Entscheidungsstichwort (Thema)
Besondere Fachkenntnisse. Ermessen. Fachhochschule. Lehr- und Rektorentätigkeit. nichtöffentliche Schule. ruhegehaltfähige Dienstzeit. Versorgungsbezüge. Vordienstzeit
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit als Professor und Rektor an einer privaten Fachhochschule ist keine Tätigkeit im nichtöffentlichen Schuldienst im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG.
Bei der Entscheidung darüber, in welchem Umfang eine Vordiensttätigkeit bei der Festsetzung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berücksichtigt werden soll, darf das Ermessen nicht in der Weise ausgeübt werden, dass bei den Beamten der einzelnen Laufbahngruppen festgelegte Obergrenzen starr eingehalten werden, die unter der gesetzlichen Höchstgrenze bleiben.
Normenkette
GG Art. 7 Abs. 4-5; BeamtVG (1991) § 4 Abs. 3, § 6 Abs. 1, §§ 10, Nr. 3 Buchst. a; SchulG NW § 36 Abs. 2-4
Verfahrensgang
OVG der Freien Hansestadt Bremen (Urteil vom 21.05.2003; Aktenzeichen 2 A 462/01) |
VG Bremen (Urteil vom 15.03.2001; Aktenzeichen 2 K 244/98) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Mai 2003 wird geändert und das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen vom 15. März 2001 wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt neu gefasst:
Nummer 2 des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 13. Januar 1998 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu vier Fünftel und die Beklagte zu einem Fünftel.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt, die Zeit vom 1. Januar 1976 bis zum 30. September 1991 – 15 Jahre und 9 Monate – in voller Länge als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen. Er war während dieser Zeit als Professor und Rektor an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen tätig, und zwar bis April 1978 im Angestelltenverhältnis, danach in einem Anstellungsverhältnis auf Lebenszeit mit Anwartschaft auf beamtenmäßige Versorgung. Die Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen ist eine staatlich anerkannte private Fachhochschule; ihr Träger ist die Katholische Fachhochschule Gemeinnützige GmbH.
Am 1. Oktober 1991 wurde der Kläger vom Land Sachsen-Anhalt unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Ministerialdirigenten ernannt und mit der Leitung der Abteilung 3 – Wohnungsbau und Wohnungswesen – im Ministerium für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen betraut. Zum 15. Oktober 1995 übernahm die Beklagte den Kläger im Wege der Versetzung in den bremischen Staatsdienst, in dem er noch heute tätig ist. In der Zeit vom 1. August 1997 bis zum 31. November 1998 war der Kläger in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Für diese Zeit des Ruhestandes setzte die Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers fest und erkannte dabei mit Bescheid vom 18. August 1997 seine Tätigkeit bei der Katholischen Fachhochschule mit 7 Jahren und 319 Tagen zur Hälfte als ruhegehaltfähig an. Mit seinem Widerspruch begehrte der Kläger die Anerkennung der vollen Zeit. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 13. Januar 1998 zurück, wobei sie es nicht nur ablehnte, die volle Zeit anzuerkennen, sondern auch ihren Ausgangsbescheid abänderte und nur noch sechs Jahre als ruhegehaltfähig berücksichtigte. Zur Begründung verwies sie auf die Verwaltungsvorschrift zu § 11 BeamtVG, derzufolge eine Anerkennung nur mit insgesamt sechs Jahren in Betracht komme.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und mit Zustimmung der Beklagten hilfsweise die Aufhebung des Widerspruchsbescheides beantragt. Die Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger könne die Berücksichtigung der gesamten Dauer seiner Tätigkeit bei der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen nicht auf § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG stützen. Selbst wenn man unterstelle, die Lehrtätigkeit des Klägers an der Katholischen Fachhochschule sei nichtöffentlicher Schuldienst, sei es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens die Vordienstzeit nicht anerkannt habe. Eine hauptberufliche Lehrtätigkeit im öffentlichen oder nichtöffentlichen Schuldienst sei wegen der damit gewonnenen berufsspezifischen Erfahrungen nur dann förderlich, wenn ein “innerer Zusammenhang” zwischen der Vordiensttätigkeit und der folgenden Verwendung bestehe. Dies sei nur der Fall, wenn die erstmalige Verwendung als Beamter ebenfalls die Wahrnehmung von Lehraufgaben zum Inhalt habe.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt. Die unterschiedliche Behandlung gegenüber Professoren staatlicher Fachhochschulen, die in hohe Verwaltungsämter berufen werden, sei dadurch sachlich begründet, dass die Ruhegehaltfähigkeit der Dienstzeiten staatlich beamteter Fachhochschullehrer sich allein aus ihrem Beamtenstatus ableite, während die Tätigkeit des Klägers bei der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen auf einem Anstellungsvertrag beruht habe.
