Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein gesetzlicher Erwerb der Staatsangehörigkeit bei "schwacher Adoption"
Leitsatz (amtlich)
1. Das für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 6 Satz 1 StAG zu erfüllende Tatbestandsmerkmal der "nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind" setzt voraus, dass eine im Ausland vollzogene Adoption in Deutschland wirksam ist und in den für den Erwerb der Staatsangehörigkeit wesentlichen Wirkungen einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht gleichsteht.
2. Die Wirkungsgleichheit einer Auslandsadoption mit einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht setzt in der Regel voraus, dass das Eltern-Kind-Verhältnis des Adoptierten zu seinen leiblichen Eltern erlischt (§ 1755 BGB).
3. Bei der Beurteilung der Wesensgleichheit einer Auslandsadoption bedarf es einer abstrakten Betrachtung, die die Rechtswirkungen nach dem ausländischen Recht denen nach deutschem Recht gegenüberstellt und nicht danach differenziert, ob im konkreten Fall die leiblichen Eltern noch leben.
Normenkette
AdWirkG §§ 2-4; BGB §§ 1755-1756; FamFG §§ 107-109; GG Art 16 Abs 1; KiSchÜbk Haag Art 2; KiSchÜbk Haag Art 23; RuStAG § § 10, 17, 30 Abs 1 S 1, § 30 Abs 3 S 1, § 6 S 1
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 26.07.2016; Aktenzeichen 19 A 1132/14) |
VG Köln (Urteil vom 16.04.2014; Aktenzeichen 10 K 3084/13) |
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin begehrt die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 StAG, weil sie davon ausgeht, dass sie durch Adoption die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.
Rz. 2
Die am 17. Juni 1993 in Kinshasa/Demokratische Republik (DR) Kongo (damals Zaire) geborene Klägerin ist kongolesische Staatsangehörige. Ihr Vater verstarb im Jahr 1997, ihre Mutter im Jahr 2004. Noch vor dem Tod der Mutter wurde deren Bruder, einem in der DR Kongo geborenen katholischen Pfarrer, die Vormundschaft für die Klägerin zugesprochen. Dieser hatte im Oktober 2003 die deutsche Staatsbürgerschaft erworben. Mit Urteil vom 4. Mai 2006 stimmte das Friedensgericht von Kinshasa-Ngaliema/DR Kongo dem Adoptionsantrag des Onkels der Klägerin zu.
Rz. 3
Das Amtsgericht Stuttgart stellte auf Antrag des Adoptivvaters durch Beschluss vom 31. Oktober 2008 fest, dass die in der DR Kongo erfolgte Annahme als Kind in Deutschland anzuerkennen ist, dass das Eltern-Kind-Verhältnis der Klägerin zu ihren verstorbenen leiblichen Eltern durch die Annahme als Kind nicht erloschen ist, und dass das Annahmeverhältnis in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht.
Rz. 4
Im August 2011 beantragte der Adoptivvater beim Bundesverwaltungsamt (BVA) die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises für die Klägerin mit der Begründung, sie habe durch die Adoption die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Das BVA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31. Mai 2012 ab. Die in der DR Kongo ausgesprochene Adoption sei eine sogenannte "schwache Adoption", da die Beziehungen zu der leiblichen Familie des Angenommenen weiterhin aufrechterhalten blieben. Das Eltern-Kind-Verhältnis zu den leiblichen Eltern erlösche nicht. Auch das Amtsgericht Stuttgart habe in seinem Beschluss nur in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht die Gleichwertigkeit des Annahmeverhältnisses mit einem nach deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis festgestellt. Schwache Adoptionen hätten für sich genommen keinen Staatsangehörigkeitserwerb zur Folge. Sie könnten jedoch auf Antrag umgewandelt werden. Ein solcher Antrag sei hier nicht gestellt worden. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück. Die Klägerin reiste im Januar 2013 mit einem Visum zum Familiennachzug nach Deutschland ein, wo sie seitdem lebt.
Rz. 5
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, der Klägerin einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen. Es hat offengelassen, ob sich die Wirkungen der Adoption der Klägerin nach deutschem oder nach kongolesischem Sachrecht beurteilen. Denn auch nach kongolesischem Adoptionsrecht begründe die Adoption die Gleichstellung des Kindes mit einem Kind des Annehmenden. Sie bewirke, dass der Adoptierte in jeder Hinsicht wie ein Kind des Adoptierenden angesehen werde, in die Familie des Adoptierenden eintrete und in der neuen Familie unterhalts- und erbberechtigt sei. Die Adoption sei auch hinsichtlich der Beziehungen zur Ursprungsfamilie einer deutschen Minderjährigenadoption gleichwertig. Die nach kongolesischem Recht grundsätzlich fortbestehenden Beziehungen zu den leiblichen Eltern seien im vorliegenden Fall als unschädlich anzusehen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich hier um eine Verwandtenadoption einer minderjährigen Vollwaise handele. In diesen Fällen seien die zu den leiblichen Eltern fortbestehenden Beziehungen regelmäßig bloße Restbeziehungen.
Rz. 6
Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erworben. Eine "nach den deutschen Gesetzen wirksame Annahme als Kind" im Sinne von § 6 Satz 1 StAG liege bei einer Auslandsadoption nur dann vor, wenn diese den Wirkungen einer Minderjährigenadoption nach den §§ 1741 bis 1766 BGB im Wesentlichen gleichstehe. Im vorliegenden Fall stehe aber aufgrund der bindenden Wirkung des Beschlusses des Amtsgerichts Stuttgart vom 31. Oktober 2008 fest, dass das Eltern-Kind-Verhältnis der Klägerin zu ihren leiblichen Eltern durch die Auslandsadoption nicht erloschen sei, das Annahmeverhältnis vielmehr nur in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht einem nach deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichstehe. Diese nach § 2 Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG) getroffene Feststellung entfalte Bindungswirkung auch für das staatsangehörigkeitsrechtliche Verfahren. Eine solche "schwache Adoption" erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Satz 1 StAG nicht. Die Adoptionswirkungen bestimmten sich im vorliegenden Fall nach dem Recht der DR Kongo. Bei der Vergleichsbetrachtung von deutschem und kongolesischem Adoptionsrecht sei ein abstrakt-genereller Maßstab anzulegen und nicht auf die individuelle familiäre Situation der einzelnen adoptierten Person abzustellen. Es komme daher nicht darauf an, dass beide Eltern der Klägerin bereits vor ihrer Adoption verstorben waren. Die danach fortbestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen der Klägerin zu ihrer ursprünglichen Familie könnten die tatsächliche Eingliederung der Angenommenen in die neue Familie empfindlich stören, etwa indem (subsidiäre) Unterhaltsansprüche gegen die Klägerin geltend gemacht werden könnten.
Rz. 7
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision. Nach ihrer Auffassung stellt die Adoption nach kongolesischem Recht keine "schwache Adoption" dar. Dies ergebe sich aus Vorschriften des kongolesischen Adoptionsrechts. Für die Gleichwertigkeit der Auslandsadoption genüge eine rechtliche Gleichstellung des angenommenen Kindes mit dem leiblichen Kind des Annehmenden, sie erfordere aber nicht, dass das Eltern-Kind-Verhältnis zu den bisherigen Eltern erloschen sei. Dem Erwerb der Staatsangehörigkeit stehe es nicht entgegen, wenn einzelne rechtliche Beziehungen zu den leiblichen Eltern bestehen blieben. Seien die Voraussetzungen einer vollständigen und grundsätzlich unwiderruflichen rechtlichen Integration in die neue Familie erfüllt, könne es nicht mehr entscheidend auf die Frage ankommen, in welchem Ausmaß rechtliche Beziehungen zur alten Familie beibehalten würden. Bei dem im Rahmen von § 6 StAG anzustellenden Vergleich der adoptionsrechtlichen Regelungen in Deutschland und in der DR Kongo sei zu berücksichtigen, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Verwandtenadoption handele, bei der nach § 1756 Abs. 1 BGB nur das Verwandtschaftsverhältnis zu den Eltern des Kindes erlösche, die übrigen Verwandtschaftsverhältnisse hingegen - wie im kongolesischen Recht - bestehen blieben. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass die Klägerin Vollwaise sei und damit keine Eltern-Kind-Beziehung zu der ursprünglichen Familie der Klägerin mehr bestehe. Insoweit sei beim Vergleich der Adoptionsfolgen eine konkret-individuelle und keine abstrakt-generelle Betrachtung geboten.
Rz. 8
Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Ausstellung des begehrten Staatsangehörigkeitsausweises hat. Denn die Voraussetzungen des § 6 StAG für den Erwerb der Staatsangehörigkeit infolge einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind sind nicht erfüllt.
Rz. 10
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Verpflichtungsbegehren der Klägerin auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 StAG. Dieses verfolgt sie in statthafter Weise mit der Verpflichtungsklage (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 1 C 17.14 - BVerwGE 151, 245 Rn. 12). Lediglich eine - wenn auch zentrale - Vorfrage dazu ist, ob die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 6 StAG erworben hat.
Rz. 11
Maßgeblich für die Prüfung des mit der Verpflichtungsklage verfolgten Anspruchs auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises ist die gegenwärtige Rechtslage (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2017 - 1 C 16.16 - NVwZ 2017, 1312 Rn. 9) und damit das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - in der aktuellen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vorschriften vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2218). Allerdings ist für den Erwerb der Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes aus Gründen materiellen Rechts auf die Rechtslage bei Annahme der Klägerin als Kind im Jahr 2006 abzustellen. Maßgeblich hierfür ist § 6 StAG in der Fassung, die diese Bestimmung durch Art. 6 § 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142) erhalten hat und die bis heute gültig ist.
Rz. 12
Nach § 6 Satz 1 StAG erwirbt eine Person, die im Zeitpunkt des Annahmeantrags das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, mit der nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind durch einen Deutschen die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Senat legt das Tatbestandsmerkmal der "nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind" dahin aus, dass eine im Ausland vollzogene Adoption in Deutschland wirksam sein und in den für den Erwerb der Staatsangehörigkeit wesentlichen Wirkungen einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht gleichstehen muss.
Rz. 13
1. Ausländische Adoptionen können in Deutschland nur Rechtswirkungen entfalten, wenn sie als im Inland wirksam anerkannt werden. Die Anerkennung erfolgt dabei grundsätzlich ipso iure. Über sie entscheidet jedes deutsche Gericht und jede Behörde inzident in dem Verfahren, in dem es auf die Wirksamkeit der ausländischen Adoption ankommt, so auch im Verfahren nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (vgl. Hausmann/Odersky, Internationales Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 3. Auflage 2016, § 14 Rn. 69). Das deutsche Recht macht die Anerkennung von ausländischen Adoptionsentscheidungen daher - anders als die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen in § 107 FamFG - nicht von einer allgemeinverbindlichen Feststellungsentscheidung abhängig. Vielmehr geht § 108 Abs. 1 FamFG grundsätzlich von der Anerkennungsfähigkeit der Adoptionsentscheidungen aus, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Die Anerkennung nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ist indes ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung gegen Grundrechte verstößt.
Rz. 14
1.1 Allerdings gibt es Verfahren, die familienrechtlich wirksame Anerkennung von Adoptionsentscheidungen herbeizuführen. So sieht das Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (BGBl. 2001 II S. 1034) ein Bescheinigungsverfahren durch die zuständige Behörde des Adoptionsstaates vor, dass die Adoption gemäß dem Haager Übereinkommen zustande gekommen ist. Diese Bescheinigung hat zur Folge, dass die Auslandsadoption von den anderen Vertragsstaaten als familienrechtlich wirksam anerkannt wird (Art. 23 Abs. 1). Das Haager Übereinkommen ist nach seinem Art. 2 anzuwenden, wenn ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat ("Heimatstaat") in einen anderen Vertragsstaat ("Aufnahmestaat") gebracht worden ist, wird oder werden soll. Das Haager Übereinkommen ist hier aber nicht anwendbar, da zwar Deutschland Vertragsstaat des Haager Übereinkommens ist, nicht aber die DR Kongo.
