Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen der Versorgung. Verwendung im öffentlichen Dienst. Verwendungseinkommen. selbstständige Tätigkeit. Beschäftigung. unselbstständige Tätigkeit. Amtsträger. Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. Organ der Europäischen Union. Abhängigkeitsverhältnis. Weisungsgebundenheit. Unabhängigkeit des Amtsträgers. Eingliederung in den öffentlichen Dienst. Spezialität von Versorgungsvorschriften für nationale Amtsträger
Leitsatz (amtlich)
Mitglieder des Europäischen Rechnungshofs als eines Verfassungsorgans der Europäischen Union werden im Sinne der Ruhensvorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes im öffentlichen Dienst beschäftigt und beziehen Verwendungseinkommen (vgl. aber Urteil vom 22. Juli 1965 – BVerwG 2 C 22.64 – BVerwGE 22, 1 = Buchholz 232 § 158 BBG Nr. 11).
Normenkette
BeamtVG §§ 53, 56; BRHG §§ 3, 5
Verfahrensgang
VG Koblenz (Urteil vom 16.06.2009; Aktenzeichen 2 K 1271/08.KO) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 16. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Rz. 1
Die 1942 geborene Klägerin stand bis zum Eintritt in den Ruhestand zum 6. Dezember 2005 als Präsidentin des Bundesrechnungshofs im Dienst der Beklagten. Aufgrund ihrer Ernennung zum Mitglied des Europäischen Rechnungshofs war sie ab dem 1. Januar 2002 ohne Dienstbezüge beurlaubt.
Rz. 2
Im Rahmen der Versorgungsfestsetzung wurde die gesamte Versorgung der Klägerin wegen der Einkünfte aus dem Amt als Mitglied des Europäischen Rechnungshofs zum Ruhen gebracht. Ab dem 1. Januar 2008 erhielt sie aus diesem Amt ein Übergangsgeld, sodass ihr ab diesem Zeitpunkt der Mindestbelassungsbetrag in Höhe von 20 v.H. ihrer Versorgungsbezüge ausgezahlt wurde. Die hiergegen gerichteten Widersprüche, die die Klägerin damit begründete, dass ihre Mitgliedschaft beim Europäischen Rechnungshof als Tätigkeit in einem Amtsverhältnis nicht als Verwendung im öffentlichen Dienst gelte, blieben ebenso erfolglos wie das Klageverfahren.
Rz. 3
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Bezüge als Mitglied des Europäischen Rechnungshofs und das Übergangsgeld seien auf die Versorgung der Klägerin anzurechnen, weil ihre Tätigkeit als Mitglied des Europäischen Rechnungshofs eine Verwendung im öffentlichen Dienst im Sinne der Ruhensvorschriften des Beamtenversorgungsrechts sei. Eine “Verwendung im öffentlichen Dienst” erfordere grundsätzlich ein Abhängigkeitsverhältnis, durch das der Versorgungsberechtigte dem Dienstherrn zu einer bestimmten Tätigkeit verpflichtet und mindestens hinsichtlich der Art und Weise seiner Tätigkeit den Weisungen des Dienstherrn unterworfen sei. “Im Dienst” einer Einrichtung stehe auch, wer ein Amt oder eine Organfunktion wahrnehme, ohne dabei konkret an Anweisungen einer übergeordneten Stelle gebunden zu sein. Nicht “im Dienst” stehe, wer für einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn als selbstständiger Unternehmer tätig werde. Bei der erforderlichen Gesamtschau prägten die für eine unselbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände das Rechtsverhältnis der Klägerin zum Europäischen Rechnungshof und zur Europäischen Gemeinschaft.
Rz. 4
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Sprungrevision. Sie beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 16. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Ruhensbescheide der Oberfinanzdirektion Koblenz vom 25. Oktober 2007, der Bundesfinanzdirektion Südwest vom 28. Februar 2008 und des Widerspruchsbescheids dieser Behörde vom 6. Oktober 2008 zu verpflichten, das Ruhegehalt der Klägerin festzusetzen, ohne die Bezüge und das Übergangsgeld für die Tätigkeit als Mitglied des Europäischen Rechnungshofs nach dem BeamtVG als Verwendungseinkommen anzurechnen.
