Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungsförderung bei Eignungsnachweis nach § 48 BAföG. Eignungsbescheinigung: Ausbildungsförderung nach Vorlage einer Eignungsbescheinigung. Fachsemester, Fachrichtungswechsel, Zeiten einer bisherigen Ausbildung als Fachsemester der anderen Ausbildung nach Fachrichtungswechsel
Leitsatz (amtlich)
Zeiten einer bisherigen Ausbildung werden förderungsrechtlich nur durch eine Anrechnungsentscheidung des Amtes für Ausbildungsförderung zu Fachsemestern der nach einem Fachrichtungswechsel betriebenen anderen Ausbildung und zählen als solche für § 48 Abs. 1 Satz 1 BaföG.
Normenkette
BAföG § 15 Abs. 4, § 48 Abs. 1 S. 1, § 50 Abs. 2 S. 4; FörderungshöchstdauerV §§ 10-11, 11a
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25.07.1996; Aktenzeichen 12 A 13605/95) |
VG Trier (Urteil vom 11.10.1995; Aktenzeichen 5 K 362/95) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Juli 1996 wird aufgehoben. Ferner werden das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 11. Oktober 1995 und der Bescheid der Beklagten vom 16. August 1994 sowie der Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 1995 aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für sein Studium im Fach Architektur Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe für das Wintersemester 1994/95 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten für das Wintersemester 1994/95 darüber, ob die Beklagte dem Kläger Ausbildungsförderung wegen Nichtvorlage einer Leistungsbescheinigung nach § 48 BAföG verweigern durfte.
Der Kläger nahm nach seiner Ausbildung zum Bauzeichner und dem Erwerb der Fachhochschulreife im Sommersemester 1993 das Studium an der Fachhochschule in M. in der Fachrichtung Bauingenieurwesen auf. Für diesen Studiengang erhielt er Ausbildungsförderung. Am 6. Juli 1993 beantragte der Kläger die Zulassung für das 1. Fachsemester in der Fachrichtung Architektur an der Fachhochschule in T. Dieser Antrag wurde aufgrund des Ergebnisses des Auswahlverfahrens und der erstellten Ranglisten mit Bescheid vom 2. August 1993 abgelehnt. Seinem Antrag vom 15. Juli 1993 auf Zulassung für das 3. Fachsemester wurde hingegen mit Bescheid vom 20. Juli 1993 „unter der Voraussetzung” entsprochen, „die Vorleistungen bei den jeweiligen Fachdozenten genehmigen zu lassen”.
Nach Anerkennung eines wichtigen Grundes für den Fachrichtungswechsel zum Studiengang Architektur durch Bescheid vom 5. Oktober 1993 beantragte und erhielt der Kläger für sein Architekturstudium in T. Ausbildungsförderung für das Wintersemester 1993/94 und das Sommersemester 1994. Seinen Wiederholungsantrag für das Wintersemester 1994/95 lehnte die Beklagte demgegenüber mit Bescheid vom 16. August 1994 ab, weil der Kläger den in § 48 Abs. 1 BAföG vorgeschriebenen Leistungsnachweis nicht erbracht habe.
Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Verpflichtungsklage auf Ausbildungsförderung für das Wintersemester 1994/95 hatte in den beiden ersten Rechtszügen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat sein Urteil im wesentlichen wie folgt begründet:
Dem Klagebegehren stehe § 48 Abs. 1 BAföG entgegen. Der Kläger habe zu Beginn seines 5. Fachsemesters, dem Wintersemester 1994/95, weder ein Zeugnis im Sinne der Nummer 1 noch eine Bescheinigung im Sinne der Nummer 2 des § 48 Abs. 1 BAföG vorzulegen vermocht. Der Einwand des Klägers, er habe sich im Wintersemester 1994/95 erst im 3. Fachsemester befunden, überzeuge nicht. Denn die Anrechnung seiner Vorkenntnisse aus der Praxis als Bauzeichner und dem Bauingenieurstudium in M. mit zwei Semestern auf das im Wintersemester 1993/94 aufgenommene Studium der Architektur sei förderungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dem könne der Kläger nicht entgegenhalten, Hochschulrecht und Ausbildungsförderungsrecht seien als zwei voneinander getrennte Rechtsgebiete anzusehen. Denn § 11 a Abs. 1 Halbsatz 2 FörderungshöchstdauerV lege ausdrücklich fest, daß bei der Berücksichtigung der vorhergehenden Ausbildungszeiten regelmäßig von der durch die zuständige Stelle getroffenen Anerkennungsentscheidung auszugehen sei. An diese Bestimmung habe sich die Beklagte gehalten. Rechtliche Bedenken gegen dieses Vorgehen ließen sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, daß Praxiszeiten förderungsrechtlich grundsätzlich nicht als anrechenbare Fachsemester anzusehen seien (§ 7 FörderungshöchstdauerV). Denn diese Bestimmung gelte nicht für das Land Rheinland-Pfalz (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FörderungshöchstdauerV). Der Anrechnung von insgesamt zwei Semestern stehe auch nicht die vom Kläger behauptete tatsächliche Unmöglichkeit entgegen, innerhalb der dann noch verbleibenden zwei Semester die für die Zulassung zum Vordiplom erforderlichen Leistungen zu erbringen. Denn unabhängig von der Richtigkeit dieser Behauptung könne der Kläger mit diesem Einwand schon deshalb nicht gehört werden, weil er sich damit in Widerspruch zu seinen eigenen Angaben über seine Vorkenntnisse aus Praxis und Ingenieurstudium setzen würde, die den Fachbereich Architektur zu seiner Einstufung ins 3. Fachsemester veranlaßt hätten. Da sich der Kläger auch nicht auf § 48 Abs. 2 BAföG berufen könne, sei seine Verpflichtungsklage auf Ausbildungsförderung für das Wintersemester 1994/95 zu Recht abgewiesen worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der er sein Verpflichtungsbegehren weiterverfolgt. Er rügt Verletzung von § 48 BAföG. Der Begriff des Fachsemesters im Sinne von § 48 Abs. 1 BAföG sei unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Gesetz (vor allem in § 7 Abs. 3 BAföG) dahin auszulegen, daß Vorzeiten zumindest in Fällen, in denen die Erbringung der Leistungsnachweise nach § 48 Abs. 1 BAföG zeitlich unmöglich würde, nicht anzurechnen seien.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht tritt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich im Wintersemester 1994/95 bereits im 5. Fachsemester befunden und hätte deshalb, um sich seinen Anspruch auf Ausbildungsförderung zu erhalten, einen Leistungsnachweis nach § 48 Abs. 1 BAföG vorlegen müssen, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Im Grundsatz zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß Zeiten einer früheren Ausbildung nach einem Fachrichtungswechsel als Fachsemester in der neuen Fachrichtung berücksichtigt werden können. Fachsemester i.S. des § 48 BAföG sind Semester in derselben Fachrichtung (BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 1997 – BVerwG 5 C 3.96 – ≪Buchholz 436.36 § 48 BAföG Nr. 18 = NVwZ-RR 1998, 501≫). Ihre Zahl bestimmt auch die Förderungshöchstdauer (§ 10 FörderungshöchstdauerV). Für die Zuordnung einer Ausbildung zu einer bestimmten Fachrichtung ist allein maßgebend, in welcher Fachrichtung der Auszubildende an der Hochschule eingeschrieben ist (BVerwG, Urteil vom 30. April 1981 – BVerwG 5 C 28.79 – ≪Buchholz 436.36 § 17 BAföG Nr. 4 = FamRZ 1981, 919≫). Mit dem Wechsel der Fachrichtung (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BAföG) beginnt deshalb grundsätzlich die Zählung der Fachsemester neu; denn die Semester der bisherigen Ausbildung sind, weil der bisherigen Fachrichtung zugehörig, keine Fachsemester der neuen, anderen Ausbildung (BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 1997 ≪a.a.O.