Der Kläger könne sein Begehren auch nicht auf § 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BeamtVG a.F. stützen. Das Ermessen sei durch die Verwaltungsvorschrift zum BeamtVG sachgerecht dahingehend beschränkt, dass für die Anrechnung nur die Zeit in Betracht kommen könne, die als notwendig angesehen werde, um die Befähigung für die Wahrnehmung des betreffenden Amtes zu erlangen. Bei einer Berufung in das Beamtenverhältnis des höheren Dienstes sei dies ein Zeitraum von sechs Jahren.
Es komme auch nicht in Betracht, den Widerspruchsbescheid isoliert aufzuheben. Es sei zwar ein Verfahrensfehler gewesen, dass der Kläger vor Erlass des Widerspruchsbescheides nicht gehört worden sei. Hierauf beruhe jedoch, ungeachtet einer möglichen Heilung, die Entscheidung nicht. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Er habe gegen den Ausgangsbescheid ohne Einschränkung Widerspruch eingelegt und deswegen mit einer umfassenden Überprüfung der Anrechnungsfrage rechnen müssen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Mai 2003 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen vom 15. März 2001 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 18. August 1997 und 13. Januar 1998 zu verpflichten, die Lehrtätigkeit des Klägers an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen in der Zeit vom 1. Januar 1976 bis zum 30. September 1991 über die gewährte Anerkennung hinaus in vollem Umfang als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen,
hilfsweise,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Mai 2003 teilweise aufzuheben und das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen vom 15. März 2001 dahin abzuändern, dass Ziff. 2. des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 13. Januar 1998 aufgehoben wird,
und
dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt wird.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist nur teilweise begründet. Es gibt keine gesetzliche Grundlage, die es gestattet, mehr als die Hälfte der im Dienste der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen verbrachten Tätigkeit als ruhegehaltfähige Vordienstzeit anzuerkennen.
Rechtsgrundlage für die Berechnung der Ruhegehaltbezüge des Klägers ist § 4 Abs. 3 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) in der zum Zeitpunkt der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 24. Februar 1997 (BGBl I S. 322). Das Klagebegehren ist gemäß § 85 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Sätze 1 und 2 BeamtVG entsprechend der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Rechtslage für die Anrechnung der Lehrtätigkeit nach § 11 Abs. 1 BeamtVG in der Fassung vom 24. Oktober 1990 (BGBl I S. 2298) zu beurteilen.
Nach § 4 Abs. 3 BeamtVG wird das Ruhegehalt auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnet. Die ruhegehaltfähige Dienstzeit ist regelmäßig nur die im Beamtenverhältnis verbrachte Dienstzeit; grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Versorgung entsprechend der Dauer des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Unter Durchbrechung dieses Grundsatzes sehen §§ 10 und 11 BeamtVG vor, auch Zeiten zu berücksichtigen, die außerhalb eines Beamtenverhältnisses zurückgelegt worden sind. Die Anrechnung solcher Vordienstzeiten hat Ausnahmecharakter. Ihre Berücksichtigung ist sachlich gerechtfertigt, weil sie ein besonders qualifiziertes Verhältnis zum später erreichten Beamtenstatus aufweisen. Während dieser Zeiten haben die Beamten entweder Erfahrungen und Kenntnisse erworben, die förderlich für die Ausübung ihres Amtes waren, oder ihre Tätigkeit außerhalb des Beamtenstatus war derjenigen vergleichbar, die sie später als Beamte ausgeübt haben. Durch die Anrechnung soll dem Beamten annähernd diejenige Versorgung ermöglicht werden, die er erhalten hätte, wenn er sich während der Zeit, in der er die für die Wahrnehmung seines späteren Amtes erforderliche Qualifikation erworben hat, bereits im Beamtenverhältnis befunden hätte. Hierdurch werden unbillige Benachteiligungen gegenüber sog. “Nur”-Beamten ausgeglichen (stRspr; vgl. Urteil vom 28. Juni 1982 – BVerwG 6 C 92.78 – BVerwGE 66, 65 ≪66≫ m.w.N. zu § 116 BBG a.F.).