Rz. 5
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 6
Die Sprungrevision der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Tätigkeit der Klägerin als Mitglied des Europäischen Rechnungshofs eine Verwendung im öffentlichen Dienst einer überstaatlichen Einrichtung darstellt. Deshalb ruhen die Versorgungsbezüge der Klägerin aus ihrem früheren Amt als Präsidentin des Bundesrechnungshofs für die Zeit im aktiven Dienst beim Europäischen Rechnungshof gemäß § 53 Abs. 9 Satz 1 BeamtVG und für die Zeit des Erhalts einer Versorgung aus diesem Dienst in Gestalt von Übergangsgeld nach § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 6 BeamtVG. Dabei ist gemäß § 4 Abs. 2 Halbs. 1 BeamtVG auf die Fassung des Beamtenversorgungsgesetzes vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) abzustellen.
Rz. 7
Die Klägerin ist Präsidentin des Bundesrechnungshofs gewesen und aus diesem Amt mit Ablauf des 5. Dezember 2005 in den Ruhestand getreten. Die Rechtsstellung des Präsidenten des Bundesrechnungshofs regeln § 3 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 des Gesetzes über den Bundesrechnungshof (BRHG). Nach § 3 Abs. 2 Satz 4 BRHG i.V.m. § 85 BBG in der bis zum 11. Februar 2009 geltenden Fassung gelten für die Versorgung der Klägerin die Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes für Wahlbeamte auf Zeit (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks 10/3204, Einzelbegründung zu § 3 BRHG ≪S. 10≫). Nach § 66 Abs. 1 BeamtVG sind insoweit die Vorschriften für die Beamten auf Lebenszeit entsprechend anwendbar, soweit im Beamtenversorgungsgesetz nichts anderes bestimmt ist.
Rz. 8
Die Ruhensvorschriften bestimmen, in welchen Fällen und in welchem Umfang ein Teil der Versorgung nicht zur Auszahlung gelangt (vgl. grundlegend: Urteil vom 24. November 1966 – BVerwG 2 C 119.64 – BVerwGE 25, 291 ≪293≫ = Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 29, vgl. auch Urteile vom 27. Januar 2005 – BVerwG 2 C 39.03 – Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 13 und vom 13. November 2008 – BVerwG 2 C 11.07 – Buchholz 449.4 § 30 SVG Nr. 1 Rn. 15). Da die erdiente Versorgung dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG unterliegt, bedarf es für die Anwendung der Ruhensvorschriften einer besonderen Begründung; dabei sind zwei Zeiträume zu unterscheiden:
Rz. 9
Für den Zeitraum, in dem die Klägerin Bezüge im aktiven Dienst des Europäischen Rechnungshofs erhielt (Zeit vom 6. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2007), ist dem Grunde nach die Ruhensvorschrift des § 53 BeamtVG anwendbar. Diese Vorschrift regelt das Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen. Nach ihrem Abs. 9 Satz 1 gilt für Wahlbeamte auf Zeit bei dem Bezug von Verwendungseinkommen § 53 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung (vom 16. Dezember 1994, BGBl I S. 3858; im Folgenden: BeamtVG a.F.). Für den Zeitraum, in dem die Klägerin Übergangsgeld für die Tätigkeit beim Europäischen Rechnungshof erhalten hat (Zeit ab dem 1. Januar 2008), gilt § 56 BeamtVG, der das Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Versorgung aus zwischenstaatlicher und überstaatlicher Verwendung regelt. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ruht das deutsche Ruhegehalt in Höhe des Betrages, um den die Summe aus der zwischen- oder überstaatlichen Versorgung und dem deutschen Ruhegehalt die in Absatz 2 genannte Höchstgrenze übersteigt.
Rz. 10
Nach diesen Vorschriften ruhen die Versorgungsbezüge der Klägerin aus ihrem Amt als Präsidentin des Bundesrechnungshofs, solange sie ein Verwendungseinkommen aus ihrer Tätigkeit als Mitglied des Europäischen Rechnungshofs – laufende Besoldung bzw. Übergangsgeld – bezieht. Lediglich für den Zeitraum des Bezugs von Übergangsgeld steht ihr nach § 56 Abs. 6 Satz 2 BeamtVG der Mindestbelassungsbetrag von 20 v.H. zu.
