Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluß des Eisenbahn-Bundesamtes – Außenstelle Hannover – für den Ausbau der bundeseigenen Eisenbahnstrecke Uelzen – Stendal im Teilabschnitt Soltendieck – Wieren, soweit dieser den Bereich des Bahnhofs Wieren betrifft.
Der Kläger ist – neben seiner Ehefrau – Miteigentümer zur Hälfte des mit einem Wohnhaus (ehemaliges Bahnhofsgebäude) bebauten Grundstücks Flurstück 76/72 Flur 1 Gemarkung Wieren. Das nördlich der Bahnhofstraße belegene Grundstück grenzt unmittelbar südlich an das dortige Bahngelände an.
Im Oktober 1995 beantragte die Deutsche Bahn AG als Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für das Bauvorhaben „Ausbau der Strecke Stendal – Uelzen, Teilabschnitt Soltendieck – Wrestedt von km 82,695 bis 97,413 (Bau-km 582,710 bis 597,432) in den Gemeinden Soltendieck, Bodenteich, Wieren, Wrestedt (Planfeststellungsabschnitt 24)”. Im Bereich des klägerischen Grundstücks war es Ziel der Planung, den Bahnhof Wieren zusätzlich zu den beiden Hauptgleisen mit einem zweiten Überholungsgleis und einem Inselbahnsteig auszustatten. Außerdem soll ein elektronisches Stellwerk mit Funkmast gebaut werden. Schließlich werden die Gleise elektrifiziert. Die vorhandenen Ladegleise bleiben liegen, werden aber nicht mehr angeschlossen. Zurückgebaut werden die alten Außenbahnsteige.
Nach den Angaben der Beklagten wird das neue Überholungsgleis 904, das unmittelbar nördlich an dem klägerischen Anwesen vorbeigeführt wird, ungefähr in der Lage des alten Gleises 1 errichtet. Der Abstand des Hauses zur Gleisachse beträgt ca. 7 m. Parallel dazu liegt als nächstes Gleis das Hauptgleis 902 im Abstand von ca. 13,50 m. In gleicher Lage soll sich bisher das alte Gleis 2 befunden haben. Das zweite Hauptgleis 901 rückt gegenüber dem alten Gleis 3 ca. 6 m näher an das Haus heran und hat einen Abstand von ca. 18 m. Das zweite Überholungsgleis 903, das kein altes Gleis ersetzt, hält einen Abstand von ca. 28,60 m ein.
Im Anhörungsverfahren erhob der Kläger Einwendungen gegen den Plan. Er wies darauf hin, daß sein Mehrfamilienhaus lediglich ca. 5 m von der geplanten Trasse entfernt liege, wodurch er in seinen Rechten erheblich beeinträchtigt werde. Der ausgelegten schalltechnischen Untersuchung sei zu entnehmen, daß insbesondere nachts unzumutbare Lärmbelästigungen zu erwarten seien, weswegen zumindest ein qualifizierter Schallschutz vorzusehen sei. Ferner erfahre sein Grundstück durch Gefahren (Unfälle) und Umweltbelastungen (Lärm, Erschütterungen etc.) erhebliche Wertverluste. Auch trete eine Minderung des Mietwertes ein. Da er unmittelbar an der Bahntrasse wohne, werde er durch etwaige Zugunfälle bzw. Güter, die früher nicht transportiert worden seien (z.B. chemische, leicht entzündliche oder radioaktive Stoffe), durch das Ausbauvorhaben gefährdet. Auch entstehe infolge der vorgesehenen Elektrifizierung Elektrosmog. Ferner ließen die geplante Nachverdichtung des Bahnkörpers sowie andere Dauererschütterungen Risse in den angrenzenden Wohngebäuden befürchten, die zu entschädigen seien. Ein entsprechendes Beweissicherungsverfahren sei durchzuführen, zumal sein Haus unter Denkmalschutz stehe. Schließlich führe die angestrebte hohe Zugfrequenz zu einem Übermaß an Verkehrsbelastungen im Bereich der Zufahrtsstraßen zum Bahnübergang an der L 270 in Wieren (Abgase, Lärm, Stauungen), wodurch er zusätzlich erheblich gefährdet würde; eine sinnvolle Verkehrsentlastung sei daher vorzusehen.
