Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 6 UmwRG (ebenso jetzt § 17e Abs. 5 FStrG) ist neuer Tatsachenvortrag außerhalb der zehnwöchigen Klagebegründungsfrist unabhängig von einer konkreten Verfahrensverzögerung grundsätzlich ausgeschlossen, soweit er nicht genügend entschuldigt wird. Innerhalb der Klagebegründungsfrist sind die Beweismittel für einen späteren förmlichen Beweisantrag bereits anzugeben.
2. Eine ordnungsgemäße Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots im Rahmen der Vorhabenzulassung setzt regelmäßig eine Ermittlung des Ist-Zustands der betroffenen Gewässer und hierauf aufbauend eine gewässerkörperbezogene Auswirkungsprognose voraus.
3. Der Senat geht weiterhin davon aus, dass die Methode der Critical Loads und das Abschneidekriterium einer Zusatzbelastung von 0,3 kg/ha*a die besten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Ermittlung der Belastung durch Stickstoffeinträge in geschützte Lebensräume widerspiegelt. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7. November 2018 (C-293/17) ergibt sich nicht, dass diese Kriterien mit den unionsrechtlichen Anforderungen aus Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie unvereinbar sind.
4. Auch eine zur Vermeidung des Tötungsrisikos (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) angeordnete Maßnahme wie die Vergrämung einer Art kann den Tatbestand des Störungsverbots gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG erfüllen, wenn sie während der geschützten Zeiten stattfindet und erheblich ist.
Tatbestand
Rz. 1
Die Kläger, zwei anerkannte Naturschutzvereinigungen, wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 27. April 2017 für den Neubau der A 20 Nord-West-Umfahrung Hamburg im Abschnitt 4 westlich Wittenborn bis zur Kreuzung mit der A 7 (PFB Teil A) sowie für den Bau des Autobahnkreuzes A 20/A 7 (PFB Teil B). Das Autobahnkreuz war ursprünglich als Teil des westlich anschließenden Planfeststellungsabschnitts 5 vorgesehen und wurde mit Beginn des Planfeststellungsverfahrens dem Abschnitt 4 zugeordnet. Das Projekt gehört zum Gesamtvorhaben des Baus einer Autobahn von Lübeck in Richtung Westen bis zur Elbequerung mit einem Tunnelbauwerk bei Drochtersen und von dort weiter auf niedersächsischem Gebiet. Das Gesamtvorhaben ist im Bedarfsplan des Bundes in der Stufe des vordringlichen Bedarfs ausgewiesen und Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V). Die Trassenwahl für den streitgegenständlichen Abschnitt folgt der Linienbestimmung des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 28. Juli 2005.
Rz. 2
Ursprünglich sah der Beklagte im Anschluss an die bereits unter Verkehr befindlichen Abschnitte 1 und 2 von Lübeck bis Weede den Fortgang von Planung und Bau in Richtung von Ost nach West vor. Der Planfeststellungsbeschluss zum Abschnitt 3 (Ortsumfahrung Bad Segeberg) wurde durch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 u.a. - (BVerwGE 148, 373) unter anderem auf Antrag der jetzigen Kläger für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Nach diesem Urteil entsprach die der Prüfung der Verträglichkeit mit dem FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen" zugrunde gelegte Methode der Bestandserfassung der Fledermausarten nicht dem Standard der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Zudem durfte eine weiter südlich verlaufende Umfahrung von Bad Segeberg nicht bereits im Wege der Grobanalyse verworfen werden, unter anderem weil die Plantrasse unvermeidbar zur Beeinträchtigung prioritärer Lebensraumtypen führt.
Rz. 3
In der Folgezeit ließ der Vorhabenträger zur Vorbereitung eines Planergänzungsverfahrens für den Abschnitt 3 verschiedene Varianten einer weiträumigeren Südumfahrung von Bad Segeberg näher untersuchen. Diese Varianten führen nicht zum Anschluss an das östliche Ende des streitgegenständlichen Abschnitts bei Wittenborn, sondern verlaufen weiter südlich und treffen erst etwa auf Höhe der Ortschaft Todesfelde auf die Vorzugstrasse des hiesigen Abschnitts. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, eine der Varianten vermeide erhebliche Beeinträchtigungen prioritärer Lebensraumtypen und stelle damit aus Sicht der Belange von Natura 2000 eine Alternative zur Planfeststellungstrasse dar. Jedoch scheide eine Realisierung unter Zumutbarkeitserwägungen aus. Die der Linienbestimmung entsprechende Trasse sei erheblich kostengünstiger und erfülle die Planungsziele in höherem Maße. Ferner hat der Vorhabenträger zwischenzeitlich zusätzliche Erhebungen zu Fledermauslebensräumen und -flugrouten durchgeführt.
Rz. 4
Wegen der für den Abschnitt 3 entstandenen Verzögerung entschloss sich der Beklagte, die Planungsreihenfolge zu ändern. Er strebte an, den Abschnitt 4 vorzeitig zu verwirklichen; durch kleinere Änderungen des Planfeststellungsbereichs sollte die Verkehrswirksamkeit des Abschnitts hergestellt werden. Die vom Vorhabenträger eingereichten Unterlagen wurden im Zuge des Planfeststellungsverfahrens mehrfach aktualisiert und ergänzt. Zu allen Unterlagen wurde die Öffentlichkeit beteiligt. Der Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie lag in der Zeit vom 21. September bis zum 21. Oktober 2016 aus. Mit Beschluss vom 27. April 2017 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 20 Nord-West-Umfahrung Hamburg im Abschnitt 4 fest; die Zustellung an die Kläger erfolgte jeweils am 13. Juli 2017. Die Kläger haben am Montag, dem 14. August 2017 Klage erhoben.
Rz. 5
Im gerichtlichen Verfahren hat der Beklagte ergänzende Unterlagen zum wasserrechtlichen Fachbeitrag vorgelegt, unter anderem eine "Oberflächenwasserkörperbezogene Aufbereitung der Ergebnisse des wasserrechtlichen Fachbeitrags" vom 24. April 2018 sowie eine Untersuchung "Auswirkung der A 20 auf die biologischen Qualitätskomponenten der WRRL und Aktualisierung der Daten" vom 25. April 2018. Außerdem hat er in der mündlichen Verhandlung den Plan durch mehrere Protokollerklärungen geändert. Das Vorhaben darf nunmehr östlich der Anschlussstelle Hartenholm erst verwirklicht werden, wenn der Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt 3 vollziehbar ist und gegen dessen Vollziehbarkeit kein fristgerecht gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt oder ein entsprechender Antrag im gerichtlichen Verfahren zurückgewiesen worden ist. Ferner ist für die Ausführung der Entwässerungsplanung nunmehr zusätzlich die Einhaltung der RiStWag 2016 aufgegeben, und die näher bezeichneten Regenrückhaltebecken vorgeschalteten Absatzbecken sind durch Retentionsbodenfilter zu ersetzen, wobei sicherzustellen ist, dass der Grundwasserflurabstand zur Beckensohle bei mittlerem Höchststand des Grundwasserspiegels mindestens 0,5 m beträgt. Schließlich hat der Beklagte die Nebenbestimmungen zum Schutz des Uhu sinngemäß dahin ergänzt, dass die Vergrämungsmaßnahmen bereits ab dem Jahr des Baubeginns durchgeführt werden sollen und die Vergrämung für die Brutperiode abzubrechen ist, wenn der Uhu (trotzdem) mit der Brut beginnt.
Rz. 6
Die Kläger beanstanden die vorgezogene Planfeststellung des Abschnitts 4 vor der Fehlerheilung im Abschnitt 3. Ferner rügen sie die unterbliebene Öffentlichkeitsbeteiligung für die umfangreichen erst während des Klageverfahrens vorgelegten Ergänzungen zum wasserrechtlichen Fachbeitrag und werfen dem Planfeststellungsbeschluss Verstöße gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot vor. Sie monieren außerdem Rechtsfehler bei der Anwendung des Habitatschutzrechts, des Artenschutzrechts und der Eingriffsregelung. Die zusätzliche vorhabenbedingte Chloridbelastung der Gewässer aus der Straßenentwässerung führe zu Beeinträchtigungen der juvenilen Stadien der Neunaugen im FFH-Gebiet "Mittlere Stör, Bramau und Bünzau". Die Belastung der FFH-Gebiete durch Stickstoffdepositionen sei fehlerhaft bewertet worden. Für das FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen" hätte eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden müssen. Im Artenschutzrecht sei die Signifikanzrechtsprechung des Senats unionsrechtlich zweifelhaft. Bestandserfassung und vorgesehene Schutzmaßnahmen für die Fledermäuse seien unzureichend. Die artenschutzrechtliche Behandlung von Haselmaus, Schleiereule und Uhu sei ebenso fehlerbehaftet wie die Bewertung der Lärmbeeinträchtigungen für Vögel und die Behandlung der Amphibien.
Rz. 7
Die Kläger beantragen,
1. den Planfeststellungsbeschluss vom 27. April 2017 für den Neubau der Bundesautobahn A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Teil A (A 7 bis B 206 westlich Wittenborn) und Teil B (Autobahnkreuz A 7/A 20) in der Fassung der Protokollerklärungen aus der mündlichen Verhandlung vom 6. und 7. November 2018 aufzuheben,
2. hilfsweise: festzustellen, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist,
3. weiter hilfsweise: den Beklagten zu verpflichten, dem Träger des Vorhabens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts geeignete Vorkehrungen bzw. die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzugeben, die zur weitergehenden Vermeidung bzw. zur Kompensation nachteiliger Umweltauswirkungen des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses erforderlich sind.
Rz. 8
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Rz. 9
Er verteidigt den Planfeststellungsbeschluss und tritt dem Vorbringen der Kläger im Einzelnen entgegen.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
Die Klagen sind zulässig und teilweise begründet.
Rz. 11
Unter Berücksichtigung des fristgerechten Klagevorbringens (A.) weist der Planfeststellungsbeschluss vom 27. April 2017 in der Gestalt der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Ergänzungen zwar keine Fehler bei der Abschnittsbildung auf (B.); der Planfeststellungsbehörde ist jedoch bei der Anwendung von Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung ein Verfahrensfehler unterlaufen, hieraus ergibt sich gleichzeitig, dass auch die Vereinbarkeit des Beschlusses mit dem wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot derzeit nicht festgestellt werden kann (C.); ferner verstößt der Planfeststellungsbeschluss gegen Vorgaben des Naturschutzrechts (D.). Die Kläger als gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG anerkannte Vereinigungen können die benannten Mängel nach § 2 Abs. 4 UmwRG rügen. Rechtsfolge aller Mängel ist nicht die Planaufhebung, sondern die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses (§ 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG).
Rz. 12
A. Die zehnwöchige Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG ist durch die fristgerechte Klageerhebung in Gang gesetzt worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung im Planfeststellungsbeschluss, die auf eine sechswöchige Klagebegründungsfrist nach zuvor geltendem Recht verwies, war entsprechend dem Hinweis des Vorsitzenden in der Eingangsverfügung unzutreffend geworden, weil die Neufassung des § 6 UmwRG am 29. Juli 2017 in Kraft getreten und damit bereits auf die Klageerhebung im August 2017 anzuwenden war.
Rz. 13
Gemäß § 6 Satz 1 und 2 UmwRG hat eine Person oder eine Vereinigung innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben; Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind grundsätzlich nur zuzulassen, wenn die Verspätung entschuldigt ist (§ 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Auf die Frage, ob eine Zulassung verspäteten Vorbringens das Verfahren konkret verzögern würde, kommt es nicht an. Die Frist kann nach § 6 Satz 4 UmwRG (nur) dann auf Antrag verlängert werden, wenn die Person oder die Vereinigung in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren keine Möglichkeit der Beteiligung hatte.
Rz. 14
Diese Regelung ist vorrangig gegenüber früheren fachgesetzlichen Klagebegründungsfristen (s. etwa § 17e Abs. 5 FStrG a.F.) anzuwenden; der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Einfügung des § 6 UmwRG eine einheitliche und abschließende Regelung für alle Rechtsbehelfe im Geltungsbereich dieses Gesetzes (vgl. BT-Drs. 18/9526 S. 41 f.; so auch Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Sonderdruck UmwRG, 2018, § 6 Rn. 32 f.; anders jetzt ausdrücklich der auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbare § 17e Abs. 5 Satz 6 FStrG in der Fassung vom 29. November 2018, BGBl. I S. 2237). Der Zweck des § 6 UmwRG - und ebenso des nunmehr an ihn angelehnten § 17e Abs. 5 FStrG n.F. - besteht darin, zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen, indem der Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar gehalten wird (BT-Drs. 18/12146 S. 16, BT-Drs. 19/4459 S. 32). Schon innerhalb der Begründungsfrist, die zum Ausgleich der strengeren Folgen einer Versäumung von sechs auf zehn Wochen verlängert worden ist, hat der Kläger grundsätzlich den Prozessstoff festzulegen. Damit soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird, was späteren lediglich vertiefenden Tatsachenvortrag nicht ausschließt (so bereits zu Vorgängervorschriften BVerwG, Urteile vom 30. September 1993 - 7 A 14.93 - Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 23 S. 53 und vom 31. März 1995 - 4 A 1.93 - BVerwGE 98, 126 ≪129 ≫; s. ferner Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Sonderdruck UmwRG, 2018, § 6 Rn. 8). Beweismittel für einen späteren förmlichen Beweisantrag sind innerhalb der Klagebegründungsfrist bereits anzugeben (BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 4 A 16.16 - Buchholz 451.17 § 43e EnWG Nr. 2 Rn. 67 zur entsprechenden Vorschrift des § 43e Abs. 3 EnWG, abschwächend Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Sonderdruck UmwRG, 2018, § 6 Rn. 63). Insgesamt soll nach dem Wegfall der aus dem Verwaltungsverfahren in den Prozess hineinwirkenden materiellen Präklusion (§ 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG; vgl. § 7 Abs. 4 UmwRG) verhindert werden, dass in einem späten Stadium des gerichtlichen Verfahrens neuer Tatsachenvortrag erfolgt, auf den die übrigen Beteiligten und das Gericht nicht mehr angemessen reagieren können.
Rz. 15
Über die Klagebegründungsfrist ist nicht nach § 58 VwGO zu belehren. Zwar betrifft dann, wenn das Gesetz zwischen der Einlegung und der Begründung eines Rechtsmittels unterscheidet, die Belehrungspflicht beide Stufen (BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 3 C 23.08 - BVerwGE 134, 41 Rn. 12). Anders etwa als die Berufungs- und Revisionsbegründungsfrist (§ 124a Abs. 3 Satz 1, § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO) wird die Klagebegründungsfrist des § 6 UmwRG aber nicht mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung in Gang gesetzt, sondern läuft als selbstständige Frist ab Klageerhebung. Sie ist zudem im Gegensatz zu den beiden vorgenannten Rechtsmittelbegründungsfristen (vgl. § 124a Abs. 3 Satz 5 bzw. § 143 Satz 2 VwGO) nicht als Sachurteilsvoraussetzung ausgestaltet, sondern als prozessuale Präklusionsvorschrift für Tatsachen und Beweisantritte. Über die Möglichkeit der Zurückweisung verspäteten Vortrags ist schließlich auch nicht nach § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwGO zu belehren. Dies hat der Gesetzgeber in § 6 Satz 2 UmwRG durch die Beschränkung des Verweises auf § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ausdrücklich bestimmt (Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Sonderdruck UmwRG, 2018, § 6 Rn. 47).
Rz. 16
B. Der Planfeststellungsbeschluss weist keine Fehler bei der Abschnittsbildung auf. Durch die Teilverklammerungserklärung des Beklagten sind eventuelle Rechtsmängel jedenfalls behoben worden.
Rz. 17
Die Zulässigkeit einer planungsrechtlichen Abschnittsbildung ist grundsätzlich anerkannt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass ein planerisches Gesamtkonzept angesichts vielfältiger Schwierigkeiten, die mit einer detaillierten Streckenplanung verbunden sind, häufig nur in Teilabschnitten verwirklicht werden kann. Die Planfeststellungsbehörde verfügt dabei über ein planerisches Ermessen, in das sie unter anderem Gesichtspunkte einer zweckmäßigen Verfahrensgestaltung einbeziehen kann. Dieses Ermessen wird allerdings durch das materielle Planungsrecht, insbesondere die Ziele des jeweiligen Fachplanungsgesetzes und das Abwägungsgebot, begrenzt. Insbesondere kann eine Teilplanung nicht so weit verselbstständigt werden, dass durch die Gesamtplanung geschaffene Probleme unbewältigt bleiben. Auch muss zwischen den Vorteilen, die in der alsbaldigen Verwirklichung eines Teilbereichs liegen, und eventuell damit verbundenen Nachteilen wie etwa höheren Kosten oder der Durchführung von sich später als überflüssig herausstellenden Baumaßnahmen, eine sachgerechte Abwägung getroffen werden (BVerwG, stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 11. Oktober 2017 - 9 A 14.16 - BVerwGE 160, 78 Rn. 164 m.w.N.).
Rz. 18
Die Kläger haben hier gegen das Vorgehen des Beklagten eingewandt, dass bei einem Bau des Abschnitts 4 bis zum Ende des Abschnitts 3 nahe Wittenborn die geforderte Offenheit für die Trassenabwägung im Abschnitt 3 nicht mehr gegeben wäre. Die Abwägungsparameter könnten vorzeitig zu Gunsten der Vorzugstrasse des Beklagten verschoben werden, wenn ansonsten ein Rückbau der Autobahn bis zum Zusammentreffen aller in Betracht kommenden Trassenvarianten auf Höhe der Ortschaft Todesfelde nötig würde.
Rz. 19
Näheres dazu kann indes dahinstehen. Denn der Beklagte hat den Einwänden der Kläger durch die in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärte Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses Rechnung getragen, wonach mit der Umsetzung des planfestgestellten Vorhabens östlich der Anschlussstelle Hartenholm erst begonnen werden darf, wenn für den angrenzenden Abschnitt 3 ebenfalls Baurecht besteht.
