Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmensrestitution. Unternehmensgesetz. Überprüfung und Anpassung. Liquidation. werbende Tätigkeit. Einstellung des Geschäftsbetriebes. Gesamtvollstreckung. übernommene Verbindlichkeiten. Kaufpreis. Umlaufmittel. Ausgleichsverbindlichkeit. Überkapitalisierung. Teilbarkeit eines Anpassungsantrages. zurückzuzahlenden Gegenleistungen
Leitsatz (amtlich)
Die Liquidation eines nach den Vorschriften des Unternehmensgesetzes der DDR zurückgegebenen Unternehmens steht einem Antrag nach § 6 Abs. 8 VermG auf Überprüfung und Anpassung der Rückgabe an die Bedingungen des Vermögensgesetzes nur insoweit entgegen, als die jeweiligen im Rahmen des Anpassungsbegehrens verfolgten Ansprüche ein werbend tätiges Unternehmen voraussetzen (Weiterführung des Urteils vom 18. Dezember 2002 – BVerwG 8 C 40.01 – Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 52).
Normenkette
VermG § 6 Abs. 1-4, 8; URüV § 1 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 4 S. 3
Verfahrensgang
VG Chemnitz (Urteil vom 13.05.2004; Aktenzeichen 9 K 2324/98) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 13. Mai 2004 wird, soweit die Klage der Klägerin zu 1 auf Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines ihr zustehenden Rückzahlungsanspruchs in Höhe von 685 171,77 DM abgewiesen worden ist, und hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben. In diesem Umfang wird der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Klägerin zu 1, der ein Unternehmen nach den Vorschriften des Unternehmensgesetzes der DDR zurückgegeben worden ist, begehrt – anfangs zusammen mit den Klägern zu 2 und zu 3 – die Anpassung der Unternehmensrückgabe an die Bedingungen des Vermögensgesetzes.
Das Unternehmen, das früher der Heinrich F… KG gehörte, wurde 1972 in Volkseigentum überführt. Gesellschafter der KG waren seinerzeit Charlotte F… zu 35,8 % und der Staat zu 64,2 %. Frau F… bekam eine Entschädigung von insgesamt 42 599 M. Ab 1975 wurde das Unternehmen als VEB T… M…, Werk G…, Produktionsstätte 23 (Gl…), geführt.
Mit einer im April 1990 abgegebenen Umwandlungserklärung wurde das Unternehmen nach den Vorschriften des Unternehmensgesetzes aus dem VEB ausgegliedert und der Klägerin zu 1 übertragen. Diese war zu diesem Zweck u.a. von Charlotte F… und ihren Kindern – den Klägern zu 2 und 3 – gegründet worden. Nach Ziffer 9 der Umwandlungserklärung wurde der staatliche Anteil übernommen und eingelöst. Im Protokoll über die Prüfung der zu übernehmenden Vermögenswerte wurde erklärt, dass aus der Abwicklung gegenüber der Klägerin zu 1 eine Forderung in Höhe von 1 370 343,55 M bestehe. Diese Forderung wurde in der Folgezeit beglichen. Die Klägerin zu 1 wurde im Juni 1990 in das Handelsregister eingetragen.
Unter dem 18. November 1991 stellte der Verfahrensbevollmächtigte der Kläger “Namens und in Vollmacht der Berechtigten” einen Antrag auf Anpassung der Rückgabe des Unternehmens nach § 6 Abs. 8 des Vermögensgesetzes – VermG – i.V.m. § 14 Abs. 2 der Unternehmensrückgabeverordnung – URüV –. Diesen Antrag beschränkte er später darauf festzustellen, dass eine Rückzahlungsverpflichtung nach § 8 URüV nicht in Betracht komme, die staatliche Beteiligung nach § 16 URüV abzuwickeln und – soweit “in diesem Zusammenhang erforderlich” – die DM-Eröffnungsbilanz zu berichtigen sei. Die Umstände der Unternehmensrückgabe, die einem Unternehmensrückkauf gleichgekommen sei, müssten überprüft werden. Die Forderung von 1 370 343,55 M müsse rückgängig gemacht werden.