Aufgrund des Ergebnisses des Anhörungsverfahrens wurden die Planfeststellungsunterlagen nochmals überarbeitet und eine Nachanhörung durchgeführt. Dies führte schließlich dazu, daß die Deutsche Bahn AG beantragte, die Fragen der schalltechnischen Beurteilung des Bahnhofsbereichs Wieren gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG einer ergänzenden Feststellung vorzubehalten.
Mit Planfeststellungsbeschluß vom 14. Dezember 1998 stellte das Eisenbahn-Bundesamt sodann den Plan für das Vorhaben fest und wies im übrigen die Einwendungen der Betroffenen zurück. Die Entscheidung über den Schallschutz wurde antragsgemäß einem ergänzenden Planfeststellungsverfahren vorbehalten. In der Nebenbestimmung N 1 wurde der Deutschen Bahn AG aufgegeben, unverzüglich eine neue schalltechnische Untersuchung zu erstellen und Vorschläge zur Lösung der anstehenden Schallschutzprobleme zu machen. Ihr wurde hierbei auferlegt, für Maßnahmen zur Lösung der Schallschutzprobleme umgehend ein Planfeststellungsverfahren zu beantragen. Bevor die möglicherweise anzuordnenden baulichen Lärmschutzmaßnahmen realisiert worden seien, dürfe lediglich ein eingeschränkter Betrieb aufgenommen werden, bei dem durch Maßnahmen, wie etwa der Einrichtung von Langsamfahrstellen im Bereich von Wohnbebauungen oder ähnlichem, sichergestellt sei, daß die Grenzwerte der 16. BImSchV eingehalten würden.
Gegen den ihm am 22. Dezember 1998 zugestellten Planfeststellungsbeschluß hat der Kläger am 19. Januar 1999 Klage erhoben und vorgetragen, der Planfeststellungsbeschluß werde seinen Interessen nicht gerecht. Er berücksichtige insbesondere nicht die Tatsache, daß sein Haus lediglich 5 m von der Trasse entfernt liege, und die damit verbundenen Einwirkungen auf die Hausbewohner. Welche Auswirkungen die Aufnahme des Verkehrs auf sein Grundstück letztlich haben werde, sei offen; dementsprechend sei ihm nicht bekannt, in welchem Maße sein Grundstück dem Lärm fahrender Züge und den Auswirkungen des Elektrosmogs ausgesetzt sein werde. Darüber hinaus lasse der Planfeststellungsbeschluß völlig außer acht, welche Luftturbulenzen fahrende Züge auf seinem Grundstück hervorriefen; da die Trasse nach seinem Informationsstand mit ICE-Zügen befahren werde, die Geschwindigkeiten um 250 km/h erreichten, müsse er damit rechnen, daß ein Wohnen in seinem Hause nicht mehr möglich sein würde.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie treten dem Vorbringen des Klägers entgegen und weisen insbesondere darauf hin, daß den klageweise geltend gemachten Forderungen jedenfalls die im Grundbuch des klägerischen Grundstücks eingetragene beschränkte persönliche Dienstbarkeit entgegenstünde, die den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks verpflichte, die sich aus dem Bestand und der Unterhaltung der Bahnanlagen und dem jeweiligen Bahnbetrieb ergebenden Immissionen zu dulden. Der Kläger könne sich auf dem Verwaltungsrechtsweg nicht gegen Immissionen wenden, die er zivilrechtlich zu dulden habe. Dies sei auch keineswegs unbillig, weil es zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses im Jahre 1991 bereits allgemein bekannt gewesen sei, daß die infolge der deutschen Teilung unterbrochenen Verkehrsverbindungen wieder hergestellt würden.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat konnte in der Sache verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und nicht vertreten war. Gemäß § 102 Abs. 2 VwGO ist mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Hauptantrag, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zu verpflichten, die Eisenbahntrasse so zu verlegen, daß sie künftig in 100 m Entfernung vom klägerischen Gebäude verläuft, ist unbegründet. Eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Planfeststellung mit dem genannten Ergebnis ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG nur Anspruch darauf, daß seine vom Vorhaben der Beigeladenen berührten Belange im Rahmen der planerischen Abwägung „berücksichtigt” werden. Dies schließt im allgemeinen – und so auch hier – einen Anspruch auf ein bestimmtes Abwägungsergebnis aus, weil Planung ohne Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich selbst wäre (vgl. BVerwGE 34, 301 ≪304≫; 56, 110 ≪116≫). Für den Hilfsantrag, die Beklagte zu verpflichten, für den Bahnhofsbereich eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf maximal 25 km/h anzuordnen, gilt dies entsprechend, so daß sich die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen betriebliche Regelungen dieser Art überhaupt Gegenstand einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung werden dürfen, nicht stellt.
