Leitsatz (amtlich)
1. Die nach § 12 Abs. 2 ContStifG auf Grund des Verweises auf § 13 StHG fortgeltende und auf den 31. Dezember 1983 festgelegte Frist zur Geltendmachung von Leistungen ist keine Ausschlussfrist im Sinne von § 32 Abs. 5 VwVfG.
2. Die Regelung des § 12 Abs. 2 ContStifG i.V.m. § 13 StHG ist keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 02.10.2018; Aktenzeichen 16 A 1099/13) |
VG Köln (Entscheidung vom 21.03.2013; Aktenzeichen 26 K 4285/08) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Rz. 1
Die im Jahre [...] geborene Klägerin leidet an Fehlbildungen beider Daumen, Funktionsbeeinträchtigungen der Langfinger und einer Verkürzung der Handgelenke. Diese Schädigungen sind auf die Einnahme des Ende der 1950er bis Anfang der 1960er Jahre von der Grünenthal GmbH vertriebenen thalidomidhaltigen Präparates "Contergan" durch die Mutter der Klägerin während ihrer Schwangerschaft zurückzuführen.
Rz. 2
Den mit Schreiben vom 14. Mai 2008 gestellten Antrag der Klägerin, ihr eine Rente nach dem Conterganstiftungsgesetz zu gewähren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Mai 2008 unter Hinweis darauf ab, dass die Ansprüche gemäß § 12 Satz 2 des Conterganstiftungsgesetzes (ContStifG) i.V.m. § 13 des Errichtungsgesetzes bis zum 31. Dezember 1983 hätten geltend gemacht werden müssen. Der Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2008 verweist ergänzend darauf, dass einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Verstreichen der Jahresfrist des § 32 Abs. 3 VwVfG entgegenstehe.
Rz. 3
Während des erstinstanzlichen Klageverfahrens wurde § 12 Satz 2 ContStifG mit Wirkung zum 30. Juni 2009 durch eine Regelung ersetzt, nach der Conterganrente und Kapitalentschädigung für die Zeit ab 1. Juli 2009 beantragt werden können, sofern Leistungen nach § 13 des Errichtungsgesetzes nicht innerhalb der dort vorgesehenen Frist geltend gemacht wurden (§ 12 Abs. 2 ContStifG). Die Beklagte erkannte daraufhin die Klägerin mit Bescheid vom 21. November 2012 als thalidomidgeschädigt an und bewilligte ihr für die Zeit ab dem 1. Juli 2009 Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz in gesetzlichem Umfang. Hinsichtlich dieser Leistungen erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt. Insoweit stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein und wies die Klage im Übrigen ab.
Rz. 4
Die gegen das klageabweisende Urteil gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Klägerin habe die bis zum 31. Dezember 1983 laufende Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Beklagte nicht eingehalten, da sie an diese nach eigenem Bekunden erstmalig 1997 herangetreten sei. Ihr könne auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Bei der versäumten Antragsfrist handele es sich um eine Ausschlussfrist, in die Wiedereinsetzung nicht gewährt werden könne (§ 32 Abs. 5 VwVfG). Darüber hinaus habe die Klägerin auch die Jahresfrist des § 32 Abs. 3 VwVfG, innerhalb derer Wiedereinsetzung beantragt werden könne, nicht eingehalten, ohne dass sie hieran infolge höherer Gewalt gehindert gewesen sei. Die Fristversäumnis sei auf ein willentliches Verhalten ihrer Mutter zurückzuführen, das der Klägerin zuzurechnen sei. Unabhängig hiervon sei nicht anzunehmen, dass für die Klägerin trotz der seit Geburt vorhandenen Fehlbildungen die Möglichkeit einer Thalidomidursächlichkeit so fern gelegen habe, dass sie auch bei Wahrung aller zumutbaren Sorgfalt die Möglichkeit einer Conterganproblematik nicht habe erkennen können. Die Antragsfrist erweise sich mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip, die Eigentumsgarantie und den Gleichheitssatz auch als verfassungskonform. Selbst wenn man eine teleologische oder verfassungskonforme Reduktion des Anwendungsbereichs der Fristenregelung in Betracht ziehe und Fälle ausnehme, in denen die Thalidomidursächlichkeit von Geburtsschäden nicht erkennbar gewesen sei, läge ein solcher Ausnahmefall hier nicht vor.
