen der Beteiligten durch Übertragung der vermögensrechtlichen Berechtigung die Voraussetzungen dafür schaffen solle, dass ein Grundstück an den Berechtigten restituiert werden könne.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Bundesrechts und der Aufklärungspflicht. Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 11. Dezember 2001 sowie der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2000 und der Widerspruchsbescheid des Landrates des Landkreises Aschersleben-Staßfurt vom 7. November 2000 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, den zugunsten des Beigeladenen zu 1 unter dem 13. Dezember 1993 erteilten Investitionsvorrangbescheid für das Grundstück T. 22 und 22a in A. zu widerrufen.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 1 treten dem angefochtenen Urteil bei. Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das angegriffene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht.
Der Kläger ist nicht antragsbefugt im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 InVorG und damit nicht klagebefugt. Mit der Abtretung seines Anspruchs auf Wertersatz an die Beigeladenen zu 2 und 3 am 14. August 1994 hat er seine Stellung als Berechtigter im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 InVorG verloren.
Zwar war der Kläger ursprünglich Berechtigter, weil er als Anmelder ohne die Durchführung des besonderen Investitionszwecks die Rückübertragung des Grundstücks nach dem Vermögensgesetz hätte verlangen können (vgl. § 16 Abs. 6 Satz 1 InVorG). Die von ihm beantragte Rückübertragung des Grundstücks T. 22 und 22a in A. ist infolge der investiven Veräußerung unmöglich geworden. Das Verwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass an die Stelle des ursprünglichen Rückübertragungsanspruchs gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG der Anspruch auf Auskehr des Erlöses als Surrogat getreten ist (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. November 1995 – BVerwG 7 B 390.95 – Buchholz 428.1 § 16 InVorG Nr. 1; vom 13. Mai 1996 – BVerwG 7 B 125.96 – Buchholz 428.1 § 16 InVorG Nr. 2; vom 16. Juli 1996 – BVerwG 7 B 75.96 – Buchholz 428.1 § 16 InVorG Nr. 3; Urteil vom 27. November 2002 – BVerwG 8 C 35.01 – Buchholz 428.1 § 16 InVorG Nr. 8). Diesen Anspruch auf Erlösauskehr hat der Kläger aber an die Beigeladenen zu 2 und 3 abgetreten.
Da der Restitutionsanspruch bereits untergegangen war (vgl. Beschluss vom 13. Mai 1996 – BVerwG 7 B 125.96 – a.a.O.), liegt in der Abtretung des Anspruchs auf Auskehr des Wertersatzes die Abtretung sämtlicher dem Kläger noch zustehender vermögensrechtlicher Rechtspositionen. Der Kläger kann insoweit nicht mit dem Argument gehört werden, er habe nur den Anspruch auf Auszahlung des Geldes abgetreten. Durch die Surrogatwirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG hatte er keine weitergehende Rechtsposition als den Anspruch auf Auszahlung des Geldes. Die Stellung als (materiell) Berechtigter, die er behalten haben will, kann von dem Anspruch auf Auszahlung des Geldes nicht getrennt werden, weil sie gemäß § 16 Abs. 1 InVorG Voraussetzung des Erlösauskehranspruchs und dieser damit an die Berechtigtenstellung gebunden ist.
Darüber hinaus geht bei einer Abtretung grundsätzlich die gesamte Forderung einschließlich unselbständiger Neben- und Folgerechte über (vgl. MünchKommBGB/Roth, § 398 Rn. 62). Die zivilrechtlichen Vorschriften sind in Ermangelung spezieller Regelungen auf die Abtretung öffentlich-rechtlicher Forderungen entsprechend anwendbar (vgl. Säcker-Busche, § 3 VermG Rn. 23; MünchKommBGB/Roth § 398 Rn. 9; s.a. BGH ZIP 1995, 1698/1699). Die Rechte des Klägers sind mit der Abtretung deshalb ersatzlos entfallen (vgl. Urteil vom 6. April 1995 – BVerwG 7 C 10.94 – Buchholz 428.1 § 4 InVorG Nr. 4 S. 13).
