Entscheidungsstichwort (Thema)
Kreuzung. Eisenbahnkreuzung. Eisenbahnunterführung. Eisenbahnbrücke. Straßenbahn. Straßenbahn im Verkehrsraum einer öffentlichen Straße. Kreuzung einer Eisenbahn mit einer Straßenbahn. Schienenweg. Straßenbahnverkehr. Eisenbahnverkehr. Eisenbahninfrastruktur. Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Baukosten. Träger der Baulast. laufende Unterhaltungskosten. Kreuzungsneubau. Widmung. Vertragsauslegung. ergänzende Vertragsauslegung. Auslegungsgrundsätze
Leitsatz (amtlich)
Das Eisenbahnkreuzungsgesetz gilt nicht für die Kreuzung einer Eisenbahnstrecke mit einem nicht im Verkehrsraum einer öffentlichen Straße liegenden Schienenweg, auf dem Straßenbahnen verkehren, solange dieser dem öffentlichen Eisenbahnverkehr gewidmet und auch tatsächlich noch für Eisenbahnen benutzbar ist.
Normenkette
AEG § 2 Abs. 1-3, § 11; BGB §§ 133, 157; EKrG § 1 Abs. 1, 3, 5-6, § 19; PBefG § 4 Abs. 1, § 28; VwVfG § 62 S. 2; WRV Art. 7 Nr. 19
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 21.02.2014; Aktenzeichen 16 A 1014/11) |
VG Köln (Entscheidung vom 04.03.2011; Aktenzeichen 18 K 1600/09) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Rz. 1
Die Beteiligten streiten um die Kosten für die Erneuerung einer Eisenbahnbrücke.
Rz. 2
Die Brücke, über die die Gleise der Bahnstrecke der Klägerin von Köln nach Trier verlaufen, überquert die Bahnstrecke Köln – Bonn der Beklagten (sog. Vorgebirgsbahn) in Hürth-Fischenich. Die Gleise der Vorgebirgsbahn werden dort für den Güterverkehr und für den Stadtbahnbetrieb der Kölner Verkehrsbetriebe Aktiengesellschaft (KVB) zwischen Köln und Bonn genutzt.
Rz. 3
Die Rechtsvorgänger der Beteiligten, die Königliche Eisenbahndirektion Cöln als Vertreterin des Staates Preußen und die Aktiengesellschaft der Cöln-Bonner-Kreisbahnen, schlossen im September 1907 einen Vertrag zur Durchführung des Kreuzungsbauwerks, nach dessen wesentlichem Inhalt der Rechtsvorgänger der Klägerin der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf deren Wunsch die Kreuzung der Staatsbahngleise widerruflich gestattete und die Eisenbahndirektion die Ausführung der Bauarbeiten auf Kosten der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorzunehmen hatte, wobei die Unterführung nach ihrer Fertigstellung in das Eigentum der Staatsbahnverwaltung übergehen sollte. Diese sollte auch die laufende, gewöhnliche Unterhaltung des Bauwerks tragen, wofür die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine einmalige Entschädigung in Höhe von 5 000 Mark zahlen sollte. Die Entschädigung sollte nicht die Kosten der Ausbesserung von durch den Betrieb der Bahnen oder höhere Gewalt verursachten Schäden oder erforderlich werdender baulicher Ergänzungen erfassen; solche Aufwendungen sollte die Rechtsvorgängerin der Beklagten in jedem Fall besonders tragen. Sie sollte darüber hinaus keinen Anspruch auf Entschädigung für Bahnbetriebsunterbrechungen oder -störungen haben, die sich infolge von Unterhaltungs- oder Erneuerungsarbeiten an der Unterführung oder durch den Betrieb der Staatsbahn oder deren baulicher Veränderung ergeben würden. Im Falle des Widerrufs der Kreuzungsgestattung durch die Staatsbahn sollte diese berechtigt sein, die Unterführung und die auf ihrem Eigentum befindlichen Bahnanlagen auf Kosten der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu beseitigen. Schließlich wurde bestimmt, dass sämtliche Verpflichtungen, welche diese Rechtsvorgängerin gegenüber der Staatsbahn eingegangen sei, auch ihr etwaiger Rechtsnachfolger zu übernehmen habe.