Rz. 11
Verwendungseinkommen ist nach § 53 Abs. 8 BeamtVG bzw. § 53 Abs. 5 BeamtVG a.F. jedes Erwerbseinkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst. Dazu zählt auch jede Beschäftigung im Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung, an der eine öffentlich-rechtliche Körperschaft durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Die Europäische Union ist eine überstaatliche Einrichtung im Sinne der § 53 Abs. 8 BeamtVG, § 53 Abs. 5 BeamtVG a.F., § 56 BeamtVG (vgl. Urteile vom 30. Juni 1966 – BVerwG 8 C 8.65 – BVerwGE 24, 260 ≪263 f.≫ = Buchholz 232. § 258 BBG Nr. 14 S. 44 f. und vom 24. Februar 1972 – BVerwG 2 C 32.70 – Buchholz 232 § 160b BBG Nr. 1 S. 3).
Rz. 12
Die Tätigkeit der Klägerin als Mitglied des Europäischen Rechnungshofs stellt eine derartige Verwendung dar. Die Mitglieder des Europäischen Rechnungshofs stehen in einem besonderen Amtsverhältnis, das den deutschen Amtsverhältnissen der Verfassungsorgane und ihrer Mitglieder ähnelt. Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis wird als Oberbegriff sowohl für den besonderen rechtlichen Status von Verfassungsorganen und Mitgliedern derselben (wie Bundespräsident, Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung, Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts, Abgeordnete) als auch für sonstige “öffentlich-rechtliche Amtsverhältnisse anderer Ordnung” (wie den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, den Bundesbeauftragten als Leitung der Stasiunterlagenbehörde, die Mitglieder des Vorstandes der Deutschen Bundesbank, den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit) gebraucht. Der Europäische Rechnungshof ist durch den am 7. Februar 1992 unterzeichneten EG-Vertrag von Maastricht ausdrücklich in das Vertragskapitel über die förmlichen Organe aufgenommen und seinem Status nach in die Reihe der anderen förmlichen Organe der Europäischen Union eingefügt worden (Art. 7 EGV a.F., Titel III, 13 EUV). Status, Rechtsstellung und Aufgaben seiner Mitglieder werden in Art. 246, 247 Abs. 5, Art. 248 und 213 Abs. 2 EGV a.F. (jetzt Art. 285 bis 287 AEUV) geregelt. Zudem unterscheidet das Recht der Europäischen Union zwischen den Beschäftigten des Europäischen Rechnungshofs einerseits (rund 800 Mitarbeiter) und seinen Mitgliedern andererseits. Für seine Beschäftigten gelten entweder das “Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften” oder die “Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften”. Demgegenüber wird in der Verordnung 2290/77 des Rates über die Regelung der Amtsbezüge der Mitglieder des Rechnungshofs an mehreren Stellen unterschieden durch die Festlegung des Status der Beamten und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten einerseits und die ausdrückliche “sinngemäße” Anwendung “einer Reihe von Bestimmungen” des genannten Status auf die Mitglieder des Europäischen Rechnungshofs andererseits (so außerdem in den Erwägungsgründen der Änderungsverordnung 1293/2004).
Rz. 13
Zwar wird das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis vom öffentlichen Dienst im engeren Sinne abgegrenzt (vgl. Frenzel, Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis und das Recht des öffentlichen Dienstes – Abschied vom Prinzipiellen, ZBR 2008, 243 m.w.N.), auch unterliegen Amtsverhältnisse vielfach speziellen Regelungen, die sie insbesondere gegenüber Beamten privilegieren. Gleichwohl werden auch in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehende Amtsträger – seien es solche des deutschen öffentlichen Rechts oder solche des europäischen Rechts – im Sinne der Ruhensvorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes im öffentlichen Dienst beschäftigt und beziehen Verwendungseinkommen (vgl. aber Urteil vom 22. Juli 1965 – BVerwG 2 C 22.64 – BVerwGE 22, 1 = Buchholz 232 § 158 BBG Nr. 11). Dies folgt aus Wortlaut, Sinn und Zweck der Ruhensvorschriften und ihrer Entstehungsgeschichte. Sofern Einkünfte und Versorgung aus deutschen Amtsverhältnissen nicht den beamtenrechtlichen Ruhensvorschriften unterliegen, beruht dies allein darauf, dass die sie regelnden Vorschriften ein solches Ruhen ausschließen und denen des Beamtenrechts als speziellere Regelungen vorgehen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dadurch bedingte Einbeziehung von Einkünften und Versorgung aus internationalen Amtsverhältnissen bestehen nicht.