Auf einen entsprechenden Hinweis des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen beantragte Charlotte F… im August 1993 zusätzlich, ihre Berechtigung im Hinblick auf das Unternehmen der Heinrich F… KG festzustellen, damit sie sich mit der Beigeladenen über die Rückgabe des Unternehmens auf der Grundlage des Vermögensgesetzes gütlich einigen könne. Daraufhin stellte das Landesamt mit Bescheid vom 1. November 1993 fest, dass die Heinrich F… KG i.L. rückgabeberechtigt nach § 6 Abs. 1a VermG und die Rückübertragung des Unternehmens auf die Klägerin zu 1 gemäß Vereinbarung vom 10. April 1990 mit Wirkung ab dem 1. Juli 1990 wirksam sei; Gesellschafter der Berechtigten seien Charlotte F… mit 35,8 % und die Beigeladene mit 64,2 %. Das Landesamt setzte das Rückübertragungsverfahren zum Zwecke der gütlichen Einigung vorläufig aus.
Im Jahre 1994 verstarb Charlotte F… und wurde von den Klägern zu 2 und 3 beerbt. Am 21. Oktober 1997 wurde von Amts wegen im Handelsregister eingetragen, dass die Klägerin zu 1 gemäß § 57 D-Markbilanzgesetz als aufgelöst gelte und die Kläger zu 2 und 3 Liquidatoren seien.
Nachdem eine gütliche Einigung mit der Beigeladenen gescheitert war, weil diese nicht bereit war, den von der Klägerin zu 1 entrichteten Betrag von 1 370 343,55 M zurückzuzahlen, erließ das Landesamt unter dem 3. November 1998 einen Bescheid, mit dem – unter 1. – die staatliche Beteiligung der Beigeladenen an der ehemaligen Heinrich F… KG gelöscht wurde und – unter 2. – die Kläger zu 2 und 3 verpflichtet wurden, 44 300 DM sowie – unter 3. – den 1972 erhaltenen Ablösebetrag in Höhe von umgerechnet 21 299,50 DM an die Beigeladene zurückzahlen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Kläger zu 2 und 3 nach § 6 Abs. 5c Satz 2 VermG die Löschung der staatlichen Beteiligung verlangen könnten und daher die beim Erwerb der Beteiligung erbrachte Einlage oder Vergütung nach Umrechnung in Höhe von 44 300 DM zurückzahlen müssten. Dasselbe gelte nach § 8 Abs. 1 URüV für den wegen der Schädigung zugeflossenen Geldbetrag. Im Übrigen hätten die Kläger zu 2 und 3 kein zusätzliches Kapital in das Unternehmen eingebracht. Der zurückgeforderte Betrag sei nicht nach vermögensrechtlichen Vorschriften zu erstatten; es habe sich um Aufwendungen im normalen Geschäftsbetrieb gehandelt.