Eine Berücksichtigung nach § 10 BeamtVG a.F. kommt nicht in Betracht. Die Anrechnung der Vordienstzeit des Klägers nach dieser Vorschrift scheitert daran, dass weder die Fachhochschule selbst noch die sie tragende GmbH, noch die dahinter stehende katholische Kirche als “Dienstherr” im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind. Der Begriff des “Dienstherrn” umfasst nur juristische Personen des öffentlichen Rechts, zu denen die Kirchen nicht gehören (Urteil vom 28. Dezember 1962 – BVerwG 6 C 224.61 – Buchholz 232 BBG § 115 Nr. 13; vom 16. September 1965 – BVerwG 2 C 64.63 – Buchholz 232 BBG § 115 Nr. 21). Erst recht scheidet eine Tätigkeit im Dienste einer juristischen Person des Privatrechts aus, selbst wenn sich das Kapital dieser Einrichtung voll in öffentlicher Hand befindet (Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer § 10 BeamtVG Rn. 29).
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG a.F. steht es im Ermessen des Dienstherrn, die Zeit ganz oder teilweise als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen, während der ein Beamter nach Vollendung des siebzehnten Lebensjahres vor der Berufung in das Beamtenverhältnis hauptberuflich im öffentlichen oder nichtöffentlichen Schuldienst tätig gewesen ist.
Die Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, deren Trägerin eine privatrechtliche GmbH war, war keine Einrichtung des nichtöffentlichen Schuldienstes im Sinne dieser Bestimmung. Die die Schullehrer privilegierende Vorschrift erfasst nur die Tätigkeit bei einer als Ersatz für eine öffentliche Schule staatlich genehmigten Privatschule im Sinne des Art. 7 Abs. 4 und 5 GG, wobei sich die Arten der Privatschulen aus den jeweiligen landesschulrechtlichen Regelungen ergeben. Nichtöffentliche Schulen sind hiernach Ersatz- oder Ergänzungsschulen (vgl. § 36 Abs. 2 bis 4 SchulG NW). Ersatzschulen sind die Privatschulen, deren Lehr- und Erziehungsziele denen der öffentlichen Schulen entsprechen. Ergänzungsschulen sind alle übrigen staatlich anerkannten privaten Schulen (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Stand: März 2004, Erl. 5 Nr. Ziff. 2 zu § 11; Kümmel/Ritter, BeamtVG, Stand: Mai 2004, Rn. 23 zu § 11; Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG/BeamtVG, Stand: Juni 2004, Rn. 15 zu § 11 BeamtVG; Strötz, in: Fürst ≪Hrsg.≫, GKÖD, Stand: Juni 2004, Teil 3a Versorgungsrecht I, Rn. 23 zu § 11 BeamtVG). Da die landesschulrechtlichen Regelungen nur für die Privatschulen auf der Ebene der allgemein- und berufsbildenden Schulen sowie der Fachschulen, nicht aber für staatlich anerkannte private Fachhochschulen und Hochschulen gelten, wird die Tätigkeit an einer Fachhochschule vom Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b 2. Alt. BeamtVG a.F. nicht erfasst (vgl. auch Strötz, in Fürst ≪Hrsg.≫, a.a.O., Rn. 22 f. zu § 11 BeamtVG; a. A. ohne weitere Begründung nur Kümmel/Ritter, a.a.O., Rn. 23 zu § 11). Ob nichtöffentliche Schulen und private Fachhochschulen auf derselben gesetzlichen Grundlage vom Staat mitfinanziert werden, wie dies der Kläger im Revisionsverfahren geltend gemacht hat, ist für die hier maßgebliche Frage der Zuordnung der Bildungseinrichtung zum Schul- oder zum Hochschulbereich ohne Bedeutung. Diese Auslegung ist auch verfassungsrechtlich vorgezeichnet, da nur die landesschulrechtlichen Privatschulen in Art. 7 Abs. 4 und 5 GG verfassungsrechtlich gewährleistet sind (vgl. BVerfGE 37, 314 ≪320≫ sowie BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1968 – BVerwG 6 C 63.67 – DÖD 1968, 233 ≪234≫ zur Berücksichtigungsfähigkeit von Tätigkeiten im nichtöffentlichen Schuldienst bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters). Bereits zu der dem § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG a.F. entsprechenden Regelung in § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b des Deutschen Beamtengesetzes vom 26. Januar 1937 (RGBl S. 37) ist die Auffassung vertreten worden, dass es sich bei der Privatschule um eine Volks-, mittlere oder höhere Schule oder um eine Berufs- oder Fachschule handeln muss (vgl. Fischbach, DBG, 2. Aufl. 1940, Anm. II 2b ( zu § 85). Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck der Vorschrift, das schulpolitisch erwünschte Überwechseln vom nichtöffentlichen in den öffentlichen Schuldienst zu fördern (vgl. nur Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, a.a.O., Erl. 5, Nr. 2 zu § 11). Die Lehrtätigkeit des Klägers an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen kann daher bereits aus diesem Grunde nicht nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, 2. Alt. BeamtVG a.F. Berücksichtigung finden. Auf die Frage, ob die Beklagte die Berücksichtigung im Ermessenswege davon abhängig machen durfte, ob zwischen der Vordiensttätigkeit des Klägers und dem erstmals übertragenen Amt ein “innerer Zusammenhang” bestand, kommt es nicht an.
Es widerspricht auch nicht dem Gleichheitssatz, dass die Dienstzeit beamteter Professoren bei einem Wechsel in ein Verwaltungsamt ohne weiteres in voller Länge als ruhegehaltfähig berücksichtigt wird, während dies bei einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis nicht der Fall ist. Dies beruht auf dem Grundsatz, dass die gesamte im Beamtenverhältnis zurückgelegte Tätigkeit bei der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit zu berücksichtigen ist (§ 6 Abs. 1 BeamtVG). Demgegenüber trägt die Berücksichtigung außerhalb des Beamtenverhältnisses zurückgelegter Vordienstzeiten Ausnahmecharakter. Beide Fälle sind nicht vergleichbar.
Wie die Beklagte jedoch noch in ihrem Ausgangsbescheid vom 18. August 1997 selbst zutreffend festgestellt hatte, konnte die Vordiensttätigkeit des Klägers nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BeamtVG a.F. jedenfalls bis zur Hälfte berücksichtigt werden. Nach dieser Vorschrift kann die Zeit, während der ein Beamter nach Vollendung des siebzehnten Lebensjahres vor der Berufung in das Beamtenverhältnis auf wissenschaftlichem, künstlerischem, technischem oder wirtschaftlichem Gebiet besondere Fachkenntnisse erworben hat, die die notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung seines Amtes bilden, als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, jedoch höchstens bis zur Hälfte und in der Regel nicht über zehn Jahre hinaus.
Dass die besonderen Fachkenntnisse, die der Kläger während seiner langjährigen Tätigkeit als Rektor einer Fachhochschule erworben hatte, “notwendige Voraussetzung” für die Wahrnehmung des ihm übertragenen Amtes des Leiters der Abteilung 3 – Wohnungsbau und Wohnungswesen – im Ministerium für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen des Landes Sachsen-Anhalt gewesen ist, ist vom Berufungsgericht unter Hinweis auf die Stellungnahme des damaligen Staatssekretärs Mayer vom 6. Juni 1994 mit für das Revisionsgericht verbindlicher Wirkung (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt worden.