Rz. 14
§ 53 Abs. 8 BeamtVG (bzw. § 53 Abs. 5 BeamtVG a.F.) hat einen für die Anwendung der Ruhensregelungen eigenständigen Begriff des öffentlichen Dienstes festgelegt. Dies beruht darauf, dass es keine allgemeingültige, abschließende und verbindliche Bestimmung und Abgrenzung des Begriffs “öffentlicher Dienst” gibt. Der Begriff “öffentlicher Dienst” wird im geltenden Recht nicht als einheitlicher Begriff gebraucht. Was unter öffentlichem Dienst im Sinne der jeweiligen gesetzlichen Regelung zu verstehen ist, erschließt sich aus der ratio der entsprechenden Gesetzesvorschriften und den Rechtszusammenhängen, in die das jeweilige Rechtsgebiet eingebettet ist, einschließlich der dazugehörigen historischen Zusammenhänge (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. November 1980 – 2 BvL 7/76 u.a. – BVerfGE 55, 207 ≪227 f.≫). Der Begriff “öffentlicher Dienst” geht weiter als der Begriff “der Tätigkeit im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn”, wie er etwa in § 10 BeamtVG oder in § 29 BBesG verwendet wird.
Rz. 15
Unter Verwendung wird herkömmlich jede Art von Beschäftigung im öffentlichen Dienst verstanden, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer der in § 53 Abs. 8 BeamtVG genannten Einrichtungen ausgeübt wird (vgl. grundlegend: Urteil vom 22. Juli 1965 a.a.O.). Die Forderung nach einem Abhängigkeitsverhältnis dient allein der Abgrenzung der Beschäftigung im öffentlichen Dienst von einer selbstständigen Tätigkeit für eine öffentliche Einrichtung, etwas als privater Unternehmer (vgl. Urteil vom 20. Juni 1985 – BVerwG 2 C 101.81 – Buchholz 235 § 28 Nr. 9 S. 16). Es liegt vor, wenn der Versorgungsberechtigte dem Dienstherrn zu einer bestimmten Tätigkeit verpflichtet und mindestens hinsichtlich der Art und Weise seiner Tätigkeit den Weisungen des Dienstherrn unterworfen ist, etwa als Beamter, Tarifbeschäftigter, in einem anderen privatrechtlichen Dienstverhältnis (etwa als Musterungsarzt ≪Urteil vom 29. Juni 1970 – BVerwG 6 C 41.66 – Buchholz 232 § 158 BBG Nr. 19≫, angestellter Versicherungsvermittler bei einer öffentlich-rechtlichen Versicherung ≪Urteil vom 6. Juli 1972 – BVerwG 2 C 23.71 – Buchholz 237.7 § 168 Nr. 2≫) oder zu Ausbildungszwecken (Beschluss vom 3. August 1978 – BVerwG 6 B 27.78 – Buchholz 237.7 § 168 Nr. 3). Es ist insbesondere dann immer gegeben, wenn Disziplinargewalt besteht (zum Ganzen: Urteile vom 22. Juli 1965 a.a.O., vom 7. Februar 1968 – BVerwG 6 C 57.65 – BVerwGE 29, 118 ≪120≫ und vom 7. Januar 1980 – BVerwG 6 C 110.78 – Buchholz 235 § 28 Nr. 2).