Dagegen haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheides und die Verpflichtung des Beklagten begehrt haben, ihren Anspruch auf Rückzahlung des umstrittenen Betrages in Höhe von 1 370 343,55 M, umgerechnet 685 171,77 DM, auf der Grundlage einer Überprüfung der Unternehmensrückgabe nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes festzustellen. Sie haben sich im Wesentlichen darauf berufen, dass das Unternehmen der Sache nach zurückgekauft worden sei. Hinsichtlich der vormaligen staatlichen Beteiligung müsse nach § 6 Abs. 5c VermG i.V.m. § 16 URüV verfahren werden.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt: Die in Ziffer 2 des Bescheides ausgesprochene Rückzahlungsverpflichtung ergebe sich unmittelbar aus § 6 Abs. 5c Satz 3 VermG. Diese Verpflichtung scheitere auch nicht daran, dass unstreitig ein Betrag von 1 370 343,55 M entrichtet worden sei. Hierbei handele es sich nach dem Vortrag der Kläger um Zahlungen für die Übernahme von Umlaufmittelbeständen. Dass mit diesem Betrag auch die Rückzahlung der staatlichen Beteiligung abgegolten worden sei, sei daher nicht anzunehmen. Die Kläger könnten auch nicht die Verpflichtung des Beklagten verlangen, die Rückgabe des Unternehmens nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes zu überprüfen und festzustellen, dass sie einen Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Betrages in Höhe von 1 370 343,55 M hätten. Ein solcher Anspruch ergebe sich zunächst nicht aus § 6 Abs. 8 VermG. Wenn ein Unternehmen wie das der Klägerin zu 1 seine werbende Tätigkeit endgültig eingestellt habe, bleibe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein Raum für eine Überprüfung und Anpassung an das Vermögensgesetz. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung mit dem Zweck der Ausgleichszahlungen nach § 6 Abs. 2 und 4 VermG begründe, ergebe sich für den vorliegenden Fall keine andere Wertung; denn der Anspruch nach § 6 Abs. 8 VermG habe keine Wiedergutmachungsfunktion, sondern solle die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens erhalten. Im Übrigen stehe dieser Anspruch nur dem umgewandelten Unternehmen zu, so dass die Kläger zu 2 und 3 ohnehin nicht antragsberechtigt seien. Ein Anspruch auf Rückzahlung des begehrten Betrages ergebe sich auch nicht aus § 6 Abs. 6 Satz 1 VermG; denn die Kläger hätten ihren Antrag auf eine Überprüfung und Anpassung beschränkt mit der Folge, dass über einen Antrag auf Rückgabe nach § 6 Abs. 6 VermG nicht zu entscheiden gewesen sei. Darüber hinaus bestehe der Anspruch aber auch der Sache nach nicht, weil sowohl die Berechtigung der ehemaligen Heinrich F… KG als auch die Wirksamkeit der Umwandlung des Unternehmens durch die Vereinbarung vom 10. April 1990 bestandskräftig festgestellt worden seien.
Mit ihrer durch den Senat zugelassenen Revision verfolgt nur noch die Klägerin zu 1 (im Folgenden: die Klägerin) ihr Begehren weiter, das sie – wie sie in der Revisionsverhandlung klargestellt hat – auf die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung einer Rückzahlungsverpflichtung in Höhe von 685 171,77 DM beschränkt. Sie steht auf dem Standpunkt, dass die Liquidation des Unternehmensträgers einer Anpassung nach § 6 Abs. 8 VermG nur insoweit entgegenstehe, als es um Leistungen gehe, welche die Überlebensfähigkeit des Unternehmens sichern sollten. Im Übrigen vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und beruft sich für ihren Rückzahlungsanspruch auf § 14 Abs. 4 Satz 3 URüV.