Rz. 4
Im Jahre 2006 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die Brücke erneuerungsbedürftig sei und gab die voraussichtlichen Kosten mit 5 285 000 EUR an. Nachdem die Beklagte die Kostenübernahme verweigerte, widerrief die Klägerin mit Ablauf des 31. Mai 2008 die Gestattung zur Kreuzung ihrer Bahngleise und wies auf die daraus folgenden Beseitigungspflichten hin.
Rz. 5
Da die Beklagte dieses Vorgehen nicht akzeptierte, hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 650 000 EUR für den Rückbau der bestehenden Brücke sowie auf Feststellung erhoben, dass auch darüber hinausgehende Kosten zu erstatten seien. Hilfsweise hat sie die Feststellung beantragt, dass die Beklagte ihr einen Baukostenvorschuss in Höhe der vollständigen oder anteiligen Kosten für die Erneuerung des Brückenbauwerks zu leisten habe.
Rz. 6
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 4. März 2011 festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, an die Klägerin einen Baukostenvorschuss in Höhe der Hälfte der Kosten für die Erneuerung des Brückenbauwerks zu leisten, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Hauptanträge wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben erfolglos bleiben müssten; sie bezweckten ausschließlich, die Beklagte zum Ersatz aller Kosten für eine Ersatzbrücke zu veranlassen, und zielten darüber hinaus auf eine Stilllegung der Strecke der Beklagten, die ohne die erforderliche behördliche Genehmigung gar nicht möglich sei. Der Anspruch auf den Baukostenvorschuss ergebe sich aus den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, wobei dieser auf die Hälfte der Baukosten beschränkt sei, weil beide Kreuzungsbeteiligte gleichermaßen für den sicheren Bestand der Anlage zu sorgen hätten.
Rz. 7
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen und dazu ausgeführt: Der Anspruch auf Zahlung des Baukostenvorschusses ergebe sich aus dem Vertrag von 1907. Das Eisenbahnkreuzungsgesetz – EKrG – sei auf die Kreuzung nicht anwendbar, so dass dessen § 14 nicht einschlägig sei und ein Außerkrafttreten des Vertrages von 1907 nach § 19 Abs. 1 EKrG von vornherein ausscheide. Das Eisenbahnkreuzungsgesetz gelte nach § 1 Abs. 1 für Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen und nicht, wenn sich – wie hier – zwei Eisenbahnen kreuzten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 1 Abs. 5 EKrG, wonach nicht im Verkehrsraum einer öffentlichen Straße liegende Straßenbahnen wie Straßen behandelt würden, wenn sie Eisenbahnen kreuzten; denn auf den Gleisstrecken der Beklagten werde Straßenbahn- und Eisenbahnverkehr durchgeführt. Die Gleisstrecke sei ein Teil der Eisenbahninfrastruktur der Beklagten als Eisenbahninfrastrukturunternehmen und damit Eisenbahn im Sinne des § 1 Abs. 3 EKrG. Die Beklagte halte Schienennetz-Benutzungsbedingungen vor, in denen sie gegenüber jedem Zugangsberechtigten die diskriminierungsfreie Benutzung ihrer Eisenbahninfrastruktur gewährleiste. Die Nutzung der Gleise auch für den Straßenbahnverkehr ändere nichts an ihrer Eigenschaft als Eisenbahninfrastruktur, ebenso wenig eine etwaige Planfeststellungsbedürftigkeit dieses Verkehrs nach § 28 des Personenbeförderungsgesetzes – PBefG –. Der Anspruch auf den Baukostenvorschuss ergebe sich im Wege der Auslegung aus dem Vertrag von 1907. Die Vertragsparteien hätten ausweislich des § 5 die Notwendigkeit von Erneuerungsarbeiten an der Unterführung durchaus berücksichtigt, von weiteren Regelungen hierzu aber abgesehen. Es lasse sich jedoch aus den einzelnen Bestimmungen des Vertrages zusammenfassend der Grundsatz ableiten, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten und nunmehr die Beklagte selbst den Bau, die Unterhaltung und die Ausbesserungen von Schäden der Unterführung infolge des Bahnverkehrs zu finanzieren habe und Gleiches für den Fall der Erneuerung der Unterführung gelte, weil sie dem Bau der Unterführung gleichzusetzen sei. Aber selbst wenn der Vertrag insoweit eine Lücke enthielte, könne diese im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin geschlossen werden, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten in Anbetracht des Vertragszwecks auch die Kosten für eine Erneuerung zu tragen gehabt habe. Die Klägerin könne auch einen Vorschuss auf die hälftigen voraussichtlichen Kosten verlangen. Dieser Anspruch bestehe aus Billigkeitsgründen nach § 242 BGB und in Anlehnung an § 669 BGB. Zudem kenne auch der Vertrag von 1907 in § 3 Satz 3 die Verpflichtung zur Zahlung eines Vorschusses, den damals die Rechtsvorgängerin der Beklagten vor Beginn der Arbeiten bei der Eisenbahnhauptkasse einzuzahlen gehabt habe.