Rz. 20
Diese Teilverklammerung beider Abschnitte geht zutreffend davon aus, dass sich die noch ausstehende Variantenentscheidung für den Abschnitt 3 im streitgegenständlichen Abschnitt westlich der Anschlussstelle Hartenholm nicht mehr auswirkt, weil alle in Betracht kommenden Trassenführungen dort bereits wieder auf die Vorzugstrasse zurückführen; sie behebt deshalb die von den Klägern gerügten eventuellen Rechtsmängel. Der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss muss entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht deshalb aufgehoben oder jedenfalls für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt werden, weil er im räumlichen Umfang der Verklammerung einen fortwirkenden Abwägungsgesichtspunkt für die Entscheidung über die Trassenführung im Abschnitt 3 darstellt. Sollte sich im Nachbarabschnitt 3 eine andere als die bisherige Vorzugsvariante durchsetzen, müsste der Beklagte auch die Planung im östlichen Teil des Abschnitts 4 entsprechend ändern. Die bloße Planung "auf dem Papier" hat keine faktisch irreversiblen Folgen, die mit der vorzeitigen baulichen Vollendung des umstrittenen Autobahnteilstücks vergleichbar wären. Deshalb genügt zur Vermeidung eines Planungstorsos und für das Offenhalten der Abwägung hier der vorläufige Verzicht auf den Bau der betreffenden Teilstrecke. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der nicht von der Teilverklammerung erfasste Unterabschnitt eine nur geringe Verkehrsbedeutung aufweisen würde. Denn es handelt sich insoweit um keinen Abschnitt im Rechtssinne, der einer eigenen Planrechtfertigung bedarf; die selbstständige Verkehrsbedeutung ist vorhanden durch den Anschluss an das Straßennetz bei Hartenholm am östlichen Ende und das Autobahnkreuz mit der A 7 am westlichen Ende.
Rz. 21
C. Der Planfeststellungsbeschluss leidet hinsichtlich der Behandlung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots an einem Verfahrensfehler. Der Beklagte hätte zu den erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses erstellten und in das Klageverfahren eingeführten Unterlagen für die wasserrechtliche Prüfung die Öffentlichkeit beteiligen müssen. Darüber hinaus kann derzeit auch nicht festgestellt werden, dass das Vorhaben materiell mit dem wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot für Oberflächengewässer (§ 27 WHG) vereinbar ist. Beide Defizite führen nicht zur Aufhebung des Beschlusses, sondern zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit.
Rz. 22
Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI:EU:C:2015:433] - ist geklärt, dass dem Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Richtlinie 2000/60/EG (ABl. L 327 S. 1) in der Fassung der Richtlinie 2013/39/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. August 2013 (ABl. L 226 S. 1) - Wasserrahmenrichtlinie - WRRL - verbindlicher Charakter zukommt. Daraus folgt, dass die Genehmigung eines konkreten Vorhabens zu versagen ist, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächengewässers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. seines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet. Ferner ist geklärt, dass eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Wasserrahmenrichtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Das Verschlechterungsverbot gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für jeden Typ und jeden Zustand eines berichtspflichtigen Oberflächenwasserkörpers (EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - Rn. 50). Der Senat hat hieraus gefolgert, dass eine ordnungsgemäße Prüfung des Verschlechterungsverbots regelmäßig sowohl eine Ermittlung des Ist-Zustands als auch eine Auswirkungsprognose für die einzelnen zu bewertenden Gewässer, also eine wasserkörperbezogene Prüfung, voraussetzt (BVerwG, Hinweisbeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1426 Rn. 51).
Rz. 23
Der in den Jahren 2015/16 erstellte Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie (im Folgenden: Fachbeitrag) und damit auch der auf dieser Grundlage ergangene Planfeststellungsbeschluss bleiben in erheblichem Umfang hinter diesen rechtlichen Anforderungen zurück. Der Fachbeitrag weist mehrere Defizite auf, die jedenfalls zusammengenommen als wesentlich anzusehen sind (dazu 1. - 8.). Die im Klageverfahren erfolgten Ergänzungen gehen in Systematik und Ermittlungstiefe wesentlich über den Fachbeitrag hinaus und hätten deshalb vorbehaltlich der noch ausstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Vorlagebeschluss des Senats vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - (DVBl 2018, 1418, Az. des EuGH: C-535/18) einer vorherigen Öffentlichkeitsbeteiligung bedurft (9.). Schließlich sind durch die Planänderungen in der mündlichen Verhandlung weitere Fragen aufgeworfen worden, die derzeit noch nicht abschließend geklärt werden können (10.). Eine Aussetzung des Verfahrens ist indes nicht geboten (11.).
Rz. 24
1. Im Fachbeitrag sind berichtspflichtige Gewässer im Untersuchungsraum nicht behandelt worden, obwohl die gebotene wasserkörperbezogene Prüfung dies erfordert hätte. Der Untersuchungsraum wird im Fachbeitrag zwar nicht verbal definiert, aus der kartographischen Darstellung (S. 14) ist aber zu entnehmen, dass sich (auch) die Gewässer br_06, 07 sowie 08_b innerhalb dieses Raums befinden. Es fehlt eine Erläuterung dafür, weshalb diese Gewässer gleichwohl nicht Gegenstand des Fachbeitrags sind. Jedenfalls beim Gewässerkörper br_06 wäre darüber hinaus in der Sache eine Untersuchung erforderlich gewesen, weil an ihm eine Einleitstelle für das Straßenoberflächenwasser liegt, wie sich aus der im Klageverfahren vorgelegten Untersuchung von Ne. "Auswirkung der A 20 auf die biologischen Qualitätskomponenten der WRRL und Aktualisierung der Daten", 2018, - im Folgenden: Ne. (2018) - ergibt. Im Übrigen kann der Fachbeitrag seinen Zweck, eine nachvollziehbare Beurteilung der in Betracht kommenden Auswirkungen des Vorhabens auf die einzelnen Oberflächengewässer zu ermöglichen, nur erreichen, wenn - zumindest kurz - erläutert wird, weshalb die vorhabenbedingte Beeinflussung eines im Untersuchungsraum befindlichen Gewässers ausgeschlossen werden kann.
Rz. 25
2. Die Kläger rügen zu Recht, dass der Fachbeitrag nur bei der Beschreibung des Ist-Zustands der Oberflächengewässer wasserkörperbezogen vorgeht, nicht jedoch bei der Auswirkungsprognose. So wird etwa in Ziffer 5.3.1.1 unter anderem die Schmalfelder Au in Bezug genommen, obwohl insoweit zwei verschiedene berichtspflichtige Gewässer (br_08_a und br_08_c) vorliegen. Die zusammengefasste Auswirkungsprognose im Fachbeitrag verfehlt zudem die richtigen Maßstäbe, weil der Gewässerkörper br_08_a als erheblich verändert, der Gewässerkörper br_08_c aber als natürlich eingestuft ist und der Maßstab für die Prüfung des Verschlechterungsverbots deshalb im ersteren Fall gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 1 WHG das ökologische Potenzial und im letzteren Fall gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WHG der ökologische Zustand ist. Eine "Oberflächenwasserkörperbezogene Aufbereitung der Ergebnisse des wasserrechtlichen Fachbeitrags" - im Folgenden: Fachbeitrag Ergänzung (2018) - hat der Beklagte erst im Klageverfahren vorgelegt.
Rz. 26
3. Ferner waren die Messergebnisse für die Bewertung des Ist-Zustands schon bei Erstellung des Fachbeitrags teilweise veraltet und sind erst im gerichtlichen Verfahren aktualisiert worden. Die Messergebnisse der repräsentativen Überwachungsstelle Schmalfelder Au, Auwiese, stammen vom 5. Dezember 2007, die entsprechenden Werte der repräsentativen Überwachungsstelle Ohlau vom 15. November 2008. Sie waren damit zum Zeitpunkt der Erstellung des Fachbeitrags und zum Zeitpunkt des Ergehens des Planfeststellungsbeschlusses rund neun bzw. fast zehn Jahre alt und wesentlich älter, als es den normativ vorgegebenen Überwachungsintervallen für die überblicksweise Überwachung nach Ziffer 1 i.V.m. der Tabelle "Überwachungsfrequenzen und Überwachungsintervalle" in Anlage 10 zu § 10 Abs. 1 und Abs. 2 Oberflächengewässerverordnung in der am 24. Juni 2016 in Kraft getretenen Fassung von Art. 1 der Verordnung vom 20. Juni 2016 (BGBl. I S. 1373) - OGewV - entspricht. Die überblicksweise Überwachung ist nach den Angaben der Tabelle in Anlage 10 für die biologischen Qualitätskomponenten alle ein bis drei Jahre und für die chemischen Qualitätskomponenten, die allgemeinen physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten sowie für prioritäre Stoffe mindestens einmal in sechs Jahren durchzuführen.
Rz. 27
Wenn die in einem Bewirtschaftungsplan dokumentierten Daten aus der Gewässerüberwachung lückenhaft, unzureichend oder veraltet sind, können sie einer Vorhabenzulassung regelmäßig nicht zugrunde gelegt werden, sondern es bedarf weiterer Untersuchungen (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 489 m.w.N.; Schieferdecker, UPR Sonderheft 2018, 436 ≪439≫). Falls wie hier innerhalb eines einheitlichen Verwaltungsträgers eine andere Behörde - vorliegend das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Schleswig-Holstein (LLUR) - für die Durchführung der Überwachung zuständig ist, hat die Planfeststellungsbehörde grundsätzlich gegenüber der zuständigen Behörde darauf hinzuwirken, dass die Überwachung wie normativ gefordert stattfindet, um ihren Gesetzesauftrag zur Prüfung des Verschlechterungsverbots im Rahmen der Vorhabenzulassung ordnungsgemäß erfüllen zu können (Art. 20 Abs. 3 GG). Geringfügige Überschreitungen des Überwachungsintervalls, etwa wenn die Daten bei Erstellung des Fachbeitrags noch aktuell genug sind und erst zum Zeitpunkt des Ergehens des Planfeststellungsbeschlusses das Intervall unwesentlich überschritten ist, können dabei ohne Nachermittlung hinnehmbar sein oder noch im Klageverfahren nachträglich durch Vorlage neuer Ergebnisse bestätigt werden. Um eine solche geringfügige Überschreitung handelt es sich hier jedoch nicht.
Rz. 28
4. Die Behandlung der biologischen Qualitätskomponenten (§ 5 Abs. 4 OGewV i.V.m. Anlage 3 Nr. 1 zur OGewV) im Fachbeitrag weist erhebliche Mängel auf. Insbesondere ist die biologische Qualitätskomponente Fischfauna nicht nach dem fischbasierten Bewertungssystem für Fließgewässer (im Folgenden: fiBS) bewertet worden, obwohl diese Bewertung durch Anlage 5 Vorbemerkung 3 zur OGewV seit Inkrafttreten ihrer Neufassung im Juni 2016 vorgeschrieben ist. Erst während des gerichtlichen Verfahrens wurde ein umfangreiches, auf fiBS basierendes Gutachten ("Auswirkung der A 20 auf die biologischen Qualitätskomponenten der WRRL und Aktualisierung der Daten", Stand 25. April 2018) erstellt und vom Beklagten vorgelegt (Ne. ≪2018≫). Aus den Quellenangaben dieser Untersuchung lässt sich entnehmen, dass die dort zugrunde gelegten Daten zum WRRL-Fischmonitoring zum Zeitpunkt der Erstellung des Fachbeitrags und seiner Aktualisierung im Juli 2016 bereits vorhanden gewesen sein müssen.
Rz. 29
Diesem Defizit des Fachbeitrags kommt nach Auffassung des Senats erhebliches Gewicht zu, weil die umfangreiche Untersuchung von Ne. (2018) die biologischen Qualitätskomponenten mit gänzlich anderer Systematik und deutlich größerer Ermittlungstiefe darstellt, ohne dass eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden hat. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, vom LLUR geprüfte Daten, die in der Untersuchung von Ne. (2018) dargestellt werden, seien bereits dem Fachbeitrag zugrunde gelegt worden, ist dies jedenfalls nicht nachvollziehbar. Der Fachbeitrag stellt zum Ist-Zustand der Fischfauna lediglich fest, die Schmalfelder Au sei im untersuchten Bereich für Neunaugen von besonderer Bedeutung und müsse als potentieller Laichplatz betrachtet werden. Beim Gewässer Mühlenau/Schirnau (br_13) heißt es zum Ist-Zustand, alle biologischen Komponenten des ökologischen Zustands seien mit "gut" eingestuft. Bei der Auswirkungsprognose wird demgegenüber ausgeführt, der aktuelle Zustand der einzelnen biologischen Qualitätskomponenten sei in den Bewirtschaftungsplänen bzw. Maßnahmenprogrammen nicht bestimmt. Den biologischen Qualitätskomponenten kommt im Übrigen auch nach den normativen Vorgaben wesentliche Bedeutung zu, weil gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 OGewV für die Bewertung des ökologischen Zustands bzw. Potenzials maßgeblich auf sie abzustellen ist und die morphologischen sowie die allgemeinen physikalisch-chemischen Qualitätskomponenten gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 OGewV lediglich unterstützend heranzuziehen sind (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 497 f.; Schieferdecker, UPR Sonderheft 2018, 436 ≪437≫).
Rz. 30
5. Die physikalisch-chemische Hilfskomponente der Chloridbelastung der Gewässer wird nicht konsistent behandelt. Insoweit lag dem Fachbeitrag die Untersuchung des Salzeintrages in das Gewässersystem der Bramau aufgrund des Neubaus der A 20 und des sechsstreifigen Ausbaus der A 7, Teil 1 Chlorideinträge in die Schmalfelder Au und die Ohlau, BRW 2013 - Tausalzgutachten 2013 - zugrunde. An einem wesentlichen Punkt, nämlich der Frage, ob der Schwellenwert von 50 mg/l Chlorid als Drei-Jahres-Mittelwert (Anlage 7 Ziffer 1.1.2 zu § 5 Abs. 4 Satz 2 OGewV) für die Einhaltung des höchsten ökologischen Potenzials in der Schmalfelder Au und gleichzeitig als vom Beklagten selbst gesetzte Verträglichkeitsgrenze für die Neunaugen im FFH-Gebiet "Mittlere Stör, Bramau und Bünzau" eingehalten wird, kommen die im gerichtlichen Verfahren nachgereichten Untersuchungen zu anderen Ergebnissen als diejenigen aus dem Planfeststellungsverfahren:
Rz. 31
Im Fachbeitrag wird die Chloridgrundbelastung der Schmalfelder Au unter Bezugnahme auf das Tausalzgutachten 2013 im Jahresmittel mit 25,53 mg/l und die vorhabenbedingte Zusatzbelastung durch Direkteintrag mit höchstens 14,5 mg/l angegeben. Hieraus ergibt sich, dass eine Chloridbelastung von 50 mg/l sicher unterschritten und die Anforderung der Anlage 7 zur OGewV hinsichtlich des höchsten ökologischen Potenzials erfüllt wird. Der Planfeststellungsbeschluss bezieht sich hierauf (S. 880).
Rz. 32
Im Fachbeitrag Ergänzung (2018) wird hingegen angenommen, dass die Chloridbelastung in der Schmalfelder Au knapp über 50 mg/l liegen wird. Diese eher pauschale und vage Annahme wird der ebenfalls erst im Klageverfahren vorgelegten Neufassung des Tausalzgutachtens (2018) entnommen. Die dort in der Anlage 2 wiedergegebenen Werte für die Schmalfelder Au mit über 50 mg/l Chlorid sind jedoch - wie sich dieser Anlage ebenfalls entnehmen lässt - Werte für ein maximales Einzelereignis bzw. durchschnittliche Winterwerte. Jedenfalls wasserrechtlich maßgeblich für die Chloridbelastung ist indes gemäß Anlage 7 zur OGewV der Drei-Jahres-Mittelwert. Dieser Wert für die Schmalfelder Au liegt gemäß Anlage 2 des Tausalzgutachtens (2018) bei 48,8 mg/l Chlorid.
Rz. 33
Auf der Grundlage dieser nicht konsistenten Ergebnisse zur Chloridbelastung in der Schmalfelder Au kann die auf das Habitatschutzrecht bezogene Kritik der Kläger, eine Beeinträchtigung insbesondere der salzempfindlichen juvenilen Stadien der Neunaugen im FFH-Gebiet "Mittlere Stör, Bramau und Bünzau" sei zu befürchten, nicht abschließend ausgeräumt werden. Allerdings dürfte angesichts der Berechnungsannahmen der Tausalzgutachten die Verfehlung der Grenze von 50 mg/l Chlorid auch unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von den Klägern des Parallelverfahrens vorgebrachten Kritik an den Berechnungsannahmen (Zahl der Streuvorgänge, Menge des bei einem Streuvorgang aufgebrachten Salzes) unwahrscheinlich sein. Das Tausalzgutachten (2018) enthält nach Angabe seiner Autoren Sicherheitspuffer von insgesamt ca. 30 %, um extreme Witterungssituationen im Winter abzudecken. Das betrifft insbesondere Niedrigwasser und den gleichzeitigen Eintritt eines 15-minütigen Starkregenereignisses während einer Situation, in der die Fahrbahnen voll abgestreut sind. Diese Annahmen decken bereits für die Chloridbelastung besonders ungünstige Verhältnisse ab.