Der Beklagte erwidert: Falls § 6 Abs. 8 VermG einen grundsätzlichen Anspruch auf Gleichbehandlung mit vermögensrechtlichen Rückgaben begründe, müsse zunächst geklärt werden, wofür der von der Klägerin zurückverlangte Betrag tatsächlich gezahlt worden sei. Sollte es sich um die Zahlung von Verbindlichkeiten gehandelt haben, wofür eine entsprechende Ausweisung in der Übergangsbilanz spreche, stehe die Klägerin nicht schlechter als bei einer Rückgabe nach den Bestimmungen des Vermögensgesetzes. Danach müsse das Unternehmen übernommen werden, wie es stehe und liege, also auch mit den bestehenden Verbindlichkeiten. Falls es sich um eine Leistung auf Ausgleich einer Überkapitalisierung im Sinne des § 19 Abs. 3 des Unternehmensgesetzes gehandelt haben sollte, stünde der Klägerin allenfalls ein Betrag zu, der in der Differenz zwischen der nach § 19 Abs. 3 Unternehmensgesetz zu erbringenden Leistung und des nach § 6 Abs. 3 VermG zum Zeitpunkt der Rückgabe des Unternehmens zu leistenden Ausgleichs bestanden habe. Ansonsten komme als Rechtsgrundlage für einen Rückgewähranspruch nur noch § 14 Abs. 4 Satz 3 URüV in Betracht, wonach Gegenleistungen des Berechtigten zurückzugewähren seien. Nach der Begründung dieser Vorschrift seien unter Gegenleistungen jedoch nur solche zu verstehen, welche bei dem Übergang des Unternehmens in Volkseigentum an den Alteigentümer geflossen seien. Eine unmittelbare Anwendbarkeit auf einen für die Unternehmensrückgabe geforderten Kaufpreis scheide demnach aus. Im Übrigen sei klärungsbedürftig, inwieweit dem gezahlten Betrag eine Gegenleistung gegenüber gestanden habe, die die Klägerin auch bei einer vermögensgesetzlichen Rückgabe nicht unentgeltlich hätte verlangen können.
Die Beigeladene teilt den Standpunkt der Klägerin, dass die Liquidation des Unternehmensträgers eine Anpassung nach § 6 Abs. 8 VermG nicht in jeder Hinsicht ausschließe. Sie hält die Klage jedoch nach wie vor für abweisungsreif, weil sich den Bilanzen entnehmen lasse, dass mit dem umstrittenen Betrag Verbindlichkeiten erfüllt worden seien, die auch bei einer vermögensrechtlichen Rückübertragung hätten übernommen werden müssen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht; denn die Auflösung des Trägers des zurückgegebenen Unternehmens schließt die Anwendung des § 6 Abs. 8 VermG nicht in jeder Hinsicht aus. Dies führt nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO im Umfang des Revisionsantrages zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht, weil die bisher festgestellten Tatsachen nicht ausreichen, um abschließend über den mit der Klage verfolgten Anspruch zu entscheiden.
1. Nach § 6 Abs. 8 VermG kann der Berechtigte in den Fällen, in denen ein Unternehmen bereits nach den Vorschriften des Unternehmensgesetzes zurückgegeben worden ist, verlangen, dass die Rückgabe nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes überprüft und an dessen Bedingungen angepasst wird. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sind Ansprüche der Klägerin aufgrund dieser Vorschrift nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil sie sich in Auflösung befindet. Zwar beruft sich das Verwaltungsgericht auf ein Urteil des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2002 – BVerwG 8 C 40.01 – (Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 52). Die Ausführungen dieses Urteils versteht der erkennende Senat jedoch nicht in dem umfassenden Sinn, den sie nach dem der Entscheidung beigegebenen zweiten Leitsatz zu haben scheinen
Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist ein Urteil des erkennenden Senats vom 17. Dezember 1993 – BVerwG 7 C 5.93 – (BVerwGE 95, 1 ≪6≫). Dort ist entschieden worden, dass Ausgleichsansprüche wegen einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögens- oder Ertragslage nach § 6 Abs. 2 und 4 VermG werbend tätigen Unternehmen vorbehalten seien, weil das Ziel dieser Ansprüche, die Überlebensfähigkeit reprivatisierter Unternehmen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen sicherzustellen, nach endgültiger Einstellung des Geschäftsbetriebs nicht mehr erreichbar sei. Der erkennende Senat hat deshalb in einem weiteren Beschluss vom 2. August 2002 – BVerwG 7 B 7.02 – (Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 50) solche Ausgleichsforderungen folgerichtig auch dann ausgeschlossen, wenn sie im Rahmen eines Anpassungsbegehren geltend gemacht werden. Grund des Ausschlusses war also auch hier nicht der Umstand, dass die Leistungen aufgrund eines Anpassungsbegehrens beansprucht wurden, sondern dass sich der mit ihrer Gewährung verfolgte Zweck nicht mehr verwirklichen ließ. Dieser Rechtsprechung und den ihr zugrunde liegenden Erwägungen ist der 8. Senat in seinem Urteil vom 18. Dezember 2002, das ausschließlich solche Ausgleichsansprüche zum Gegenstand hatte und darüber hinaus einen Unternehmensträger betraf, über dessen Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden war, ausdrücklich beigetreten. Er hat allerdings in diesem Zusammenhang und im zweiten Leitsatz seiner Entscheidung generell formuliert, dass es keinen Anspruch auf eine Überprüfung und Anpassung nach § 6 Abs. 8 VermG gebe, wenn ein Unternehmen seine werbende Tätigkeit endgültig eingestellt habe. Dies hat er mit dem Argument untermauert, dass eine Anpassung nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der Wertung des § 3b Abs. 1 Satz 2 VermG widerspreche. Die generalisierenden Ausführungen zu § 6 Abs. 8 VermG haben demnach offenbar die besondere Situation eines Unternehmens in der Gesamtvollstreckung im Auge. Weil bei solchen Unternehmen der Restitutionsanspruch nach § 3b Abs. 1 Satz 2 VermG den Regeln der Gesamtvollstreckung unterliegt, will der 8. Senat die Möglichkeit einer Anpassung nach § 6 Abs. 8 VermG vollständig ausschließen, um eine Besserstellung von Berechtigten zu vermeiden, die ihr Unternehmen bereits nach dem Unternehmensgesetz zurückerhalten haben.
Diese Wertung erfasst den Fall einer “bloßen” Liquidation, der hier im Streit steht, nicht. Bei solchen Unternehmen ist es nicht gerechtfertigt, undifferenziert jeglichen Anspruch nach § 6 Abs. 8 VermG zu versagen; denn das erklärte Ziel der Überprüfung und Anpassung nach dieser Vorschrift besteht darin zu vermeiden, dass die Personen, die nach dem Unternehmensgesetz der DDR ihr Eigentum zurückerhalten haben, gegenüber denen, die einen Anspruch nach § 6 VermG erheben können, benachteiligt werden (vgl. BTDrucks 11/7831, S. 8; Bernhardt, in: Räbler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 6 VermG Rn. 254). Diese mit der Anpassung angestrebte Gleichbehandlung kann nur insoweit verweigert werden, als die jeweiligen vermögensgesetzlichen Rückgabebedingungen – wie die in dem Urteil vom 18. Dezember 2002 (a.a.O.) behandelten Ausgleichsleistungen – ein werbendes Unternehmen voraussetzen. Im Übrigen bleibt § 6 Abs. 8 VermG anwendbar; denn der Anpassungsantrag ist teilbar (vgl. § 14 Abs. 2 URüV) und kann sogar nach dem erklärten Willen des Verordnungsgebers auf die Überprüfung einzelner Teile der Rückgabe beschränkt werden (vgl. BRDrucks 283/91 S. 48; Leitfaden Unternehmensrückübertragung des Bundesministers der Justiz vom 8. Dezember 1992, Abschnitt 9.3). Das Argument, für eine Anpassung nach § 6 Abs. 8 VermG sei kein Raum mehr, wenn der Geschäftsbetrieb des Unternehmens eingestellt sei, weil dann in der Sache “nichts mehr anzupassen sei”, trifft demnach nur auf solche Rückgabemodalitäten zu, welche ausschließlich die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sicherstellen wollen, nicht aber auf diejenigen, die durch die Wiedergutmachung geprägt sind und