Entscheidungsstichwort (Thema)
Bundeseisenbahnvermögen. Deutsche Bahn. Beamte der früheren Bundesbahn. Zuweisung von Bundesbeamten an die Deutsche Bahn. Dienstunfähigkeit. Weiterverwendung vor Versorgung. Suche nach einer anderweitigen Verwendung. Beschäftigungsbehörde. Lokomotivführer-Laufbahn. Laufbahnwechsel. Laufbahngruppe. Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Amt im konkret-funktionellen Sinn. amtsangemessene Beschäftigung
Leitsatz (amtlich)
Ein Beamter ist nicht dienstunfähig im Sinne von § 42 Abs. 1 BBG, wenn er in seiner Beschäftigungsbehörde auf einem anderen Dienstposten verwendet werden kann, der seinem statusrechtlichen Amt entspricht.
Die Weiterverwendung eines dienstunfähigen Beamten nach § 42 Abs. 3 BBG ist möglich, wenn im Bereich des Dienstherrn in der Zeit, die für einen horizontalen Laufbahnwechsel notwendig ist, ein Dienstposten frei wird, der einem statusrechtlichen Amt gleicher Wertigkeit wie das Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist.
Dem Dienstherrn obliegt gemäß § 42 Abs. 3 BBG die Suche nach einer anderweitigen Verwendung für dienstunfähige Beamte.
Nach Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG muss der Dienstherr dienstrechtliche Entscheidungen für die der Deutschen Bahn zugewiesenen Bundesbeamten in eigener Verantwortung treffen.
– wie Urteil vom 26. März 2009 – BVerwG 2 C 73.08
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 3 S. 2, Art. 33 Abs. 5, Art. 143a Abs. 1 S. 3; BBG § 42 Abs. 1, 3 a.F.; BBesG § 18; ENeuOG Art. 1 § 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1-2, § 12 Abs. 2, § 27; DBBrG § 12 Abs. 4, § 23; Bundeslaufbahnverordnung (BLV) § 6 Abs. 2-3; Eisenbahn-Laufbahnverordnung (ELV) § 10 Abs. 3; Richtlinie 2000/78/EG Art. 5
Verfahrensgang
VG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.02.2008; Aktenzeichen 9 E 941/07) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Tatbestand
I
Rz. 1
Der Kläger wendet sich gegen seine Versetzung in den Ruhestand vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze.
Rz. 2
Der 1959 geborene Kläger stand als Bundesbeamter im Amt eines Hauptlokomotivführers (BesGr A 8) im Dienst der früheren Bundesbahn. Anfang 1994 wurde er der neu gegründeten Deutschen Bahn AG zur Dienstleistung zugewiesen. Bis Oktober 2002 war er als S-Bahnführer im “Regionalverkehr S-Bahn Rhein-Main” der Deutsche Bahn Regio AG tätig. Danach konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Fahrdienst eingesetzt werden. Bis März 2005 war der Kläger im Innendienst tätig. Seit Juni 2005 ist er als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt.
Rz. 3
Zwischen September 2004 und Juli 2005 führte die Deutsche Bahn ein Verfahren nach der Konzernrichtlinie “Behinderte integrieren” durch, um dem Kläger eine für ihn gesundheitlich geeignete Tätigkeit im Innendienst zu vermitteln. Seine Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen hatten keinen Erfolg.
Rz. 4
Da eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers nicht zu erwarten war, versetzte ihn der Leiter der Dienststelle Mitte des Beklagten gegen seinen Willen mit Ablauf des 31. Dezember 2006 in den Ruhestand. Der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus folgenden Gründen stattgegeben:
Rz. 5
Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger dienstunfähig sei. Hierfür reiche nicht aus, dass er aufgrund seiner körperlichen Beschwerden auf Dauer außer Stande sei, die Dienstpflichten eines Triebfahrzeugführers im Betriebsdienst der Deutschen Bahn zu erfüllen. Der Beklagte habe nicht geprüft, ob der Kläger eine Tätigkeit im Innendienst wahrnehmen könne, die der Laufbahn der Lokomotivführer zugeordnet sei. Die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand verstoße aber gegen § 42 Abs. 3 BBG. Der Beklagte habe nicht in dem gesetzlich gebotenen Umfang geprüft, ob der Kläger im Bereich des Dienstherrn auf einem Dienstposten verwendet werden könne, dessen Wertigkeit seinem statusrechtlichen Amt entspreche und dessen Anforderungen er trotz seiner Behinderung gewachsen sei. Der Inhalt der Prüfungspflicht ergebe sich aus Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG (RL), an dem sich die Auslegung des § 42 BBG orientieren müsse. Nach Art. 5 Satz 2 RL müsse der Dienstherr die geeigneten und erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung eines Berufes zu ermöglichen, sofern dies nicht mit einer unverhältnismäßigen Belastung verbunden sei. Die Regelung konkretisiere die Voraussetzungen des Anspruchs behinderter Menschen auf Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses. Nach dem Erwägungsgrund Nr. 20 RL müsse der Dienstherr bei der Suche nach einer Weiterverwendung Änderungen des Arbeitsrhythmus und der Aufgabenverteilung ebenso in Erwägung ziehen wie Ausbildungs- und Einarbeitungsangebote.