Rz. 34
Deshalb greift die Rüge, die im Merkblatt für den Winterdienst an Straßen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV 416 F) angegebenen Maximalwerte für die Streudichte von 40 g Salz/m² Straßenfläche müssten berücksichtigt werden, nicht durch. Die Berechnungsannahmen der Tausalzgutachten gehen von der im Merkblatt angegebenen durchschnittlichen Streudichte von 20 g/m² aus, berechnen dies dann jedoch für die gesamte versiegelte Fläche der Autobahn, obwohl in der Praxis lediglich die Fahrstreifen und nicht die Seitenstreifen behandelt werden. Außerdem ist in dieser Berechnungsannahme die Zahl der Streuvorgänge pro Winter mit 40 weit im oberen Drittel der Variationsbreite angesetzt (s. PFB S. 880 f.). Dem haben die Kläger erst im Schriftsatz vom 26. Oktober 2018 und damit außerhalb der Klagebegründungsfrist substantiierten Tatsachenvortrag entgegengesetzt; dieser kann deshalb keine Berücksichtigung finden (§ 6 Satz 2 und 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Rz. 35
6. Zum vorhabenbedingten Eintrag von Schadstoffen in die Oberflächengewässer enthält der Fachbeitrag lediglich die knappe und vage Feststellung (S. 95), mit Einträgen von Stoffen bzw. Stoffgruppen wie zum Beispiel Benzol oder PAK sei aufgrund der festgesetzten Vermeidungsmaßnahmen nicht zu rechnen. Der Planfeststellungsbeschluss verweist hierauf (S. 858, 864). Das kann angesichts der von den Klägern des Parallelverfahrens 9 A 10.17 und gleichzeitig vom Beklagten in beide Klageverfahren eingeführten fachgutachterlichen Aussagen zur "Immissionsbezogenen Bewertung der Einleitung von Straßenabflüssen" (Gr. April 2018) nicht genügen.
Rz. 36
Hiernach können bei der Beurteilung der Ablaufkonzentrationen aus den Behandlungsanlagen die ubiquitär vorkommenden PAK zu Überschreitungen der Umweltqualitätsnormen für die Beurteilung des chemischen Zustands nach Tabelle 2 der Anlage 8 zur OGewV führen. Die mittlere Konzentration von Benzo(a)pyren im Straßenabfluss ist dem Gutachten zufolge rund 1 060-fach höher als die Jahresdurchschnitts-Umweltqualitätsnorm (im Folgenden: JD-UQN). Die JD-UQN für Benzo(a)pyren sei so gering, dass sie selbst nach der Behandlung mit der derzeit besten Technik, nämlich durch Retentionsbodenfilteranlagen, bei Vorhandensein von größeren angeschlossenen Flächen und bei geringer Wasserführung der Fließgewässer überschritten werden könne.
Rz. 37
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 OGewV i.V.m. Nr. 28 der Tabelle 1 Spalte 4 der Anlage 8 zur OGewV gelten für PAK bis Ende des Jahres 2021 die (weniger strengen) Umweltqualitätsnormen nach Anlage 7 der vorherigen Fassung der Oberflächengewässerverordnung. Das Gebot der Konfliktbewältigung erfordert indes, dass die Planfeststellung der strengeren Neuregelung bereits Rechnung trägt und gegebenenfalls Vorkehrungen vorsieht, die insoweit eine vorhabenbedingte Verschlechterung des chemischen Zustands der Oberflächengewässer vermeiden. Das sieht auch der Beklagte so. Deshalb hat er zu Protokoll der mündlichen Verhandlung den Planfeststellungsbeschluss um eine Auflage ergänzt, die dem Vorhabenträger aufgibt, in den Regenrückhaltebecken RRB 1 - 8 und RRB 08, 09 sowie A7-02 jeweils die vorgeschalteten Absetzbecken durch Retentionsbodenfilter zu ersetzen. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung konnte aber nicht abschließend geklärt werden, ob mit der Umplanung die Einhaltung der Umweltqualitätsnormen für die PAK gewährleistet werden kann. Dies wäre Voraussetzung dafür, dass hinsichtlich des chemischen Zustands (§ 6 OGewV) das Verschlechterungsverbot eingehalten wird. Eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines Oberflächenwasserkörpers liegt vor, sobald durch ein Vorhaben mindestens eine Umweltqualitätsnorm im Sinne der Anlage 8 zur OGewV überschritten wird (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 578; vgl. auch Vorlagebeschluss des Senats vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1418 Rn. 49).
Rz. 38
Aus der Untersuchung von Gr. ergeben sich ferner Anhaltspunkte dafür, dass die Einhaltung der Umweltqualitätsnorm als JD-UQN für den Schadstoff Cyanid problematisch ist. Dort heißt es (S. 12), bei einem durchschnittlichen jährlichen Tausalzverbrauch von 1 000 g/m² und einer Konzentration von Eisencyanid von 50 - 75 mg/kg im Auftausalz ergebe sich eine mittlere jährliche Eisencyanidmenge von 50 - 75 mg/m². Unter Annahme eines mittleren Jahresniederschlags von 750 ml und mittlerer Abflussverhältnisse lägen mögliche mittlere Jahreskonzentrationen nur auf Cyanid bezogen bei 70 - 107 µg/l. Nach Ziffer 17 der Anlage 6 i.V.m. Nr. 3.1. der Anlage 3 zu § 5 OGewV beträgt die JD-UQN für Cyanid 10 µg/l. Da der Parameter Cyanid nicht für die Beurteilung des chemischen Zustands eines Oberflächengewässers, sondern gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 OGewV für die Einstufung seines ökologischen Zustands bzw. des ökologischen Potenzials herangezogen wird, wäre bei einer vorhabenbedingten prognostischen Verfehlung der JD-UQN der ökologische Zustand bzw. das ökologische Potenzial höchstens als mäßig einzustufen (§ 5 Abs. 5 Satz 1 OGewV). Im Übrigen haben die Kläger - wenn auch außerhalb der Klagebegründungsfrist im Schriftsatz vom 26. Oktober 2018 - darauf hingewiesen, dass in einem Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2017 zu einem anderen Abschnitt der A 20 in Schleswig-Holstein die Befassung mit dem Schadstoff Cyanid einen größeren Raum einnimmt; nach einer Quellenangabe dort werde mit 64,2 mg Cyanid pro Kilogramm Chlorid gerechnet.
Rz. 39
7. Die Prüfung des betroffenen Grundwasserkörpers DESH_EI08 (Hauptgrundwasserleiter Stör-Geest und östliches Hügelland) im Fachbeitrag und im Planfeststellungsbeschluss weist Mängel auf. Vorbehaltlich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - (DVBl 2018, 1418) geht der Senat davon aus, dass das Verschlechterungsverbot für das Grundwasser wie für die Oberflächengewässer verbindlichen Charakter hat und bei der Zulassung eines Vorhabens in gleicher Weise wie für Oberflächengewässer zu prüfen ist. Ferner sieht der Senat - wiederum vorbehaltlich der Entscheidung im Vorlageverfahren - als Bezugspunkt dieser Prüfung den gesamten Grundwasserkörper an und nicht nur einen räumlich abgegrenzten Teil. Lokal begrenzte Veränderungen sind daher nicht relevant, solange sie sich nicht auf den gesamten Grundwasserkörper auswirken (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1418 Rn. 44, vgl. auch Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 506 zur räumlichen Bezugsgröße bei der Prüfung des Verschlechterungsverbots für Oberflächenwasserkörper).
Rz. 40
Eine ordnungsgemäße Prüfung des Verschlechterungsverbots setzt hiernach zunächst eine Ermittlung des Ist-Zustands des zu bewertenden Grundwasserkörpers voraus (BVerwG, Hinweisbeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1426 Rn. 51). Hinsichtlich des mengenmäßigen Ist-Zustands des Grundwassers gemäß § 4 der Grundwasserverordnung vom 9. November 2010 (BGBl. I S. 1513), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 4. Mai 2017 (BGBl. I S. 1044) - GrwV - gibt der Fachbeitrag die Einstufung im Bewirtschaftungsplan mit gut an. Bei der Auswirkungsprognose fehlen indes quantitative Angaben zur Größe des Grundwasserkörpers und zur angenommenen Verschlechterung der Neubildungsrate durch die vorhabenbedingte Versiegelung von Flächen. Erst in der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte die Größe des Grundwasserkörpers mit über 1 500 km² angegeben und die Verschlechterung der Grundwasserneubildung überschlägig mit lediglich 0,03 % abgeschätzt. Damit dürfte eine Verschlechterung des mengenmäßigen Zustands des Grundwassers ausgeschlossen sein.
Rz. 41
Hinsichtlich des chemischen Zustands des Grundwassers (§ 5 GrwV) sind regelmäßig quantitative Angaben zur Grundbelastung mit Chlorid im Grundwasserkörper erforderlich, um eine Aussage dazu treffen zu können, ob der für Chlorid maßgebliche Schwellenwert von 250 mg/l gemäß Anlage 2 zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrwV auch nach Hinzutritt der vorhabenbedingten Zusatzbelastung durch Tausalzeintrag eingehalten wird (BVerwG, Hinweisbeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1426 Rn. 51). Daran fehlt es im Fachbeitrag und im Planfeststellungsbeschluss. Erst in der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte auf Nachfrage des Senats die Grundbelastung mit Chlorid an zwei repräsentativen Messstellen (§ 9 Abs. 1 GrwV) mit 26 bzw. 29 mg/l angegeben. Auf dieser Grundlage dürfte eine Verfehlung des Schwellenwertes bezogen auf den gesamten Grundwasserkörper ausgeschlossen werden können. Auch Unterschiede zwischen schweren Böden im Westen und sandigen Böden im Osten des Abschnitts können unter diesen Umständen kaum eine ins Gewicht fallende Verschlechterung des Grundwasserkörpers herbeiführen.
Rz. 42
8. Die weitere Kritik der Kläger an der Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots ist unbegründet.
Rz. 43
a) Der Senat ist davon überzeugt, dass die Vorgehensweise des Planfeststellungsbeschlusses hinsichtlich der sogenannten Kleingewässer mit der Wasserrahmenrichtlinie vereinbar ist. Das Verfahren gibt keinen Anlass, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob Art. 4 WRRL dahin auszulegen ist, dass das Verschlechterungsverbot für alle Oberflächengewässer unabhängig von ihrer Größe gilt, und, wenn ja, ob es genügt, dass die im Einflussbereich eines Vorhabens geschützten Gewässer mit einem Einzugsgebiet von weniger als 10 km², die nicht Gegenstand eines Bewirtschaftungsplans sind, so geschützt werden, wie dies zum Schutz und zur Verbesserung der mit ihnen verbundenen größeren Gewässer notwendig ist, oder ob es erforderlich ist, dass die Gewässer selbst als Bestandteil des mit ihnen verbundenen Gewässers verstanden und nach diesen Maßstäben geschützt werden.
Rz. 44
Die Kläger gehen zwar zutreffend davon aus, dass die Wasserrahmenrichtlinie keinen ausdrücklichen Vorbehalt bezüglich kleiner Gewässer kennt. Gleichwohl bestehen nach Auffassung des Senats weiterhin (s. bereits BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - BVerwGE 156, 215 Rn. 101 ff.) keine Zweifel daran, dass dem Verschlechterungsverbot für Kleingewässer dadurch entsprochen werden kann, dass sie so bewirtschaftet werden, dass der festgelegte Oberflächenwasserkörper die Bewirtschaftungsziele erreicht. Das im Zuge der Gemeinsamen Umsetzungsstrategie (Common Implementation Strategy - CIS) herausgegebene CIS Guidance Document No. 2, Identification of Water Bodies (2003), welches zwar nicht verbindlich ist, dem aber dennoch bei der Auslegung besonderes Gewicht zukommt, trägt dem Umstand Rechnung, dass die Wasserrahmenrichtlinie nicht auf eine vollständige Harmonisierung der wasserrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten abzielt, sondern allgemeine Grundsätze und den Handlungsrahmen aufstellt, die von den Mitgliedstaaten durch den Erlass konkreter Maßnahmen weiterzuentwickeln sind (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - Rn. 34). Das CIS-Dokument erkennt die administrativen Schwierigkeiten bei der Erfassung und Unterschutzstellung dieser kleinen Gewässer. Es schlägt den einzelnen Mitgliedstaaten als eine von mehreren Möglichkeiten vor, kleine Gewässer so zu schützen und zu verbessern, wie dies zum Schutz und zur Verbesserung derjenigen (größeren) Gewässer erforderlich ist, mit denen sie unmittelbar oder mittelbar verbunden sind. Dem Verschlechterungsverbot für Kleingewässer kann mithin auch dadurch entsprochen werden, dass sie so bewirtschaftet werden, dass der festgelegte Oberflächenwasserkörper die Bewirtschaftungsziele erreicht (CIS Guidance Document No. 2, S. 13). Diesem Vorschlag entsprechend geht der Planfeststellungsbeschluss vor.
Rz. 45
b) Der Fachbeitrag und ihm folgend der Planfeststellungsbeschluss legen bei der Beurteilung des Ist-Zustands für den erheblich veränderten Oberflächenwasserkörper Schmalfelder Au und Nebengewässer (br_08_a) zu Recht das ökologische Potenzial und nicht den ökologischen Zustand zugrunde. Diese Vorgehensweise schreibt § 27 Abs. 2 Nr. 1 WHG ausdrücklich vor. Ergänzend bestimmt § 3 Nr. 8 WHG, dass bei als erheblich verändert eingestuften Gewässern an die Stelle des ökologischen Zustands das ökologische Potenzial tritt. Diese Regelungen, mit denen der Gesetzgeber die verbindlichen Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie umsetzen wollte, stellen auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine unzureichende Umsetzung des Unionsrechts dar. Zwar weicht das nationale Recht dabei vom Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziffer i WRRL ab, der allgemein verlangt, eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern. "Zustand" ist aber hier im Sinne eines Oberbegriffs zu verstehen, der den ökologischen Zustand und das ökologische Potenzial umfasst; dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang mit den Begriffsdefinitionen des Art. 2 WRRL (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 482 ff.). Der 7. Senat hat dies im Einzelnen wie folgt begründet:
"Der Begriff 'Zustand' wird in Art. 2 Nr. 17 WRRL als die allgemeine Bezeichnung für den Zustand eines Oberflächenwasserkörpers auf der Grundlage des jeweils schlechteren Wertes für den ökologischen und den chemischen Zustand definiert. Den ökologischen Zustand wiederum definiert Art. 2 Nr. 21 WRRL als die 'Qualität von Struktur und Funktionsfähigkeit aquatischer, in Verbindung mit Oberflächengewässern stehender Ökosysteme gemäß der Einstufung nach Anhang V'. Der Anhang V verwendet seinerseits den Begriff 'Zustand' als Oberbegriff für den ökologischen Zustand und das ökologische Potenzial und sieht ebenso wie für den Zustand auch für das Potenzial mehrere Bewertungsstufen vor (vgl. etwa Nr. 1.2 und 1.2.5 sowie Nr. 1.4 und 1.4.2). Zudem bestimmt die Regelung in Nr. 1.4.1 Ziffer i des Anhangs V zur WRRL in Satz 2 - vergleichbar mit Anhang II Nr. 1.3 Ziffer ii WRRL -, dass für die Einstufung und Darstellung des ökologischen Zustands bei erheblich veränderten OWK Bezugnahmen auf den ökologischen Zustand als Bezugnahmen auf das ökologische Potenzial erfolgen sollten. Diese weite Begriffsbildung findet sich schließlich auch in den Erwägungsgründen (Nr. 25 f.) wieder. Dieses Begriffsverständnis wird durch die nachfolgenden Bestimmungen der Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziffer ii und iii WRRL sowie Art. 2 Nr. 23 WRRL nicht in Frage gestellt. Den Klägern ist zwar zuzugeben, dass die Regelungen in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziffer ii und iii WRRL bei isolierter Betrachtung den Schluss nahelegen könnten, das ökologische Potenzial sei nur für das Verbesserungsgebot relevant. Diese Auslegung wäre aber mit den oben genannten Regelungen in Art. 2 und im Anhang V zur Wasserrahmenrichtlinie schon systematisch nicht in Einklang zu bringen. Aus der Begriffsdefinition des 'guten ökologischen Potenzials' in Art. 2 Nr. 23 WRRL folgt nichts anderes. Vielmehr bestätigt diese Vorschrift den Befund, dass der Begriff 'Potenzial' allgemein den ökologischen Zustand eines erheblich veränderten OWK beschreibt."
Rz. 46
Der erkennende Senat sieht keinen Anlass für eine andere Sichtweise, zumal sich die Kläger mit der Entscheidung des 7. Senats nicht näher auseinandergesetzt haben. Im Übrigen findet die gegenteilige Auffassung der Kläger im Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - keine Stütze. Der Gerichtshof versteht und verwendet den Begriff "Zustand" bei der Prüfung des Verschlechterungsverbots ebenfalls als Oberbegriff für den ökologischen Zustand und das ökologische Potenzial (vgl. etwa Rn. 37, 39, 41, 50).
Rz. 47
c) Das Vorbringen der Kläger, die vorhabenbedingten Veränderungen hätten "voraussichtlich einen signifikant negativen Einfluss auf die grundwasserabhängigen Landökosysteme, insbesondere auf das Schmalfelder und das Struvenhüttener Moor", bleibt unsubstantiiert.
Rz. 48
Der Planfeststellungsbeschluss hat sich mit dieser Kritik bereits ausführlich befasst (S. 866 f.) und hierzu ausgeführt, dass eine Schädigung grundwasserabhängiger Landökosysteme ausgeschlossen sei. Beurteilungsgrundlage für diese Einschätzung sei das vom Vorhabenträger erstellte Baugrundgutachten und die vorgesehene Bauweise. Die Autobahntrasse halte stets ausreichend Abstand zum Grundwasserleiter ein. Zudem werde durch umfangreiche Vermeidungsmaßnahmen, etwa den Einbau eines Geotextils, sichergestellt, dass - auch in der Bauphase - keine Schädigungen des Grundwassers oder abhängiger Landökosysteme im Nahbereich der Trasse hervorgerufen würden. Dies gelte auch für die Bereiche, in denen die Autobahn in Dammlage errichtet werde. Insoweit nimmt der Planfeststellungsbeschluss Bezug auf die geotechnische Stellungnahme vom 2. August 2016. Danach ist auch unter Berücksichtigung geplanter Bodenaustausch- und Überhöhungsmaßnahmen weder eine Veränderung der Grundwasserströmung oder ein nennenswerter Aufstau von Grundwasser noch eine Beeinträchtigung des mengenmäßigen Zustands der betroffenen Grundwasserkörper zu erwarten. Auswirkungen auf die chemische Zusammensetzung des Grundwassers könnten lediglich lokal auftreten. So werde in den relativ kurzen Strecken, in denen Vorbelastungsdämme aufgeschüttet würden, im Zuge der Setzung der organischen Böden stärker eisenhaltiges Porenwasser austreten und sich mit dem Grundwasser vermischen. Diese räumlich und zeitlich eng begrenzte Wirkung führe aber weder zu einer nachteiligen Auswirkung auf den chemischen Zustand des Grundwasserkörpers noch auf grundwasserabhängige Landökosysteme.