Rz. 16
Auch die Tätigkeit als Richter ist trotz der persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) eine “Verwendung im öffentlichen Dienst”. Dies zeigt, dass das Abhängigkeitsverhältnis und die mit ihm verbundene Weisungsgebundenheit zwar ein Indiz, aber kein essentielles Merkmal der Verwendung ist. Deshalb ist eine Weisungsgebundenheit in einem umfassenden, engen Sinn nicht erforderlich. Jede Definition der Beschäftigung im öffentlichen Dienst dient allein der Abgrenzung von der selbstständigen Tätigkeit für die öffentliche Hand, z.B. als Gutachter oder Prozessvertreter. “Im Dienst” einer Einrichtung steht auch, wer ein Amt oder eine Organfunktion wahrnimmt, ohne dabei an Anweisungen einer übergeordneten Stelle gebunden zu sein. Dies gilt nicht nur für Richter und Wahlbeamte auf Zeit (wie Bürgermeister). Maßgebliches Kriterium ist die Eingliederung in die Organisationsstruktur einer Einrichtung im Sinne der Sätze 2 und 3 von § 53 Abs. 8 BeamtVG bzw. der Sätze 1 und 2 von § 53 Abs. 5 BeamtVG a.F., nach der dem Beschäftigten ein abgrenzbarer Aufgaben- bzw. Zuständigkeitsbereich nicht nur einzelfall- oder projektbezogen zugewiesen ist. In eine Organisationsstruktur eingegliedert ist auch, wer an ihre Spitze gestellt ist und im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Zuständigkeiten die Organisation nach Maßgabe eigenverantwortlicher politischer Richtungsentscheidungen (mit)leitet. Deshalb werden auch in herausgehobener Stellung und Funktion tätige Mitglieder von Verfassungsorganen im öffentlichen Dienst verwendet.
Rz. 17
Dieses Begriffsverständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschriften. Sofern Ruhensvorschriften Verwendungseinkommen – seien es solche aus aktiver Beschäftigung oder als Ruhebezüge – erfassen, beruhen sie auf dem Gedanken der Vermeidung einer Doppelalimentation unter dem Gesichtspunkt der Einheit der öffentlichen Kassen: Der Dienstherr kann sich von der ihm nach Art. 33 Abs. 5 GG obliegenden Alimentationspflicht dadurch entlasten, dass er den Versorgungsberechtigten auf andere Einkünfte aus öffentlichen Kassen verweist, sofern diese ebenfalls der Existenzsicherung des Versorgungsberechtigten und seiner Familie zu dienen bestimmt sind (vgl. zuletzt zu diesem Gedanken: Urteil vom 21. September 2006 – BVerwG 2 C 22.05 – Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 15 Rn. 17 m.w.N. insbes. zur Rspr. des BVerfG). Dieser Gedanke liegt gleichermaßen den Ruhensvorschriften des § 53 Abs. 8 Satz 3 BeamtVG bzw. § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG a.F. und § 56 BeamtVG zugrunde, die Einkünfte aus einer internationalen Verwendung erfassen (vgl. zu § 56 BeamtVG: Urteile vom 24. Februar 1972 – BVerwG 2 C 32.70 – Buchholz 232 § 160b BBG Nr. 1 S. 3, vom 12. März 1980 – BVerwG 6 C 14.78 – Buchholz 232.5 § 56 Nr. 2 S. 4 und vom 29. Oktober 1992 – BVerwG 2 C 19.90 – Buchholz 239.1 § 56 Nr. 5 S. 3; vgl. allgemein zu § 53 Abs. 9 BeamtVG: Urteile vom 1. September 2005 – BVerwG 2 C 15.04 – BVerwGE 124, 178 ≪179 ff.≫ = Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 14 = juris Rn. 18 ff.; BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256 ≪297 ff.≫).
Rz. 18
Dieser Zweck der Vermeidung einer Doppelalimentation würde unterlaufen, wollte man die Amtsverhältnisse ausnehmen, für die eine Vergütung zumindest mittelbar aus deutschen öffentliche Kassen gezahlt wird. Für die internationalen Amtsverhältnisse kommt hinzu, dass der Beamte mit der Übernahme in den Dienst der zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung nicht aus seinem deutschen Beamtenverhältnis ausscheidet; vielmehr wird er (ohne Bezüge) beurlaubt, und seine Anwartschaft auf seine Versorgung aus dem deutschen Beamtenverhältnis bleibt bestehen. Darüber hinaus verbessert er seine Anwartschaft auf die deutsche Versorgung, weil die Zeit bei der internationalen Einrichtung als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt wird (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 4, § 7 Satz 1 Nr. 2, § 11 Nr. 2 BeamtVG; Urteil vom 24. Februar 1972 – BVerwG 2 C 32.70 – Buchholz 232 § 160b BBG Nr. 1 S. 4).