Rz. 8
Mit ihrer durch die Vorinstanz zugelassenen Revision gegen dieses Urteil, mit der sie eine vollständige Abweisung der Klage begehrt, rügt die Beklagte eine Verletzung von Bundesrecht: Zum einen verkenne das Oberverwaltungsgericht den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 EKrG; denn es liege eine Kreuzung zwischen einer Eisenbahn und einer Straße vor, weil es sich bei ihrer – der Beklagten – Gleisstrecke um eine Straßenbahn handele, die nach dieser Bestimmung als Straße zu behandeln sei. Ihrer Rechtsvorgängerin seien verschiedene Genehmigungen und Erlaubnisse erteilt worden, um auf dem Gleiskörper auch Straßenbahnverkehr durchführen zu können. Dieser Verkehr stelle mittlerweile den überwiegenden Anteil des Verkehrsaufkommens. Der Begriff der Straßenbahn im Sinne des Eisenbahnkreuzungsrechts bestimme sich nach der Definition des § 4 Abs. 1 PBefG. Die Voraussetzungen jener Norm erfülle ihre Bahnlinie. Sie habe einen besonderen Bahnkörper und der Bahnverkehr auf der Vorgebirgsbahn ähnele in seinem Betrieb den auf öffentlichen Straßen betriebenen Bahnen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 PBefG. Ihre Betriebsanlagen entsprächen somit sowohl den Voraussetzungen einer Eisenbahn wie denen einer Straßenbahn. Für die eisenbahnkreuzungsrechtliche Einordnung komme es nicht nur auf die Infrastruktur, sondern auch auf den darauf stattfindenden Verkehr an; denn nur so ließen sich Eisenbahnen und Straßenbahnen, die beide Schienenbahnen seien, voneinander abgrenzen. Maßgeblich für diese Abgrenzung sei die Zweckbestimmung des Schienenwegs, also ob die Merkmale der Bau- und Betriebsweise einer Straßenbahn die Merkmale überwögen, die für eine Einordnung als Eisenbahn sprächen. Bei Heranziehung dieser Merkmale handele es sich bei ihrem Schienenweg um eine Straßenbahn, weil die weit überwiegende Zweckbestimmung in der Aufnahme und Durchführung des Straßenbahnverkehrs liege. Aber auch unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit des Eisenbahnkreuzungsgesetzes verstoße das angegriffene Urteil gegen Bundesrecht; denn die Auslegung des Vertrages von 1907 durch das Oberverwaltungsgericht stehe nicht in Einklang mit den §§ 133 und 157 BGB. Eine ergänzende Vertragsauslegung setze eine Lücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit voraus, die der Vertrag nicht aufweise. Nach dessen Inhalt gingen die Zuständigkeit und Verantwortung für das Brückenbauwerk nach seiner Errichtung entsprechend dem Funktionsprinzip auf die Klägerin über. Die Kosten der Brückenerrichtung seien auf Nachweis zu erstatten gewesen, die absehbaren und kalkulierbaren Kosten der Unterhaltung durch einen einmaligen Betrag abgegolten worden. Lediglich für nicht kalkulierbare und zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhersehbare Kosten seien separate Kostenerstattungsansprüche geregelt gewesen. Um derartige Kosten handele es sich jedoch bei den Kosten für die Erneuerung der Brücke nicht. Diese seien daher mit der einmaligen Entschädigung für die laufende Unterhaltung abgegolten. Schließlich leide das Urteil an einem Sachaufklärungsmangel nach § 86 Abs. 1 VwGO, weil das Oberverwaltungsgericht unbeachtet lasse, dass die Infrastruktur für den Straßenbahnbetrieb genehmigt worden sei, und insoweit und zu dem stattfindenden Verkehr keinerlei Feststellungen getroffen habe.
Rz. 9
Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung und weist darauf hin, dass es sich bei den Schienenbahnen, die auf der Vorgebirgsbahn fahren dürften, um klassische Eisenbahnen sowie nach der Eisenbahnbetriebsordnung besonders zugelassene Straßenbahnwagen handele, die dadurch selbst zu Eisenbahnen würden.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 10
Die Revision ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil lässt keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass auf die Kreuzung das Eisenbahnkreuzungsgesetz nicht anwendbar ist (1.). Ebenso wenig ist die Auslegung des Vertrages von 1907 durch das Berufungsgericht zu beanstanden, nach der die Klägerin gegen die Beklagte einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung eines Baukostenvorschusses für die Erneuerung des Brückenbauwerks hat (2.).
Rz. 11
1. Da das Eisenbahnkreuzungsgesetz nach dessen § 1 Abs. 1 nur für die Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen gilt, hier sich aber zwei Schienenwege kreuzen, wären die Vorschriften des Gesetzes nur dann einschlägig, wenn der Schienenweg der Beklagten unter § 1 Abs. 5 EKrG fiele. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht verneint; denn bei dem die Eisenbahn der Klägerin kreuzenden Schienenweg der Beklagten handelt es sich nicht um eine Straßenbahn, die nicht im Verkehrsraum einer öffentlichen Straße liegt, wie es diese Vorschrift fordert, sondern ebenfalls um eine Eisenbahn.
Rz. 12
Eisenbahnen im Sinne des Eisenbahnkreuzungsgesetzes sind nach dessen § 1 Abs. 3 vornehmlich Eisenbahnen, die dem öffentlichen Verkehr dienen. Die mit der Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz – ENeuOG – vom 27. Dezember 1993 – BGBl. I S. 2378) eingeführte Bestimmung des Begriffs Eisenbahnen (§ 2 Abs. 1 des als Art. 5 ENeuOG in Kraft gesetzten Allgemeinen Eisenbahngesetzes – AEG –) unterscheidet insoweit zwischen öffentlichen Einrichtungen oder privatrechtlich organisierten Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen (Eisenbahnverkehrsunternehmen) oder eine Eisenbahninfrastruktur betreiben (Eisenbahninfrastrukturunternehmen). Während Eisenbahnverkehrsleistungen nach § 2 Abs. 2 AEG die Beförderung von Personen oder Gütern auf einer Eisenbahninfrastruktur sind, umfasst die Eisenbahninfrastruktur nach § 2 Abs. 3 AEG die Betriebsanlagen der Eisenbahnen einschließlich der Bahnstromfernleitungen. Ausgehend davon, dass § 1 Abs. 6 EKrG unmissverständlich regelt, dass Beteiligte an der Kreuzung die jeweiligen Träger der Baulast der kreuzenden Verkehrswege sind, liegt es demnach auf der Hand, dass bei einer Aufspaltung zwischen dem Betreiber der Bahninfrastruktur und der Einrichtung oder dem Unternehmen, das die Beförderungsleistungen erbringt, Kreuzungsbeteiligte nur die jeweiligen Infrastrukturunternehmen sind. Dies sind hier auf der einen Seite die Klägerin als Betreiberin der Eisenbahninfrastruktur der Strecke Köln-Trier und auf der anderen Seite die Beklagte, die – ausgehend von den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und daher das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz – den Fahrweg der Vorgebirgsbahn als Eisenbahninfrastrukturunternehmen betreibt, dafür Schienennetz-Benutzungsbedingungen vorhält und diese Infrastruktur teilweise selbst als Eisenbahnverkehrsunternehmen nutzt sowie teilweise für den Straßenbahnbetrieb zur Verfügung stellt. Es ist daher ohne Belang für die Frage, ob es sich bei den kreuzenden Schienenwegen um Eisenbahnen im Sinne des Eisenbahnkreuzungsgesetzes handelt, welchen Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen der eisenbahnfremde Verkehr auf den Schienenwegen ausmacht und inwieweit dieser nach den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes planfeststellungsbedürftig ist (vgl. dazu das von der Vorinstanz zitierte Urteil des OVG Saarlouis vom 28. April 1998 – 2 M 2/98 – juris Rn. 29). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die auf der Strecke der Beklagten verkehrenden Fahrzeuge der KVB in ihrer Betriebsweise den Straßenbahnen ähneln, die den Verkehrsraum öffentlicher Straßen benutzen, und daher Straßenbahnen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 PBefG sind; denn das Eisenbahnkreuzungsgesetz stellt eigenständige Voraussetzungen für Straßenbahnen als Kreuzungsbeteiligte auf, die gerade nicht an die tatsächliche Nutzung des Schienenweges anknüpfen, sondern an seine planfestgestellte oder genehmigte Nutzbarkeit und damit an seine Widmung für den öffentlichen Eisenbahnverkehr. Maßgeblich ist allein, dass es sich bei den Betriebsanlagen nach wie vor um solche einer Eisenbahn handelt, solange nicht die eisenbahnfremde Nutzung auch zu einer durchgreifenden baulichen Umgestaltung der Infrastruktur geführt hat, so dass die Betriebsanlagen ebenfalls als eisenbahnfremd, also als nicht mehr für Eisenbahnen benutzbar, eingeordnet werden müssten. Dafür gibt es hier keine Feststellungen, würde aber auch bedeuten, dass die Beklagte den Betrieb ihrer Eisenbahnstrecke dauerhaft eingestellt hätte, was nach § 11 AEG einer Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde bedarf. Das macht selbst die Beklagte nicht geltend.
Rz. 13
Demgemäß hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht die Normen des Eisenbahnkreuzungsgesetzes nicht für anwendbar gehalten mit der Folge, dass der zwischen den Rechtsvorgängern der Beteiligten geschlossene Vertrag von 1907 nicht nach § 19 EKrG obsolet geworden ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24. September 1997 – 11 C 10.96 – NVwZ 1998, 1075 ≪1076≫).
Rz. 14
Insoweit ist auch kein Mangel der gerichtlichen Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO feststellbar, der zu einer Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz führen müsste. Abgesehen davon, dass die Beklagte bisher keine Stilllegung ihrer Eisenbahnstrecke nach § 11 AEG betrieben hat, ist auch eine tatsächliche Umgestaltung der Betriebsanlagen, die es rechtfertigen könnte, von einer eisenbahnfremden Infrastruktur zu sprechen, angesichts der zumindest in dem Bereich der Unterführung auch derzeit noch bestehenden Nutzung durch Eisenbahngüterverkehr von vornherein ausgeschlossen. Dass es sich bei dem Schienenweg nach wie vor um die Betriebsanlagen einer Eisenbahn handelt, wird zudem durch den unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin gestützt, wonach die Fahrzeuge der Straßenbahn gemäß den Vorschriften der Eisenbahnbetriebsordnung zum Betrieb auf den Gleisen der Beklagten zugelassen werden müssen.
Rz. 15
2. Die Auslegung des Vertrages von 1907 dahin, dass die Klägerin von der Beklagten einen Vorschuss auf die Kosten für die Erneuerung der Brücke verlangen kann, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen.
Rz. 16
Es ist bereits fraglich, ob es insoweit überhaupt um die Anwendung revisiblen Rechts geht, weil die Gesetzgebung über das Eisenbahnwesen erst mit der Weimarer Reichsverfassung (Art. 7 Nr. 19) dem Reich zugewiesen worden ist und daher ein Vertrag auszulegen ist, dessen Materie jedenfalls bei Vertragsschluss in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fiel. Dies mag aber dahingestellt bleiben, denn selbst wenn man für landesrechtliche Sachbereiche die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Auslegungsgrundsätze über § 62 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für revisibel hält (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 19. Januar 1990 – 4 C 21.89 – BVerwGE 84, 257 ≪264 f.≫ sowie vom 4. Dezember 2001 – 4 C 2.00 – BVerwGE 115, 274 ≪289≫; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 72), ist eine im Revisionsverfahren rügefähige Rechtsverletzung nicht feststellbar.