Rz. 6
Die Bemühungen der Beigeladenen genügten diesen rechtlichen Anforderungen nicht. Die Beigeladene habe nur versucht, den Kläger auf einen eingerichteten Arbeitsplatz zu vermitteln. Auch sei der Kläger darauf verwiesen worden, an Auswahlverfahren um freie Stellen teilzunehmen. Umschulungsmaßnahmen habe die Beigeladene von vornherein ausgeschlossen. Da der Kläger Bundesbeamter sei, habe in der gesamten Bundesverwaltung nach einer behindertengerechten Verwendung gesucht werden müssen.
Rz. 7
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision des Beklagten. Er rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie die Auslegung des § 42 Abs. 3 BBG und beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Februar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Rz. 8
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Rz. 9
Die Beigeladene schließt sich der Revision an, stellt aber keinen Antrag. Sie rügt, dass der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts über die Klage als Einzelrichter entschieden hat.
Rz. 10
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 11
Die Sprungrevision des Beklagten ist zulässig. Das Verwaltungsgericht hat sie in dem angefochtenen Urteil zugelassen. Der Beklagte hat das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Er hat innerhalb der Einlegungsfrist die schriftliche Zustimmungserklärung des Klägers vorgelegt (§ 134 Abs. 1 Satz 1 und 3 VwGO). Eine Zustimmungserklärung der Beigeladenen ist nicht erforderlich (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 16. März 1975 – GmS-OGB 1/75 – BVerwGE 50, 369).
Rz. 12
Die Revision ist nicht begründet. Die Verfahrensrügen sind unbeachtlich, weil die Sprungrevision nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden kann (§ 134 Abs. 4 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit gegen § 42 Abs. 3 BBG verstößt.
Rz. 13
Mangels spezieller Regelungen für die der Deutschen Bahn zugewiesenen Beamten richtet sich die Rechtmäßigkeit der Versetzung in den Ruhestand nach § 42 Abs. 1 und 3 BBG in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999 (BGBl I S. 675). Zwar ist diese Vorschrift während des Revisionsverfahrens durch § 44 des neuen Bundesbeamtengesetzes abgelöst worden (Art. 1 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 5. Februar 2009, BGBl I S. 160 ≪170≫). Für die Rechtmäßigkeit kommt es aber auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an (Urteil vom 16. Oktober 1997 – BVerwG 2 C 7.97 – BVerwGE 105, 267 ≪269 ff.≫ = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 22 S. 4. f.).
Rz. 14
Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BBG ist ein Beamter auf Lebenszeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dienstunfähig ist. Nach § 42 Abs. 3 BBG soll von der Versetzung abgesehen werden, wenn der Beamte nach Maßgabe der Sätze 1 bis 4 dieses Absatzes weiter im aktiven Dienst verwendet werden kann. Dies macht deutlich, dass die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit regelmäßig nur zulässig ist, wenn die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 und 3 BBG kumulativ erfüllt sind.
Rz. 15
1. Das Verwaltungsgericht hat nicht entschieden, ob der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung dienstunfähig war. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BBG ist der Beamte auf Lebenszeit dienstunfähig, wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Hierfür reicht nicht aus, dass der Beamte die Aufgaben des von ihm wahrgenommenen Amtes im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten) nicht mehr erfüllen kann. Denn Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen er amtsangemessen beschäftigt werden kann. Daher setzt Dienstunfähigkeit voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der seinem statusrechtlichen Amt zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist (Urteile vom 23. September 2004 – BVerwG 2 C 27.03 – BVerwGE 122, 53 ≪55≫ = Buchholz 239.1 § 36 BeamtVG Nr. 2 S. 2 und vom 18. September 2008 – BVerwG 2 C 8.07 – ZBR 2009, 96 ≪97≫, zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen).