Nach der genannten Vorschrift steht die Anerkennung dieser Vordienstzeit im Ermessen des Dienstherrn. Bei der Ermessensausübung kann zum einen die Dauer und die Qualität der Vordiensttätigkeit berücksichtigt werden. Zum anderen gibt die Vorschrift Raum, daran anzuknüpfen, welcher Art die erstmals im Beamtenstatus ausgeübte Tätigkeit war. Beide Gesichtspunkte sprechen hier dafür, die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit auszuschöpfen. Zum einen handelt es sich bei der Leitung einer Fachhochschule um ein herausgehobenes Amt, das neben pädagogisch-fachlichen Fähigkeiten auch besondere Qualitäten auf den Gebieten der Organisation, der Personal- und der Betriebsführung erfordert. Zum anderen handelt es sich bei dem Amt des Abteilungsleiters in einem Ministerium um ein Spitzenamt des höheren Dienstes, dessen Wahrnehmung ebenfalls besondere Qualitäten erfordert, die über die bloß fachlichen hinausgehen. Die im Ausgangsbescheid der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung, die mehr als fünfzehnjährige Vordienstzeit des Klägers mit dem gesetzlich zulässigen Höchstmaß bis zur Hälfte anzuerkennen, begegnet unter diesen Umständen keinen Bedenken.
Demgegenüber stellt es einen Fehlgebrauch des dem Dienstherrn eingeräumten Ermessens dar, unter Berufung auf die auf die Mehrzahl der Ämter zugeschnittene Verwaltungsanweisung zu § 11 BeamtVG (Tz. 11.1.1.3) die anrechenbare Zeit für den höheren Dienst schematisch auf sechs Jahre zu begrenzen. Der Dienstherr muss im Rahmen seiner Ermessenserwägungen allen Umständen des jeweiligen Einzelfalls Rechnung tragen. Die Ermessensbindung durch Richtlinien darf nicht die Ausübung eines die Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Ermessens beseitigen und an dessen Stelle eine starre Regelung setzen, weil der Beamte einen Anspruch auf eine “echte” Ermessensentscheidung hat (vgl. Urteil vom 28. September 1967 – BVerwG 2 C 115.64 – Buchholz 232 § 116 BBG Nr. 11 ≪S. 51≫).
Indem das Gesetz gerade nicht an Fachkenntnisse anknüpft, die für den Erwerb der Laufbahnbefähigung ohnehin gefordert werden, sondern an “besondere Fachkenntnisse”, ist ihm keine Rechtfertigung dafür zu entnehmen, ohne Prüfung des Einzelfalls für Beamte des höheren Dienstes eine zeitliche Grenze von sechs Jahren vorzusehen, die erkennbar an die für den Erwerb der Laufbahnbefähigung erforderliche Zeit angelehnt ist und damit ohne innere Rechtfertigung die gesetzlich ermöglichte weitergehende Anrechnung bis zur Hälfte der gesamten Vordienstzeit versperrt. Diese erst in den Widerspruchsbescheid aufgenommene Ermessenserwägung, von der sich die Beklagte mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde hätte lösen können (Tz. 11.1.2 der Verwaltungsvorschrift zu § 11 BeamtVG), ohne dass es dafür eines förmlichen Antrags des Klägers bedurft hätte, wie die Revisionserwiderung meint, führt zu dessen Rechtswidrigkeit und Aufhebung. Damit verbleibt es zugunsten des Klägers bei der im Ausgangsbescheid vom 18. August 1997 ausgesprochenen Berücksichtigung der Vordienstzeit zur Hälfte, weil nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles allein dieses Ergebnis der Ermessensausübung rechtmäßig war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Fundstellen
Haufe-Index 1328892 |
ZTR 2005, 283 |
DÖD 2005, 279 |
DVBl. 2005, 511 |