Der Senat hat zugunsten des Klägers erwogen, ob dessen Klageziel, so wie es sich aus seinen Klageanträgen und der zugehörigen schriftsätzlichen Begründung entnehmen läßt, bei einer veränderten Antragsformulierung Rechnung getragen werden könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere hätte auch ein Antrag auf teilweise Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder auf die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit abgewiesen werden müssen. Für einen Abwägungsfehler der Planfeststellungsbehörde, der der Klage mit diesem Antrag hätte zum Erfolg verhelfen können, ist nichts ersichtlich.
Die Planung beruht auf der Entscheidung, den Ausbau unter Beibehaltung der bisherigen Trassenführung vorzunehmen (vgl. Erläuterungsbericht, S. 10). Soweit es dem Kläger darum geht, daß sein Anwesen vor unzumutbarem Schienenverkehrslärm verschont bleibt, ist kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß die mit der gebotenen Lärmvorsorge einhergehenden Probleme nur dadurch gelöst werden könnten, daß die Trassenführung geändert wird. Es bieten sich vielmehr sowohl aktive wie auch passive Schallschutzmaßnahmen als Problemlösung an. Der Kläger ist auch nicht dadurch unzulässig beschwert, daß im Planfeststellungsbeschluß diese Problemlösung zum Gegenstand eines Entscheidungsvorbehalts nach § 74 Abs. 3 VwVfG gemacht worden ist. Der in Rede stehende Entscheidungsvorbehalt setzt nämlich zum einen voraus, daß die durch die gebotene Lärmvorsorge aufgeworfenen Probleme nachträglich bewältigt werden können, ohne die bisherige Planung grundlegend in Frage zu stellen (vgl. z.B. BVerwG, Beschluß vom 17. Dezember 1985 – BVerwG 4 B 214.85 – NVwZ 1986, 640). Zum anderen werden in der Übergangszeit bis zur endgültigen Entscheidung über die Lärmschutzfrage die Belange des Klägers durch die Nebenbestimmung N 1 hinreichend gewahrt. Danach ist die Beigeladene nämlich bei einer Inbetriebnahme der ausgebauten Strecke vorerst gehalten, durch betriebliche Maßnahmen die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV sicherzustellen.
Was die übrigen Auswirkungen des planfestgestellten Vorhabens angeht, durch die sich der Kläger beschwert sieht, bleibt sein Vortrag zu unsubstantiiert, um insoweit einen Fehler der Planfeststellung aufzeigen zu können. Der Planfeststellungsbeschluß enthält hinsichtlich der in der Klagebegründung angesprochenen Probleme (wie z.B. zu den Auswirkungen elektromagnetischer Felder der Oberleitungen) eine plausible Begründung dafür, warum nicht mit einer Schädigung der Wohnnachbarschaft zu rechnen ist. In ihrer Klageerwiderung hat die Beklagte diese Ausführungen unter Vorlage einschlägiger Quellen noch vertieft. Hierzu hat der Kläger nicht mehr schriftsätzlich Stellung genommen, so daß für den Senat nicht erkennbar ist, warum sich insoweit noch ein Klärungsbedarf ergeben soll.
Da die Klage schon aus diesen Gründen abzuweisen ist, braucht der Senat nicht zu der von der Beklagten und der Beigeladenen aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen, ob und inwieweit der Kläger sich außerdem nach Treu und Glauben (vgl. zuletzt OVG Saarlouis, Beschluß vom 30. September 1998 – 2 W 8/98 – NJW 1999, 1348 ≪1349≫) eine durch die beschränkte persönliche Dienstbarkeit begründete Duldungspflicht gegenüber den sich aus dem Bahnbetrieb ergebenden Immissionen entgegenhalten lassen muß.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Kipp, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.10.1999 durch Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen