Entscheidungsstichwort (Thema)
Feuerwehrbeamter im Kommunaldienst. freie Heilfürsorge. Kostenbeteiligung. prozentualer Abzug vom Grundgehalt
Leitsatz (amtlich)
Die Heranziehung der heilfürsorgeberechtigten Beamten zu den Kosten der Heilfürsorge durch Auszahlung eines geringfügig gekürzten Grundgehalts verstößt jedenfalls dann nicht gegen höherrangiges Recht, wenn diese Beamten zwischen Heilfürsorge- und Beihilfeberechtigung wählen können (wie Urteil vom heutigen Tage – BVerwG 2 C 37.02 –).
Normenkette
GG Art. 74a Abs. 1, Art. 33 Abs. 5, Art. 3 Abs. 1; NBG § 230 Abs. 2, § 224 Abs. 3 S. 2; NBG § Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 25.06.2002; Aktenzeichen 5 LB 3647/01) |
VG Osnabrück (Entscheidung vom 16.05.2001; Aktenzeichen 3 A 137/99) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist als Hauptbrandmeister Feuerwehrbeamter der Beklagten. Seit dem 1. Mai 1999 wird auf der Grundlage des Beschlusses des Rats der Beklagten vom 22. März 1999 gemäß der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des § 230 Abs. 2 in Verbindung mit § 224 Abs. 3 Satz 2 NBG von seinen Dienstbezügen 1,3 v.H. des Grundgehalts als Beitrag zu den Kosten der Heilfürsorge einbehalten. Sein Antrag auf Auszahlung ungekürzter Dienstbezüge und Nachzahlung der einbehaltenen Kürzungsbeträge blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Abzüge vom Grundgehalt entsprächen der durch das Haushaltsbegleitgesetz 1999 geschaffenen Rechtslage, die mit höherrangigem Recht vereinbar sei. Der Landesgesetzgeber habe durch die Wahrnehmung seiner Gesetzgebungskompetenz nicht gegen formelles oder materielles Bundesverfassungsrecht verstoßen. Die freie Heilfürsorge sei kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums. Das Alimentationsprinzip sei nicht verletzt. Die Kostenbeteiligung gefährde nicht den amtsangemessenen Lebensunterhalt des Beamten. Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verlange keinen vollständigen Ausgleich aller krankheitsbedingten Aufwendungen. Es müsse nur sichergestellt sein, dass der Beamte nicht mit Aufwendungen belastet bleibe, die er über eine zumutbare Eigenvorsorge nicht abdecken könne. Dies sei gewährleistet; denn der Kläger sei trotz der Eigenbeteiligung immer noch wesentlich besser gestellt als beihilfeberechtigte Beamte. Deren Krankenversicherungsbeiträge, die aus den Dienstbezügen zu entrichten seien, lägen deutlich über der Kostenbeteiligung des Heilfürsorgeberechtigten. Der Gleichheitssatz sei nicht verletzt. Die relative Belastung sei in allen Besoldungsgruppen gleich. Dem größeren Maß an körperlichem Einsatz und gesundheitlichen Gefährdungen im Polizeivollzugs- und Feuerwehrdienst trage die allgemeine Unfallfürsorge hinreichend Rechnung. Die Schlechterstellung gegenüber den Feuerwehrbeamten im Einsatzdienst sei nicht willkürlich. Dieser Dienst weise Besonderheiten auf. Schließlich stehe § 10 Bundesbesoldungsgesetz der Kostenbeteiligung nicht entgegen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt der Kläger,
das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2002 aufzuheben und nach dem Schlussantrag des zweiten Rechtszugs zu erkennen mit der Maßgabe, dass Auszahlung erst ab 1. Mai 1999 begehrt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. § 224 Abs. 3 NBG in der Fassung des Art. 14 Nr. 4 Buchst. a Haushaltsbegleitgesetz vom 21. Januar 1999 (Nds. GVBl S. 10) ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
Dem Land steht für die angegriffene Regelung die Gesetzgebungskompetenz zu. Nach Art. 74a Abs. 1 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf die Besoldung im öffentlichen Dienst. Der Begriff der Besoldung im Sinne dieser Vorschrift ist weit zu verstehen. Er umfasst die Beihilfe und die freie Heilfürsorge (vgl. BVerfGE 62, 354 ≪368≫; 106, 225 ≪243≫; Urteil vom 3. Juli 2003 – BVerwG 2 C 36.02 – DVBl 2003, 1554, vorgesehen zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts). Mit dem Bundesbesoldungsgesetz hat der Bundesgesetzgeber seine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74a Abs. 1 GG nur für den Bereich der Besoldung im engeren Sinne ausgeschöpft. Soweit er von seinem vorrangigen Gesetzgebungsrecht (vgl. Art. 72 Abs. 1 GG) keinen Gebrauch gemacht hat, ist den Ländern das Recht zur Gesetzgebung belassen (vgl. dazu auch Entscheidung vom 25. Juni 1987 – BVerwG 2 N 1.86 – BVerwGE 77, 345 ≪351 f.≫). Sie sind deswegen befugt, die durch die Fürsorgepflicht gebotene Ergänzung der Regelalimentation durch Beihilfen für Krankheitsfälle mit eigenen Vorschriften festzulegen (vgl. BVerfGE 62, 354 ≪368 f.≫; 106, 225 ≪243≫). Für die freie Heilfürsorge gilt nichts anderes als für die in der Zweckrichtung verwandte Beihilfe (vgl. BVerfGE 62, 354 ≪368 f.≫).