Rz. 16
Reicht die Leistungsfähigkeit des Beamten für einen Teil der amtsangemessenen Dienstposten aus, sind diese aber besetzt, so hängt die Dienstunfähigkeit von den personellen und organisatorischen Gegebenheiten bei der Beschäftigungsbehörde ab. Der Beamte ist weiterhin dienstfähig, wenn ein geeigneter Dienstposten entweder für ihn freigemacht oder durch organisatorische Änderungen eingerichtet werden kann. Daran fehlt es, wenn derartige Maßnahmen die sachgemäße und reibungslose Erfüllung der dienstlichen Aufgaben beeinträchtigen würden. Störungen des Betriebsablaufs dürfen nicht über das Maß hinausgehen, das mit Änderungen vorübergehend zwangsläufig verbunden ist (zum Ganzen Lemhöfer, in Plog/Wiedow, BBG/BeamtVG, Kommentar, Band 1, Stand August 2007, § 42 Rn. 4).
Rz. 17
Bei den privatrechtlich organisierten Unternehmen der Deutschen Bahn gibt es keine Ämterstruktur, wie sie § 18 BBesG für Behörden vorsieht. Daher müssen die in § 18 BBesG verwendeten Begriffe der Ämter und ihrer Wertigkeit an die organisatorischen Gegebenheiten der Bahn angepasst werden. Diese Aufgabe leisten Art. 1 § 12 Abs. 2 Satz 1 und § 27 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 – ENeuOG – (BGBl I S. 2378), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407). Danach gelten gleichwertige Tätigkeiten bei den Gesellschaften der Deutschen Bahn als amtsgemäße Funktionen. Die Gleichwertigkeit der einem Beamten übertragenen Tätigkeit ist aufgrund eines Funktionsvergleichs mit den Tätigkeiten bei der früheren Bundesbahn zu beurteilen. Eine nach diesem Maßstab gleichwertige Tätigkeit gilt als amtsangemessene Beschäftigung (Urteil vom 3. März 2005 – BVerwG 2 C 11.04 – BVerwGE 123, 107 ≪113≫ = Buchholz 240 § 18 BBesG Nr. 28 S. 8 f.).
Rz. 18
Die amtsangemessenen Aufgaben für Beamte der Laufbahn der Lokomotivführer ergeben sich aus § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 der Eisenbahn-Laufbahnverordnung vom 28. Oktober 2004 – ELV – (BGBl I S. 2703 ≪2706≫). Danach nehmen diese Beamten neben dem “Führen von Triebfahrzeugen im Zugfahr- und Rangierdienst, Lokrangierdienst” (Nr. 1) auch die Aufgaben “Steuerung des Einsatzes der Triebfahrzeuge und des Lokpersonals” (Nr. 2) und “Abnahme-, Versuchs- und Ausbildungsdienst” (Nr. 3) wahr. Diese Regelungen enthalten eine Funktionsbeschreibung, die der herkömmlichen Verwendung in Ämtern entspricht, die Lokomotivführern vorbehalten sind (Urteil vom 3. März 2005 a.a.O. S. 111 bzw. S. 7).
Rz. 19
Die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts reichen nicht aus, um die Frage der Dienstunfähigkeit des Klägers beantworten zu können. Der Kläger ist nicht bereits deshalb dienstunfähig, weil er auf Dauer keine Triebfahrzeuge mehr führen kann. Vielmehr kommt es für die Dienstunfähigkeit darauf an, ob im Bereich des “Regionalverkehrs S-Bahn Rhein-Main” der Deutsche Bahn Regio AG, der an die Stelle der Beschäftigungsbehörde tritt, für den Kläger im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung geeignete Stellen zur Wahrnehmung von Aufgaben nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 ELV eingerichtet waren. War dies der Fall, so kommt es weiter darauf an, ob eine solche Stelle frei war oder aufgrund von zumutbaren personellen oder organisatorischen Änderungen mit dem Kläger hätte besetzt werden können. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht geprüft.