Rz. 15
Eine weitere Möglichkeit der familienrechtlichen Anerkennung, die hier in Anspruch genommen wurde, eröffnet das Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (AdWirkG) vom 5. November 2001 (BGBl. I S. 2953), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010). Das Gesetz sieht ein gerichtliches Verfahren vor, in dem insbesondere die Anerkennung und die Wirkungen ausländischer Adoptionsakte (innerhalb wie außerhalb des Anwendungsbereichs des Haager Übereinkommens) allgemeinverbindlich geklärt werden können. § 2 AdWirkG eröffnet den Beteiligten des Adoptionsverfahrens die Möglichkeit, zur Herbeiführung von Rechtssicherheit eine bindende Entscheidung über die Anerkennung einer ausländischen Adoption und deren Wirkungen in Deutschland herbeizuführen. Nach § 2 Abs. 1 AdWirkG stellt das Familiengericht fest, ob eine Annahme als Kind anzuerkennen oder wirksam ist und ob das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme erloschen ist. Nach § 2 Abs. 2 AdWirkG ist im Falle einer anzuerkennenden oder wirksamen Annahme zusätzlich festzustellen, dass das Annahmeverhältnis einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht, wenn das genannte Eltern-Kind-Verhältnis erloschen ist (Nr. 1), andernfalls, dass das Annahmeverhältnis in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht des Annehmenden einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht (Nr. 2). Der familiengerichtlichen Entscheidung nach § 2 AdWirkG kommt nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG eine umfassende Bindungswirkung "für und gegen alle" zu, von der lediglich die bisherigen Eltern ausgenommen sind (BVerwG, Beschlüsse vom 10. Juli 2007 - BVerwG 5 B 4.07 - FamRZ 2007, 1550 und vom 2. Juli 2012 - 10 B 12.12 - Buchholz 402.242 § 32 AufenthG Nr. 6 Rn. 3 f.).
Rz. 16
1.2 Die Auslandsadoption der Klägerin vom Mai 2006 ist in Deutschland familienrechtlich wirksam, weil das Amtsgericht Stuttgart dies durch Beschluss vom 31. Oktober 2008 nach § 2 AdWirkG rechtskräftig festgestellt hat. Zugleich steht aufgrund der amtsgerichtlichen Entscheidung fest, dass das Eltern-Kind-Verhältnis der Klägerin zu ihren verstorbenen leiblichen Eltern durch die Annahme nicht erloschen ist (§ 2 Abs. 1 AdWirkG) und das Annahmeverhältnis in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 AdWirkG). Diese Feststellungen wirken nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG für und gegen alle, sind also auch für das staatsangehörigkeitsrechtliche Verfahren nach § 6 StAG verbindlich (BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 2007 - 5 B 4.07 - FamRZ 2007, 1550 Rn. 7).
Rz. 17
2. Die familienrechtlich wirksame Adoption der Klägerin steht jedoch in den für den Erwerb der Staatsangehörigkeit wesentlichen Wirkungen einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht nicht gleich. Daher fehlt es an einer Voraussetzung des § 6 Satz 1 StAG.
Rz. 18
2.1 Das Erfordernis der Wirkungsgleichheit einer Auslandsadoption mit einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut des § 6 StAG, wohl aber aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung des historischen Willens des Gesetzgebers.
Rz. 19
Vom Erfordernis der Wirkungsgleichheit ist schon der Gesetzgeber bei Erlass der Vorgängerregelung in § 6 RuStAG (heute: StAG) im Jahr 1976 ausgegangen. Der Staatsangehörigkeitserwerb des ausländischen Kindes wurde seinerzeit im Gesetzentwurf der Bundesregierung damit begründet, dass dieses durch die Adoption "die volle rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden" erwirbt. Das lasse es als gerechtfertigt erscheinen, das minderjährige Kind auch staatsangehörigkeitsrechtlich den ehelichen Kindern Deutscher gleich zu behandeln. Eine solche Gleichbehandlung sei hingegen nicht erforderlich bei Erwachsenen, deren Annahme auch nach der Neuordnung des Adoptionsrechts mit schwächeren Wirkungen ausgestattet sei (vgl. BT-Drs. 7/3061 S. 64). Der Hinweis auf die abweichende Regelung bei Erwachsenen-Adoptionen verdeutlicht, dass der tragende Gesichtspunkt für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes die nach deutschem Recht mit einer Minderjährigenadoption verbundenen Wirkungen waren. Bleibt die Auslandsadoption aber - wie in vielen Ländern der Welt - in ihren Wirkungen wesentlich hinter der deutschen Minderjährigenadoption zurück, entfällt die Rechtfertigung für die Gleichstellung durch Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit. Vom Erfordernis der Wesensgleichheit ist der Gesetzgeber auch in der Folgezeit ausgegangen. So wurde im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Adoptionswirkungsgesetz im Jahr 2001 darauf hingewiesen, dass der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung voraussetze, dass eine im Ausland vollzogene Annahme durch Deutsche in ihren Wirkungen nicht wesentlich hinter denen der Minderjährigenadoption deutschen Rechts zurückbleibe (BT-Drs. 14/6011 S. 28).