Der Landesgesetzgeber hat nicht gegen seine verfassungsrechtliche Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten in ihrer Bedeutung als Kompetenzausübungsschranke verstoßen (vgl. BVerfGE 106, 225 ≪243 f.≫). Es ist nicht erkennbar, dass das beklagte Land mit der Einführung der Kostenbeteiligung an der Heilfürsorge besoldungsrechtliche Ziele verfolgt oder die insoweit abschließende Gesetzgebung des Bundes konterkariert hat. Die angegriffene Regelung hat keine rechtserheblichen – unmittelbaren oder mittelbaren – Auswirkungen auf die den Beamten von Verfassungs wegen geschuldete amtsangemessene Alimentation (vgl. BVerfGE 106, 225 ≪243≫).
Die freie Heilfürsorge gehört wie die Beihilfe nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Art. 33 Abs. 5 GG schützt nur einen Kernbestand von Strukturprinzipien, die allgemein oder doch ganz überwiegend und während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Weimarer Reichsverfassung, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (stRspr; vgl. u.a. BVerfGE 83, 89 ≪98≫). Zwar wurde den Polizeivollzugsbeamten seit der Weimarer Republik freie Heilfürsorge gewährt, doch bestand bis zum Zusammenbruch des Deutschen Reichs kein Rechtsanspruch darauf (vgl. Urteil vom 17. September 1969 – BVerwG 6 C 4.66 – BVerwGE 34, 31 ≪33≫).
Grundlage für die Gewährung der freien Heilfürsorge wie für die Gewährung von Beihilfe ist die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Diese gehört ebenso wie die Alimentation zu den hergebrachten Grundsätzen (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪98≫; 106, 225 ≪232≫). Aufgrund der Fürsorgepflicht hat der Dienstherr Vorkehrungen zu treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten durch besondere finanzielle Belastungen bei Krankheits-, Geburts- und Todesfällen nicht gefährdet wird. Ob er dieser Pflicht durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, durch Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonstiger geeigneter Weise nachkommt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪100≫; 106, 225 ≪232≫). Ebenso wie das gegenwärtige System der Beihilfe jederzeit geändert werden kann (BVerfGE 83, 89 ≪98≫; 106, 225 ≪232≫), darf auch die freie Heilfürsorge geändert werden, ohne dass Verfassungsrecht des Bundes entgegensteht. Ein Land kann im Rahmen der Konkretisierung der Fürsorgepflicht auch die bisher gewährte freie Heilfürsorge durch die Gewährung von Beihilfen ersetzen, wenn dabei die durch den Vertrauensschutz gezogenen Grenzen gewahrt bleiben. Sichergestellt bleiben muss in jedem Fall, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine zumutbare Eigenvorsorge durch Abschluss einer angemessenen Krankenversicherung nicht decken kann (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪101 f.≫; 106, 225 ≪232 f.≫). Die Fürsorgepflicht zwingt auch nicht dazu, die freie Heilfürsorge wegen des erhöhten Dienstunfallrisikos der Vollzugspolizei- und Feuerwehrbeamten unverändert beizubehalten. Dem tragen die Vorschriften über die Unfallfürsorge, insbesondere über das unentgeltliche Heilverfahren (vgl. §§ 30 ff. BeamtVG), in vollem Umfang Rechnung.