Rz. 19
Da die Tätigkeit sowohl bei der internationalen als auch bei der nationalen Versorgung berücksichtigt wird, soll durch das Ruhen nach § 56 BeamtVG verhindert werden, dass dem Versorgungsempfänger für dieselbe Zeit zweimal Versorgung aus deutschen öffentlichen Kassen gezahlt wird, sofern diese auch zu den internationalen Kassen Beiträge zahlen (vgl. BTDrucks V/2251 S. 7 ≪“nur eine Versorgung für ein Arbeitsleben”≫ und Urteile vom 24. Februar 1972 – BVerwG 2 C 32.70 – Buchholz 232 § 160b BBG Nr. 1 S. 4, vom 12. März 1980 – BVerwG 6 C 14.78 – Buchholz 232.5 § 56 Nr. 2 S. 4 m.w.N., vom 29. Oktober 1992 – BVerwG 2 C 19.90 – Buchholz 239.1 § 56 Nr. 5 S. 3 und vom 21. September 2000 – BVerwG 2 C 28.99 – Buchholz 239.2 § 55b Nr. 1 S. 2). Dies gilt selbst dann, wenn der Beamte die für die Höchstversorgung erforderliche ruhegehaltfähige Dienstzeit auch ohne Berücksichtigung der internationalen Dienstzeit erreicht hat, weil auch dann der Gedanke der Einheit der öffentlichen Kassen durchgreift.
Rz. 20
Dieses auch Einkünfte oder Versorgung aus Amtsverhältnissen umfassende Begriffsverständnis des Verwendungseinkommens wird durch die Entstehungsgeschichte der Ruhensvorschriften bestätigt. Die in § 56 BeamtVG enthaltene Formulierung der “Versorgung aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung” fand sich schon in der Vorgängernorm des § 160b BBG a.F. Der Gesetzgeber ging ausweislich der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf (BTDrucks V/2251 S. 8 sowie schriftlicher Bericht des Innenausschusses, BTDrucks V/2807 S. 2) davon aus, dass “Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung auch die Tätigkeit als nichteingestufter Bediensteter einer internationalen Organisation (z.B. als Generalsekretär), als Richter bei einem internationalen Gericht und als Kommissionsmitglied bei den Europäischen Gemeinschaften” sei. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber von einem einheitlichen Begriff der Verwendung einerseits im (nationalen) deutschen öffentlichen Dienst (§ 158 BBG a.F.) andererseits im internationalen öffentlichen Dienst (§ 160b BBG a.F.) ausgegangen ist, der auch Amtsverhältnisse umfasst. Nichts anderes gilt für § 53 Abs. 8 BeamtVG (bzw. § 53 Abs. 5 BeamtVG a.F.).
Rz. 21
Aus der historischen Entwicklung der Amtsverhältnisse lässt sich ebenfalls nichts Gegenteiliges herleiten. Unter öffentlichem Dienst wurde stets der Dienst als Beamter oder Richter angesehen, wobei im traditionsbildenden Zeitraum hierunter der Begriff des Beamten weit verstanden wurde. Ursprünglich waren auch der Reichskanzler und andere Verfassungsorgane Beamte, wenn auch für sie teilweise abweichende Regelungen galten (vgl. Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873, RGBl S. 14). Richter waren seinerzeit (richterliche) Beamte (Gerichtsräte, eingereiht in die Beamtengesetze und Beamtenbesoldung; die Richterbesoldung wurde erst 1975 durch das 2. BesVNG vom 23. Mai 1975 – BGBl I S. 1173 – eingeführt, die Herausnahme der Richter aus der Beamtenhierarchie geschah durch die Schaffung des Deutschen Richtergesetzes vom 8. September 1961 – BGBl I S. 1665 –). Öffentlicher Dienst war aber auch der Dienst als Arbeiter und Angestellter des Reichs oder der Länder. Im Rahmen der Ruhensvorschriften wurde zunächst nur eine Anrechnung bei einer Reaktivierung als Beamter durch Anrechnung des neuen Diensteinkommens vorgenommen (vgl. Reichsbeamtengesetz vom 13. März 1873, insbes. § 57 Nr. 2), später kam jede Verwendung, also auch die als Arbeiter oder Angestellter im öffentlichen Dienst, hinzu (Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6. Oktober 1931, RGBl I S. 537 (Kapitel III Art. 1). Durch das Reichsministergesetz von 1930 wurden die Minister aus dem Beamtenrecht herausgenommen und ihre Rechtsverhältnisse unter Berücksichtigung ihrer staatsrechtlichen Stellung als vom Vertrauen des Parlaments abhängiger politischer Faktoren geregelt. Das durch die Verleihung des Ministeramtes begründete öffentlich-rechtliche Verhältnis wurde als Amtsverhältnis eigener Art gestaltet, dessen Rechte, Pflichten und Grenzen im Gesetz festgelegt waren. Eine Anwendung beamtenrechtlicher Vorschriften war nur noch insoweit zulässig, als das Gesetz es ausdrücklich bestimmte.