Rz. 20
2. Die Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die nach § 42 Abs. 3 BBG gebotene Suche nach einer anderweitigen Verwendung des Klägers nicht in der Verantwortung des Dienstherrn durchgeführt worden und in der Sache hinter den Anforderungen des § 42 Abs. 3 BBG zurückgeblieben ist. Nach Satz 1 dieser Vorschrift soll von der Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden, wenn ihm ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Nach Satz 2 ist die Übertragung eines anderen Amtes in den Fällen des Satzes 1 ohne Zustimmung des Beamten zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mindestens mit demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und zu erwarten ist, dass der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt. Nach Satz 3 hat der Beamte an Maßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen, wenn er nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzt. Nach Satz 4 kann dem Beamten ohne seine Zustimmung eine geringerwertige Tätigkeit innerhalb seiner Laufbahngruppe übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und ihm die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung seiner bisherigen Tätigkeit zuzumuten ist.
Rz. 21
§ 42 Abs. 3 BBG ist Ausdruck des Grundsatzes “Weiterverwendung vor Versorgung”. Ein dienstunfähiger Beamter soll nur dann aus dem aktiven Dienst ausscheiden, wenn er dort nicht mehr eingesetzt werden kann (BTDrucks 11/5372 S. 33; 13/3994 S. 33). Die Vorschrift ist Teil der vielfältigen Bemühungen des Bundesgesetzgebers, Pensionierungen vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze soweit wie möglich zu vermeiden. Hierzu gehören auch die Weiterverwendung begrenzt dienstfähiger Beamter nach § 42a BBG und die Reaktivierung von Ruhestandsbeamten nach § 45 BBG (Urteile vom 28. April 2005 – BVerwG 2 C 1.04 – BVerwGE 123, 308 ≪310≫ = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1 S. 2 und vom 13. August 2008 – BVerwG 2 C 41.07 – ZBR 2009, 93). Im Bereich des Versorgungsrechts sollen der Versorgungsabschlag gemäß § 14 Abs. 3 BeamtVG und die Anrechnung privatwirtschaftlichen Erwerbseinkommens auf die Versorgungsbezüge Frühpensionierungen entgegenwirken (Urteile vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 12.03 – Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 7 und vom 27. Januar 2005 – BVerwG 2 C 39.03 – Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 13).
Rz. 22
Da § 42 Abs. 3 BBG an die Dienstunfähigkeit nach Absatz 1 anknüpft, kann anderweitige Verwendung im Sinne der Vorschrift nur die Übertragung von Funktionsämtern (Amt im abstrakt-funktionellen und im konkret-funktionellen Sinne) bedeuten, die nicht dem bisherigen statusrechtlichen Amt des dienstunfähigen Beamten zugeordnet sind. Steht ein diesem Amt entsprechender anderer Dienstposten bei der Beschäftigungsbehörde zur Verfügung, fehlt es bereits an der Dienstunfähigkeit im Sinne von § 42 Abs. 1 BBG.
Rz. 23
Als neue Funktionsämter, die dem Beamten ohne seine Zustimmung übertragen werden können, kommen nach § 42 Abs. 3 Satz 2 BBG nur Ämter in Betracht, die einem statusrechtlichen Amt mit mindestens demselben Endgrundgehalt zugeordnet sind wie das bisherige statusrechtliche Amt des Beamten. Altes und neues Amt müssen die gleiche Wertigkeit aufweisen, die durch die Zugehörigkeit zu derselben Besoldungsgruppe zum Ausdruck kommt.
Rz. 24
Unter dieser Voraussetzung fordert § 42 Abs. 3 BBG einen horizontalen Laufbahnwechsel innerhalb der jeweiligen Laufbahngruppe, um den Beamten im aktiven Dienst zu halten. Dies ergibt sich aus Satz 1, wonach dem Beamten auch ein Amt einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Der Bedeutungsgehalt des Begriffs der anderen Laufbahn erschließt sich aus § 6 Abs. 2 und 3 der Bundeslaufbahnverordnung – BLV – in der Fassung vom 2. Juli 2002 (BGBl I S. 2459, berichtigt S. 2671). Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 BLV sind Laufbahnen einander gleichwertig, wenn sie zu derselben Laufbahngruppe gehören und die Befähigung für die neue Laufbahn aufgrund der bisherigen Laufbahnbefähigung und Tätigkeit durch Unterweisung erworben werden kann. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BLV ist in den Fällen des § 42 Abs. 3 BBG auch ein Wechsel in eine nicht gleichwertige Laufbahn zulässig, wenn die Beamten erfolgreich in Aufgaben der neuen Laufbahn unterwiesen worden sind. Satz 2 legt die Unterweisungszeit für die Laufbahngruppen fest; sie beträgt im mittleren Dienst mindestens ein Jahr.