Rz. 17
Die Auslegung von Verträgen ist grundsätzlich Aufgabe der zur Tatsachenfeststellung und -würdigung berufenen Tatsacheninstanzen. Das Revisionsgericht prüft insoweit nur, ob anerkannte Auslegungsgrundsätze, gesetzliche Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze beachtet worden sind. Die Rüge der Beklagten, das Gericht habe die bundesrechtlichen Auslegungsregeln der §§ 133 und 157 BGB nicht beachtet, indem es eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen habe, obwohl der Vertrag keine Regungslücke aufweise, ist nicht berechtigt. Sie geht bereits daran vorbei, dass das Oberverwaltungsgericht eine ergänzende Vertragsauslegung nur hilfsweise vornimmt. In erster Linie hat das Gericht eine Lücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrages, hinsichtlich der Erneuerungskosten verneint und im Gegenteil festgestellt, dass die Notwendigkeit von Erneuerungsarbeiten durchaus berücksichtigt worden sei, sowie aus den Einzelbestimmungen des Vertrages den Grundsatz abgeleitet, dass die Beklagte die Kosten der Erneuerung zu tragen habe, die dem Bau der Unterführung gleichzusetzen sei. Soweit die Beklagte mit ihrer Rüge der Sache nach das Ergebnis dieser Auslegung beanstandet, ergibt sich aus ihrem Vortrag kein revisionsrechtlich beachtlicher Mangel des angegriffenen Urteils. Zwar begründet sie im Einzelnen, warum die Vertragsbestimmungen nur dahin verstanden werden könnten, dass die Kosten einer Brückenerneuerung als vorhersehbare Unterhaltskosten anzusehen seien, die durch die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten seinerzeit zu zahlende einmalige Entschädigung abgegolten seien. Mit diesem Verständnis des maßgeblichen Vertragsinhalts – das im Hinblick auf den im Vergleich zu den Neubaukosten verhältnismäßig geringen Betrag der Entschädigung in Höhe von 5 000 Mark ohnehin fragwürdig ist – beschränkt sie sich jedoch darauf, der durch das Gericht vorgenommenen Vertragsauslegung ihre eigene entgegenzusetzen, ohne den von ihr geltend gemachten Verstoß gegen die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB plausibel zu machen; denn das Oberverwaltungsgericht stützt sich ebenso wie sie auf den Willen der Vertragsparteien, wie er in den Bestimmungen des Vertrages seinen Ausdruck gefunden hat. Allein aus dem Umstand, dass man diese Bestimmungen und das ihnen zugrunde liegende Konzept auch anders deuten kann, folgt noch nicht der geltend gemachte Rechtsverstoß, solange nicht aufgezeigt wird, dass die beanstandete Auslegung sich nicht an den gesetzlichen Auslegungsregeln orientiert hat, also nicht die Ermittlung des wirklichen Willens der Vertragsparteien im Blick hatte. Dies leistet die Beklagte nicht, vor allem gelingt es ihr nicht, das ohne Weiteres nachvollziehbare Argument der Klägerin ernsthaft in Frage zu stellen, dass der Brückenbau im alleinigen Interesse der Rechtsvorgängerin der Beklagten gelegen habe, diese folgerichtig im Vertrag die Kosten der Ausführung, aber auch der Unterhaltung und notwendiger Ausbesserungen übernommen habe und demgemäß auch die Kosten einer notwendigen Erneuerung.
Rz. 18
Soweit das Gericht den Vertrag von 1907 hilfsweise ergänzend auslegt, indem es entgegen seiner das Urteil vorrangig tragenden Auffassung unterstellt, dass die Kostentragungspflicht für eine Erneuerung des Bauwerks vertraglich nicht geregelt worden sei, und zu dem Ergebnis kommt, dass eine plangemäße Vervollständigung der vertraglichen Bestimmungen zu einer Kostentragungspflicht der Beklagten führen müsse, greifen die Einwände der Beklagten ebenfalls nicht durch. Abgesehen davon, dass sie schon deswegen im Ergebnis unerheblich sind, weil sie sich gegen eine Hilfsbegründung richten, läge auch hier nur dann ein Verstoß gegen Auslegungsgrundsätze vor, wenn der im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung vorgenommene Lückenschluss die Vorschriften der §§ 133 und 157 BGB missachten würde. Dafür ist nichts erkennbar. Auch hier gilt, dass allein die Möglichkeit, die Vertragsbestimmungen in einem anderen Sinne zu verstehen, nicht für die Annahme eines revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsverstoßes ausreicht.
Rz. 19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Kley, Liebler, Dr. Wysk, Dr. Kuhlmann, Rothfuß
Fundstellen
DÖV 2015, 934 |
UPR 2015, 509 |