Rz. 22
In der Zeit nach Inkrafttreten des Grundgesetzes unterschieden Spezialvorschriften, wie etwa das Bundesministergesetz (vom 17. Juni 1953, BGBl I S. 407, § 20 BMinG, bis heute insoweit unverändert), zwischen Einkünften aus einem Dienstverhältnis als Beamter oder Richter und solchen aus einem Amtsverhältnis, indem beide Begriffe nebeneinander genannt wurden. Sofern dies noch nicht geschehen war, hat der Gesetzgeber in der Folgezeit in den Fällen, in denen die aus (anderen) besonderen Amtsverhältnissen fließende Einkünfte auf Bezüge angerechnet werden sollen, entsprechende klarstellende Zusätze in die jeweiligen spezialgesetzlichen Regelungen der Amtsverhältnisse aufgenommen, so in § 29 AbgG. Wegen des abschließenden Charakters der Regelungen über die besonderen Amtsverhältnisse (vgl. etwa die Gesetzesbegründung vom 30. Juni 1952 für das Bundesministergesetz vom 17. Juni 1953, BGBl I S. 407) enthalten die jeweiligen Vorschriften, die die Bezüge oder die Versorgung der besonderen Amtsträger regeln, ihrerseits eigene Anrechnungsvorschriften (so etwa §§ 19, 20 BMinG ≪vgl. hierzu: Urteil des VGH Kassel vom 1. Oktober 2009 – 8 A 1891/09 – juris, Revisionsverfahren – BVerwG 2 C 57.09 –≫, § 7 ParlStG, § 18 Abs. 2 WBeauftrG, § 3 des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten, § 29 AbgG ≪erst seit 1977, vgl. hierzu: OVG Münster, Urteil vom 30. April 1997 – 12 A 24547/95 – RiA 1998, 306 = NWVBl 1998, 24, zu § 29 AbgG≫, § 102 BVerfGG oder die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften sowie die Vorschriften im Statut für das Europ. Parlament ≪letzteres jedoch nur bezüglich anderer – nationaler – Abgeordnetenbezüge≫). Zur Begründung einer generellen Herausnahme der Einkünfte aus Amtsverhältnissen in den Ruhensvorschriften des Beamtenversorgungsrechts kann daher nicht auf die Spezialregelungen der einzelnen Amtsverhältnisse verwiesen werden (so aber Urteil vom 22. Juli 1965 a.a.O. ≪4≫).
Rz. 23
Demgegenüber blieb konsequenterweise die Definition des Verwendungseinkommens im Beamtenversorgungsrecht vom Wortlaut her unverändert und wurde auch nicht um Einkünfte aus besonderen (deutschen) Amtsverhältnissen ergänzt (vgl. § 127 Abs. 4 DBG, Bekanntmachung vom 30. Juni 1950, BGBl I S. 279; § 158 Abs. 5 BBG vom 14. Juni 1953, BGBl I S. 551). Daran änderte sich auch nichts bei der Schaffung der Vorgängernorm zu § 56 BeamtVG (§ 160b BBG a.F.).