Rz. 25
Demzufolge ist eine anderweitige Verwendung im Sinne von § 42 Abs. 3 BBG bei der bisherigen Beschäftigungsbehörde möglich, wenn dem Beamten dort gleichwertige Funktionsämter einer anderen Laufbahn übertragen werden können. Ansonsten ist die anderweitige Verwendung zwangsläufig mit einer Versetzung zu einer anderen Behörde verbunden. Bei dieser muss dem Beamten ein neues statusrechtliches Amt gleicher Wertigkeit verliehen werden, wenn er nicht auf einem Dienstposten eingesetzt wird, der dem bisherigen statusrechtlichen Amt zugeordnet ist. Neue Funktionsämter, die nicht dem bisherigen Amt im statusrechtlichen Sinne zugeordnet sind, können nur unter Verleihung des entsprechenden Amtes im statusrechtlichen Sinne übertragen werden.
Rz. 26
3. § 42 Abs. 3 BBG begründet die Pflicht des Dienstherrn, nach einer anderweitigen Verwendung zu suchen. Nur dieses Verständnis entspricht dem Ziel der Vorschrift, dienstunfähige Beamte nach Möglichkeit im aktiven Dienst zu halten. Ohne gesetzliche Suchpflicht könnte die Verwaltung über die Geltung des Grundsatzes “Weiterverwendung vor Versorgung” nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit entscheiden und autonom festlegen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Kriterien sie sich um eine anderweitige Verwendung bemüht. Das wäre mit Wortlaut und Zweck des Gesetzes unvereinbar.
Rz. 27
Der gesetzliche Vorrang der weiteren Dienstleistung vor der Frühpensionierung wird durch den Wortlaut des Satzes 1 des § 42 Abs. 3 BBG verdeutlicht, wonach von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden “soll”. Soll-Vorschriften gestatten Abweichungen von der gesetzlichen Regel nur in atypischen Ausnahmefällen, in denen das Festhalten an dieser Regel auch unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt ist.
Rz. 28
Die Suche nach einer § 42 Abs. 3 BBG entsprechenden anderweitigen Verwendung ist regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken. Dies folgt aus dem Wortlaut des Satzes 2 des § 42 Abs. 3 BBG, der die Übertragung eines anderen Amtes für zulässig erklärt, wenn es zum Bereich desselben Dienstherrn gehört. Für diesen Umfang der Suchpflicht spricht auch, dass den Beamten zur Vermeidung der Frühpensionierung auch der Erwerb einer anderen Laufbahnbefähigung zur Pflicht gemacht werden kann. Inhaltliche Vorgaben für eine Beschränkung der Suche auf bestimmte Bereiche der Verwaltungsorganisation des Dienstherrn lassen sich aus § 42 Abs. 3 BBG nicht herleiten. Auch die amtlichen Gesetzesbegründungen enthalten keinen Hinweis, dass eine Beschränkung gewollt ist (vgl. BTDrucks 11/5372 S. 33, 13/3994 S. 33).
Rz. 29
Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung muss sich auf Dienstposten erstrecken, die in absehbarer Zeit voraussichtlich neu zu besetzen sind. Eine Beschränkung auf aktuell freie Stellen ließe außer Acht, dass § 42 Abs. 3 BBG zur Vermeidung von Frühpensionierungen auch die Weiterverwendung in Ämtern einer anderen Laufbahn vorsieht. Die dafür erforderliche Laufbahnbefähigung kann der Beamte gemäß § 6 Abs. 3 BLV erst nach einer längeren Unterweisungszeit erwerben, die im mittleren Dienst mindestens ein Jahr beträgt. Sie gibt den zeitlichen Rahmen vor, in dem sich eine Verwendungsmöglichkeit eröffnen muss.
Rz. 30
Dagegen begründet § 42 Abs. 3 BBG keine Verpflichtung des Dienstherrn, personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um eine Weiterverwendung zu ermöglichen. Es liegt im Organisationsermessen des Dienstherrn, welche und wie viele Ämter im abstrakt-funktionellen und im konkret-funktionellen Sinn er bei den Behörden einrichtet und aus welchen Gründen er diese Ämterstruktur ändert (Urteil vom 23. September 2004 – BVerwG 2 C 27.03 – BVerwGE 122, 53 ≪56≫ = Buchholz 239.1 § 36 BeamtVG Nr. 2 S. 3). § 42 Abs. 3 BBG enthält keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung dieses organisatorischen Gestaltungsspielraums. Hierfür hätte der Bundesgesetzgeber die Voraussetzungen bestimmen müssen, unter denen organisatorische Änderungen in Erwägung zu ziehen sind. Ebenso wenig ist der Dienstherr verpflichtet, Dienstposten im Wege personeller Änderungen freizumachen.
