Entscheidungsstichwort (Thema)
Besoldung, abgesenkte – im Beitrittsgebiet. ruhegehaltfähiger Zuschuss zur abgesenkten –. Befähigungsvoraussetzungen, Begriff der – nach § 4 2. BesÜV. Beigeordneter, Wählbarkeitsvoraussetzungen für das Amt des – nach der GO Bbg. ruhegehaltfähiger Zuschuss zur abgesenkten Besoldung
Leitsatz (amtlich)
Ein kommunaler Wahlbeamter hat jedenfalls dann keinen Anspruch auf den Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge nach § 4 2. BesÜV, wenn eine Laufbahnbefähigung nicht Wählbarkeitsvoraussetzung ist.
Normenkette
BBesG § 73; 2. BesÜV §§ 1-2, 4, 8 Fassung 1993/1997; BRRG § 4 Abs. 1 Nr. 3; GO Bbg § 69
Verfahrensgang
OVG für das Land Brandenburg (Entscheidung vom 30.09.1999; Aktenzeichen 2 A 241/97) |
VG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 05.06.1997; Aktenzeichen 2 K 527/95) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 30. September 1999 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Oder vom 5. Juni 1997 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger war nach entsprechender Ausbildung Angestellter einer kreisangehörigen Stadt des Landes Nordrhein-Westfalen und zuletzt stellvertretender Leiter des Haupt- und Personalamtes unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV a BAT.
Nach seiner Wahl durch die Stadtverordnetenversammlung wurde er mit Wirkung vom 1. September 1994 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zum Ersten Beigeordneten der beklagten kreisangehörigen Stadt im Lande Brandenburg ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 eingewiesen. Nachdem der Personalkostenzuschuss des Bundes zum Ende des Jahres 1994 ausgelaufen war, beantragte der Kläger im Januar 1995, ihm einen ruhegehaltfähigen Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge nach § 4 der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung (2. BesÜV) zu gewähren. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab und wies den Widerspruch des Klägers zurück.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage, mit der der Kläger einen ruhegehaltfähigen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen ab dem 1. September 1994 fordert, stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Anspruch des Klägers auf einen ruhegehaltfähigen Zuschuss nach § 4 2. BesÜV in der zum 1. September 1994 noch geltenden Fassung sei nicht gemäß § 8 2. BesÜV – ebenfalls in der seinerzeit geltenden Fassung – ausgeschlossen. Auch kommunale Wahlbeamte hätten grundsätzlich einen Anspruch auf den Zuschuss. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 4 2. BesÜV. Der Begriff der „Befähigungsvoraussetzungen” erfasse nicht nur Laufbahnbeamte, sondern sei auch dann einschlägig, wenn für die Ernennung zum Beamten Voraussetzungen bestünden, die einer Laufbahnbefähigung vergleichbar seien. Derartige Befähigungsvoraussetzungen verlange das Gemeinderecht des Landes Brandenburg für das Amt eines Beigeordneten. Danach müssten die für das Amt erforderlichen „fachlichen Voraussetzungen” und eine „ausreichende Erfahrung” gegeben sein. Diese Anforderungen erfülle der Kläger durch seinen Werdegang als Angestellter einer Stadt in Nordrhein-Westfalen. Er sei „aufgrund” dieser Befähigungsvoraussetzungen ernannt worden.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt die Beklagte,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 30. September 1999 und des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Oder vom 5. Juni 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Oberbundesanwalt tritt der Auffassung der Revision bei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines ruhegehaltfähigen Zuschusses in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den ihm gezahlten Bezügen und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen nach der Besoldungsgruppe A 14 der Bundesbesoldungsordnung A.
Gemäß § 4 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung – 2. BesÜV) in der Fassung vom 2. Juni 1993 (BGBl I S. 778), rückwirkend ab dem 1. Juli 1991 ergänzt durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung vom 23. August 1994 (BGBl I S. 2186) und – für den Rechtsstreit ohne Bedeutung (vgl. § 12 2. BesÜV) – neu gefasst durch Art. 1 Nr. 1 der Vierten Verordnung zur Änderung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung vom 17. November 1997 (BGBl I S. 2713), erhalten Beamte, Richter und Soldaten mit Anspruch auf Besoldung nach § 2 einen ruhegehaltfähigen Zuschuss, wenn sie aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt werden.
Der Kläger hatte seit seiner Ernennung zum Ersten Beigeordneten mit Wirkung vom 1. September 1994 Anspruch auf Besoldung nach den §§ 1, 2 2. BesÜV. Er war zuvor Angestellter im kommunalen Verwaltungsdienst. Dieses privatrechtliche Anstellungsverhältnis beruhte nicht auf einer Ernennung im Sinne des § 2 2. BesÜV (vgl. Beschluss vom 18. August 1998 – BVerwG 2 B 64.98 – Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 2 S. 8). Der Kläger wurde somit „von (seiner) erstmaligen Ernennung an” als Beamter im Beitrittsgebiet verwendet.
Von dem Grundsatz der abgesenkten Besoldung bei Verwendung im Beitrittsgebiet nach erstmaliger Ernennung nimmt § 4 Abs. 1 Satz 1 2. BesÜV a.F. nur Beamte, Richter und Soldaten aus, die aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt werden. Diese erhalten einen ruhegehaltfähigen Zuschuss, so dass sie im Ergebnis besoldet werden wie Beamte, Richter und Soldaten gleichen Amtes, die im bisherigen Bundesgebiet verwendet werden. Die Anreizfunktion dieser Ausnahmeregelung bezieht und beschränkt sich auf Personen, die die für die Übernahme in das Beamten-, Richter- oder Soldatenverhältnis erforderlichen Befähigungsvoraussetzungen im bisherigen Bundesgebiet erworben haben (vgl. Urteil vom 11. März 1999 a.a.O. S. 2).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erfasst § 4 2. BesÜV nur Ämter, die eine Laufbahnbefähigung voraussetzen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck der Regelung.
§ 4 Abs. 1 2. BesÜV verwendet den Begriff „Befähigungsvoraussetzungen” im dienstrechtlichen Sinne (stRspr. seit dem Urteil vom 25. April 1996 – BVerwG 2 C 27.95 – BVerwGE 101, 116 ≪118≫). Er wird – für Beamte – konkretisiert im Beamtenrecht und umfasst sämtliche Anforderungen, die nach den laufbahnrechtlichen Bestimmungen (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 3 BRRG) für die Ernennung zu erfüllen sind. Es müssen der nach dem Laufbahnrecht für die jeweilige Laufbahn erforderliche Vorbildungsabschluss, der Vorbereitungsdienst im laufbahnrechtlichen Rahmen und – soweit vorgeschrieben – die Laufbahnprüfung im bisherigen Bundesgebiet absolviert sein (vgl. Urteile vom 11. März 1999 – BverwG 2 C 24.98 – Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 3 S. 4, vom 22. Juli 1999 – BVerwG 2 C 37.98 – Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 4 S. 8 und vom 20. Januar 2000 – BVerwG 2 C 6.99 – Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 6 S. 12). Der Begriff ist, wie das Berufungsgericht in Anwendung von Landesrecht festgestellt hat, nicht identisch mit den Anforderungen des § 69 Abs. 3 GO Bbg. Danach müssen die Beigeordneten die für das Amt erforderlichen „fachlichen Voraussetzungen” erfüllen. Eine Laufbahnbefähigung gehört nach dem Recht des Landes Brandenburg nicht – jedenfalls nicht generell – zu den Wählbarkeitsvoraussetzungen eines Beigeordneten.
Als Ausnahmevorschrift ist § 4 2. BesÜV a.F. einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Dies bringt auch die Sondervorschrift über die Besoldung der kommunalen Wahlbeamten zum Ausdruck. § 8 Abs. 3 Satz 1 2. BesÜV a.F. verweist ausdrücklich auf die Absenkungsregelung des § 2 2. BesÜV, die „entsprechend” gilt. Nicht verwiesen wird dagegen auf § 4 2. BesÜV a.F., obgleich diese Bestimmung in einem engen Zusammenhang mit § 2 2. BesÜV steht. Falls § 4 2. BesÜV auf kommunale Wahlbeamte allgemein und ohne Rücksicht darauf, ob laufbahnrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, anwendbar sein sollte, hätte eine entsprechende Regelung zumindest nahe gelegen.
§ 4 2. BesÜV a.F. ist nicht gemäß § 8 Abs. 4 2. BesÜV a.F. auf kommunale Wahlbeamte „entsprechend” anzuwenden. Die zuletzt genannte Bestimmung nimmt Bezug auf § 4 der Verordnung über die Zuordnung der Ämter der hauptamtlichen Wahlbeamten auf Zeit der Gemeinden, Samtgemeinden, Verbandsgemeinden, Ämter und Kreise (Kommunalbesoldungsverordnung des Bundes – BKomBesV) und nicht auf § 4 2. BesÜV. Dies ergibt sich aus dem Bezug der Formulierung „wobei” sowie dem Sinn der Regelung. Da die Voraussetzungen des § 4 BKomBesV zum Zeitpunkt des Erlasses der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung (vgl. auch § 6 Abs. 5 der Ersten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands vom 4. März 1991, BGBl I S. 622) im Beitrittsgebiet nicht gegeben waren, konnte die Vorschrift über die Ermittlung der Einwohnerzahl nur „entsprechend” gelten.
Zudem erstreckt sich die Zuschussregelung nach Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Verhältnisse nach dem Beitritt nicht auf alle Personen, die im bisherigen Bundesgebiet ihre Ausbildung absolviert und danach die Wählbarkeitsvoraussetzungen für das Amt des Beigeordneten erfüllt haben. Durch die Gewährung eines Zuschusses sollte die Bereitschaft von Fachkräften aus dem bisherigen Bundesgebiet gefördert werden, in der öffentlichen Verwaltung, der Rechtspflege und der Bundeswehr im Beitrittsgebiet tätig zu werden (vgl. BRDrucks 215/91 S. 22, 26; Urteil vom 25. April 1996 a.a.O. S. 119). Der mobilitätsfördernde Anreiz wurde allerdings nur solchen „Fachkräften” geboten, die spezifische, vom Beamten-, Richter- oder Soldatenrecht seit dem 3. Oktober 1990 auch für das Beitrittsgebiet geforderte fachliche Befähigungen aufwiesen und die wegen der unterschiedlichen Struktur des öffentlichen Dienstes der DDR nur außerhalb des Beitrittsgebietes erworben werden konnten. Diese Mangelsituation sollte möglichst bald behoben werden, um dem Gebot des Art. 20 Abs. 2 des Einigungsvertrages zu entsprechen, wonach die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben sobald wie möglich Beamten zu übertragen war. Soweit ein Defizit an Personal mit dienstrechtlicher Befähigung nicht bestand, gab es keinen Anlass, den Grundsatz der abgesenkten Besoldung aufzugeben. Qualifikationsunterschiede, die sich aufgrund von Ausbildung und beruflicher Erfahrung im Übrigen ergeben konnten, waren nicht Gegenstand der Zuschussregelung (vgl. Urteil vom 11. März 1999 a.a.O. S. 3). Deshalb konnten erstmals im Betrittsgebiet ernannte „andere Bewerber” (vgl. § 16 BRRG) ebenso wenig den Zuschuss verlangen wie Beamte, deren (erstmalige) Ernennung nicht von laufbahnrechtlichen Anforderungen abhängig war.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde eine Befähigung im Sinne der §§ 13 ff. BRRG nicht für die Ernennung zum Ersten Beigeordneten der Beklagten verlangt; derartige Befähigungsvoraussetzungen hat der Kläger auch nicht erworben. Deshalb kann er einen Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge nach § 4 2. BesÜV a.F. nicht beanspruchen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.02.2001 durch Schütz Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 600503 |
ZTR 2001, 483 |
DÖD 2002, 100 |