Rz. 24
Da es auf europäischer Ebene – außer teilweise für die Mitglieder des Europäischen Parlaments – keine solchen Regelungen gibt, die der Europäische Gesetzgeber aufgrund der Vielfältigkeit der nationalen Regelungen den nationalen Gesetzgebern überlassen hat (vgl. Urteile vom 24. Februar 1972 – BVerwG 2 C 32.70 – Buchholz 232 § 160b Nr. 1 S. 3, vom 12. März 1980 – BVerwG 6 C 14.78 – Buchholz 232.5 § 56 Nr. 2 und vom 22. Februar 1996 – BVerwG 2 C 14.95 – Buchholz 240 § 8 Nr. 9; vgl. auch EuGH, Urteile vom 14. September 1995 – Rs. C-396/93 P – Slg. 1995, I 2611 und vom 16. Dezember 2004 – Rs. C-293/03 – Slg. 2004, I 12013), greifen bei Einkünften aus internationaler Verwendung mangels Spezialvorschriften die allgemeinen Ruhensvorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes. Anderenfalls bestünden gegen eine Herausnahme der Amtsverhältnisse aus den Ruhensvorschriften erhebliche Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (vgl. für die Abgeordnetendiäten: BVerfG, Urteil vom 5. November 1975 – 2 BvR 193/74 – BVerfGE 40, 296 ≪329 f.≫). Zwar können die statusrechtlichen Unterschiede zwischen Beamten und Bundesministern, zumindest seit dem Inkrafttreten des BMinG 1971 (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256 ≪344 f.≫) eine Ungleichbehandlung und Privilegierung der besondern Amtsverhältnisse bei deren Ruhensregelungen gegenüber den Beamten rechtfertigen, sie gebieten sie jedoch nicht (vgl. ebenso: Urteil vom 28. Juli 1989 – BVerwG 7 C 91.87 – Buchholz 120 Recht der Abgeordneten Nr. 6). Würde man Amtsverhältnisse generell von den beamtenrechtlichen Ruhensvorschriften ausnehmen, würde dies einzig zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Privilegierung der europäischen Amtsverhältnisse führen. Denn solange es keine Ruhensregelungen auf europäischer Ebene gibt, die ein Auszahlungshindernis bezüglich der europäischen Einkünfte im Falle der Doppelalimentation vorsehen, käme es dann sogar zu einer anrechnungslosen Dreifach-Kumulation europäischer und deutscher Bezüge, weil sich die Höhe der deutschen Versorgung unter Einbeziehung der Zeiten europäischer Verwendung errechnet.
Rz. 25
Die Einbeziehung von Einkünften aus internationaler Verwendung einschließlich derjenigen aus den internationalen Amtsverhältnissen in die Ruhensvorschriften des Beamtenversorgungsrechts verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze. Es gibt diesbezüglichen keinen – entgegenstehenden – hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, weil internationale Verwendungen erst in der Zeit nach Inkrafttreten des Grundgesetzes aufgetreten sind (Urteil vom 24. Februar 1972 – BVerwG 2 C 32.70 – Buchholz 232 § 160b BBG Nr. 1 S. 5). Die Ruhensregelungen verstoßen aber auch nicht gegen status- und versorgungsrechtliche Vorschriften der Europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union und unterliegen auch im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einkünfte oder Versorgung von der Ruhensberechnung unberührt bleiben; nur die Versorgung aus dem deutschen Beamtenverhältnis unterliegt dem Ruhen nach § 53 und § 56 BeamtVG (vgl. Urteile vom 24. Februar 1972 – BVerwG 2 C 32.70 – a.a.O. ≪3 ff.≫, vom 12. März 1980 – BVerwG 6 C 14.78 – Buchholz 232.5 § 56 Nr. 2 und vom 22. Februar 1996 – BVerwG 2 C 14.95 – Buchholz 240 § 8 Nr. 9; vgl. auch EuGH, Urteile vom 14. September 1995 – Rs. C-396/93 P – a.a.O. und vom 16. Dezember 2004 – Rs. C-293/03 – a.a.O.).
Rz. 26
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Heitz, Thomsen, Dr. Maidowski, Dr. Hartung, Dr. Eppelt
Fundstellen
ZTR 2011, 569 |
DÖV 2011, 940 |