Rz. 31
Kann ein schwerbehinderter Beamter die Anforderungen eines nach der Wertigkeit für ihn in Betracht kommenden Dienstpostens gerade aufgrund seiner Behinderung nicht erfüllen, so folgt aus dem unmittelbar geltenden Benachteiligungsverbot gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, dass die gesundheitliche Eignung nur verneint werden darf, wenn im Einzelfall zwingende Gründe für das Festhalten an den allgemeinen Anforderungen sprechen. Es muss geprüft werden, ob die dienstlichen Bedürfnisse eine entsprechend eingeschränkte dauerhafte Verwendung des Beamten zwingend ausschließen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Arbeitsplatz mit zumutbarem Aufwand behindertengerecht gestaltet werden kann (Urteil vom 21. Juni 2007 – BVerwG 2 A 6.06 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35 Rn. 20 und 28). Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 (ABl EG Nr. L 303 S. 16) enthält keine darüber hinausgehenden Anforderungen (EuGH, Urteil vom 11. Juli 2007 – C-13/05 – NZA 2006, 839 ≪841≫).
Rz. 32
Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die Vorgaben des § 42 Abs. 3 BBG beachtet hat. Denn es geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat (Urteil vom 17. August 2005 – BVerwG 2 C 37.04 – BVerwGE 124, 99 ≪108 f.≫ = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 33).
Rz. 33
4. § 42 Abs. 3 BBG gilt ohne inhaltliche Einschränkungen auch für die Beamten der früheren Bundesbahn, die der Deutschen Bahn gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1, § 23 Satz 1 des Deutsche Bahn Gründungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 – DBGrG – (Art. 2 ENeuOG; BGBl I S. 2386 ≪2388≫), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407), zur Dienstleistung zugewiesen sind. Mit dem Erlass dieser Regelungen hat der Bundesgesetzgeber von der Ermächtigung des Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG Gebrauch gemacht, Beamte der Bundeseisenbahnen durch Gesetz einer privatrechtlich organisierten Eisenbahn des Bundes zur Dienstleistung zuzuweisen. Ebenso wie Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG für die Beschäftigung der Beamten der früheren Bundespost bei den Postnachfolgeunternehmen ermöglicht es Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG, Bundesbeamte außerhalb der Bundesverwaltung einzusetzen, und stellt zugleich die verfassungsrechtlichen Bedingungen dafür auf: Während der Dauer ihrer Zuweisung sind die Rechtsstellung der Beamten und die Verantwortung des Dienstherrn zu wahren; beide dürfen auch vom Bundesgesetzgeber nicht beeinträchtigt oder geschmälert werden.
Rz. 34
Unter Rechtsstellung der Beamten im Sinne von Art. 143a Abs. 1 Satz 3, Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG ist die Gesamtheit der Rechte und Pflichten zu verstehen, die mit dem Beamtenstatus verbunden sind und sich aus ihm ableiten (Beschluss vom 11. Dezember 2008 – BVerwG 2 C 121.07 – juris Rn. 41, zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen). Verantwortung des Dienstherrn bedeutet, dass ein Dienstherrenwechsel der zugewiesenen Beamten ebenso ausgeschlossen ist wie eine Aufspaltung der Dienstherreneigenschaft. Der Bund bleibt Dienstherr dieser Beamten und als solcher alleiniger Träger der Rechte und Pflichten, die durch das Beamtenverhältnis begründet werden. Die sich daraus ergebenden Ansprüche des Beamten richten sich unmittelbar gegen den Bund (Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 2 C 28.98 – BVerwGE 108, 274 ≪275 f.≫ = Buchholz 11 Art. 143a GG Nr. 1 S. 2 f.).