Rz. 20
Die vom Gesetzgeber in Bezug genommene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat auch in der Folgezeit am Erfordernis der Wirkungsgleichheit einer Auslandsadoption mit einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht festgehalten (OVG Hamburg, Urteil vom 19. Oktober 2006 - 3 Bf 275/04 - InfAuslR 2007, 301). Auch hat das Bundesverwaltungsgericht für den Sonderfall der Adoption eines Kindes nach Eintritt der Volljährigkeit zu den Bedingungen der Minderjährigenadoption den Staatsangehörigkeitserwerb nur dann als gerechtfertigt angesehen, wenn eine Auslandsadoption der Adoption nach deutschem Recht wesensgleich ist, indem sie zivilrechtlich im Wesentlichen die Wirkungen einer Volladoption entfaltet (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 ≪118 f.≫).
Rz. 21
2.2 Von zentraler Bedeutung für die Wirkungsgleichheit einer Auslandsadoption mit einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht ist, dass das Eltern-Kind-Verhältnis des Adoptierten zu seinen leiblichen Eltern erlischt (§ 1755 BGB). Diese Rechtsfolge hat selbst eine Verwandtenadoption nach § 1756 Abs. 1 BGB, bei der die übrigen Verwandtschaftsverhältnisse bestehen bleiben. Erlischt das Eltern-Kind-Verhältnis zu den leiblichen Eltern bei einer Auslandsadoption nicht, scheidet ein Staatsangehörigkeitserwerb nach § 6 Satz 1 StAG in aller Regel aus. Das fehlende Erlöschen steht der Wirkungsgleichheit einer "schwachen Adoption" entgegen, bei der ein verwandtschaftliches Verhältnis zu den leiblichen Eltern fortbesteht. Die Kappung der Bande zu den leiblichen Eltern ist von zentraler Bedeutung für die Integration des Kindes in die neue Familie. Keine derart zentrale Bedeutung kommt hingegen dem Fortbestehen bestimmter unterhalts- und erbrechtlicher Bindungen zu. Sie sind allerdings mit in eine Gesamtabwägung bei der Beurteilung der für den Staatsangehörigkeitserwerb maßgeblichen Voraussetzung einzustellen, ob die Auslandsadoption mit einer Minderjährigenadoption nach deutschem Recht weitgehend wirkungsgleich ist.
Rz. 22
2.3 Bei der Beurteilung der Wesensgleichheit einer Auslandsadoption bedarf es einer abstrakten Betrachtung, die die Rechtswirkungen nach dem ausländischen Recht denen nach deutschem Recht gegenüberstellt und nicht danach differenziert, ob im konkreten Fall die leiblichen Eltern noch leben oder - wie hier - bereits verstorben sind. Im Staatsangehörigkeitsrecht ist das Gebot der Rechtssicherheit von so erheblicher Bedeutung, dass klare abstrakte Kriterien für die rechtliche Gleichwertigkeit der Adoptionswirkungen und damit den Staatsangehörigkeitserwerb geboten sind. Das gilt in besonderer Weise für den Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes. Das Gebot der Rechtssicherheit hat aufgrund der verfassungsrechtlichen Wertung in Art. 16 Abs. 1 GG besonderes Gewicht bei den Verlusttatbeständen nach § 17 StAG, ist aber auch bei der Auslegung der Tatbestände zu beachten, die einen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes bewirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - BVerfGE 135, 48 Rn. 42; BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2015 - 1 C 17.14 - BVerwGE 151, 245 Rn. 26 und vom 26. April 2016 - 1 C 9.15 - BVerwGE 155, 47 Rn. 25).
Rz. 23
2.4 Aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts Stuttgart vom 31. Oktober 2008 steht fest, dass das Eltern-Kind-Verhältnis der Klägerin zu ihren verstorbenen leiblichen Eltern durch die Annahme nicht erloschen ist (§ 2 Abs. 1 AdWirkG). Diese Feststellung ist auch für das staatsangehörigkeitsrechtliche Verfahren bindend (§ 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG). Damit fehlt es an einer zentralen Voraussetzung für die Wirkungsgleichheit der im Jahr 2006 vollzogenen Auslandsadoption mit einer hier maßgeblichen Verwandtenadoption nach § 1756 Abs. 1 BGB.
Rz. 24
Das Oberverwaltungsgericht hat auch keine Umstände festgestellt, die bei abstrakter Betrachtung ein Abweichen von der regelmäßig zu erfüllenden Voraussetzung des Erlöschens des Eltern-Kind-Verhältnisses zu den leiblichen Eltern rechtfertigen oder gebieten würden. Vielmehr wird in dem angefochtenen Urteil - für das Revisionsgericht bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO) - festgestellt, dass nach dem für das Adoptionsverhältnis maßgeblichen kongolesischen Recht unterhaltsrechtliche Verpflichtungen des Kindes gegenüber seinen Eltern und sonstigen Verwandten fortbestehen, wenn diese sich zur Erlangung des Unterhalts nicht an ein anderes Mitglied ihrer Familie wenden können. Auch erbrechtlich bleibt das Kind dadurch gebunden, dass sein Nachlass grundsätzlich zu gleichen Teilen an die Ursprungsfamilie und die Adoptivfamilie fällt. Das sind erhebliche Unterschiede zum deutschen Unterhalts- und Erbrecht, wobei die fortbestehenden Bindungen geeignet sind, die Integration des Kindes in die neue Familie zu erschweren. Eine Erschwerung der Integration in die neue Familie kann sich darüber hinaus auch aus Nachzugsbegehren der leiblichen Eltern - solange diese noch leben - als "sonstige Familienangehörige" nach § 36 Abs. 2 AufenthG ergeben.
Rz. 25
2.5 Im Übrigen können die negativen staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen einer "schwachen" Auslandsadoption durch deren Umwandlung in eine Volladoption nach deutschem Recht bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AdWirkG abgewendet werden. Einen solchen Antrag haben die Klägerin bzw. ihr Adoptivvater nicht gestellt, solange die Klägerin noch minderjährig war. Die seit nahezu fünf Jahren in Deutschland lebende Klägerin kann die deutsche Staatsbürgerschaft aber weiterhin durch Einbürgerung nach § 10 StAG erlangen, der regelmäßig zu erfüllende achtjährige Aufenthalt kann bei Erfüllung bestimmter Integrationsvoraussetzungen auf sieben oder sechs Jahre abgekürzt werden (§ 10 Abs. 3 StAG).
Rz. 26
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Fundstellen
BVerwGE 2018, 138 |
FamRZ 2018, 359 |
FuR 2018, 140 |
MittBayNot 2018, 271 |
NZG 2017, 6 |
DÖV 2018, 252 |
InfAuslR 2018, 101 |
JZ 2018, 142 |
StAZ 2018, 223 |
ZAR 2018, 217 |
BayVBl. 2018, 424 |
FamRB 2018, 170 |
GV/RP 2018, 39 |
GV/RP 2018, 493 |
KomVerw/LSA 2018, 354 |
FuBW 2018, 457 |
FuHe 2018, 494 |
FuNds 2018, 433 |
KomVerw/B 2018, 352 |
KomVerw/MV 2018, 358 |
KomVerw/S 2018, 348 |
KomVerw/T 2018, 348 |
NWVBl. 2018, 191 |