bei deren Anpassung die ausgleichende Gerechtigkeit im Vordergrund steht. Zwar lässt sich nicht von der Hand weisen, dass auch solche Rückgabebedingungen zugleich dem Ziel der Überlebensfähigkeit des Unternehmens verpflichtet sind. Dieses Ziel steht jedoch – anders als bei den einer Subventionierung gleichkommenden Ausgleichsleistungen – nicht so im Vordergrund, dass es den vollständigen Ausschluss der angestrebten Gleichbehandlung rechtfertigen könnte. Auch der Umstand, dass bei dauerhaft nicht mehr werbend tätigen Unternehmen die mit der Überprüfung angestrebte Verbesserung der Rückgabebedingungen nicht mehr dem Unternehmen selbst, sondern nur noch den Gesellschaftern des Unternehmensträgers zugute kommt, steht der Anwendung des § 6 Abs. 8 VermG nicht entgegen; denn die Gesellschafter sind bei einer Unternehmensschädigung regelmäßig die mittelbar und damit die wirtschaftlich Geschädigten, denen gegenüber die Wiedergutmachung durchaus ihren Sinn erfüllt. Schließlich stünde es auch nicht im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers, allein aus Gründen der Verfahrensvereinfachung nicht mehr werbend tätige Unternehmen von einem Anpassungsverlangen auszuschließen, etwa mit der Begründung, dass der Aufwand, einer solchen rechtlichen Neubewertung einer bereits abgeschlossenen Rückübertragung nur dann vertretbar sei, wenn sie im Sinne des “Aufbaus Ost” geeignet sei, die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zu stärken. Eine solche Argumentation würde den Zweck der Anpassung einseitig auf gesamtwirtschaftliche Zwecke reduzieren, ohne dem gesetzlich anerkannten Interesse des Restitutionsberechtigten auf eine Gleichbehandlung mit Rückübertragungen unter Herrschaft des Vermögensgesetzes Rechnung zu tragen.
Die nach einzelnen Rückgabebedingungen differenzierende Betrachtungsweise bedeutet allerdings nicht, dass dem Anpassungsberechtigten ein “Rosinenpicken” in dem Sinne erlaubt wäre, dass er ohne weiteres ihm nachteilige Rückgabebedingungen überprüfen und anpassen und andere gegenüber der vermögensrechtlichen Rückgabe günstigere Regelungen bestehen lassen dürfte; denn damit könnte das Ziel der Gleichbehandlung verfehlt werden. Eine Beschränkung des Anpassungsbegehrens setzt daher selbstverständlich voraus, dass die betroffenen Regelungen abteilbar sind, also nicht in einem inneren Zusammenhang mit anderen Rückgabebedingungen stehen. Soweit ein solcher innerer (thematischer) Zusammenhang reicht, erfasst der Angriff auf eine Einzelregelung notwendigerweise den gesamten Regelungszusammenhang.
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen steht dem Begehren der Klägerin nicht ihre Liquidation entgegen. Der zur Rückzahlung verlangte Betrag hat – anders als die genannten Ausgleichsleistungen nach § 6 Abs. 2 und 4 VermG – keinen zwingenden Bezug zu einer aktuellen werbenden Tätigkeit, sondern bloße Wiedergutmachungsfunktion. Es soll das zurückgezahlt werden, was nach Auffassung der Klägerin aus der Sicht des Vermögensgesetzes zu Unrecht gezahlt worden ist. Zu prüfen bleibt daher, ob der umstrittene Betrag bei einer Rückgabe des Unternehmens nach den Bedingungen des Vermögensgesetzes nicht oder nicht in diesem Umfang hätte entrichtet werden müssen.
Ob und inwieweit eine solche Pflicht bestanden hätte, hängt maßgeblich davon ab, welchen Zweck die Zahlung gehabt hat:
a) Falls der Betrag, wie die Beigeladene behauptet, der Begleichung übernommener Verbindlichkeiten des VEB gedient hat, schiede ein Anpassungsanspruch aus, weil ein Unternehmen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 URüV so zurückzugeben ist, “wie es steht und liegt”, also einschließlich der darauf lastenden Verbindlichkeiten. Ein Korrekturbedarf bestünde daher nicht. Ob die Verbindlichkeiten damals zutreffend ermittelt wurden, wäre ohne Bedeutung.