Die Abtretung war wirksam. Insbesondere bedurfte sie nicht der notariellen Beurkundung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 3. Teilsatz VermG. Bei dem abgetretenen Anspruch auf Erlösauskehr handelt es sich nicht um einen Anspruch, der auf Rückübertragung eines Grundstücks, Gebäudes oder Unternehmens gerichtet ist. Sind Gegenstand der Abtretung nicht Rückübertragungs-, sondern lediglich Entschädigungsansprüche, greift die Beurkundungspflicht nicht (vgl. Wasmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, B 100 § 3 VermG Rn. 71; Redeker/Hirtschulz/Tank, in: Fieberg/Reichenbach/ Messerschmidt/Neuhaus, § 3 VermG Rn. 53). Der ursprüngliche Rückübertragungsanspruch ist hier durch die investive Veräußerung untergegangen und durch den Erlösauskehranspruch ersetzt worden. Dieses auf Geldzahlung gerichtete Surrogat fällt schon vom Wortlaut her nicht unter § 3 Abs. 1 Satz 2 3. Teilsatz VermG. Auch die der Einführung der Beurkundungspflicht zugrunde liegende gesetzgeberische Motivation trifft hier nicht zu: Die zunächst formfreie Abtretung wurde für Mehrfachabtretungen missbraucht, um von steigenden Grundstückspreisen zu profitieren. Derartigen Umgehungsgeschäften sollte entgegengewirkt und eine Warnfunktion in Kraft gesetzt werden (amtliche Begründung des Reg. E zum 2. VermRÄndG, BRDrucks 227/92 S. 111; BTDrucks 12/2480, S. 40). Eine solche Schutzbedürftigkeit besteht bei der Abtretung des Anspruchs auf Erlösauskehr, der in seiner Höhe nicht flexibel ist, nicht.
Darüber hinaus stellt die Beurkundungspflicht nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VermG eine Ausnahme gegenüber den allgemeinen Abtretungsvorschriften des BGB dar. Als Ausnahme ist sie restriktiv auszulegen und nicht über den Wortlaut hinaus auszuweiten.
Allein die Möglichkeit, dass der Restitutionsanspruch wieder aufleben könnte, falls der Kläger erfolgreich den Widerruf des Investitionsvorrangbescheides beantragen könnte, macht den Anspruch auf Erlösauskehr nicht zu einem Anspruch auf Rückübertragung eines Grundstücks. Denn zum Zeitpunkt der Abtretung bestand der Restitutionsanspruch nicht – konnte dementsprechend auch nicht abgetreten werden – und es war auch nicht absehbar, ob er wieder aufleben würde.
Die Abtretung des Anspruchs auf Erlösauskehr war auch nicht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 2. Teilsatz VermG unwirksam, weil sie unter einer Bedingung erfolgt wäre. Ob der Erlösauskehranspruch entsteht, wird gemäß § 16 Abs. 1 InVorG durch Bescheid des Amtes oder Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen entschieden. Eine Verknüpfung mit einem – im Zeitpunkt der Fälligkeit des Erlösauskehranspruchs nach § 16 Abs. 1 InVorG gar nicht absehbaren und auch nicht grundsätzlich zu erwartenden – Widerruf des Investitionsvorrangbescheides besteht nicht. Wie das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, ist die Rechtsbedingung, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs vorliegen, keine unzulässige Bedingung im Sinn des § 3 Abs. 1 Satz 2 VermG.
Die Antragsbefugnis des Klägers ergibt sich auch nicht aus der Rückabtretung vom 6. Juni 2001. Mit der Auszahlung des Kaufpreises in Höhe von 26 700 DM durch die Beklagte an die Beigeladenen zu 2 und 3 ist der Anspruch auf Erlösauskehr erloschen. Die (Rück-)Abtretung einer nicht bestehenden Forderung geht ins Leere (vgl. Münch-KommBGB/Roth § 398 Rn. 26).
Die Beigeladenen zu 2 und 3 verfügten über keine weitergehende Rechtsposition, die ggf. noch Gegenstand der Rückabtretungsvereinbarung gewesen sein könnte. Zwar sind sie in dem Bescheid vom 10. November 1994 als Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes festgestellt worden. Für sie ergibt sich daraus aber kein Antragsrecht auf Widerruf des Investitionsvorrangbescheides gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 InVorG, das sie auf den Kläger hätten zurückübertragen können. Denn gemäß § 4 Abs. 5 InVorG sind sie an Verfahren nach dem Investitionsvorranggesetz nicht beteiligt. Ihnen fehlt jedes Recht zur Abwehr des Investitionsvorrangbescheides (vgl. Urteil vom 6. April 1995 – BVerwG 7 C 10.94 – Buchholz 428.1 § 4 InVorG Nr. 4 S. 10), so dass sie ein solches Recht auch nicht an den Kläger (rück-)abtreten konnten.
Auf die Auslegung der Rückabtretungsvereinbarung durch das Verwaltungsgericht, die die Revision mit Verfahrensrügen angegriffen hat, kommt es deshalb nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Müller, Krauß, Golze, Dr. von Heimburg, Neumann
Fundstellen