Rz. 5
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Ihr sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Frist zur Geltendmachung von Leistungen stelle keine die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hindernde Ausschlussfrist dar. Ferner sei sie - die Klägerin - an der Einhaltung der Jahresfrist infolge höherer Gewalt deshalb gehindert gewesen, weil ihr das Verhalten ihrer Mutter nicht zuzurechnen sei und sie die Thalidomidursächlichkeit ihrer atypischen Fehlbildungen auch bei Anwendung der ihr zumutbaren Sorgfalt nicht habe erkennen können. Die Regelung über die versäumte Frist sei zudem verfassungswidrig.
Rz. 6
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
Rz. 8
1. Die Revision ist zulässig. Sie ist entgegen der Auffassung der Beklagten (noch) ausreichend begründet. Gemäß § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO muss die Begründung einer Revision die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben. Dies verlangt eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung als nicht zutreffend erachtet (BVerwG, Urteil vom 20. März 2019 - 4 C 5.18 - NVwZ 2020, 404 Rn. 13). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerade noch gerecht, weil sie zumindest erkennen lässt, dass und weshalb entgegen der Einschätzung des Berufungsgerichts eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ausgeschlossen sei, und sie Gründe anführt, weshalb ihr Wiedereinsetzung auch zu gewähren sei.
Rz. 9
2. Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil steht (im Ergebnis) mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) in Einklang. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen nach § 12 des Gesetzes über die Conterganstiftung für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz - ContStifG) vom 13. Oktober 2005 (BGBl. I S. 2967) in der hier anzuwendenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 25. Juni 2009 (BGBl. I S. 1534), in Kraft getreten am 30. Juni 2009. Nach § 12 Abs. 1 Alt. 1 ContStifG werden an behinderte Menschen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" (im Folgenden: Errichtungsgesetz bzw. StHG) vom 17. Dezember 1971 (BGBl. I S. 2018) am 31. Oktober 1972 lebten, Leistungen gewährt wegen Fehlbildungen, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können. Nach den - zwischen den Beteiligten unstreitigen - Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind diese Voraussetzungen bei der Klägerin erfüllt.
Rz. 10
Dem geltend gemachten Anspruch steht jedoch § 12 Abs. 2 ContStifG entgegen. Danach können die Conterganrente, um die es vorliegend geht, und eine Kapitalentschädigung (erst) für die Zeit ab 1. Juli 2009 beantragt werden, wenn Leistungen nach § 13 StHG nicht innerhalb der dort vorgesehenen Frist geltend gemacht wurden. Nach § 13 StHG in der Fassung von Art. 1 Nr. 2 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" vom 22. Dezember 1982 (BGBl. I S. 2006) wurden Leistungen nach diesem Gesetz gewährt, wenn sie bis zum 31. Dezember 1983 bei der Stiftung geltend gemacht worden sind. Im Zuge der Ablösung des Errichtungsgesetzes durch das Conterganstiftungsgesetz im Jahre 2005 (BGBl. I S. 2967) griff § 12 Satz 2 ContStifG (a.F.) diese Regelung auf und bestimmte, dass Leistungen nach § 13 StHG geltend gemacht worden sein mussten. Hieran knüpft § 12 Abs. 2 ContStifG in der seit dem 30. Juni 2009 geltenden Fassung an und trifft für Leistungen, die nicht bis zum 31. Dezember 1983 geltend gemacht worden waren, zwei Regelungen: Für die (hier allein streitbefangene) Zeit bis zum 30. Juni 2009 verbleibt es bei der durch § 13 StHG bzw. § 12 Satz 2 ContStifG a.F. angeordneten Regelung, dass Leistungen nicht mehr geltend gemacht werden können, während für die nachfolgende Zeit Conterganrente und Kapitalentschädigung beantragt werden können, so dass der Leistungsausschluss für hiervon Betroffene mit dem Monat der Antragstellung (§ 13 Abs. 4 Satz 1 ContStifG), frühestens aber zum 1. Juli 2009 endete.
Rz. 11
Die Klägerin kann die Conterganrente für die Zeit bis zum 30. Juni 2009 nicht beanspruchen, weil sie die Frist zur Geltendmachung der Leistung versäumt hat, in die ihr keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann (a). Die vorgenannte gesetzliche Frist unterliegt auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (b).