≫). Blieben sie allerdings förderungsrechtlich völlig unberücksichtigt, würden Auszubildende, die in eine andere Fachrichtung gewechselt haben, gegenüber denjenigen Studenten, die diese Fachrichtung von Anfang an gewählt haben, begünstigt, wenn sie die für diese Fachrichtung bestimmte Förderungshöchstdauer in vollem Umfange ausschöpfen dürften, obwohl sie aus ihrer bisherigen Ausbildung Vorkenntnisse mitbringen, die es ihnen ermöglichen, die Abschlußprüfung in der anderen Ausbildung früher abzulegen (BVerwG, Urteil vom 30. April 1981 ≪a.a.O.≫). Die – von der gesetzlichen Ermächtigung des § 15 Abs. 4 BAföG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 22. Mai 1990 (BGBl I S. 936) gedeckten (BVerwGE 92, 246 ≪248 ff.≫) – §§ 11, 11 a FörderungshöchstdauerV in der insoweit maßgeblichen Fassung der 5. Änderungsverordnung vom 25. Februar 1983 (BGBl I S. 220) sehen deshalb nach einem Fachrichtungswechsel eine Neufestsetzung der Förderungshöchstdauer für die andere Ausbildung unter Berücksichtigung vorhergehender Ausbildungszeiten vor. Dabei ist regelmäßig von der durch die zuständige Stelle getroffenen Anerkennungsentscheidung auszugehen (§ 11 a Abs. 1 Halbsatz 2 FörderungshöchstdauerV). Legt der Auszubildende eine Anerkennungsentscheidung nicht vor, so setzt das Amt für Ausbildungsförderung die Förderungshöchstdauer unter Berücksichtigung der jeweiligen Studien- und Prüfungsordnungen sowie der Umstände des Einzelfalles fest (§ 11 a Abs. 2 Satz 1 FörderungshöchstdauerV). Weicht eine spätere Anerkennungsentscheidung der zuständigen Stelle von der nach Satz 1 festgesetzten Förderungshöchstdauer ab, so ist sie regelmäßig zu berücksichtigen, wenn der Auszubildende nachweist, daß er den Antrag auf Anerkennung zu dem für ihn frühestmöglichen Zeitpunkt gestellt hat (§ 11 a Abs. 2 Satz 2 FörderungshöchstdauerV). Erst durch eine – im Rahmen der Festsetzungsentscheidung zu treffende – Anrechnungsentscheidung des Amtes für Ausbildungsförderung werden Zeiten einer bisherigen Ausbildung zu Fachsemestern der nunmehr betriebenen anderen Ausbildung.
Das gilt auch im Rahmen des § 48 Abs. 1 BAföG (so bereits BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 1997 ≪a.a.O.≫; weiterhin Nr. 48.1.5. Abs. 2 Satz 2 BAföGVwV; OVG Münster, Urteile vom 11. November 1975 – OVG VIII A 899/75 – ≪FamRZ 1976, 297 f.≫ und vom 4. Februar 1985 – OVG 16 A 1071/84 – ≪FamRZ 1985, 1197≫; Rothe/Greß, BAföG, 5. Aufl. ≪Stand: November 1996≫, § 48 Rn. 5.5; a.A. OVG Hamburg, Urteil vom 12. Februar 1982 – OVG Bf I 33/80 – ≪Urteilsabdruck S. 15 ff.≫; Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 3. Aufl. 1991, § 48 Rn. 4). Zwar ist der Revision zuzugeben, daß die konkret-individuelle Festsetzung der Förderungshöchstdauer nach § 15 Abs. 4 BAföG i.V.m. § 11 a FörderungshöchstdauerV vornehmlich auf den Gesamtzeitraum der zu fördernden Ausbildung zielt und bisherige Ausbildungszeiten unter dem Gesichtspunkt würdigt, ob und inwieweit sie Vorkenntnisse vermitteln konnten, die eine Verkürzung der insgesamt für die andere Ausbildung einzuräumenden Förderungszeit rechtfertigen. Dieser normative Blickwinkel ist mit dem des § 48 Abs. 1 BAföG nicht völlig deckungsgleich. Denn dort nimmt das Gesetz die ersten Fachsemester einer Ausbildung in den Blick und unterwirft den Auszubildenden der Prüfung, ob er bei dem Besuch der Hochschule die den jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen entsprechenden Studienfortschritte erkennen läßt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BAföG), so daß seine Förderung auch über das vierte Fachsemester hinaus gerechtfertigt erscheint (§ 9 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 BAföG). Hier können deshalb nur Ausbildungszeiten und -leistungen aus der bisherigen Ausbildung angerechnet werden, die in den von der Ausbildungs- und Prüfungsordnung der nunmehr betriebenen Fachrichtung bis zur Zwischenprüfung bzw. bis zum Ende des in § 48 Abs. 1 Nr. 2 BAföG benannten Zeitpunkts geforderten Ausbildungszeiten und -leistungen ihre gleichwertige Entsprechung finden, während eine Festsetzung der Förderungshöchstdauer auch Ausbildungszeiten anrechnen könnte, die in der nunmehr betriebenen Ausbildung erst in höheren als dem vierten Fachsemester zum Tragen kämen.