Rz. 49
Die Kläger setzen sich mit dieser Begründung nicht auseinander. Stattdessen beschränken sie sich auf die knappe These, "das Fehlen der geltend gemachten negativen Auswirkungen auf die grundwasserabhängigen Landökosysteme (sei) eine tatbestandliche Voraussetzung für die Einhaltung der Bewirtschaftungsvorgaben aus § 47 WHG für den mengenmäßigen bzw. chemischen Zustand". Da die genannte Vorschrift grundwasserabhängige Landökosysteme überhaupt nicht erwähnt und diese dem Wortlaut des Art. 1 WRRL zufolge lediglich mittelbar gegen Beeinträchtigungen über den Grundwasserpfad geschützt werden sollen, hätte dies näher erläutert werden müssen.
Rz. 50
d) Der schlechte chemische Ist-Zustand des betroffenen Grundwasserkörpers DESH_EI08 steht dem Vorhaben nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht entgegen. Er wird hervorgerufen durch Überschreitung des Schwellenwertes für Nitrat aufgrund von Einträgen aus der Landwirtschaft und verschlechtert sich vorhabenbedingt nicht. Der Senat legt vorbehaltlich der Entscheidung zu seinem Vorlagebeschluss zugrunde, dass eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines Grundwasserkörpers vorliegt, sobald mindestens eine Umweltqualitätsnorm für einen Parameter vorhabenbedingt überschritten wird (s. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1418 Rn. 49). Für Schadstoffe, die den maßgeblichen Schwellenwert bereits im Ist-Zustand überschreiten, stellt jede weitere (messbare) Erhöhung der Konzentration eine Verschlechterung dar (ähnlich BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 578 zur Verschlechterung des chemischen Zustands eines Oberflächenwasserkörpers).
Rz. 51
Nach den Annahmen der Planfeststellung ist davon auszugehen, dass sich vorhabenbedingt durch die Streusalzeinträge im Winter lediglich der Chloridwert (daneben wegen des oben bei 6. erwähnten Cyanidgehalts des Tausalzes wahrscheinlich auch der Cyanidwert) im Grundwasser geringfügig erhöht, ohne dass sich an der Nitratbelastung messbar etwas ändert. Der Vortrag der Kläger im Schriftsatz vom 26. Oktober 2018, der diese Annahme bezweifelt und eine vorhabenbedingte Erhöhung der Nitratkonzentration im Grundwasser behauptet, ist außerhalb der Klagebegründungsfrist erfolgt und kann deshalb keine Berücksichtigung finden (§ 6 Satz 2 und 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Rz. 52
e) Das Vorbringen der Kläger zu den Baugrunduntersuchungen und zu baubedingten Auswirkungen vermag keine Fehler der wasserrechtlichen Prüfung aufzuzeigen. Es setzt sich mit der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses zu ihren im Verwaltungsverfahren dazu erhobenen Rügen innerhalb der Klagebegründungsfrist (§ 6 Satz 1 UmwRG) nicht auseinander. Die Rüge, baubedingte Auswirkungen müssten Regelungsgegenstand der Planfeststellung sein und dürften nicht der Ausführungsplanung überlassen werden, soweit diese Auswirkungen für die Prüfung zwingender Verbotsvorschriften oder das Abwägungsgebot relevant sind, bleibt unsubstantiiert. Es wird nicht erkennbar, welche konkreten Auswirkungen die Kläger hiermit in Bezug nehmen wollen. Im Schriftsatz vom 26. Oktober 2018 erstmals angesprochene Gesichtspunkte wie die Bezugnahme auf die DIN-Norm EN 1997-2 mit Vorgaben zur Grundwassererkundung gehören nicht zum Prozessstoff des vorliegenden Verfahrens (§ 6 Satz 2 und 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil hiermit neuer Tatsachenvortrag angebracht wird, der über eine bloße Vertiefung des vorherigen Rechtsvortrags zum Verhältnis zwischen Ausführungsplanung und Planfeststellung hinausgeht. Sollten die Rügen die Anforderungen der Sicherheit und Ordnung für Fernstraßen (§ 4 FStrG) betreffen, wäre überdies fraglich, ob diese Anforderungen zu den Zielen gehören, die die Kläger nach ihrer Satzung fördern (§ 2 Abs. 4 Satz 1 letzter Halbs. UmwRG).
Rz. 53
Soweit ohne zusätzliche Sachverhaltsermittlung (§ 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO) erkennbar, hat der Autobahndamm nach den Annahmen des Planfeststellungsbeschlusses keinen nennenswerten Einfluss auf die Grundwasserverhältnisse. Insoweit kann auf die Ausführungen oben unter c) zu den grundwasserabhängigen Landökosystemen verwiesen werden.
Rz. 54
9. Die unterbliebene Öffentlichkeitsbeteiligung zu den im Klageverfahren nachgereichten Untersuchungen für die Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots stellt einen Verfahrensfehler dar. Diese Unterlagen gehören zu den wesentlichen entscheidungserheblichen Unterlagen im Sinne des gemäß § 74 Abs. 2 UVPG übergangsweise noch anwendbaren § 6 Abs. 1 UVPG in der Fassung vom 4. Februar 2010 (BGBl. I S. 94) - UVPG a.F., die gemäß § 9 Abs. 1b UVPG a.F. ausgelegt werden mussten (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 32). Sie sind im Übrigen nach heutigem Recht Bestandteil der gemäß § 19 Abs. 2 UVPG auszulegenden Unterlagen. Bei im Laufe des Verfahrens hinzugekommenen auslegungspflichtigen Unterlagen ist grundsätzlich eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich, die jedoch auf die Änderungen zu beschränken ist (s. jetzt § 22 Abs. 1 UVPG). Die Öffentlichkeit muss jedenfalls dann neu beteiligt werden, wenn nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe eine neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung der Umweltbetroffenheiten vorgenommen wird, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorhabens insgesamt erforderlich ist und ihren Niederschlag in neuen entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens findet (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 34).
Rz. 55
So liegt es hier. Insbesondere die Untersuchung von N. (2018) geht hinsichtlich der biologischen Qualitätskomponenten in Systematik und Ermittlungstiefe weit über den der Öffentlichkeitsbeteiligung unterzogenen Fachbeitrag hinaus und stellt in großen Teilen eine erstmalige systematische Untersuchung zu einzelnen biologischen Qualitätskomponenten, insbesondere der Fischfauna, dar. Aber auch die oberflächenwasserkörperbezogene Aufbereitung der Ergebnisse des wasserrechtlichen Fachbeitrags stellt die Umweltbetroffenheiten in wesentlich veränderter Form dar und zeigt vorher nicht ausreichend vertiefte Aspekte auf.
Rz. 56
Der Verfahrensfehler ist nicht gemäß § 4 Abs. 1a UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG unbeachtlich. Zwar fällt die unterlassene Öffentlichkeitsbeteiligung zum wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot nicht unter die in § 4 Abs. 1 UmwRG normierten absoluten Verfahrensfehler. Es steht aber nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die Planfeststellungsbehörde selbst hat im Klageverfahren in mehrfacher Hinsicht Anlass zur Einführung neuer wasserrechtlicher Unterlagen gesehen und ist zu der Erkenntnis gekommen, dass dem Planfeststellungsbeschluss wasserrechtliche Nebenbestimmungen hinzugefügt werden sollen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass im Rahmen einer Öffentlichkeitsbeteiligung zusätzliche Gesichtspunkte zur Sprache gekommen wären, die eine (weitere) Änderung des Fachbeitrags und des Planfeststellungsbeschlusses zur Folge gehabt hätten (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 37).
Rz. 57
Der Verfahrensfehler und die derzeitigen Mängel der wasserrechtlichen Prüfung führen nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, weil die Möglichkeit besteht, dass sie durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können (§ 4 Abs. 1b Satz 2 Nr. 2 UmwRG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG). In Anbetracht der festgestellten Defizite dürfte es naheliegend sein, dass der Beklagte - sofern er von der Fehlerheilungsmöglichkeit Gebrauch machen will - einen neuen wasserrechtlichen Fachbeitrag "aus einem Guss" erstellen lässt und hierzu die Öffentlichkeit beteiligt.
Rz. 58
10. Die vom Beklagten zu Protokoll erklärten Planänderungen haben weitere in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend zu klärende Fragen aufgeworfen. Es kann derzeit nicht festgestellt werden, ob und inwieweit aufgrund des Ersatzes von vorgeschalteten Absetzbecken durch Retentionsbodenfilter Folgeänderungen notwendig werden, die möglicherweise über eine unwesentliche Planänderung (§ 76 Abs. 2 VwVfG) hinausgehen. Diese Frage war Gegenstand des nachgelassenen Schriftsatzes der Kläger vom 16. November 2018 und der Erwiderung des Beklagten hierzu vom 23. November 2018.
Rz. 59
Die Regelung über die Retentionsbodenfilter dürfte bestimmt genug sein, da sie auf den Entwurf für ein DWA-Arbeitsblatt A 178 Retentionsbodenfiltereinlagen (endabgestimmter Entwurf Oktober 2018, dort S. 3) Bezug nimmt. Unklarheiten bestehen indes im Hinblick auf die gleichzeitig erklärte wassertechnische Umplanung, mit der dem Vorhabenträger aufgegeben worden ist, im Rahmen der Ausführungsplanung sicherzustellen, dass der Grundwasserflurabstand zur Beckensohle der Regenrückhaltebecken beim mittleren Höchststand des Grundwasserspiegels mindestens 0,5 m beträgt, und - falls dies nicht einzuhalten ist - die Becken abzudichten. Ob, wie viele und gegebenenfalls welche Becken hiernach abgedichtet werden müssen, lässt sich aus der erklärten Planänderung ohne ergänzende Feststellungen nicht entnehmen. Die Kläger haben insoweit zu Recht bereits in der Klagebegründung beanstandet, das Problem, dass einige Beckensohlen tiefer als der mittlere Grundwasserspiegel lägen, sei im Fachbeitrag nicht behandelt worden.
Rz. 60
Einer gegebenenfalls erforderlich werdenden Abdichtung kann Bedeutung für die Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots zukommen. Von ihr hängt ab, in welchem Umfang von der Straße abfließendes Wasser versickert oder direkt in Vorfluter eingeleitet wird. Eventuelle nachteilige Auswirkungen auf die Oberflächenwasserkörper durch eine erhöhte Chloridfracht, durch Cyanid und PAK, die die Kläger in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 16. November 2018 in Bezug nehmen, sind nicht ohne ergänzende gutachterliche Erkenntnisse, in welchem Umfang eine Abdichtung erforderlich wird, zu bewerten. Soweit der Beklagte darauf verweist, möglichst ohne Abdichtung auskommen zu wollen, ist nicht geklärt, ob und inwieweit dies technisch möglich ist.
Rz. 61
11. Das Verfahren ist nicht im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Senats vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - (DVBl 2018, 1418) zur Reichweite der behördlichen Dokumentationspflicht bei der Prüfung des Verschlechterungsverbots (Vorlagefrage 2) gemäß § 94 VwGO auszusetzen. Die dem Europäischen Gerichtshof vorgelegte Frage, ob Art. 4 Abs. 1 WRRL dahin auszulegen ist, dass er nicht nur einen materiellrechtlichen Prüfungsmaßstab, sondern darüber hinaus auch Vorgaben für das behördliche Zulassungsverfahren beinhaltet, ist zwar für die Überprüfung der Einhaltung des Verschlechterungsverbots auch im vorliegenden Fall erheblich, weil bei Verneinung der Frage kein durchgreifender Verfahrensfehler festgestellt werden könnte. Vielmehr wäre dann aufgrund der im gerichtlichen Verfahren vom Beklagten nachgereichten Unterlagen zur Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots und gegebenenfalls eigener ergänzender Sachaufklärung des Gerichts materiell zu beurteilen, ob dem Verschlechterungsverbot entsprochen wird.
Rz. 62
Das Bundesverwaltungsgericht geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Ermittlungs- und Bewertungsdefizite der FFH-Verträglichkeitsprüfung grundsätzlich und abgesehen von Fällen bloßer Erläuterung und Vertiefung nicht allein anhand nachträglichen Vortrags im Prozess aufgefangen werden können; regelmäßig ist vielmehr ein ergänzendes Verfahren nach § 75 Abs. 1a Satz 2 Halbs. 1 VwVfG erforderlich. Der Senat überträgt diese Vorgaben jedenfalls im Grundsatz auf die Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots (s. dazu näher BVerwG, Vorlagebeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1418 Rn. 33 f.). Er kann sich dafür auch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juni 2017 - C-529/15 [ECLI:EU:C:2017:419] - Rn. 38 f. stützen. Dort heißt es:
"Wenn die zuständige nationale Behörde (...) die Bewilligung erteilt hat, ohne die Einhaltung der Bedingungen des Art. 4 Abs. 7 Buchst. a bis d der Richtlinie 2000/60 zu prüfen, muss das nationale Gericht nicht selbst prüfen, ob die Bedingungen dieser Bestimmung erfüllt sind, und kann sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Rechtsakts beschränken. Unbeschadet der Möglichkeit einer gerichtlichen Nachprüfung haben die für die Bewilligung eines Vorhabens zuständigen nationalen Behörden vor der Bewilligung nämlich zu prüfen, ob die in Art. 4 Abs. 7 Buchst. a bis d der Richtlinie 2000/60 aufgeführten Bedingungen erfüllt sind. Hat die zuständige Behörde die Bewilligung erteilt, ohne diese Prüfung vorzunehmen, sind hingegen die nationalen Gerichte nach dem Unionsrecht keineswegs verpflichtet, die Aufgaben der zuständigen Behörde zu übernehmen, indem sie selbst diese Bedingungen prüfen."
Rz. 63
Hiernach entspricht es vorbehaltlich der noch ausstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Vorlagebeschluss des Senats nicht der Aufgabenteilung zwischen Behörde und Gericht, dass das Gericht noch notwendige Ermittlungen und Bewertungen zum wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot nachholt.
Rz. 64
Unter diesen Umständen hält der Senat eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über den Vorlagebeschluss nicht für geboten. Im Rahmen seines prozessualen Ermessens stützt er sich auf die Erwägung, dass eine Aussetzung den Abschluss des Verfahrens verzögern würde. Ohne Aussetzung kann der Beklagte die noch fehlenden Ermittlungen und Bewertungen bereits während des Vorlageverfahrens nachholen. Unabhängig davon spricht gegen eine Aussetzung auch der Umstand, dass - wie sogleich auszuführen ist - der Planfeststellungsbeschluss auch aus habitatschutzrechtlichen und artenschutzrechtlichen Gründen für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären war.
Rz. 65
D. Der Planfeststellungsbeschluss weist Mängel in habitatschutzrechtlicher und in artenschutzrechtlicher Hinsicht auf. Diese können jedoch in einem ergänzenden Verfahren (§ 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG) behoben werden mit der Folge, dass - auch unter diesem Aspekt - seine Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit auszusprechen ist.
Rz. 66
1. Mit Blick auf das FFH-Gebiet DE 2024-391 "Mittlere Stör, Bramau und Bünzau" ist der Planfeststellungsbeschluss vorbehaltlich etwaiger noch abweichender Ergebnisse zur Chloridbelastung für die Neunaugenarten (s. dazu oben unter C.5.) nicht zu beanstanden.
Rz. 67
a) Die Gebietsabgrenzung hält der Kritik der Kläger stand. Das Gewässer Schmalfelder Au musste nicht wie ein Bestandteil des FFH-Gebiets behandelt werden. Die Maßstäbe für die Gebietsabgrenzung ergeben sich aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Phase 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABI. L 206 S. 7) - FFH-Richtlinie - FFH-RL -. Diese Regelung ist nicht nur für die Identifizierung von FFH-Gebieten, sondern auch für deren konkrete Abgrenzung anzuwenden. Maßgebend sind ausschließlich die in Anhang III Phase 1 genannten naturschutzfachlichen Kriterien; Erwägungen, die auf Interessen gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art abstellen, sind nicht statthaft. Zwingend ist eine Gebietsmeldung nur, wenn und soweit die fraglichen Flächen die von der FFH-Richtlinie vorausgesetzte ökologische Qualität zweifelsfrei aufweisen. Solche Gebietsteile dürfen nicht ausgespart werden, auch nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Vorhaben. Ein sich aufdrängender Korrekturbedarf muss dann im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt werden. Nach der Entscheidung der EU-Kommission über die Gebietslistung spricht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der Gebietsabgrenzung. Einwände dagegen bedürfen einer besonderen Substantiierung; sie müssen geeignet sein, die Vermutung zu widerlegen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 99).
Rz. 68
Das ist den Klägern nicht gelungen. Sie rügen, der funktionelle Zusammenhang mit der Schmalfelder Au sei nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die im FFH-Gebiet geschützten Neunaugen wanderten in dieses Gewässer und legten dort ihre Eier ab; dies werde durch den Chlorideintrag aus der Straßenentwässerung gestört. Dadurch könnten sich die Populationen in den unmittelbar habitatschutzrechtlich geschützten Gewässern verschlechtern. Bei wandernden Tierarten sei die Erreichbarkeit eines Schutzgebiets mit in den Blick zu nehmen.
Rz. 69
Der Gutachter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung dagegen überzeugend ausgeführt, dass die in die Schmalfelder Au gewanderten adulten Tiere unmittelbar nach dem Laichen dort absterben und die Querder von der Strömung verdriftet werden. Ein Austausch zwischen dem FFH-Gebiet und der Schmalfelder Au findet hiernach nicht statt. Für die wandernden Neunaugenarten gibt es insgesamt zwölf FFH-Gebiete, davon drei im Bereich der Stör. Die Schwerpunkte der Laichgebiete der Flussneunaugen liegen im FFH-Gebiet "Mittlere Stör, Bramau und Bünzau" selbst. Die Schmalfelder Au ist für Neunaugen wegen des dort vorkommenden Sandtreibens nicht gut geeignet; die Tiere bevorzugen stabile Sandvorkommen mit einer gewissen Strömung.
Rz. 70
Auch die vorsorglich vom Senat angeforderten Unterlagen zur damaligen Gebietsausweisung stützen die behördliche Auffassung. Danach ist eine Einbeziehung der Schmalfelder Au in das Netz Natura 2000 nie vorgesehen gewesen; lediglich im Zusammenhang mit einem Vertragsverletzungsverfahren der Kommission ist ab dem Jahr 2003 geprüft worden, ob Flächen der Schmalfelder Au zum Schutz von Neunaugenarten nachgemeldet werden müssten. In Folge der Nachmeldung des Gieselautals ist das Verfahren jedoch mit der Begründung eingestellt worden, Deutschland habe nun genügend Schutzgebiete für das Natura 2000 Netz ausgewiesen.
Rz. 71
b) Die Kläger haben die fachliche Grundlage für den Ausschluss von Beeinträchtigungen der im FFH-Gebiet vorkommenden Neunaugenarten durch die Salzbelastung aus der Straßenentwässerung nicht erschüttert. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 416) geht insoweit als Vorsorgewert von einer sogenannten "no effect"-Schwelle von 50 mg/l Chlorid in der Schmalfelder Au aus und nimmt dies zum Maßstab für die Prüfung einer Beeinträchtigung des FFH-Gebiets. Er leitet diesen Vorsorgewert ab aus einer Untersuchung von H./Ne. (2004) zum Einfluss von salzhaltigen Abwässern auf die Fließgewässerfauna des Schafflunder Mühlenstroms und somit aus einer speziell auf die Fließgewässerfauna in Schleswig-Holstein bezogenen Studie. Mit dieser Studie haben sich die Kläger innerhalb der Klagebegründungsfrist (§ 6 Satz 1 UmwRG) nicht auseinandergesetzt, obwohl die Studie bereits in der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung für das Gebiet (FFH-VU) aufgeführt und im Planfeststellungsbeschluss ausdrücklich als tragende Grundlage für die "no effect"-Schwelle herangezogen worden ist. Die Kläger haben lediglich vorgetragen, es sei mit einer höheren Chloridbelastung als 50 mg/l zu rechnen und gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Reaktions- und Belastungsschwellen der Eier und Querder von Neunaugenarten gebe es nicht. Erstmals in der mündlichen Verhandlung haben sie dann eine Literaturstudie (B. 1995) zu Bachneunaugen präsentiert, aus der sie einen niedrigeren Wert, nämlich ein Habitatoptimum für diese Art bei einer Konzentration von ca. 14 mg/l Chlorid, ableiten wollen. Unabhängig davon, welche Schlüsse aus dieser Literaturstudie zu Bachneunaugen für die Annahme eines Schwellenwertes für sämtliche Neunaugenarten gezogen werden können, scheidet eine Berücksichtigung dieses Vortrags schon deshalb aus, weil es sich um neuen Tatsachenvortrag handelt (§ 6 Satz 2 und 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Rz. 72
Dass der Bestand der Neunaugenarten im FFH-Gebiet schwankt und es nach den von den Klägern vorgelegten Zahlen in der Schmalfelder Au einen Bestandsrückgang gegeben hat, steht der Bewertung des Beklagten nicht entgegen. Der Gutachter des Beklagten hat dies in der mündlichen Verhandlung plausibel damit erklärt, dass der Bestandsrückgang nicht auf dem Salzgehalt beruht, sondern mit der intensiven Bewirtschaftung zusammenhängt. Es seien inzwischen Maßnahmen ergriffen worden, um diese Zustände zu verbessern. Deshalb sei künftig wieder mit einer Bestandsverbesserung zu rechnen.
Rz. 73
c) Die hiernach maßgebliche Schwelle von 50 mg/l Chlorid wird nach derzeitigem Planungsstand überall im FFH-Gebiet eingehalten. Nach der FFH-VU bleiben die höchsten Einträge im Winterhalbjahr an allen Stationen unter 43,3 mg/l und in den Sommermonaten unter 48,2 mg/l Chlorid. Der geringere Abstand zum Schwellenwert im Sommer erklärt sich aus der niedrigeren Wasserführung, die zu einer schwächeren Verdünnung der Grundfracht führt (FFH-VU S. 69). Nach dem Tausalzgutachten (2018) ergibt sich ein Drei-Jahres-Mittelwert für die Schmalfelder Au von 48,8 mg/l Chlorid (vgl. oben unter C.5.). Sollten sich diese Annahmen allerdings - insbesondere aufgrund der noch zu prüfenden Auswirkungen der Protokollerklärungen des Beklagten zur Abdichtung der Becken - ändern, müsste dies auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Neunaugen berücksichtigt werden.
Rz. 74
Das Tausalzgutachten (2018) ist zwar zu Spitzenbelastungen aufgrund einzelner Regenereignisse von knapp über 50 mg/l Chlorid in der Schmalfelder Au gelangt. Dies stellt die Annahmen des Planfeststellungsbeschlusses jedoch nicht infrage. Die Schwelle von 50 mg/l stellt nach der überzeugenden Erläuterung des Gutachters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung einen Mittelwert dar, der unterstellt, dass der Bestand der Neunaugen in ihren empfindlichen juvenilen Stadien sowie ihre Fortpflanzung durch kurzzeitige Überschreitungen aufgrund einzelner Ereignisse nicht beeinträchtigt werden. Der bereits im Verwaltungsverfahren geäußerten Kritik der Kläger, die Berechnung der Salzfracht berücksichtige nicht kumulierend benachbarte Abschnitte der A 20 sowie den sechsspurigen Ausbau der A 7, ist der Planfeststellungsbeschluss überzeugend entgegengetreten (S. 417). Danach finden die relevanten Einträge durch benachbarte Abschnitte der A 20 Eingang in die Berechnungen über die Berücksichtigung der Osterau, die Salzfrachten der Schirnau werden über die Betrachtung der Ohlau erfasst und die Bramau wurde im Rahmen der Berechnungen eigenständig berücksichtigt. Das haben die Kläger nicht mehr angegriffen.
Rz. 75
d) Beeinträchtigungen des im FFH-Gebiet als Erhaltungsziel geschützten LRT 3260 durch Stickstoffeinträge und andere Schadstoffe sind nicht zu befürchten. Fließgewässer des Typs LRT 3260 sind nach der Bewertung der FFH-VU (S. 15 und S. 50) nicht empfindlich gegen luftbürtige Stickstoffeinträge. Auf dieser fachlichen Grundlage, die mit der Klagebegründung nicht substantiiert angegriffen worden ist, durfte der Beklagte von einer Detailbetrachtung zum Stickstoffeintrag in dieses FFH-Gebiet absehen. Dies gilt auch für die sogenannte "nasse Deposition" (Eintrag von Stickstoff durch Nebel, Regen, Tau, Schnee, Reif und Auspuffwasserdampf). Der Planfeststellungsbeschluss (S. 863 f.) hat sich ferner eingehend mit dem Vorbringen der Kläger im Verwaltungsverfahren zum Eintrag vorhabenbedingt mobilisierter Bodenschadstoffe befasst und angenommen, dass der Eintrag von Streusalz den pH-Wert erhöht, wodurch die Schwermetallmobilität des Bodens abnimmt. Damit haben die Kläger sich in ihrer Klagebegründung nicht mehr auseinandergesetzt.
Rz. 76
2. Die Bewertung des Planfeststellungsbeschlusses zu Stickstoffeinträgen in andere Natura 2000-Gebiete insbesondere in das Vogelschutzgebiet DE 2026-304 "Barker Heide" sowie das FFH-Gebiet DE 2026-401 "Barker und Wittenborner Heide" ist nicht zu beanstanden. Die Kritik der Kläger an der Prüfung von Stickstoffdepositionen nach dem Modell der Critical Loads und an den sogenannten Abschneidekriterien ist ebenso unbegründet wie ihre Rüge zur nassen und trockenen Stickstoffdeposition in die besonders stickstoffempfindliche Flora der Heiden.
Rz. 77
Das "Gutachten zur Stickstoffdeposition durch den Straßenverkehr für den Neubau der A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg A 7 bis B 206 westlich Wittenborn“ (TÜV Nord vom 29. August 2015) kommt zu dem Ergebnis, die vorhabenbezogene Zusatzbelastung durch Stickstoffdeposition mit Werten zwischen 0,005 und 0,05 kg/ha*a erreiche in den Natura 2000-Gebieten lediglich ein sehr geringes Niveau und liege weit unter Werten, die eine weitergehende Betrachtung erforderten. Dabei wurden die motorbedingten Emissionen mit den Faktoren des Handbuchs der Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) in der damals aktuellsten Version 3.2 berechnet. Der Planfeststellungsbeschluss bewertet diese Ergebnisse für alle Natura 2000-Gebiete als unerheblich (exemplarisch: PFB S. 423 für das insoweit empfindlichste FFH-Gebiet DE 2026-304 "Barker Heide" mit Lebensraumtypen der Dünen, Heide und Moore, die eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Stickstoffeinträgen aufweisen) und bezieht sich hierzu auf die Rechtsprechung des Senats zu Critical Loads und Abschneidekriterien bei der Bewertung von Stickstoffdepositionen in Natura 2000-Gebieten.
Rz. 78
Im Klageverfahren hat der Beklagte vorsorglich für das Vogelschutzgebiet "Barker und Wittenborner Heide" sowie für die FFH-Gebiete "Barker Heide" und "Leezener Au-Niederung und Hangwälder" eine Neuberechnung anhand der im April 2017 erschienenen aktuellen Emissionsdaten des HBEFA 3.3 vornehmen lassen (TÜV Nord vom 25. April 2018). Diese Neufassung berücksichtigt auch, dass die technischen Potenziale für zeitnahe deutliche Verbesserungen des Schadstoffausstoßes von Automotoren geringer sind als noch in der vorherigen Fassung des HBEFA angenommen. Hiernach liegen die projektbezogenen Stickstoffeinträge in den untersuchten Natura 2000-Gebieten zwischen 0,04 und 0,07 kg/ha*a und damit nach wie vor weit unter dem Abschneidekriterium von 0,3 kg/ha*a.
Rz. 79
Die vorbeschriebene Bewertung der Stickstoffbelastung mit Hilfe von Critical Loads und eines Abschneidekriteriums in Höhe von 0,3 kg/ha*a Stickstoff entspricht der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 34 ff.) und kann auch vorliegend zugrunde gelegt werden. Der Senat geht weiterhin davon aus, dass der Abschlussbericht des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, der sich selbst als Fachkonvention begreift (Balla et al., "Untersuchung und Bewertung von straßenverkehrsbedingten Nährstoffeinträgen in empfindliche Biotope", Bericht zum FE-Vorhaben 84.0102/2009 der Bundesanstalt für Straßenwesen, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik Bd. 1099, November 2013 - FE-Bericht Stickstoff -) und in dem hier relevanten Zusammenhang auch in späteren Entwurfsfassungen nicht mehr geändert worden ist, nach wie vor die besten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Ermittlung der Belastung durch Stickstoffeinträge in geschützte Lebensräume widerspiegelt (s. BVerwG, Urteil vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 37, a.A. OVG Münster, Urteil vom 16. Juni 2016 - 8 D 99/13.AK - ZUR 2016, 613 ≪624≫, das - allerdings für einen Fall der kumulativen Belastung - von einem projektbezogenen Abschneidekriterium von 0,05 kg/ha*a ausgeht).
Rz. 80
Hiernach ist die Annahme des Planfeststellungsbeschlusses nicht zu beanstanden, Zusatzbelastungen durch Stickstoffeintrag unterhalb eines absoluten Wertes von 0,3 kg/ha*a bzw. 3 % eines Critical Loads könnten keine schädliche Umwelteinwirkung hervorrufen. Erst oberhalb dieser Schwelle ist die Zunahme der Stickstoffbelastung, zumal gegenüber einer ohnehin schon hohen Vorbelastung, als signifikant verändernd einzustufen. Unterhalb dieser Schwellen ist die zusätzliche von einem Vorhaben ausgehende Stickstoffbelastung nicht mehr mit vertretbarer Genauigkeit bestimmbar bzw. nicht mehr eindeutig von der vorhandenen Hintergrundbelastung abgrenzbar. § 34 BNatSchG fordert aber einen Zusammenhang zwischen Stickstoffeintrag eines Vorhabens und Beeinträchtigung (BVerwG, Urteil vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 45).
Rz. 81
Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7. November 2018 - C-293/17 [ECLI:EU:C:2018:882] - zum niederländischen "Verrechnungsmodell" bei der Stickstoffprüfung in Natura 2000-Gebieten ergibt sich nicht, dass das Abschneidekriterium von 0,3 kg/ha*a mit den unionsrechtlichen Anforderungen aus Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie unvereinbar ist. Das Verfahren betraf einen anderen Streitgegenstand. Der Entscheidung lag ein nationales Programm zur Bekämpfung von übermäßigen Stickstoffablagerungen in Natura 2000-Gebieten zugrunde, das gleichzeitig die Fortführung oder Entwicklung neuer wirtschaftlicher Tätigkeiten ermöglichen soll, indem bei Rückgang von Stickstoffablagerungen die Hälfte dieses Rückgangs als "Puffer" für neue wirtschaftliche Tätigkeiten angesehen wird. In diesem Zusammenhang wird in dem niederländischen Modell eine Zusatzbelastung mit Stickstoff von 1 mol/ha*a als Schwellenwert für eine Ausnahme von der Einzelgenehmigungspflicht normiert. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie einer solchen Regelung nicht entgegensteht, soweit sich die zuständigen Behörden Gewissheit verschafft haben, dass aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass keines der erlaubten Projekte schädliche Auswirkungen auf das betreffende Gebiet hat (EuGH, Urteil vom 7. November 2018 a.a.O. Rn. 104, 112).
Rz. 82
Diesen unionsrechtlichen Anforderungen entspricht die Judikatur des Senats, die im FE-Bericht Stickstoff die besten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Vermeidung einer erheblichen Beeinträchtigung von Natura 2000-Gebieten durch Stickstoffdepositionen widergespiegelt sieht. Obwohl die Generalanwältin auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Critical Loads Bezug genommen und erwogen hatte, es könnte notwendig sein, bis zum Abbau vorhandener Stickstoffvorräte weniger zusätzliche Stickstoffablagerungen zuzulassen als in den Critical Loads vorgesehen (Schlussanträge vom 25. Juli 2018 - C-293/17 [ECLI:EU:C:2018:622] - Rn. 62 f.), ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs hierauf nicht zurückgekommen.
Rz. 83
3. Hinsichtlich des FFH-Gebiets DE 2027-302 "Segeberger Kalkberghöhlen" verstößt der Planfeststellungsbeschluss gegen § 34 BNatSchG, weil keine Verträglichkeitsprüfung (§ 34 Abs. 2 BNatSchG) durchgeführt worden ist und deshalb derzeit nicht beurteilt werden kann, ob das Vorhaben das FFH-Gebiet erheblich beeinträchtigt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG). Dieser Mangel kann in einem ergänzenden Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG) behoben werden.
Rz. 84
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Mit dem Tatbestandsmerkmal der "erheblichen Beeinträchtigung" knüpft das deutsche Recht an den Wortlaut von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL an. Danach sind Pläne oder Projekte einer Prüfung auf ihre Verträglichkeit mit den für das FFH-Gebiet festgelegten Erhaltungszielen zu unterziehen, wenn sie das FFH-Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten. Ob die Voraussetzungen für die Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung vorliegen, ist im Rahmen einer Vorprüfung festzustellen; ihr Gegenstand ist die Frage, ob bereits anhand objektiver Umstände eine erhebliche Beeinträchtigung ausgeschlossen werden kann. Das kann nicht mehr bejaht werden, wenn ein Projekt droht, die für das FFH-Gebiet festgelegten Erhaltungsziele zu gefährden (EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 [ECLI:EU:C:2004:482] - Rn. 49; BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 41). Art. 6 Abs. 3 FFH-RL verlangt nicht, dass eine Vorprüfung formalisiert durchgeführt wird, sondern regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Verträglichkeitsprüfung geboten ist. Fehlen diese Voraussetzungen, weil eine Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des Gebiets ohne vertiefte Prüfung ausgeschlossen werden kann, so stellt der Verzicht auf eine Verträglichkeitsprüfung unabhängig davon, auf welche Weise die Planfeststellungsbehörde sich diese Gewissheit verschafft hat, keinen Rechtsfehler dar (BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 40 und 60, vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 87 ff. und vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - Buchholz 442.42 § 27 LuftVO Nr. 8 Rn. 33).
Rz. 85
Gemessen an diesen Grundsätzen war eine Verträglichkeitsprüfung hier erforderlich. Anhand objektiver Umstände kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Verwirklichung des Vorhabens die ausdrücklich als Erhaltungsziel benannte Erreichbarkeit der Kalkberghöhlen als eines überragend bedeutsamen Winterquartiers für Fledermäuse erheblich zu gefährden droht.
Rz. 86
Der Planfeststellungsbeschluss (S. 426 ff.) schließt eine Betroffenheit der Erhaltungsziele des FFH-Gebiets aufgrund der Entfernung des Vorhabens von mindestens 7,5 km zu den Kalkberghöhlen aus. Ferner bestünden nach der im Rahmen des Fehlerheilungsverfahrens für den angrenzenden Abschnitt 3 durchgeführten Fledermauserfassungen südlich des Segeberger Forst keine bedeutenden Flugstraßen, deren Zerschneidung die Erreichbarkeit des Winterquartiers einschränken könnte, und mögliche funktionale Beziehungen für waldbewohnende Fledermausarten zwischen dem Winterquartier und dem Sommerlebensraum Segeberger Forst würden nicht berührt. Diese Einschätzung beruht auf der Grundannahme, dass in größeren Entfernungen zu bedeutenden Winterquartieren regelmäßige Nutzungen von einzelnen Leitstrukturen durch ein- oder abwandernde Tiere ausgeschlossen werden könnten; das gleiche gelte für regelmäßige Nutzungen von Jagdgebieten während der herbstlichen Schwärmphase im näheren Umfeld des Winterquartiers. Da die Planfeststellungstrasse - nach Vornahme einer Planänderung - nicht mehr in den Segeberger Forst hineinrage, entfielen alle Barriere- und Zerschneidungswirkungen für die Fledermauspopulationen des Segeberger Forsts.
Rz. 87
Entsprechend heißt es in der in den Planunterlagen enthaltenen Stellungnahme des Kieler Instituts für Landschaftsökologie (Dr. Mi. vom 31. August 2015, nach der Arbeitshilfe "Fledermäuse und Straßenbau" des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (Juli 2011 - im Folgenden: Arbeitshilfe Schleswig-Holstein), könne nur dem Nahbereich bis 2 km Entfernung um ein bedeutendes Winterquartier eine derart besondere Bedeutung zukommen, dass gegebenenfalls zusätzliche Erfassungen zur An- und Abwanderung durchzuführen seien. In der mündlichen Verhandlung hat sich der Beklagte zusätzlich auf pragmatische Gründe gestützt. Eine Orientierung des Gebietsschutzes am weitreichenden Aktionsradius von Fledermäusen sei ausgeschlossen, weil ansonsten eine Fledermauserfassung über viele Hunderte Kilometer hinweg erfolgen müsse.
Rz. 88
Diese Erwägungen für das Unterbleiben einer Verträglichkeitsprüfung können nicht überzeugen. Die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL wird vom Ansatz her nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich das Projekt nicht in dem betroffenen FFH-Gebiet, sondern in erheblicher Entfernung hiervon befindet (EuGH, Urteil vom 26. April 2017 - C-142/16 [ECLI:EU:C:2017:301] - Rn. 29). Sind bestimmte Arten als geschützte Bestandteile eines solchen FFH-Gebiets betroffen, kann ein rechtlich beachtlicher Kausalzusammenhang gegeben sein, wenn für diese Arten die Erreichbarkeit des Gebiets etwa durch eine Einwirkung auf Flugrouten oder Wanderkorridore gestört wird (BVerwG, Urteile vom 14. April 2010 - 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 33 und vom 29. Mai 2018 - 7 C 18.17 - UPR 2019, 18 Rn. 37). Unabhängig hiervon gehört vorliegend aber die Erreichbarkeit als Winterquartier zu den ausdrücklich benannten Erhaltungszielen des Gebiets (s. Gebietsspezifische Erhaltungsziele für die gesetzlich geschützten Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und flächengleiche Europäische Vogelschutzgebiete - Bekanntmachung des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume vom 11. Juli 2016 - Amtsblatt für Schleswig-Holstein, 2016, Ausgabe Nr. 47, S. 1033). Der Entwurf des Managementplans für das Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen" (Stand Juli 2018, S. 18) interpretiert dies dahin, dass auch über das unmittelbare Umfeld der Ein- und Ausflugöffnung hinaus die Erreichbarkeit der Höhlen sicherzustellen ist und verlangt für Pläne und Projekte, die mit erheblichen Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele beispielsweise durch Unterbrechungen der An- und Abwanderungsmöglichkeit verbunden sein könnten, Verträglichkeitsprüfungen durchzuführen.
Rz. 89
Dass die Erreichbarkeit des Winterquartiers zumindest im östlichen Bereich des planfestgestellten Abschnitts wegen der Nähe zum Segeberger Forst und der vorhandenen Bunker erheblich beeinträchtigt werden kann, ist nicht zur Überzeugung des Senats anhand objektiver Umstände ausgeschlossen. Allein der Umstand, dass in Folge der vorgenommenen Planänderung für den streitgegenständlichen Abschnitt der Segeberger Forst durch die Trasse nicht mehr angeschnitten wird, genügt insoweit nicht zur Begründung. Die Kläger haben im Übrigen darauf hingewiesen, dass zu den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets mit der Teichfledermaus auch eine Art gehört, für die die Waldgebiete des Segeberger Forsts keine Bedeutung haben, weil sich ihre Wochenstuben nicht im Wald, sondern in Gebäuden befinden.
Rz. 90
Angesichts der herausragenden Bedeutung der Kalkberghöhlen als größtem Fledermausvorkommen Deutschlands (s. bereits BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 41 sowie nunmehr Entwurf des Managementplans, S. 5) mit rund 30 000 überwinternden Individuen ist nach Auffassung des Senats auch die fachliche Einschätzung des Beklagten, in einer Entfernung von 7,5 km westlich der Höhle seien keine bedeutenden für den An- und Abflug zum Winterquartier genutzten Flugstraßen mehr anzunehmen, ohne FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht plausibel. Bei der außergewöhnlich hohen Zahl von Fledermäusen, die jährlich - wenn auch nicht gleichzeitig - zum Winterquartier fliegen, erscheint es durchaus möglich, dass auch eine nicht als Hauptflugroute zu bezeichnende Strecke noch in einer Entfernung von sieben bis zehn Kilometern zur Höhle von einer sehr hohen Zahl von Individuen benutzt wird und deshalb genauerer Betrachtung bedarf. Dies gilt noch verstärkt deshalb, weil nach den Angaben im Entwurf des Managementplans für das FFH-Gebiet (S. 16) die bestehenden Flugkorridore der zum Kalkberg an- und abwandernden Fledermäuse nicht vollständig bekannt sind.
Rz. 91
Auch der Gutachter von N. benennt in seiner Stellungnahme vom 30. August 2018 keine objektiven Umstände, die eine erhebliche Beeinträchtigung von vornherein ausgeschlossen erscheinen lassen, sondern will das Ergebnis der Vorprüfung bestätigen durch Überlegungen und Berechnungen, die eher als Bestandteil einer Verträglichkeitsuntersuchung anzusehen sind. Ermittlungs- und Bewertungsdefizite, die einer FFH-Verträglichkeitsprüfung anhaften oder deshalb bestehen, weil keine solche Prüfung durchgeführt worden ist, können aber regelmäßig und so auch hier nicht allein anhand nachträglichen Vortrags im Prozess aufgefangen werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 71, zuletzt Vorlagebeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl 2018, 1418 Rn. 33).
Rz. 92
Eine auf das weitere Umfeld der Höhlen bezogene Untersuchung von Flugrouten fordert entgegen der Auffassung des Beklagten nicht, dass die Fernwanderungen der Fledermäuse bis Dänemark nachvollzogen werden und insoweit "Forschungsaufträge" für die Erstellung einer Verträglichkeitsprüfung vergeben werden müssten (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 66). Auch würde es praktischer Vernunft und der Verhältnismäßigkeit widersprechen, wenn mit Blick auf das Erhaltungsziel der Erreichbarkeit der Höhlen eine Verträglichkeitsprüfung für sämtliche westlich des FFH-Gebiets anschließenden Abschnitte der A 20 erstellt werden müsste. Vielmehr muss der Untersuchungsumfang den Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls angepasst sein.
Rz. 93
Der Beklagte kann sich für das Unterbleiben einer Verträglichkeitsprüfung schließlich nicht darauf stützen, dass für die artenschutzrechtliche Beurteilung der Fledermäuse hinreichende Erfassungen erfolgt sind und auf dieser Grundlage eine Beeinträchtigung des FFH-Gebiets "sicher ohne weitere Prüfung" ausgeschlossen werden kann. Die vom Beklagten herangezogene fachliche Ableitung eines 2 km Radius um die Höhlen nach Ziffer 3.3.3 der Arbeitshilfe Schleswig-Holstein für die Erfassung von an- und abwandernden Individuen zu "großen und bedeutenden Winterquartieren" soll nach eigener Aussage der Arbeitshilfe für alle Winterquartiere gelten, die von mehr als 30 Tieren genutzt werden. Mit Blick auf diese Vorgabe ragen die Kalkberghöhlen mit 30 000 überwinternden Individuen aus anderen "großen und bedeutenden Winterquartieren" im insgesamt fledermausarmen Schleswig-Holstein weit heraus. Dies spricht entscheidend dagegen, auch im vorliegenden Fall den 2 km-Radius oder einen nur wenig erweiterten Umkreis als eine Grenze anzusehen, außerhalb derer eine nähere Untersuchung von vornherein nicht mehr erforderlich ist. Vielmehr ist wegen der Einmaligkeit der Fledermausdichte im Umfeld der "Segeberger Kalkberghöhlen" eine andere Betrachtung geboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 Rn. 137). Das ändert nichts an der Aussage des Senats im Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - (Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 Rn. 76) zur grundsätzlichen Eignung der Arbeitshilfe Schleswig-Holstein für die artenschutzrechtliche Beurteilung bei Straßenbauvorhaben im sonstigen Landesgebiet.
Rz. 94
Ferner haben die Kläger in diesem Zusammenhang zu Recht gerügt, dass die Flugstraßen und -korridore im Umfeld der Kalkberghöhlen gerade in den Migrationszeiten der Fledermäuse im Frühjahr und Herbst nicht erfasst worden sind. Die Standardmethode nach der Arbeitshilfe Schleswig-Holstein (Ziffer 3.2.1) unterscheidet drei Hauptuntersuchungsphasen: eine Habitatanalyse vor Beginn der sommerlichen Erfassungen (Geländebegehung), sodann Geländeuntersuchungen im Sommer in der Regel mit Detektor und stationären Erfassungssystemen sowie schließlich die Erfassung der als Quartier geeigneten Strukturen in Gehölzen und Gebäuden (Geländebegehung). Im Rahmen der Geländeuntersuchungen im Sommer werden gemäß Ziffer 3.2.4 der Arbeitshilfe standardmäßig je nach Landschaftstyp vier bis sechs detektorgestützte, flächendeckende Begehungen im Zeitraum von Mai bis September durchgeführt. Bei der Anwendung der Arbeitshilfe des Landes ist aber auch zu berücksichtigen, dass die dort vorgeschlagene Vorgehensweise auf die räumlichen Gegebenheiten Schleswig-Holsteins mit einem relativ kleinen zu erwartenden Artenspektrum abgestimmt ist (s. Arbeitshilfe S. 3 sowie Albrecht et al., Leistungsbeschreibungen für faunistische Untersuchungen, 2015, Forschungsberichte aus dem Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Heft 1115, S. 77) und in Arbeitshilfen für andere Regionen eine höhere Zahl von Begehungen (etwa sieben bis zehn Begehungen im Zeitraum April bis Oktober, s. Albrecht, a.a.O.) vorgeschlagen wird. Auch dies spricht bei der besonders hohen und für Schleswig-Holstein untypischen Fledermausdichte im Umfeld der Kalkberghöhlen für eine Orientierung der Zahl der Begehungen zumindest am oberen Rahmen der Arbeitshilfe des Landes.
Rz. 95
Der Gutachter des Beklagten hat demgegenüber speziell im östlichen Teil des Vorhabens in der Nähe der Kalkberghöhlen lediglich die Untergrenze von vier flächendeckenden Begehungen gewählt und darüber hinaus die für die Migration entscheidenden Monate Mai und September unberücksichtigt gelassen (le., Aktualisierungskartierung Fledermäuse 2013, S. 25). Der Untersuchungszeitraum beschränkte sich auf den Zeitraum Ende Mai bis Juli, damit auf die Phase der schwächsten Fledermausaktivitäten an den Kalkberghöhlen, und blendet so gerade die Zeiten der Frühjahrs- und Herbstwanderung der Fledermäuse aus. Nach dem nicht in Abrede gestellten Vorbringen der Kläger in der mündlichen Verhandlung sind die Monate August bis Oktober diejenigen mit den höchsten Aktivitätszahlen an den "Segeberger Kalkberghöhlen"; gleichzeitig ist der Monat August derjenige mit den höchsten Kollisionsopferzahlen im Straßenverkehr.
Rz. 96
4. Die artenschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens ist lediglich hinsichtlich der Fledermäuse und der Schleiereule zu beanstanden; insoweit bedarf es vor Verwirklichung des Vorhabens eines ergänzenden Verfahrens (§ 75 Abs. 1a VwVfG).
Rz. 97
a) Der Senat hat nach wie vor keine Zweifel daran, dass die Anwendung des Signifikanzkriteriums bei artenschutzrechtlichen Prüfungen im Rahmen des § 44 BNatSchG mit Art. 12 FFH-RL und Art. 5 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 20 S. 7) - Vogelschutzrichtlinie - VRL - vereinbar ist.
Rz. 98
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist der Tatbestand des Tötungsverbots (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) mit Blick auf die bei einem Bauvorhaben nie völlig auszuschließende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere mit Kraftfahrzeugen erst dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht. Das anhand einer wertenden Betrachtung auszufüllende Kriterium der Signifikanz trägt dem Umstand Rechnung, dass für Tiere bereits vorhabenunabhängig ein allgemeines Tötungsrisiko besteht, welches sich nicht nur aus dem allgemeinen Naturgeschehen ergibt, sondern auch dann sozialadäquat sein kann und deshalb hinzunehmen ist, wenn es zwar vom Menschen verursacht ist, aber nur einzelne Individuen betrifft. Dies folgt aus der Überlegung, dass es sich bei den Lebensräumen der gefährdeten Tierarten nicht um unberührte Natur handelt, sondern um von Menschenhand gestaltete Naturräume, die aufgrund ihrer Nutzung durch den Menschen ein spezifisches Grundrisiko bergen, das nicht nur mit dem Bau neuer Verkehrswege, sondern zum Beispiel auch mit dem Bau von Windkraftanlagen oder Hochspannungsleitungen verbunden ist. Daher kann nicht außer Acht gelassen werden, dass Verkehrswege zur Ausstattung des natürlichen Lebensraums der Tiere gehören und deshalb besondere Umstände hinzutreten müssen, damit von einer signifikanten Gefährdung durch einen neu hinzukommenden Verkehrsweg gesprochen werden kann (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 91 und vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 141). Umstände, die für die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind insbesondere artspezifische Verhaltensweisen, häufige Frequentierung des durchschnittenen Raums und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen, darüber hinaus gegebenenfalls auch weitere Kriterien im Zusammenhang mit der Biologie der Art. Der Signifikanzansatz gilt nicht nur für das betriebsbedingte Risiko von Kollisionen mit der Trasse, sondern auch für bau- und anlagebezogene Risiken (BVerwG, Beschluss vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 - UPR 2018, 382 Rn. 11). Die anderen mit Planungsrecht befassten Senate des Bundesverwaltungsgerichts haben sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 466, vom 6. April 2017 - 4 A 16.16 - NVwZ-RR 2017, 768 Rn. 73 und vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 58, 62 und 67).
Rz. 99
Der Gesetzgeber hat den Signifikanzansatz neuerdings durch das Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 15. September 2017 (BGBl. I S. 3434) in die Neufassung des § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG aufgenommen. Danach liegt ein Verstoß gegen das Tötungs- und Verletzungsverbot nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben auch unter Berücksichtigung von Vermeidungsmaßnahmen das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung unvermeidbar ist. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/11939 S. 17) soll der in der Praxis bewährte Signifikanzansatz des Bundesverwaltungsgerichts mit der Regelung bestätigt werden. Die Bewertung, ob Individuen der betroffenen Arten durch das Vorhaben einem signifikant erhöhten Tötungs- und Verletzungsrisiko ausgesetzt sind, erfordere eine Berücksichtigung verschiedener projekt- und artbezogener Kriterien sowie weiterer naturschutzfachlicher Parameter.
Rz. 100
In vergleichbarer Weise geht der für Vögel im Hinblick auf das Zugriffsverbot aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG in der Fachwissenschaft entwickelte Mortalitäts-Gefährdungs-Index vor, um so zu begründen, bei welchen sehr häufigen, ubiquitären und populationsbiologisch "robusten" Arten im Rahmen von Planungs- bzw. Genehmigungsentscheidungen gegebenenfalls keine differenzierteren Ermittlungen eines projektbedingten Tötungsrisikos zumindest hinsichtlich einzelner Individuen notwendig sind (vgl. Bernotat/Dierschke, Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen, 3. Fassung, Stand 20. September 2016, S. 7). Es entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, dass solche Konzepte praxisbezogen weiterentwickelt werden (BT-Drs. 18/11939 S. 17, vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 - UPR 2018, 382 Rn. 28).
Rz. 101
Der Senat hat keine Zweifel daran, dass diese gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die ihre Bestätigung nunmehr durch den Gesetzgeber gefunden hat, Art. 5 Abs. 1 Buchst. a VRL und Art. 12 Abs. 1 Buchst. a FFH-RL nicht entgegensteht, und folgt deshalb nicht der Anregung zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof. Ohne eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos kann nicht davon gesprochen werden, dass eine Tötung von Tieren im Sinne der unionsrechtlichen Bestimmungen bewusst in Kauf genommen wird (Lau, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 44 Rn. 14 bei Fn. 101). Das in der Rechtsprechung konturierte Signifikanzerfordernis und die gesetzgeberischen Überlegungen zur Neufassung des § 44 BNatSchG beruhen letztlich auf dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Schütte/Gerbig, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 44 Rn. 16), der auch im Unionsrecht und in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt ist (vgl. Brigola, EuZW 2017, 406 ff. und etwa EuGH, Urteil vom 15. November 2005 - C-320/03 [ECLI:EU:C:2005:684] - Rn. 91). In diesem Sinne heißt es im - nicht rechtsverbindlichen - Leitfaden der Europäischen Kommission zum Strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichen Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG (endgültige Fassung, Februar 2007, Ziff. 53), die FFH-Richtlinie ermögliche es den Mitgliedstaaten, zu ihrer Umsetzung verhältnismäßige und angemessene Maßnahmen zu treffen; dieses Konzept liege allen Bestimmungen der Richtlinie zugrunde, einschließlich der Art. 12 und 16 FFH-RL. Der Signifikanzansatz dient so als angemessene Maßnahme zur Vermeidung unverhältnismäßiger Folgen für die Vorhabenzulassung bei der Anwendung des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a VRL und Art. 12 Abs. 1 Buchst. a FFH-RL. Ansonsten wären Infrastrukturprojekte nur noch unter Anwendung von Ausnahmeregelungen gemäß Art. 9 VRL bzw. Art. 16 FFH-RL durchzuführen, und die unionsrechtlich vorgesehene Ausnahme würde zur Regel (Schütte/Gerbig, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 44 Rn. 16).
Rz. 102
b) Wie bereits im Zusammenhang mit dem Gebietsschutz ausgeführt, bestehen Defizite bei der Erfassung der Fledermäuse, die die "Segeberger Kalkberghöhlen" als Winterquartier nutzen; davon ist auch die Prüfung des Tötungsverbots (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) im Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich der Fledermäuse berührt. Der Beklagte hat trotz der Besonderheit der naturräumlichen Ausstattung der Umgebung des Vorhabens mit dem größten Fledermausquartier Deutschlands bei der Zahl der Begehungen im Sommer gerade im östlichen Teil des Vorhabens, der dem FFH-Gebiet am nächsten kommt, lediglich die Untergrenze von vier nach Maßgabe der Arbeitshilfe Schleswig-Holstein vorgesehenen Begehungen erreicht und dabei die Zeiten der höchsten Frequentierung der Flugrouten zum Winterquartier zwischen August und Oktober nicht erfasst. Daher stellt sich die Bestandsaufnahme auch nach den artenschutzrechtlichen Maßstäben als unzureichend und infolgedessen auch die betreffende Bewertung als teilweise fehlerhaft dar (aa). Die Anordnung von Kollisionsschutzzäunen als geeignete Maßnahme zur Minimierung des Tötungsrisikos ist dagegen grundsätzlich nicht zu beanstanden (bb).
Rz. 103
aa) Die Methode der Bestandserfassung für die artenschutzrechtliche Prüfung ist nicht normativ festgelegt; sie hängt maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 59). Für die Erfassung von Fledermäusen sind zahlreiche einschlägige Arbeitshilfen und Leitfäden erarbeitet worden, die als Standardmethode einen Methodenmix aus Habitatanalyse und Geländeuntersuchungen unter Einsatz von Detektoren, Horchboxen, Netzfängen etc. vorsehen und dabei - soweit sie nur regionale Geltung beanspruchen - auf die naturräumlichen Gegebenheiten einer Region abgestimmt sind (vgl. etwa "Arbeitshilfe Fledermäuse und Straßenverkehr" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Entwurf Oktober 2011, S. 14 ff., und die hier einschlägige, oben bereits behandelte Arbeitshilfe Schleswig-Holstein).
Rz. 104
Das vom Vorhabenträger beauftragte Gutachterbüro le. hat sich an der Arbeitshilfe Schleswig-Holstein orientiert. Das kann - wie oben ausgeführt - grundsätzlich sachgerecht sein, trägt hier aber den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalls im Umfeld der "Segeberger Kalkberghöhlen" nicht hinreichend Rechnung. Das Büro le. stellt zu den Kalkberghöhlen kurz fest, dass wegen der Entfernung des Vorhabens von etwa 7 km "vertiefende Untersuchungen der An- und Abwanderung nicht durchzuführen" seien.
Rz. 105
Zu Recht kritisieren die Kläger die hierauf gestützte Annahme des Planfeststellungsbeschlusses (S. 449 f.), eine Untersuchung der Migration von Fledermäusen im Frühjahr und Herbst sei nur innerhalb eines Radius von 2 km zu großen und bedeutenden Winterquartieren erforderlich; von einer regelmäßigen Nutzung des Trassenbereichs während der Schwärmphase und für die im Frühjahr und Herbst genutzten Balz- und Zwischenquartiere sei nicht auszugehen. Dazu kann auf die obigen Ausführungen zum Gebietsschutz Bezug genommen werden. Unter den hier gegebenen Umständen hätte die Erfassung der Fledermäuse und ihrer Flugstraßen insbesondere zu den Migrationszeiten im Frühjahr und Herbst für einen weiteren Radius zumindest im Hinblick auf den östlichen Trassenbereich des Vorhabens erfolgen müssen. Da deshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass bedeutende Bewegungen von Fledermäusen im Trassenbereich insbesondere in den Migrationszeiten bei Zu- und Abflügen zum und vom Winterquartier nicht erfasst worden sind, hat die artenschutzrechtliche Beurteilung des Kollisionsrisikos keine tragfähige Grundlage.
Rz. 106
Im Übrigen können die Kläger die Richtigkeit des Vorgehens zur Bestandserfassung nicht in Zweifel ziehen. Die Planfeststellungsbehörde ist davon ausgegangen, dass in den für den vorliegenden Abschnitt untersuchten und dem Segeberger Forst benachbarten Gehölzstrukturen keine Flugrouten oder Jagdgebiete mit stark gefährdeten Myotis-Vorkommen ermittelt worden sind, so dass deshalb keine vertiefenden Netzfanguntersuchungen notwendig waren.
Rz. 107
Hiergegen haben die Kläger lediglich allgemein eingewendet, im Planungsgebiet träten leise rufende Myotisarten, aber auch das Braune Langohr auf, die mit den vom Beklagten bevorzugten akustischen Erfassungsmethoden nicht hinreichend bemerkt würden. Sie sind jedoch der überzeugenden Erwiderung des Beklagten nicht mehr entgegengetreten, die leise rufende Myotisart Fransenfledermaus und das Braune Langohr seien bereits nachgewiesen und das Vorkommen der stark gefährdeten Myotisart Bechsteinfledermaus oder weiterer stark gefährdeter Arten dieser Gattung habe fachlich ausgeschlossen werden können. Darüber hinaus entspricht die Annahme des Beklagten, der Einsatz von Netzfängen sei wegen des damit für die Tiere verbundenen erheblichen Stresses restriktiv zu handhaben, der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 6. November 2012 - 9 A 17.11 - Buchholz 451.91 Europ. UmwR Nr. 52 Rn. 33).
Rz. 108
bb) Die pauschale Kritik an der Wirksamkeit der Kollisionsschutzzäune für Fledermäuse vermag die Bewertung des Beklagten, sie seien geeignet, eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos zu vermeiden, nicht zu erschüttern. Der Senat hat - jeweils auf der Grundlage sachverständiger Erläuterungen - vergleichbare Überflughilfen, Leiteinrichtungen und Kollisionsschutzwände in mehreren Entscheidungen als grundsätzlich geeignete Vorkehrungen angesehen, um im Verbund mit weiteren Maßnahmen eine signifikante Erhöhung des kollisionsbedingten Individuenverlusts zu vermeiden (zuletzt: BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 144 ff. m.w.N.).
Rz. 109
Vorliegend hat der Planfeststellungsbeschluss (S. 493) für die von den Klägern in Bezug genommene Flugstraße zwischen Marskamp und Schmalfeld angenommen, dass die Planung des Vorhabenträgers keine hinreichenden Leitstrukturen vorsieht, und ihm deshalb in Nebenbestimmung 57 ein Monitoring der an der Flugstraße vorgesehenen Kollisionsschutzmaßnahmen auferlegt. Ferner wird etwa für die behandelte bedeutende Flugroute östlich der Schmalfelder Au im Bereich eines Redders zwischen dem Forst Clashorn und Schmalfeld bei Bau-km 16+480 ein im Planfeststellungsbeschluss (S. 488) näher beschriebenes Brückenbauwerk mit einer aufgesetzten kombinierten Blend- und Kollisionsschutzeinrichtung als geeignete Maßnahme zur Verhinderung eines erhöhten Tötungsrisikos bei der Querung bewertet.
Rz. 110
Mit diesen konkreten, auf die einzelne Örtlichkeit bezogenen Maßnahmen zur Verminderung des Kollisionsrisikos setzen sich die Kläger nicht auseinander. Sie bleiben vielmehr bei der allgemeinen Kritik stehen, Kollisionsschutzzäune böten generell keine ausreichende Sicherheit gegen das Überfliegen und anschließende Abtauchen auf Kollisionshöhe über der Fahrbahn, sowie bei ihrem Hinweis, die Verbindung der Zäune mit weiteren Maßnahmen wie Querungshilfen und Leitstrukturen helfe nicht weiter, da einerseits die Kollisionsschutzzäune als eine Art Überflughilfe dargestellt würden, andererseits gleiche Zäune an anderer Stelle die Fledermäuse zu sicheren Querungshilfen leiten sollten. Die Kläger nehmen dabei für ihre generelle Kritik lediglich Bezug auf Veröffentlichungen, ohne diese zu benennen. Demgegenüber hat der Senat seine abweichende Bewertung bei früherer Gelegenheit, wie schon erwähnt, auf der Grundlage sachverständiger Erläuterungen getroffen.
Rz. 111
c) Die Prüfung der Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 BNatSchG betreffend die Haselmaus ist rechtsfehlerfrei. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 336) geht davon aus, dass trotz der Beeinträchtigung von Lebensräumen der Art die kontinuierliche Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätten durch CEF-Maßnahmen sowie Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen gewährleistet ist. Das Tötungsrisiko wird durch Umsiedlung in rechtzeitig entwickelte Ersatzlebensstätten (Knickneuanlagen oder Aufwertungen bestehender Knicks) hinreichend sicher vermieden. Möglichen Rückwanderungen in das Baufeld soll durch wiederholte wöchentliche Kontrollen begegnet werden; nach der Rodung der Knicks sei keine Eignung als Lebensraum mehr gegeben. Die Verwirklichung des Störungsverbots durch Zerschneidung eines individuenreichen Haselmaushabitats und durch die Vergrämungsmaßnahmen wird im Hinblick auf die Größe des Vorkommens sowie auf die vorgesehenen CEF-Maßnahmen verneint (PFB S. 511 ff.).
Rz. 112
Die Kläger rügen, der Wegfall von 5,3 km Redder werde nicht habitatentsprechend ausgeglichen, die Vermeidungsmaßnahmen beim Bau seien nicht artgerecht und die Rodungsarbeiten zwischen November und Februar bzw. nach dem Winterschlaf führten zu Störungen und Tötungen. Die Vegetationsschutzzäune seien nicht haselmausgerecht, da die Tiere gut klettern und Rückwanderungen in ihre angestammten Habitate nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden könnten.
Rz. 113
Der Beklagte hat dem überzeugend entgegengehalten, die Kompensation teilweise entfallender Redder und Knicks durch Wald und Feldgehölze sei für die Haselmaus ohne Belang, da diese beide Lebensräume gleichermaßen besiedle. In den Nebenbestimmungen 25 und 26 sei ausdrücklich eine Kontrolle vorgesehen, dass alle Haselmäuse vor Beginn der Rodungsarbeiten abgewandert bzw. umgesiedelt worden seien. Der in Nebenbestimmung 30 vorgesehene Vegetationsschutzzaun solle nicht die Haselmäuse von der Wiedereinwanderung in die früheren Lebensräume abhalten, sondern diene allein der Abgrenzung der CEF-Maßnahmen vom Baufeld. Eine Rückwanderung werde hingegen dadurch vermieden, dass die alten Lebensräume nach der Rodung für die Haselmaus nicht mehr attraktiv seien.
Rz. 114
d) Dagegen wurde die Schleiereule zu Unrecht lediglich in einem Untersuchungskorridor von 500 m erfasst. Der Beklagte hat deshalb Hinweise der Kläger auf Brutplätze dieser Art im weiteren Umfeld der Trasse nicht berücksichtigt. Daraus ergibt sich, dass Verstöße gegen das Verbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG nicht mit tragfähiger Begründung verneint werden konnten. Der Mangel kann in einem ergänzenden Verfahren gemäß § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG behoben werden (aa). Die Maßnahmen zum Schutz der Schleiereulen haben die Kläger dagegen nicht durchgreifend kritisiert (bb).
Rz. 115
aa) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 574 f.) geht davon aus, dass die Schleiereule vorhabenbedingt im untersuchten Korridor zwei Brutplätze verliert, die durch Anbringung von insgesamt sechs Nisthilfen an geeigneten Gebäuden ersetzt werden. Die zugrunde liegende Annahme, die Nahrungshabitate der Schleiereule lägen in der Regel lediglich im Umkreis bis zu 500 m zum Brutplatz und deshalb sei mit keinem signifikant erhöhten Kollisionsrisiko bei weiter von der Autobahntrasse entfernten Brutplätzen zu rechnen, lässt sich aber nicht fachlich ableiten und ist von den Klägern durch Gegenvortrag erschüttert worden. Nach den Aussagen im Fachinformationssystem FFH-VP-Info des Bundesamtes für Naturschutz "Raumbedarf und Aktionsräume von Arten - Teil 2: Vogelarten der Vogelschutzrichtlinie" (Stand Dezember 2016, S. 95) beträgt die Jagdfläche pro Paar mehr als 1 km² und lediglich bei sehr gutem Beuteangebot bleibt sie darunter. Dies stimmt in der Sache mit dem Vortrag der Kläger überein, die Beschränkung des Untersuchungskorridors auf 500 m beidseits der Trasse überzeuge nur dann, wenn ein optimales Nahrungshabitat in diesem Umkreis vorhanden sei. Ein solches besonders attraktives Nahrungsangebot im Nahbereich der vom Beklagten festgestellten Brutplätze, die ein Erreichen der Trasse zum Zweck der Nahrungssuche unwahrscheinlich machen würde, ist vorliegend jedoch nicht festgestellt.
Rz. 116
Die vom Beklagten in Bezug genommene Stellungnahme des Planungsbüros le. vom 20. Oktober 2016 geht davon aus, dass bei wenigen Brutvögeln, die große Aktionsräume haben, unter anderem gerade bei Eulen, auch außerhalb einer Effektdistanz von rund 500 m zum Straßenrand eine potentiell planungsrelevante Betroffenheit vorliegen kann. Die Wahrscheinlichkeit, bedeutende Verbindungswege und Vorkommensschwerpunkte anzutreffen, nehme aber mit der Entfernung zum Brutplatz ab; insbesondere bei qualitativ herausragenden und räumlich limitierten Nahrungsgebieten eines Brutpaars bzw. den Verbindungswegen dorthin könne allerdings eine Relevanz auch in größerer Entfernung zum Brutplatz noch anzunehmen sein. Ein solcher Fall sei jedoch im Planungsraum nicht zu erkennen.
Rz. 117
Diese Bewertung bleibt allgemein und bezieht sich in erster Linie auf die Situation, dass die Tiere ein erkennbar besonders attraktives Nahrungshabitat erreichen wollen und dafür den Trassenbereich queren müssen. Sie trifft jedoch keine Aussage dazu, ob damit zu rechnen ist, dass Schleiereulen bei einem durchschnittlichen Nahrungsangebot lediglich im Umkreis von 500 m zu ihrem Brutplatz auf Futtersuche gehen. Die Bewertung trägt deshalb die Annahme des Planfeststellungsbeschlusses nicht, die Wahrscheinlichkeit der Nutzung und die Intensität der Nutzung von Nahrungsräumen nehme mit der Entfernung zum Brutplatz derart ab, dass die Begrenzung des Untersuchungskorridors auf jeweils 500 m beidseits der Trasse gerechtfertigt ist.
Rz. 118
Der Beklagte hätte daher den bereits im Verwaltungsverfahren substantiiert vorgetragenen Hinweisen auf deutlich mehr Brutplätze der Schleiereule im Umfeld der Trasse nachgehen müssen. Die Kläger hatten hierzu eine Liste des Gebietsbetreuers des Landesverbandes Eulenschutz in Schleswig-Holstein e.V. für das Gebiet Schmalfelder Au mit 13 Brutnachweisen für die Schleiereule im Abstand zwischen 50o und 3 300 m von der Trasse vorgelegt. Hiervon ausgehend bedarf es einer erneuten Bewertung des Tötungsrisikos der Schleiereule.
Rz. 119
bb) Die vorgesehenen Schutzmaßnahmen für die Schleiereule sind im Grundsatz nicht zu beanstanden. Gemäß Nebenbestimmung 49 erfolgt die Auswahl der Standorte und die Anbringung der Nisthilfen für zwei weggefallene Brutplätze unter Beteiligung von Eulenexperten, wobei ein Abstand von mindestens 1 000 m von der Autobahntrasse eingehalten werden soll. Entgegen der Kritik der Kläger, die Ersatzmaßnahmen würden so rechtswidrig in weit entfernte Gebiete verlagert, überzeugt es, dass zum Schutz der Tiere vor möglichen Kollisionen ein großer Abstand von der Trasse eingehalten werden soll, zumal die Kläger im Hinblick auf ein signifikantes Tötungsrisiko den Trassenabstand eines Brutplatzes von 500 m zu Recht als zu gering kritisiert haben. Dass wegfallende Knicks und Redder teilweise nicht ersetzt, sondern unter anderem durch Feldgehölze kompensiert werden, führt nicht zur Ungeeignetheit der Ausgleichsmaßnahmen für die Schleiereule.
Rz. 120
e) Die artenschutzrechtliche Behandlung des Uhu ist mit den in der mündlichen Verhandlung erklärten zusätzlichen Maßgaben nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen das Tötungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) kann durch die festgesetzten Vermeidungsmaßnahmen hinreichend sicher ausgeschlossen werden (aa). Zwar könnte die vorgesehene Vergrämung gleichzeitig eine Störung (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 1 BNatSchG) darstellen; dies wäre jedoch hinnehmbar, da der Erhaltungszustand der lokalen Population nicht gefährdet wird (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 BNatSchG, bb). Die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen sind geeignet (cc), schließlich liegt auch kein Verstoß gegen § 21 Abs. 4 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes zum Schutz der Natur vom 24. Februar 2010 - GVOBl. 2010, 301 - LNatSchG - vor (dd).
Rz. 121
aa) Die Kritik der Kläger an der Eignung von Wildleitzäunen als Maßnahmen zur Verringerung des Kollisionsrisikos des Uhu hat der Beklagte entkräftet. Die Maschenweite der Zäune von maximal vier Zentimetern in Nebenbestimmung 46 soll Fallwild von der Straße fernhalten, um dadurch die Attraktivität des Straßenrandes für nahrungssuchende Uhus zu senken.