Rz. 12
a) Die Klägerin hat - unstreitig - einen Anspruch auf Leistungen wegen ihrer thalidomidbedingten Schädigung nicht bis zum 31. Dezember 1983 gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
Rz. 13
Ihr kann nicht gemäß § 22 ContStifG i.V.m. § 32 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Betreffende ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Wiedereinsetzung steht zwar nicht bereits entgegen, dass es sich bei der auf den 31. Dezember 1983 festgesetzten Frist zur Geltendmachung von Leistungen um eine Ausschlussfrist im Sinne des § 32 Abs. 5 VwVfG handelte (aa). Der Klägerin kann Wiedereinsetzung gleichwohl nicht gewährt werden, weil sie auch die Jahresfrist des § 32 Abs. 3 VwVfG versäumt hat, an deren Einhaltung sie nicht infolge höherer Gewalt gehindert war (bb).
Rz. 14
aa) Die nach § 12 Abs. 2 ContStifG auf Grund des Verweises auf § 13 StHG fortgeltende und auf den 31. Dezember 1983 festgelegte Frist zur Geltendmachung von Leistungen ist keine Ausschlussfrist im Sinne von § 32 Abs. 5 VwVfG. Danach ist die Wiedereinsetzung unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Die Voraussetzungen einer Ausschlussfrist in diesem Sinne sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 38.95 - Buchholz 454.71 § 27 2. WoGG Nr. 2 S. 6): Der Ausschluss der Wiedereinsetzung muss sich nicht ausdrücklich aus dem Gesetzeswortlaut ergeben. Es genügt, wenn nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ein verspäteter Antragsteller materiellrechtlich endgültig seine Anspruchsberechtigung verlieren soll. Das Fachrecht muss jedoch einen hinreichenden Anhalt für die Annahme bieten, der Gesetzgeber habe dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Frist gegenüber dem Interesse des Bürgers an deren nachträglicher Wiedereröffnung auch bei unverschuldeter Fristversäumnis schlechthin den Vorrang eingeräumt und deswegen die Wiedereinsetzung generell versagt.
Rz. 15
Das lässt sich der in § 12 Abs. 2 ContStifG in Bezug genommenen Regelung des § 13 StHG nicht entnehmen. Gewichtige Gründe, derentwegen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen sein soll, sind nicht zu erkennen. Nach § 13 StHG wurden Leistungen gewährt, "wenn" diese bis zum 31. Dezember 1983 bei der Stiftung geltend gemacht wurden. Aus dem Wortlaut ergibt sich, dass die fristgerechte Geltendmachung von Leistungen eine Voraussetzung für ihre Gewährung ist, über den Ausschluss der Wiedereinsetzungsmöglichkeit oder das Erlöschen des Anspruchs bei nicht fristgerechter Geltendmachung der Leistungen verlautbart der Wortlaut hingegen nichts. Systematisch spricht gegen einen Ausschluss der Wiedereinsetzung, dass die Fristbestimmung nicht im Zusammenhang mit der das Erlöschen von Ansprüchen betreffenden Vorschrift des § 23 StHG geregelt wurde. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 9/2038 S. 4) weist ebenfalls nicht in Richtung einer die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung ausschließenden Frist. Die dort verwendete schlagwortartige Bezeichnung als "Ausschlußfrist" ist inhaltlich mehrdeutig und steht überdies in Zusammenhang mit der weiteren Formulierung, dass "nur" bis Fristablauf eingereichte Anträge "noch berücksichtigt werden", die sich dahin verstehen lässt, dass Ansprüche nicht untergehen, sondern nur keine Berücksichtigung im Antragsverfahren mehr finden sollten. Auch Sinn und Zweck der Regelung streiten nicht dafür, dass die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen sein soll. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte die Fristbestimmung die Beklagte in die Lage versetzen, "sich in angemessener Zeit einen Überblick über die angemeldeten Ansprüche" zu verschaffen, also den als anspruchsberechtigt in Betracht kommenden Personenkreis alsbald abschließend feststellen zu können. Das Oberverwaltungsgericht hat auf dieser Grundlage angenommen, dass der Beklagten ermöglicht werden sollte, ihren weiteren Finanzierungsbedarf abschätzen und so ihre Leistungsfähigkeit im Interesse aller Geschädigten auch in Zukunft sicherstellen zu können. Die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellt jedoch weder dieser auf eine offene Vielzahl von Fällen bezogene Aspekt noch der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betonte und in die gleiche Richtung weisende Gedanke, mit der Fristbestimmung habe ein Schlussstrich gezogen werden sollen, ernsthaft in Frage. Denn Wiedereinsetzung ist lediglich ausnahmsweise im Einzelfall dann zu gewähren, wenn der Betreffende an der Einhaltung der Frist unverschuldet gehindert war.
Rz. 16
bb) Der Klägerin kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden. Gemäß § 32 Abs. 3 VwVfG kann nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies infolge höherer Gewalt unmöglich war. Die Jahresfrist hat die Klägerin versäumt, weil sie nicht bis zum 31. Dezember 1984 Wiedereinsetzung beantragt oder die versäumte Rechtshandlung nachgeholt hat.
Rz. 17
Dies war ihr nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht infolge höherer Gewalt unmöglich. Diese im Berufungsverfahren vorgenommene Feststellung und Würdigung der Tatsachen ist nach Maßgabe des § 137 Abs. 2 VwGO der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht entzogen. Dementsprechend ist es dem Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich versagt, die tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch eine eigene Würdigung zu korrigieren oder gar zu ersetzen. Es ist insoweit darauf beschränkt zu überprüfen, ob die tatrichterliche Würdigung auf einem Rechtsirrtum beruht oder ob diese - auf entsprechende Verfahrensrügen hin - allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2013 - 5 C 10.12 - Buchholz 435.12 § 45 SGB X Nr. 15 Rn. 14) oder ob im Rahmen des Subsumtionsschlusses der Vorinstanz beim Bewerten des Grades der höheren Gewalt wesentliche Umstände des Einzelfalles außer Betracht geblieben sind (vgl. zu höherer Gewalt: BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1990 - 7 B 167.90 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 133 S. 37; zu Fahrlässigkeit: BVerwG, Beschluss vom 6. August 2009 - 2 B 9.09 - juris Rn. 6 und BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 57/88 - NJW 1989, 1354 ≪1355≫).
Rz. 18
Das Oberverwaltungsgericht hat den Rechtsbegriff der "höheren Gewalt" nicht verkannt. Der Begriff der "höheren Gewalt" ist enger zu verstehen als der in den Wiedereinsetzungsvorschriften gebrauchte Begriff "ohne Verschulden". Er entspricht inhaltlich "Naturereignissen oder anderen unabwendbaren Zufällen" im Sinne des § 233 Abs. 1 ZPO a.F. Unter "höherer Gewalt" wird ein Ereignis verstanden, das nicht notwendig menschlicher Steuerung völlig entzogen ist, aber unter den gegebenen Umständen auch durch die größte nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe - namentlich unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung - zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Oktober 2007 - 2 BvR 51/05 - BVerfGK 12, 303 ≪306 f.≫; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2013 - 8 C 25.12 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 2 Rn. 30). Mit diesem Verständnis hat das Oberverwaltungsgericht den Begriff der höheren Gewalt seiner Entscheidung zugrunde gelegt (UA S. 15). Dies belegen sowohl seine Formulierung "unvermeidbare Unwissenheit" als auch die in Bezug genommene Kommentierung, die die vorstehend genannten Merkmale wiedergibt.
Rz. 19
Im Hinblick auf revisionsrechtlich beachtliche Fehler in der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung hat die Klägerin keine Verfahrensrügen erhoben. Des Weiteren sind auch Fehler hinsichtlich des Subsumtionsschlusses der Vorinstanz, dass die festgestellten Tatsachen die Annahme höherer Gewalt ausschlössen, nicht zu erkennen. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich der selbstständig tragenden ("Im Übrigen ist unabhängig von einer solchen Zurechnung") Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, es sei nicht anzunehmen, dass die Klägerin eine Conterganproblematik nicht habe erkennen können angesichts der bei ihr seit Geburt vorhandenen Fehlbildungen, ferner des Umstandes, dass bei diesem Beschwerdebild für Menschen des Geburtsjahrgangs [...] der Gedanke an eine teratogene Schädigung durch Thalidomid nahegelegen habe, und schließlich des nicht fernliegenden Gedankens, dass schwere Schädigungen wie das Fehlen der Arme und in Gegenüberstellung damit geringergradige Schädigungen derselben Gliedmaßen auf dieselbe Ursache zurückzuführen sein könnten. Solche Fehler macht auch die Klägerin nicht geltend, die - auch unter Berücksichtigung ihrer ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung - lediglich die von ihr befürwortete Sachverhaltswürdigung an die Stelle derjenigen des Oberverwaltungsgerichts setzt. Damit kann sie im Revisionsverfahren nicht durchdringen.
Rz. 20
b) Die Regelung des § 12 Abs. 2 ContStifG i.V.m. § 13 StHG ist auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.
Rz. 21
Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht gehindert, in § 12 Abs. 2 ContStifG unter Bezugnahme auf § 13 StHG eine auf den 31. Dezember 1983 bemessene Frist zur Geltendmachung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsrecht vorzusehen. § 12 Abs. 2 ContStifG trifft eine differenzierte Regelung für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2009 einerseits und die nachfolgende Zeit andererseits. Wer die am 31. Dezember 1983 ausgelaufene Frist zur Geltendmachung von Leistungen versäumt hat, erhält für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2009 keine Leistungen, sondern kann diese erst für die Zeit ab dem 1. Juli 2009 beantragen. Dieser zeitabschnittsweise unterschiedlichen Rechtslage hat die verfassungsrechtliche Bewertung durch eine ebenfalls an den fraglichen Zeitabschnitten orientierte Betrachtung Rechnung zu tragen. Zwar stellt die Möglichkeit von Neuanträgen nach § 12 Abs. 2 ContStifG eine Verbesserung der Rechtslage dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 39). Dies gilt aber nur für die Zeit ab dem 1. Juli 2009, nicht hingegen für den hier allein streitbefangenen Zeitraum bis zum 30. Juni 2009. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen weder mit Blick auf die Eigentumsgarantie (aa) noch auf das Sozialstaatsprinzip und den allgemeinen Gleichheitssatz (bb).
Rz. 22
aa) Die bis zum 31. Dezember 1983 bemessene Frist zur Geltendmachung von Leistungen verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Allerdings ist - was das Oberverwaltungsgericht noch offengelassen hat - der Schutzbereich dieses Grundrechts berührt. Eingriffe in Ansprüche nach dem Conterganstiftungsgesetz sind am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 28, 31; BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2014 - 10 C 1.14 - BVerwGE 150, 44 Rn. 55), weil die ursprünglichen, durch das Errichtungsgesetz umgestalteten zivilrechtlichen Ansprüche der Berechtigten unter den Eigentumsschutz des Grundgesetzes fielen. Letzteres gilt zum einen für die Ansprüche der Berechtigten aus dem 1970 zwischen einer Vielzahl von Geschädigten und der Grünenthal GmbH geschlossenen Vergleichsvertrag (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 ≪294, 303≫ und Beschluss vom 26. Februar 2010 - 1 BvR 1541/09, 1 BvR 2685/09 - NJW 2010, 1943 Rn. 28). Zum anderen erfasst die Eigentumsgarantie - unabhängig von dem Vergleichsvertrag und der Beteiligung hieran - auch die den Geschädigten ursprünglich zustehenden deliktischen Ansprüche. Denn der Eigentumsschutz umfasst auch schuldrechtliche Ansprüche, und zwar in besonderem Maße solche, die den Charakter eines Äquivalents für Einbußen an Lebenstüchtigkeit besitzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2004 - 1 BvR 1804/03 - BVerfGE 112, 93 ≪107≫), was auf die in Rede stehenden schuldrechtlichen Ansprüche auf deliktsrechtlicher Grundlage offensichtlich zutrifft. Auch diese Forderungen sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 StHG erloschen und in Leistungsansprüche gegen die Stiftung umgewandelt worden.
Rz. 23
Die Frist zur Geltendmachung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsrecht stellt eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar (1), die auch im Übrigen verhältnismäßig ist (2).