b) Ebenso wenig gäbe es einen Anpassungsbedarf, wenn – wie die Beigeladene noch im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat – mit dem Geld Warenlieferungen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des reprivatisierten Unternehmens bezahlt worden sind. In diesem Falle hätten die Zahlungen von vornherein keinen Bezug zur Unternehmensrückgabe.
c) Anders verhielte es sich, träfe die Behauptung der Klägerin zu, die Übernahme von Umlaufmitteln sei mit dem Betrag abgegolten worden. Dann hätte es sich in der Tat um einen Kaufpreis für das Unternehmen, nämlich für das dazu gehörende Umlaufvermögen gehandelt. Einen solchen Kaufpreis sieht das Vermögensgesetz nicht vor, so dass eine Rückzahlung des Betrages unabweisbar wäre. Fraglich ist allerdings, ob auch § 14 URüV, der die Einzelheiten der Anpassung regelt, dies vorsieht. Von seiner Rechtsfolge her kommt insoweit allein § 14 Abs. 4 Satz 3 URüV in Betracht, wonach Gegenleistungen des Berechtigten nach Umrechnung in DM zurückzugewähren sind. Zu klären ist daher, ob mit “Gegenleistungen” in diesem Sinne auch Entgelte gemeint sind, die für das übernommene Unternehmen entrichtet worden sind. Nach den Motiven zur Unternehmensrückgabeverordnung regelt die Vorschrift, “in welchem Verhältnis die nach dem Unternehmensgesetz berechneten und vom Berechtigten bereits getilgten Verbindlichkeiten umzurechnen sind” (BRDrucks 283/91, S. 50). Dies könnte – wie der Beklagte meint – darauf hindeuten, dass der Verordnungsgeber unter Gegenleistungen den nach § 19 Abs. 1 Satz 2 des Unternehmensgesetzes zurückgezahlten Ablösungsbetrag für die früheren Kapitaleinlagen oder den rückerstatteten Kaufpreis und allenfalls noch den Kaufpreis für den staatlichen Anteil nach § 19 Abs. 2 des Unternehmensgesetzes verstanden hat. Eine solche Beschränkung der Rückzahlungsverpflichtung würde jedoch dem Sinn des Anpassungsverfahrens gerade in den Fällen nicht gerecht werden, in denen über diese im Unternehmensrecht der DDR vorgesehenen Beträge hinaus ein Kaufpreis entrichtet werden musste. Um dem Zweck des § 6 Abs. 8 VermG Rechnung zu tragen, dem auch § 14 URüV verpflichtet ist, ist es daher geboten, den Begriff “Gegenleistungen” im Einklang mit Bernhardt (a.a.O. Rn. 268) im umfassenden Sinn zu verstehen und darunter alle Leistungen zu subsumieren, die für die Übernahme des Unternehmens im Sinne einer synallagmatischen Verknüpfung gezahlt worden sind. Ein solcher Anspruch dürfte jedoch nicht isoliert verfolgt werden; ansonsten könnte es zu dem erwähnten “Rosinenpicken” kommen, das bei der Anpassung nach § 6 Abs. 8 VermG vermieden werden muss. Träfe es zu, dass ein erheblicher Betrag für Umlaufmittel entrichtet wurde, ist es nicht von vornherein fern liegend, dass diesem Betrag ein entsprechender Unternehmenswert gegenüber stand, und darüber hinaus nicht auszuschließen, dass sich die Vermögenslage des Unternehmens im Sinne des § 6 Abs. 3 VermG wesentlich verbessert hatte. Dürfte der Antrag nach § 6 Abs. 8 VermG auf den Anspruch auf Rückzahlung der bei Übernahme des Unternehmens gezahlten Summe beschränkt werden, könnte dies zur Folge haben, dass das bei der Rückgabe nach dem Unternehmensgesetz als Entgelt Geleistete zurückgefordert werden könnte, obwohl das Unternehmen inzwischen erheblich werthaltiger ist, was bei einer Rückgabe nach den Bedingungen des Vermögensgesetzes zu einer Ausgleichsverbindlichkeit geführt hätte. Ein solches Ergebnis ist nicht tragbar. Die Anpassung würde nicht zur Gleichbehandlung, sondern zu einer Privilegierung früherer Rückgaben führen. Richtigerweise setzt daher eine Rückzahlung von “Kaufpreisen” die Prüfung voraus, ob und in welcher Höhe eine Ausgleichsverbindlichkeit nach § 6 Abs. 3 VermG bei einer Rückgabe nach dem Vermögensgesetz entstanden wäre. Eine Rückzahlung des Kaufpreises kommt demnach nur in Betracht, wenn der Berechtigte gleichzeitig mit der Ausgleichsverbindlichkeit belastet wird, die bei einer Rückübertragung nach den Bedingungen des Vermögensgesetzes entstanden wäre. Unbeschränkt ist der Rückzahlungsanspruch des Anpassungsberechtigten nur, wenn keine wesentliche Verbesserung der Vermögenslage feststellbar ist.
d) Soweit es schließlich der Beklagte für möglich hält, dass es sich bei der gezahlten Summe um den Ausgleich einer Überkapitalisierung nach § 19 Abs. 3 des Unternehmensgesetzes handeln könnte, gilt das unter c) Ausgeführte verstärkt. Eine solche Ausgleichsleistung weist eine deutliche Parallele zu einer Ausgleichsverbindlichkeit nach § 6 Abs. 3 VermG auf. Deshalb würde sich eine Verrechnung mit einem gegebenenfalls nach § 6 Abs. 3 VermG auszugleichenden Betrag geradezu aufdrängen. Auch bei dieser Sachverhaltsvariante wäre es demnach unabweisbar, der Frage nachzugehen, ob eine wesentliche Verbesserung der Vermögenslage im Sinne des § 6 Abs. 3 VermG eingetreten ist.
Zusammenfassend ergibt sich somit: Nur wenn und soweit das Geld für Umlaufmittel oder als Ausgleich einer Überkapitalisierung gezahlt worden sein sollte, ist ein Rückzahlungsanspruch nach § 6 Abs. 8 VermG i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 3 URüV möglich, der allerdings nur im Gegenzug zur Übernahme einer eventuellen Ausgleichsverbindlichkeit nach § 6 Abs. 3 VermG zugesprochen werden dürfte.
Da das Verwaltungsgericht lediglich ausgeschlossen hat, dass mit dem von der Klägerin geleisteten Betrag die staatliche Beteiligung abgegolten werden sollten, aber im Übrigen keine Feststellungen zur Zweckbestimmung des Betrages getroffen hat, ist eine abschließende Entscheidung in der Sache nicht möglich. Die Vorstellung der Beigeladenen, der Senat könne den unter den Beteiligten umstrittenen Rechtsgrund der von der Klägerin beglichenen Forderung eigenständig anhand der zu den Akten gereichten Bilanzen ermitteln, geht an den Befugnissen eines Revisionsgerichts vorbei. Obwohl es zutrifft, dass das Verfahren nach § 6 Abs. 8 VermG auf die rechtliche Anpassung beschränkt ist und nicht dazu dient, einzelne Wertansätze der Bilanzen in der Art eines Wiederaufgreifens des 1990 durchgeführten Verwaltungsverfahrens einer Prüfung auf ihre Richtigkeit hin zu unterziehen, ist hier mit der Feststellung des Zwecks der von der Klägerin geleisteten Zahlungen eine Ermittlungstätigkeit gefordert, die der Tatsacheninstanz vorbehalten ist. Demgemäß muss der Rechtsstreit im Umfang des im Revisionsverfahren aufrechterhaltenen Klageantrages zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden.
Unterschriften
Kley, Herbert, Krauß, Postier, Neumann
Fundstellen