Rz. 35
Anders als Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG für die Postnachfolgeunternehmen enthält Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG keine Ermächtigung für die Deutsche Bahn, als Beliehene im Auftrag des Bundes Dienstherrenbefugnisse hinsichtlich der zugewiesenen Beamten auszuüben (vgl. zu Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG: Urteil vom 20. August 1996 – BVerwG 1 D 80.95 – BVerwGE 103, 375 ≪377≫ = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 7 S. 20). Daher muss der Bund seine Verantwortung als Dienstherr dieser Beamten selbst und unmittelbar ausüben. Er darf die Zuständigkeit für dienstrechtliche Entscheidungen, soweit sie über die konkrete Dienstausübung hinausgehen, nicht der Deutschen Bahn übertragen und sich auf die Rechts- oder Fachaufsicht beschränken (Urteil vom 11. Februar 1999 a.a.O. S. 276 bzw. S. 3).
Rz. 36
Die gesetzlichen Regelungen tragen diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung: Gemäß Art. 1 § 7 Abs. 1 Satz 2 ENeuOG sind alle Beamten des Bundeseisenbahnvermögens, d.h. auch die zugewiesenen Beamten, unmittelbare Bundesbeamte. Gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1, § 23 Satz 1 DBGrG bleiben deren Rechtsstellung sowie die Gesamtverantwortung des Dienstherrn gewahrt. Dementsprechend ist der Präsident des Bundeseisenbahnvermögens oberster Dienstvorgesetzter und Vorgesetzter der Beamten des Bundeseisenbahnvermögens (Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 2 ENeuOG). Der Präsident ist oberste Dienstbehörde (Art. 1 § 10 Abs. 2 Satz 1 ENeuOG). Die Unternehmen der Deutschen Bahn sind zur Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den zugewiesenen Beamten nur befugt, soweit die Dienstausübung es erfordert (§ 12 Abs. 4 Satz 2, § 23 Satz 1 DBGrG).
Rz. 37
Aufgrund der gemäß Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG fortbestehenden Verantwortung des Dienstherrn sind der Präsident des Bundeseisenbahnvermögens und die Leiter der nachgeordneten Dienststellen, soweit ihnen Zuständigkeiten übertragen sind, berechtigt und verpflichtet, die dienstrechtlichen Entscheidungen gegenüber den zugewiesenen Beamten, insbesondere die statusrechtlich bedeutsamen Entscheidungen, eigenverantwortlich zu treffen. Der Bundesgesetzgeber kann diese verfassungsrechtlich vorgegebene Entscheidungszuständigkeit nicht ändern. Sie umfasst die Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, die Auslegung der einschlägigen Rechtsnormen und die Wahrnehmung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen. Die Prüfungsbefugnis als Widerspruchsbehörde muss sich auf die Zweckmäßigkeit der Entscheidungen erstrecken (Urteil vom 11. Februar 1999 a.a.O. S. 280 bzw. S. 5 f.).
Rz. 38
5. Die Zuständigkeit für die Versetzung von Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 BBG dieselbe wie diejenige für die Ernennung. Hierfür hat der Präsident des Bundeseisenbahnvermögens die Zuständigkeit für Beamte bis zur Besoldungsgruppe A 13 den Leitern der Dienststellen übertragen (Delegationsanordnung BEV vom 24. August 2005, BGBl I S. 2515, unter I.). Der zuständigen Behörde, im vorliegenden Fall dem Leiter der Dienststelle Mitte, obliegt die eigenverantwortliche Prüfung und Entscheidung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Versetzung eines der Deutschen Bahn zugewiesenen Beamten in den Ruhestand in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gegeben sind. Dies gilt sowohl für die Feststellung der Dienstunfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG als auch für die Suche nach einer anderweitigen Verwendung gemäß § 42 Abs. 3 BBG in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang. Dabei gehören die Unternehmen der Deutschen Bahn zum Bereich des Dienstherrn im Sinne von § 42 Abs. 3 Satz 2 BBG, weil sich dessen Personalverantwortung für die zugewiesenen Beamten auf diesen Bereich erstreckt und die Beamten aufgrund der Zuweisung vorrangig dort beschäftigt werden sollen.
Rz. 39
Aus Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG folgt, dass der Dienstherr die Kriterien für die Suche nach einer anderweitigen Verwendung und das dabei einzuhaltende Verfahren in eigener Verantwortung festzulegen hat. Weiterhin muss sichergestellt sein, dass die für die Versetzungsentscheidung zuständige Bundesbehörde gegenüber der Deutschen Bahn zumindest bestimmenden Einfluss auf die Suche nehmen kann. Sie kann ihrer Entscheidungsverantwortung nur gerecht werden, wenn ihr in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht effektive Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten eingeräumt sind und sie diese auch wahrnimmt. Eine Plausibilitätskontrolle der Bemühungen und Entscheidungen der Deutschen Bahn reicht nicht aus.