Rz. 122
Der Planfeststellungsbeschluss (S. 556 ff.) nimmt weiter an, dass durch das Vorhaben lediglich ein etwa 200 - 400 m von der Trasse entfernter Brutplatz des Uhu betroffen ist. Zur Kritik der Kläger am zu engen Untersuchungsraum hat der Beklagte überzeugend erwidert, der Aktionsradius einer Art sei nicht gleichbedeutend mit dem Eintritt einer signifikanten Erhöhung des Kollisionsrisikos, und die im Schriftsatz der Kläger vom 30. Oktober 2018 benannten weiteren Brutplätze des Uhu befänden sich in einem Trassenabstand von mindestens 1 000 m. Dem sind die Kläger nicht mehr entgegengetreten. Im Übrigen wird auf dieser Grundlage auch der von der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten in ihren "Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten - Stand April 2015" (Berichte zum Vogelschutz, Bd. 51, 2014) empfohlene Abstand von 1 000 m für den Uhu eingehalten. Auch wenn das Kollisionsrisiko bei Windenergieanlagen nicht deckungsgleich mit dem des Straßenverkehrs sein mag, wird damit zumindest ein Anhaltspunkt für einen artspezifischen Abstand von einem Gefahrenherd gegeben.
Rz. 123
Zur Vergrämung des Uhubrutpaars aus dem Trassenbereich sollen nach Nebenbestimmung 47 beginnend mit der Brutperiode, in der die Inbetriebnahme stattfindet, regelmäßige Begehungen jährlich vor der Brutphase so lange durchgeführt werden, bis über einen Zeitraum von drei Jahren keine Brutaktivitäten mehr festzustellen sind. Ziel der Maßnahme ist es, den aktuellen Brutplatz zu ermitteln und dann durch Erzeugen lauter Geräusche das Brutpaar zur Aufgabe des Platzes zu veranlassen. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte die Vergrämung als aus fachlicher Sicht erfolgversprechend bezeichnet und die Bestimmungen hierfür um die Maßgabe ergänzt, dass die Vergrämung bereits ab dem Jahr des Baubeginns zu erfolgen hat und für die Brutperiode abzubrechen ist, falls eine Brut tatsächlich begonnen wird. Damit hat er der Kritik, die angeordneten Vergrämungsmaßnahmen seien ungeeignet, weil der Uhu ausgesprochen brutplatztreu sei und nach Vergrämung wieder zurückkehren werde, teilweise Rechnung getragen. Im Übrigen liegen zwar auch nach den eigenen Angaben des Gutachters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung noch keine Erfahrungen mit der Vergrämung eines Uhu vor, die Kläger können aber auch keine durchgreifenden Argumente oder wissenschaftlichen Erkenntnisse für ein voraussichtliches Scheitern anführen. Der im Habitatschutzrecht geltende Maßstab, dass eine Beeinträchtigung mit "Gewissheit" (d.h. ohne dass vernünftige Zweifel verbleiben) ausgeschlossen werden muss, kann nicht auf den allgemeinen Artenschutz übertragen werden. Erforderlich und ausreichend ist im Artenschutzrecht eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung (BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 57 und vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 235 Rn. 99; Kautz, in: Kolodziejcok u.a., Naturschutz, Stand Dezember 2016, § 44 BNatSchG Rn. 48). Diesen Anforderungen entsprechen die vom Beklagten vorgesehenen Maßnahmen.
Rz. 124
bb) Durch die Vergrämungsmaßnahmen in der Vorbrutzeit wird keine nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG verbotene erhebliche Störung des Uhu während der Fortpflanzungszeit bewirkt.
Rz. 125
Den Tatbestand des Störungsverbots kann auch eine zur Vermeidung des Tötungsrisikos angeordnete Maßnahme wie die Vergrämung erfüllen. Weder dem Wortlaut der nationalen Norm noch des Art. 5 Buchst. b VRL bzw. des Art. 12 Abs. 1 Buchst. b FFH-RL lassen sich Anhaltspunkte für eine dies von vornherein ausschließende Auslegung des Störungsverbots entnehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 130 zum Verbot des Fangens geschützter Arten). Die Motivation einer Vergrämungsmaßnahme spielt keine Rolle für ihre rechtliche Beurteilung (Lau, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 44 Rn. 16).
Rz. 126
Der Senat lässt offen, ob das Vergrämen durch Erzeugen lauter Geräusche, um den Uhu dadurch zum Verlassen seines beabsichtigten Brutplatzes zu nötigen, tatbestandlich eine Störung darstellt (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 1. Dezember 2015 - 4 LC 156/14 - ZUR 2016, 227 ≪228≫ zum Vergrämen von Saatkrähen). Die geschützte Fortpflanzungszeit könnte betroffen sein, wenn dieser Begriff dahin verstanden wird, dass er den Zeitraum vom Beginn des Werbeverhaltens bis zum Abschluss des Brutgeschäfts - sei es erfolgreich oder erfolglos - oder bis zum Ende der Trächtigkeit umfasst (so Kautz, in: Kolodziejcok u.a., Naturschutz, Stand Dezember 2016, § 44 BNatSchG Rn. 118), und wenn die vorgesehenen Vergrämungsmaßnahmen nach Beginn des Werbeverhaltens erfolgen sollten.
Rz. 127
Es handelt sich aber nicht um eine erhebliche Störung im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 BNatSchG, weil sich der Erhaltungszustand der lokalen Population des Uhu nicht verschlechtert. Als lokale Population ist vorliegend dasjenige Uhubrutpaar anzusehen, das sich im Trassenbereich befindet. Bei selten vorkommenden Arten - wie hier - kann auch bereits ein einzelnes Brutpaar die lokale Population darstellen, was der für die Kläger auftretende Gutachter in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt hat (vgl. in diesem Sinne auch Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz - LANA -, Hinweise zu zentralen unbestimmten Rechtsbegriffen des Bundesnaturschutzgesetzes, 2009, S. 7).
Rz. 128
Der Erhaltungszustand dieser lokalen Population verschlechtert sich nicht, weil von einem Erfolg der Vergrämungsmaßnahme ausgegangen werden kann, die lokale Population also sozusagen verschoben wird und sich am neuen Brutplatz fortpflanzt. Darüber hinaus ist der Erhaltungszustand des Uhu allgemein gut, weil er sich nach den nicht in Abrede gestellten Angaben des Gutachters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung derzeit in Ausbreitung befindet.
Rz. 129
Die Annahme des Gutachters der Kläger, es werde über mehrere Jahre zu einem Brutausfall kommen, weil der Uhu sich durch die anhaltenden Vergrämungsmaßnahmen nachhaltig gestört sehe, bleibt lediglich eine zwar nicht auszuschließende, aber unwahrscheinliche Besorgnis. Deutlich plausibler erscheint die Annahme, dass sich das an seinem ursprünglichen Brutplatz nicht nur durch die Vergrämung, sondern auch durch die Baumaßnahmen für das Vorhaben ernsthaft gestörte Uhupaar einen neuen Brutplatz suchen wird, um an seiner artgemäßen Fortpflanzung nicht dauerhaft gehindert zu sein. Wie bereits ausgeführt, kann der im Habitatschutzrecht geltende Maßstab, dass eine Beeinträchtigung mit "Gewissheit" ausgeschlossen werden muss, nicht auf das allgemeine Artenschutzrecht übertragen werden.
Rz. 130
cc) In der Vergrämung liegt auch kein Verstoß gegen das Verbot der Zerstörung von Fortpflanzungsstätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). Etwa 800 m nördlich des bisherigen Neststandortes werden zwei Nistplattformen angebracht, sodass die ökologische Funktion im räumlichen Zusammenhang im Sinne von § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG sichergestellt ist. Der Kritik der Kläger an der Eignung der Ersatzbrutplätze hat der Beklagte überzeugend entgegengehalten, diese lägen außerhalb der projektspezifischen Wirkzonen und in der Nähe bevorzugter Nahrungshabitate, die ohne trassenquerende Flüge vom Ersatzbrutplatz aus zu erreichen seien. Zu diesen Nahrungsgebieten zählten zum Beispiel die Baumbestände und Gewässer an der Hartenholmer Mühle sowie Siedlungsbereiche, Wälder und Knicks im Süden von Hartenholm. In Schleswig-Holstein besiedle der Uhu im Übrigen auch anthropogene, menschennahe Lebensräume, sodass auch der strukturreiche südliche Siedlungsrand von Hartenholm ein attraktives Jagdgebiet darstelle.
Rz. 131
dd) Als vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen sollen gemäß Nebenbestimmung 48 in Knicks zwei Nistplattformen angebracht werden. Dort darf in einem Abstand von jeweils mindestens 100 m beidseitig der Nisthilfen keine Beseitigung von Überhältern bei der Knickpflege stattfinden, um Veränderungen im Umfeld so gering wie möglich zu halten und eine Aufgabe des neuen Nistplatzes zu vermeiden. Die so streckenweise verbotene Beseitigung von Überhältern stellt keinen Verstoß gegen § 21 Abs. 4 LNatSchG dar. Nach dieser Vorschrift ist bei Knicks das traditionelle Knicken (d.h. das Zurückschneiden bis auf den Stock) bei Erhalt der Überhälter und Entfernen des Schnittguts vom Knickwall eine zulässige Pflege- und Bewirtschaftungsmaßnahme. Weiter lässt die Norm grundsätzlich das Fällen von Überhältern bis zu einem Stammumfang von 2 m zu, sofern in dem auf den Stock gesetzten Abschnitt mindestens ein Überhälter je 40 - 60 m Knicklänge erhalten bleibt (§ 21 Abs. 4 Satz 2 LNatSchG). Die Regelung sieht somit grundsätzlich den Erhalt der Überhälter vor; sie dürfen unter den genannten Voraussetzungen, müssen aber nicht zwingend beseitigt werden.
Rz. 132
f) Einen Verstoß gegen das Störungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG für Vögel durch den Verkehrslärm und andere vom Verkehr ausgehende Störungen hat der Beklagte fehlerfrei ausgeschlossen. Die Kritik der Kläger, die angewendeten Vorschläge zu Effektdistanzen für Brutvögel an Straßen aus der von Ga./Mi. verfassten Arbeitshilfe "Vögel und Straßenverkehr" (Ausgabe 2010, im Folgenden: Arbeitshilfe) seien insgesamt spekulativ und speziell die für die Heidelerche angegebene Effektdistanz von 300 m sei falsch, greift nicht durch.
Rz. 133
Der Beklagte hat dem überzeugend eine Auswertung der bis zum Jahr 2016 zu dem Thema Vögel und Lärm erschienenen Fachliteratur durch Frau Dr. Ga. (Vögel und Straßenverkehr: Instrumente zur Beurteilung von Lärmauswirkungen, 2017) entgegengestellt. Hiernach haben sowohl der bisherige methodische Ansatz als auch die genannten kritischen Pegel weiterhin Bestand. Im Übrigen wird zwar - auch von der Arbeitshilfe selbst - nicht in Abrede gestellt, dass die Vorschläge nicht statistisch überprüft werden konnten und im strikt naturwissenschaftlichen Sinne nicht abgesichert sind. Viele planungsrelevante Vogelarten sind jedoch so selten, dass Zusammenhänge zwischen der Verteilung der Vögel und dem Straßenverkehr nicht erkennbar werden; selbst unter Einbeziehung der gesamten Bestände seltener Vogelarten in Deutschland ließe sich keine statistisch seriös zu bearbeitende Datenbasis zusammenstellen (Arbeitshilfe, Vorbemerkungen S. VIII). Deshalb beruht der gewählte Ansatz auf der Kombination einer Prognose der artspezifischen Störanfälligkeit der Vogelarten gegen Verkehrslärm und einer Auswertung des Verteilungsmusters dieser Arten an Straßen mit unterschiedlichen Verkehrsbelastungen. Eine solche Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden; insbesondere ist bei Kenntnislücken der Analogieschluss eine gängige und unbedenkliche Methode, mit der bei Einhaltung wissenschaftlicher Standards Kenntnislücken überbrückt werden können (BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 64 und vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 Rn. 115). Entgegen der klägerischen Kritik erfasst die Arbeitshilfe auch optische Störungen (Vorbemerkungen S. IX) und geht ausdrücklich auf den Sonderfall nachtaktiver Vögel ein (S. 15).
Rz. 134
Die von den Klägern angeführte Veröffentlichung von Fa. und Ry. aus dem Jahr 2009 enthält nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Beklagten weder für die Feldlerche noch für die Heidelerche eine quantifizierende Angabe für eine Effektdistanz. Sie ist daher nicht geeignet, die Arbeitshilfe mit ihren Werten infrage zu stellen. Auch von den Klägern weiter in Bezug genommene Untersuchungen von Heidelerchen in mediterranen verbuschenden Weideflächen, wonach eine nur knapp halb so große Populationsdichte an Hauptstraßen im Vergleich zu Nebenstraßen festgestellt worden sei, bestätigen die Arbeitshilfe eher, als dass sie Zweifel an deren Ergebnissen wecken: Für die Heidelerche ist laut Arbeitshilfe (S. 25 i.V.m. S. 27) an schwach befahrenen Straßen mit einer Habitateignungsabnahme von 20 % auf den ersten 100 m auszugehen; bei stärker befahrenen Straßen nimmt die Habitateignung mit zunehmendem Verkehr deutlich ab, so etwa bei über 20 000 Kfz/Tag um 60 % bis 100 m Entfernung von der Trasse.
Rz. 135
g) Die artenschutzrechtliche Bewertung von Beeinträchtigungen des Moorfroschs und des Laubfroschs hält der Kritik der Kläger stand. Die Rüge des partiell zu hohen Alters der zugrunde liegenden Kartierungen bleibt unsubstantiiert. Nach einer ersten Untersuchung im Jahr 2006 erfolgte für den Planfeststellungsbeschluss, Teil A, im Jahr 2011 eine neue Erfassung mit fünf Begehungen zwischen April und Juni, für den Teil B wurden 2011 und 2015 Plausibilitätsprüfungen der Biotoptypkartierungen durchgeführt, die die Gültigkeit der Erfassungen aus dem Jahr 2006 bestätigten. Schließlich erfolgte für den Teil B im Juni 2016 eine erneute Habitatkartierung und Potenzialabschätzung. Die Kläger haben hiergegen nicht näher dargelegt, weshalb die in den Jahren 2011 bis 2016 erfolgten Aktualisierungen unzureichend sind.
Rz. 136
Soweit die Kläger kritisieren wollen, die Schadensbegrenzungsmaßnahmen für den Moor- und Laubfrosch seien nicht hinreichend geeignet, weil nicht sichergestellt sei, dass die Laichgesellschaften des Moorfroschs an den Gewässern A20WAm21 und A20WAm23 im naturschutzfachlich erforderlichen Ausmaß weiterhin in genetischem Austausch zu einer größeren Gesamtpopulation stünden, ist der Beklagte dem plausibel mit dem Argument entgegengetreten, die von den Klägern angeführten Gewässer seien von untergeordneter Bedeutung, weil das Gewässer A20WAm21 außerhalb des durchschnittlichen Wanderradius des Moorfroschs relativ weit von der Trasse entfernt liege und im Gewässer A20WAm23 der zuvor erbrachte Nachweis des Laubfroschs im Jahre 2011 nicht wiederholt werden konnte.
Rz. 137
Schließlich kann auch die Kritik, die Amphibienleiteinrichtungen seien nicht geeignet, weil sie von Individuen der Art überklettert werden könnten, nicht überzeugen. Die Kläger setzen sich nicht damit auseinander, dass diesen bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Bedenken durch Ergänzung der Nebenbestimmung 31 Rechnung getragen worden ist. Gemäß dieser Bestimmung und nach der Nebenbestimmung 33 ist ein artspezifischer Überkletterungsschutz zu errichten, die Funktionsfähigkeit der Amphibienschutzeinrichtungen ist vor Betriebsbeginn durch Experten festzustellen, und im Rahmen der Funktionskontrolle muss eine dauerhafte Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit gewährleistet werden.
Rz. 138
5. Die vorgenannten Mängel der Verträglichkeitsuntersuchung und der artenschutzrechtlichen Prüfung schlagen auch auf die behördliche Beurteilung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und die planerische Abwägung durch. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass die Planfeststellungsbehörde aufgrund des Ergebnisses einer ordnungsgemäßen Verträglichkeitsprüfung eine veränderte Feintrassierung und/oder andere Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen angeordnet hätte (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 150).
Rz. 139
Davon abgesehen ist die Abarbeitung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (§ 15 BNatSchG) nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Kläger hat sich die Planung mit den unvermeidbaren Beeinträchtigungen der Schmalfelder Au hinreichend und ohne Rechtsfehler befasst. Verbleibende Schadstoffeinträge in das Gewässer sind ausweislich S. 223, 230 des Erläuterungsberichts zur Landschaftspflegerischen Begleitplanung berücksichtigt, und für diese Eingriffe ist ein entsprechender Kompensationsbedarf festgesetzt (PFB S. 379 und 381). Eine weitergehende Betrachtung der Neunaugenbestände in der Schmalfelder Au war unter den hier gegebenen, oben näher erläuterten Umständen nicht erforderlich, zumal es sich um keine artenschutzrechtlich relevanten Arten im Sinne des Anhangs IV zur FFH-Richtlinie handelt. Die ferner geforderte zusätzliche Querungshilfe für Rotwild im Westteil des Abschnitts musste im Rahmen der Eingriffsregelung nicht festgesetzt werden. Der Beklagte hat hierzu plausibel ausgeführt, die bereits geplante Unterführung der Schmalfelder Au lasse nach ihrer Dimensionierung eine Querung durch den Rothirsch zu. Allerdings sei eine reale Nutzung aus Richtung Süden aufgrund der Siedlungsstruktur unwahrscheinlich. Eine speziell für das Rotwild dimensionierte Grünunterführung im Sinne einer Angebotsplanung sei nicht erforderlich und auch nicht sinnvoll, weil sich ein leistungsfähiger Korridor für das Rotwild aufgrund der räumlichen Gegebenheiten an dieser Stelle nicht entwickeln lasse.
Rz. 140
E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Fundstellen
BVerwGE 2019, 380 |
JZ 2019, 649 |
NuR 2018, 8 |
NuR 2019, 608 |
VR 2019, 287 |
ZUR 2019, 421 |
NordÖR 2019, 13 |
UPR 2019, 340 |