Wenn der Landesgesetzgeber die freie Heilfürsorge grundsätzlich durch das Beihilfesystem ersetzen darf, kann es ihm nicht verwehrt sein, dem Betroffenen die Wahl zwischen Beihilfe und Heilfürsorge gegen Kostenbeteiligung zu eröffnen (vgl. § 224 Abs. 4 Satz 1 NBG). Wählt der Betroffene Heilfürsorge gegen Kostenerstattung, so ist die Auszahlung eines geringeren Grundgehalts nicht das Ergebnis einer § 2 BBesG zuwiderlaufenden Besoldungskürzung, sondern das rechnerische Ergebnis einer bloßen Einbehaltung des Betrages, den der Betroffene freiwillig für sein Recht auf Heilfürsorge entrichtet.
Auch das Alimentationsprinzip wird nicht verletzt, wenn die Heilfürsorge nicht mehr unentgeltlich gewährt wird. Die Kostenbeteiligung tritt – wirtschaftlich gesehen – an die Stelle des vom beihilfeberechtigten Beamten aus seiner Besoldung aufzubringenden Beitrages zu einer privaten Krankenversicherung, die dieser zur Absicherung desjenigen Vorsorgerisikos abschließt, das nicht aufgrund der Fürsorgepflicht durch Leistung des Dienstherrn ausgeglichen wird (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪98≫ m.w.N.; 106, 225 ≪233≫). Der Höhe nach bleibt die Kostenbeteiligung hinter einer Versicherungsprämie weit zurück. Letztlich bietet der Dienstherr dem Beamten also eine kostengünstigere Vorsorge als dem beihilfeberechtigten Beamten an.
Der Grundsatz der Vorsorgefreiheit (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25. September 2001 – 2 BvR 2442/94 – DVBl 2002, 114 m.w.N.) ist nicht berührt. Der Beamte ist in der Wahl seiner Krankenvorsorge nach wie vor frei. Er kann in eigener Verantwortung entscheiden, ob er statt der Heilfürsorge die Beihilfe wählen und bei welchem Versicherungsunternehmen und zu welchen Konditionen er sich beihilfeergänzend versichern will.
Auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. Die vom Dienstherrn mit der angegriffenen Regelung verfolgten Ziele sind verfassungsrechtlich unbedenklich und die Differenzierungen der Kostenbeiträge für die Heilfürsorge nach Besoldungsgruppen entsprechend der finanziellen Leistungsfähigkeit sachlich gerechtfertigt. Der Landesgesetzgeber durfte die Regelungsbefugnis auf die Gemeinden als Dienstherren delegieren. Der Anspruch aus Fürsorgepflicht richtet sich gegen den jeweiligen Dienstherrn. Diesem obliegt es, seine Fürsorgepflicht zu konkretisieren. Die Gemeinde ist als Dienstherr und Gesetzgeber nur verpflichtet, in ihrem Regelungsbereich den Gleichheitssatz zu wahren (vgl. BVerfGE 21, 54 ≪68≫). Art. 3 Abs. 1 GG verlangt keine Gleichbehandlung durch voneinander unabhängige juristische Personen (vgl. BVerfGE 79, 127 ≪158≫).
Die Grenzen des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes sind nicht überschritten. Der Vertrauensschutz hat im Beamtenrecht seine eigene Ausprägung erfahren (vgl. BVerfGE 106, 225 ≪241 f.≫ m.w.N.). Danach darf der Beamte nicht ohne weiteres auf den unveränderten Fortbestand einer ihm günstigen Regelung vertrauen. Das gilt insbesondere im Beihilferecht, das in der Vergangenheit bereits mehrfach zum Nachteil des Beamten geändert worden ist (vgl. BVerfGE 106, 225 ≪242≫). Für die freie Heilfürsorge kann mit Blick auf die Zweckverwandtschaft zur Beihilfe und auf die Kostensteigerung im Gesundheitswesen grundsätzlich nichts anderes gelten. Der Landesgesetzgeber durfte deshalb dem Interesse an der zu erwartenden Haushaltsersparnis bei der Abwägung mit dem Vertrauensinteresse am Fortbestand der bisherigen Regelung der freien Heilfürsorge, in das nur verhältnismäßig geringfügig eingegriffen worden ist, den Vorrang einräumen (vgl. BVerfGE 106, 225 ≪242≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Fundstellen
Haufe-Index 1124949 |
ZBR 2004, 181 |