Dieser Unterschied im normativen Ansatz zwischen § 15 Abs. 4 und § 48 Abs. 1 BAföG wäre aber nur dann von Bedeutung, wenn die Entscheidung über die Festsetzung der Förderungshöchstdauer im Einzelfall auf die Aussage über die höchstmögliche Dauer der Förderung beschränkt wäre und keine Aussage über die Anrechnung früherer Ausbildungszeiten enthielte. Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr wird im Rahmen der Förderungshöchstdauerfestsetzung nach einem Fachrichtungswechsel vom Amt für Ausbildungsförderung zunächst über die Anrechnung früherer Ausbildungszeiten entschieden und davon abhängig die Förderungshöchstdauer festgesetzt (vgl. BVerwGE 92, 246 ≪250≫ und jetzt § 15 a Abs. 5 BAföG F. 1996), wobei von der nach der Förderungshöchstdauerverordnung für die neue Ausbildung an sich abstrakt-generell bestimmten Förderungshöchstdauer die angerechneten Ausbildungszeiten abgezogen werden. Nach § 11 a Abs. 1 Halbsatz 1 FörderungshöchstdauerV sind vorhergehende Ausbildungszeiten zu berücksichtigen. Inwieweit sie in bezug auf die Förderungshöchstdauer angerechnet werden können, bemißt sich nach ihrer Eignung für die neue Ausbildung, was unter Berücksichtigung der jeweiligen Studien- und Prüfungsordnungen sowie der Umstände des Einzelfalles (§ 11 a Abs. 2 Satz 1 FörderungshöchstdauerV) zu beurteilen ist.
Soweit § 11 a FörderungshöchstdauerV bestimmt, daß regelmäßig von der durch die zuständige Stelle getroffenen Anerkennungsentscheidung auszugehen (Absatz 1 Halbsatz 2) und eine spätere Anerkennungsentscheidung der zuständigen Stelle regelmäßig zu berücksichtigen sei (Absatz 2 Satz 2), ist zu beachten, daß diese hochschulrechtliche Anerkennungsentscheidung nicht ohne weiteres als förderungsrechtliche Anrechnungsentscheidung übernommen werden kann. Denn die Anerkennungsentscheidung der zuständigen Stelle stellt darauf ab, ob bisherige Studienzeiten, Studienleistungen und Prüfungsleistungen gleichwertig sind, ob sie in Inhalt, Umfang und in den Anforderungen denjenigen des entsprechenden Studiums an der aufnehmenden Fachhochschule im wesentlichen entsprechen (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 der Allgemeinen Bestimmungen für Diplomprüfungsordnungen – Fachhochschulen –, Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 2. Dezember 1994, KMK 1596). Ähnlich formuliert es auch § 9 Abs. 2 der zur Zeit der Zulassung des Klägers geltenden Diplomprüfungsordnung für die Studiengänge der Fachbereiche Architektur der Fachhochschule des Landes Rheinland-Pfalz vom 2. April 1981 (StAnz S. 387): „Studienzeiten in anderen Studiengängen sowie dabei erbrachte Studienleistungen werden angerechnet, soweit ein fachlich gleichwertiges Studium nachgewiesen wird.” Die hochschulrechtliche Anerkennungsentscheidung als Voraussetzung der Einschreibung in ein höheres Fachsemester der neuen Ausbildung setzt also unter Umständen auch voraus, daß die in der bisherigen Ausbildungszeit möglichen und auch für die neue Ausbildung erforderlichen Studienleistungen erbracht worden sind. Demgegenüber ist es für eine förderungsrechtliche Anrechnung von Studienzeiten sowohl in bezug auf die Förderungshöchstdauer als auch hinsichtlich § 48 BAföG nicht entscheidend, daß der Auszubildende in der bisherigen Ausbildungszeit mit Gewinn auch für die neue Ausbildung studiert hat, sondern nur, daß er es tun konnte. Das hat das Amt für Ausbildungsförderung zu berücksichtigen. Aus dem Zusammenhang der förderungsrechtlichen Entscheidungen zur Anrechnung bisheriger