Rz. 24
(1) Selbst eine gesetzliche Frist zur Geltendmachung eines Rechts, bei deren Versäumung sogar ein materieller Rechtsverlust eintritt, stellt jedenfalls dann keine Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG), sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar, wenn das betreffende Recht infolge des ihm zugrunde liegenden Sachverhalts ohnehin besonders geltend gemacht werden muss und sein Erlöschen vom Berechtigten binnen angemessener Frist und in einfacher, leicht zu erfüllender Form verhindert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1985 - 1 BvL 17/83, 1 BvL 19/83 - BVerfGE 70, 278 ≪286≫). Hier führte der fruchtlose Ablauf der Frist des § 13 StHG am 31. Dezember 1983 materiellrechtlich nicht zum Erlöschen der gesetzlichen Ansprüche. Diese konnten lediglich nicht mehr geltend gemacht und damit realisiert werden, und zwar für den gesamten Zeitraum bis einschließlich zum 30. Juni 2009. Selbst wenn dies für den fraglichen Zeitraum in den Auswirkungen einem Erlöschen der Ansprüche gleichzusetzen wäre, käme dem in der Frist des § 12 Abs. 2 ContStifG i.V.m § 13 StHG liegenden Eingriff nur der Charakter einer Inhalts- und Schrankenbestimmung zu. Denn die Leistungen nach dem Conterganstiftungsrecht wurden nur bei Geltendmachung durch den Betreffenden gewährt, und dieser konnte durch bloße Geltendmachung den Fristablauf in einfacher, leicht zu erfüllender Weise verhindern.
Rz. 25
(2) Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1985 - 1 BvL 17/83, 1 BvL 19/83 - BVerfGE 70, 278 ≪286≫), den der Gesetzgeber auch bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) zu beachten hat, ist nicht verletzt. Er besagt, dass eine Maßnahme zur Erreichung des angestrebten legitimen Regelungszwecks geeignet und erforderlich sein muss. Sie ist geeignet, wenn der gewünschte Erfolg mit ihrer Hilfe gefördert werden kann, und erforderlich, wenn der Gesetzgeber kein anderes, das betreffende Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können. Ferner darf der mit der Maßnahme verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen.
Rz. 26
Die Einführung einer Frist zur Geltendmachung von Leistungen verfolgte nach den bereits zuvor zitierten Gesetzesmaterialien ein legitimes und im öffentlichen Interesse liegendes Regelungsziel, nämlich der Beklagten einen Überblick zu verschaffen über die Anzahl der bis dahin noch unbekannten oder ihr nicht förmlich gemeldeten Fälle und damit auch über den voraussichtlichen finanziellen Bedarf. Sie war auch geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Letzteres kann die Klägerin nicht mit dem Argument in Zweifel ziehen, der Finanzbedarf sei deshalb nicht absehbar gewesen, weil für sogenannte Altfälle im Laufe der Zeit höhere Schädigungsgrade oder auch neue Bedarfe anerkannt worden seien. Denn es kommt auf die Sachlage bei Einführung der Geltendmachungsfrist Ende 1982 an. Zudem darf der Gesetzgeber bei der Abschätzung des künftigen Finanzbedarfs mit prognostischen Durchschnittswerten je Fall operieren.
Rz. 27
Zur Erreichung des genannten Zwecks war die Einführung einer Frist zur Geltendmachung der Leistungen auch erforderlich, ein das Eigentumsgrundrecht weniger einschränkendes Mittel ist nicht ersichtlich.
Rz. 28
Darüber hinaus war die gesetzgeberische Maßnahme verhältnismäßig im engeren Sinn. Sie führt zu einem angemessenen Interessenausgleich, der auch den Belangen der Leistungsberechtigten in hinreichender Weise Rechnung trägt. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Berechtigten im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Frist zur Geltendmachung von Leistungen ihre Ansprüche gegen die Beklagte bereits seit etwa zehn Jahren, nämlich seit Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes Ende Oktober 1972 geltend machen konnten und ihnen ein weiteres Jahr bis Ende 1983 verblieb, um noch entsprechend tätig zu werden. Hinzu kommt bei unverschuldeter Fristversäumnis die Möglichkeit der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Maßgabe des § 32 VwVfG. Besteht eine solche Möglichkeit zur Wiedereinsetzung in Härtefällen, ist dies für die Beurteilung der Angemessenheit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung durch eine Geltendmachungsfrist von erheblicher Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1985 - 1 BvL 17/83, 1 BvL 19/83 - BVerfGE 70, 278 ≪287≫). Zudem ist die vom Gesetzgeber gewählte Frist und die insgesamt für die Geltendmachung von Ansprüchen zur Verfügung stehende Zeit nicht nur ins Verhältnis zu setzen zu der seinerzeit geltenden dreißigjährigen Verjährungsfrist nach § 195 oder § 852 Abs. 1 Halbs. 2 BGB a.F., sondern auch zu der lediglich dreijährigen Verjährungsfrist nach § 852 Abs. 1 Halbs. 1 BGB a.F. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass zur Fristwahrung nichts weiter erforderlich war, als etwaige Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend zu machen, wozu weder substantiierte Angaben notwendig noch medizinische Unterlagen, die die Art der Schädigung oder gar einen Kausalzusammenhang zur Einnahme von Contergan während der Schwangerschaft thematisieren, vorzulegen waren.
Rz. 29
bb) Schließlich ist die in § 12 Abs. 2 ContStifG i.V.m. § 13 StHG für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2009 getroffene Regelung im Hinblick sowohl auf das Sozialstaatsprinzip als auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die entsprechenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts, die auch ohne die hiervon ausgenommene Einbeziehung der Ausführungen zur Rechtslage ab dem 1. Juli 2009 Bestand haben. Die Klägerin hat keine Gesichtspunkte vorgebracht, die ergänzende Ausführungen des Senats erfordern. Solche Gesichtspunkte sind auch sonst nicht ersichtlich.
Rz. 30
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Rz. 31
4. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO. Für Verfahren der in § 188 Satz 1 VwGO unter anderem genannten "Angelegenheiten der Fürsorge" werden nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) nicht erhoben. Der Begriff der "Angelegenheiten der Fürsorge" ist weitgehend deckungsgleich mit dem Begriff der öffentlichen Fürsorge in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG. Für die öffentliche Fürsorge gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG ist es kennzeichnend, dass der Gesetzgeber auf eine besondere Situation zumindest potentieller Bedürftigkeit reagiert, wobei es genügt, wenn eine - sei es auch nur typisierend bezeichnete und nicht notwendig akute - Bedarfslage im Sinne einer mit besonderen Belastungen einhergehenden Lebenssituation besteht, auf deren Beseitigung oder Minderung das Gesetz zielt (BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2015 - 1 BvF 2/13 - BVerfGE 140, 65). Der damit korrespondierende Begriff der "Angelegenheiten der Fürsorge" im Sinne von § 188 Satz 1 VwGO bezieht sich auf Fürsorgemaßnahmen in diesem Sinne und erfasst Sachgebiete, in denen soziale Leistungen mit primär fürsorgerischer Zwecksetzung vorgesehen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2019 - 5 C 2.18 - BVerwGE 165, 235 Rn. 37 ff.). Hierzu zählt auch - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - das Conterganstiftungsrecht (Änderung der bisherigen Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2014 - 10 C 1.14 - BVerwGE 150, 44). Der durch das Errichtungsgesetz, für das der Gesetzgeber seine Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG in Anspruch genommen hat (vgl. BT-Drs. 6/926 S. 6), geregelte Lebensbereich gehört, ohne dass es einer Prüfung der Vorschriften im Einzelnen bedürfte, zur öffentlichen Fürsorge im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 ≪282≫). Dies gilt gleichermaßen für das an die Stelle des Errichtungsgesetzes getretene Conterganstiftungsgesetz. Die Gerichtskostenfreiheit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Conterganstiftungsrecht die Leistungsberechtigung nicht an die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, sondern an eine bestimmte Schädigungsursache und - hinsichtlich des Umfangs der Leistungen - an das Ausmaß der erlittenen Beeinträchtigungen knüpft. Zwar wird die Bedürftigkeit, die eine Begünstigung durch Gerichtskostenfreiheit rechtfertigt, typischerweise nach Einkommens- und Vermögensgrenzen bestimmt. Das schließt es jedoch nicht aus, eine entsprechende Bedürftigkeit auch ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen dann anzunehmen, wenn das maßgebliche materielle Recht - wie hier - die Gewährung einer Fürsorgeleistung seinerseits nicht von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Anspruchsberechtigten abhängig macht. Gegen die Gerichtskostenfreiheit spricht schließlich auch nicht der Umstand, dass Streitigkeiten nach dem Errichtungsgesetz bis zum Erlass des Conterganstiftungsgesetzes im Jahre 2005 den Landgerichten zugewiesen waren (§ 20 Abs. 2 Satz 3 StHG), für die § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO keine Anwendung fand. Denn es kommt nicht auf die vormalige, sondern allein auf die derzeitige Rechtslage an.
Fundstellen
BVerwGE 2021, 54 |
FEVS 2021, 211 |
JZ 2020, 695 |
NWVBl. 2020, 497 |