Rz. 40
Den sich aus Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG ergebenden Anforderungen genügt das Verfahren nach der Konzernrichtlinie “Behinderte integrieren” aus mehreren Gründen nicht. Das Verfahren findet nicht in der Verantwortung des Dienstherrn statt. Es handelt sich um ein internes Verfahren der Deutschen Bahn, das diese ohne Beteiligung des Dienstherrn entwickelt hat und ohne Mitwirkung des Präsidenten des Bundeseisenbahnvermögens oder der Leiter der Dienststellen durchführt. Über die anderweitige Verwendung entscheidet nicht die für die Versetzung in den Ruhestand zuständige Behörde, sondern die Deutsche Bahn. Dementsprechend hat der Beklagte auf die Suche nach einer Verwendung für den Kläger im Bereich der Deutschen Bahn keinen Einfluss genommen. Vielmehr hat er der Versetzungsentscheidung die Mitteilung der Deutschen Bahn ungeprüft zugrunde gelegt, das Verfahren sei erfolglos geblieben.
Rz. 41
Darüber hinaus ist das Verfahren nach der Konzernrichtlinie “Behinderte integrieren” auch inhaltlich nicht geeignet, die Anforderungen des § 42 Abs. 3 BBG für den Bereich der Deutschen Bahn zu erfüllen. Es erstreckt sich nur auf aktuell freie Stellen, die von Unternehmen der Deutschen Bahn zur Besetzung ausgeschrieben werden. Damit haben entgegen § 42 Abs. 3 BBG von vornherein allenfalls diejenigen Beamten eine Erfolgschance, die im Besitz der jeweiligen Laufbahnbefähigung sind. Auch entscheidet das ausschreibende Unternehmen selbst über die Stellenbesetzung. Ohne dessen Zustimmung kann ein Beamter nicht vermittelt werden.
Rz. 42
Schließlich hat der Beklagte nicht dargelegt, dass die Suche in dem gesetzlich gebotenen Umfang über den Bereich der Deutschen Bahn hinaus auf den gesamten Bereich des Dienstherrn des Klägers erstreckt wurde. Inhaltliche Vorgaben für eine derartige Suche im Bereich der Bundesverwaltung fehlen.
Rz. 43
Die Anforderungen des § 42 Abs. 3 BBG dürfen für die der Deutschen Bahn zugewiesenen Beamten nicht deshalb herabgesetzt werden, weil bei der Bahn aufgrund von Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen ein Personalüberhang besteht. Dieser Zustand beseitigt oder relativiert nicht die in Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG verankerte Pflicht des Dienstherrn, nach Maßgabe des § 42 Abs. 3 BBG nach einer anderweitigen Verwendung für dienstunfähige Beamte zu suchen. Die verfassungsrechtliche Pflicht, die Rechtsstellung der Beamten der früheren Bundesbahn zu wahren, verbietet es, sie entgegen Art. 33 Abs. 5 GG einem Personalüberhang zuzuweisen und so auf unabsehbare Zeit in den “Zustand der Beschäftigungslosigkeit” zu versetzen oder sie wie Leiharbeitnehmer vorübergehende Aufgaben erfüllen zu lassen. Macht ein dem Personalüberhang zugewiesener Beamter den sich unmitttelbar aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung geltend, so muss ihm zeitnah eine auf Dauer angelegte amtsangemessene Tätigkeit bei einem Beschäftigungsbetrieb der Deutschen Bahn übertragen werden. Es verstößt gegen Art. 33 Abs. 5 GG, ihn stattdessen aufzufordern, sich an Bewerbungsverfahren für die Besetzung freier Stellen zu beteiligen (Urteile vom 22. Juni 2006 – BVerwG 2 C 26.05 – BVerwGE 126, 182 ≪183 f.≫ = Buchholz 11 Art. 143b GG Nr. 3 S. 3 f. und vom 18. September 2008 – BVerwG 2 C 126.07 – juris Rn. 13 f. = NVwZ 2009, 187, zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen).
Rz. 44
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Sachantrag gestellt und daher kein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Unterschriften
Herbert, Groepper, Dr. Heitz, Thomsen, Dr. Burmeister
Fundstellen
Haufe-Index 2188082 |
ZTR 2009, 555 |
DÖD 2009, 121 |
NPA 2010 |