Ausbildungszeiten und zur Festsetzung der Förderungshöchstdauer nach einem Fachrichtungswechsel folgt, daß die Festsetzung der – unter Berücksichtigung der bisherigen Ausbildung – (noch) förderungsfähigen Fachsemester zugleich eine Entscheidung über die Anrechnung der bisherigen Ausbildungszeiten als (bereits verbrauchte) Fachsemester enthält. Im Regelfall ergibt sich diese Anrechnungsentscheidung konkludent aus der Subtraktion der konkret festgesetzten Förderungshöchstdauer von der abstrakt-generellen der Förderungshöchstdauerverordnung. Diese förderungsrechtliche Anrechnungsentscheidung zur Förderungshöchstdauerfestsetzung gilt grundsätzlich auch für die förderungsrechtliche Anrechnung von Fachsemestern im Rahmen des § 48 BAföG. Einer gesonderten, auf § 48 BAföG besonders zugeschnittenen förderungsrechtlichen Anrechnungsentscheidung bedarf es nur in den wenigen, eher theoretisch zu berücksichtigenden als praktisch vorkommenden Fällen, in denen frühere Ausbildungszeiten der neuen Ausbildung dem Auszubildenden nicht in den ersten vier Semestern, sondern erst in einem höheren Semester seiner neuen Ausbildung zugute kommen.
Ohne Anrechnungsentscheidung des Amtes für Ausbildungsförderung, sei es im Rahmen der Förderungshöchstdauerfestsetzung oder gesondert im Vorfeld zu § 48 BAföG, sind frühere Ausbildungszeiten keine Fachsemester der neuen Ausbildung. Vorbehaltlich besonderer Umstände genügt für eine solche förderungsrechtliche Anrechnung die Festsetzung der konkret-individuellen Förderungshöchstdauer, weil sich der Umfang der angerechneten Semester aus der Differenz zur abstrakt-generell nach der Förderungshöchstdauerverordnung für eine solche Ausbildung bestimmten Förderungshöchstdauer ergibt.
Zu Unrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, der Kläger müsse sich wegen seiner hochschulrechtlichen Zulassung und Einschreibung sogleich in das dritte Semester förderungsrechtlich zwei Semester anrechnen lassen. Denn in den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verwaltungsakten findet sich weder eine eigenständige noch eine in der Förderungshöchstdauerfestsetzung enthaltene förderungsrechtliche Anrechnungsentscheidung zu früheren Ausbildungszeiten des Klägers.
Dem Zulassungsbescheid der Fachhochschule vom 20. Juli 1993 läßt sich nur entnehmen, daß der Kläger im Studiengang Architektur, 3. Fachsemester zum Wintersemester 1993/94 zugelassen worden ist. Eine Entscheidung über die Anerkennung früherer Zeiten und Leistungen aus einer anderen Ausbildung war mit ihr nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles nicht verbunden. Der Aktenvermerk des Dekans des Fachbereichs Architektur vom 23. Juli 1993, mit dem dieser die Anfrage des Studentensekretariats der Fachhochschule, ob die Zulassung für ein höheres Semester befürwortet werde, beantwortet hat, befürwortet die Zulassung zum 3. Fachsemester nur „unter der Voraussetzung, die Vorleistungen bei den jeweiligen Fachdozenten genehmigen zu lassen”. Daß dies geschehen sei, ist aus den Akten nicht ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht vorgetragen. Der Dekan des Fachbereichs Architektur hat vielmehr auf Anfrage des Amtes für Ausbildungsförderung im Abhilfeverfahren unter dem 30. November 1994 angegeben, die Zulassung zum 3. Fachsemester sei nicht aufgrund der Anerkennung von Vorleistungen erfolgt, sondern weil der Kläger „glaubhaft machen konnte, daß seine Vorkenntnisse aus Praxis und Bauingenieurstudium eine Einstufung ins 3. Fachsemester rechtfertigen”.
Ebensowenig ist eine förmliche Festsetzung der Förderungshöchstdauer oder gar des Semesters, von dem ab Leistungsnachweise nach § 48 Abs. 1 BAföG vorzulegen seien, erfolgt. Die Bescheide vom 5. Oktober 1993 und vom 30. November 1993, auf die sich die Beklagte im Vorlageschreiben an die Widerspruchsbehörde insoweit mit der Behauptung, sie enthielten bei objektiver Betrachtung eine Anerkennung früherer Studienzeiten durch das zuständige Amt für Ausbildungsförderung, berufen hat, sind insoweit nicht aussagekräftig.
Der Bescheid vom 5. Oktober 1993 enthält lediglich eine Vorabentscheidung dem Grunde nach i.S. des § 46 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 BAföG, mit der dem Kläger gegenüber anerkannt worden ist, daß er die Fachrichtung aus wichtigem Grund gewechselt hat. Der dem vorausgehende Aktenvermerk vom 4. Oktober 1993 bezeichnet zwar das Ende der Förderungshöchstdauer mit „08.1996”, enthält aber weder eine begründete und nachvollziehbare Festsetzungsentscheidung noch hat er insoweit Eingang in den Grundbescheid gefunden. Im Förderungsbescheid vom 30. November 1993 wird zwar im Datenfeld 18 das Ende der Förderungshöchstdauer mit „Aug. 1996” benannt, doch haben derartige Angaben im Bewilligungsbescheid im allgemeinen, wie sich aus § 50 Abs. 2 Satz 4 BAföG „anzugeben”) ergibt, nur informatorischen Charakter und enthalten keine konstitutive, auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Entscheidung i.S. des § 31 Satz 1 SGB X (BVerwG, Urteil vom 27. April 1993 – BVerwG 11 C 13.92 – ≪Buchholz 436.36 § 18 b BAföG Nr. 8 = FamRZ 1993, 1373≫). Besondere Umstände, die aus der Sicht des objektivierten Empfängerhorizonts ausnahmsweise die Annahme eines Regelungscharakters der Angabe der Förderungshöchstdauer nahelegen mußten, sind nicht ersichtlich. Denn hierfür hätte es jedenfalls eines Mindestmaßes an Begründung bedurft.
Schließlich vermag auch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht zu rechtfertigen. Daß der Kläger glaubhaft gemacht hat, Vorkenntnisse aus Bauzeichnerpraxis und Ingenieurstudium zu besitzen, die eine Zulassung zum 3. Fachsemester Architektur rechtfertigen, mag ihm entgegengehalten werden, wenn die Rechtmäßigkeit der Zulassungsentscheidung in Frage steht. Das Erfordernis der förmlichen Umformung von Zeiten einer früheren Ausbildung in Fachsemesterzeiten der jetzigen Ausbildung kann dagegen nicht allein durch unzutreffende Angaben des Auszubildenden über seinen erreichten Ausbildungsstand überspielt werden. Denn damit würde man dem für die förderungsrechtliche Anrechnungs- und Festsetzungsentscheidung zuständigen Amt für Ausbildungsförderung ermöglichen, sich der Verantwortung für die Entscheidung über die maßgeblichen Ausbildungszeiten und die für die Absolvierung der Ausbildung zur Verfügung stehende Förderungshöchstdauer zu begeben.
Haben nach alledem die Vorinstanzen zu Unrecht angenommen, der Kläger habe sich im Wintersemester 1994/95 bereits im 5. Fachsemester befunden, so ist die Beklagte antragsgemäß zu verpflichten, dem Kläger für das Wintersemester 1994/95 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke
Fundstellen
BVerwGE |
BVerwGE, 40 |
NVwZ-RR 1999, 510 |
NVwZ 1999, 993 |
FEVS 2000, 16 |
SGb 1999, 409 |
WissR 2000, 180 |
DVBl. 1999, 1111 |