Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung des Wertausgleichs. Berechnungsmethode. Freibetrag. jährliche Abschreibung. Bezugspunkt der Durchschnittsbildung. reformatio in peius. Anhörungspflicht vor Verböserung
Leitsatz (amtlich)
Die in § 7 Abs. 1 Satz 1 VermG geforderte Durchschnittsbildung bezieht sich nicht auf die Kalenderjahre nach Fertigstellung der baulichen Maßnahme oder die Kalenderjahre der Nutzung durch den Verfügungsberechtigten. Es ist deshalb unzulässig, für die Berechnung des Wertausgleichs die Gesamtkosten für Modernisierungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen auf die Jahre der Nutzung durch den Verfügungsberechtigten aufzuteilen und dann diesen Mittelungswert um den Freibetrag sowie die Abschreibungen nach § 7 Abs. 1 Satz 3 VermG zu vermindern.
Im vermögensrechtlichen Vorverfahren ist die reformatio in peius zulasten des Widerspruchsführers grundsätzlich zulässig.
Normenkette
VermG § 7 Abs. 1 Sätze 1, 3
Verfahrensgang
VG Halle (Saale) (Entscheidung vom 06.12.2000; Aktenzeichen 1 A 1080/98 HAL) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 6. Dezember 2000 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung eines Wertausgleichs zugunsten des Entschädigungsfonds im Zusammenhang mit der Rückübertragung eines Miteigentumsanteils an dem Grundstück J.straße 59 in H. Dieses Grundstück war mit einem aus sieben Wohneinheiten bestehenden Gebäude bebaut und im Dezember 1984 auf der Grundlage des Aufbaugesetzes der DDR enteignet worden. In der Folgezeit wurden mehrere umfangreiche bauliche Maßnahmen durchgeführt und zwar im Jahr 1987 die Reparatur des Daches mit einem Kostenaufwand von 60 201,48 M sowie in den Jahren 1989/90 bauliche Maßnahmen in den einzelnen Wohnungseinheiten mit einem Kostenumfang von 471 202,56 M sowie Fassadenarbeiten mit einem Kostenvolumen von 108 556,56 DM.
Mit Bescheid vom 10. Januar 1996 übertrug die Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 VermG antragsgemäß die jeweils hälftigen Miteigentumsanteile an dem Grundstück auf den Kläger und Herrn Dieter A. Ferner setzte sie unter Ziffer 4 einen Wertausgleichsbetrag in Höhe von 61 566,28 DM zugunsten des Entschädigungsfonds – bezogen auf beide Berechtigte – fest. Gegen die Anordnung des Wertausgleichs legte der Kläger im Juni 1996 Widerspruch ein, u.a. weil nicht erkennbar sei, welche Leistungen im Einzelnen in den angesetzten Baumaßnahmen für die Wohneinheiten enthalten seien. Mit Änderungsbescheid vom 16. Juli 1997 hob die Beklagte „aufgrund nachträglich eingegangener Unterlagen” die Wertausgleichsfestsetzung in Ziffer 4 des Bescheides vom 10. Januar 1996 auf und setzte den Wertausgleich nunmehr auf 104 581,36 DM fest; ferner bestimmte sie, dass der Kläger davon die Hälfte zu leisten habe (= 52 290,68 DM). Zur Begründung führte die Beklagte aus: Insgesamt seien drei Baumaßnahmen zu beurteilen. Die Kosten der Dachreparatur des Jahres 1987 über 60 201,48 M seien zutreffend wegen des Freibetrages von 70 000 M insgesamt ausgleichsfrei. Für die zweite und dritte Maßnahme bezüglich der Wohnungen und der Fassade sei hingegen richtigerweise folgender Wertausgleich zu leisten: Nach Abzug des Freibetrages seien bezüglich der Wohnungen (471 202,56 M – 70 000 M =) 401 202,56 M abzüglich 64 % und damit 144 432,93 M, mithin 72 216,47 DM auszugleichen; von den Fassadenkosten in Höhe von 108 556,56 DM verblieben nach Abzug des in DM umgerechneten Freibetrages (= 35 000 DM) noch 73 556,56 DM, die um 56 % zu vermindern seien und daher einen Ausgleichsbetrag von 32 364,89 DM ergäben. Addiert machten beide Endbeträge einen Gesamtwertausgleich in Höhe von 104 581,36 DM aus, von dem die Hälfte auf den Kläger entfalle.
Der Kläger zahlte den von ihm geforderten Betrag unter Vorbehalt und erhob gegen die Wertfestsetzung mit Schreiben vom 25. Juli 1997 ohne nähere Begründung Widerspruch. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt wies mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 1998 – ohne vorherige Anhörung des Klägers – den Widerspruch gegen die Wertausgleichsfestsetzung in dem Änderungsbescheid zurück, änderte zugleich den Zahlungsbetrag zulasten des Klägers und setzte den Wertausgleich für ihn auf 56 233,94 DM fest. Zur Begründung führte die Widerspruchsbehörde aus: Der Freibetrag beziehe sich nur auf die Wohnungseinheiten und nicht auf die einzelnen Maßnahmen, so dass bei mehreren Maßnahmen in einem Kalenderjahr nur einmal der Freibetrag von 10 000 M pro Wohnungseinheit zu berücksichtigen sei. Erstrecke sich die Durchführung einer einheitlichen Maßnahme über mehrere Jahre, sei der Freibetrag einmalig im Jahr der Beendigung der Maßnahmen in Ansatz zu bringen. Für die Baumaßnahmen der Jahre 1989 und 1990 sei eine solche einheitliche Betrachtungsweise anzulegen. Bei dem jährlichen Abschlag von 8 % vom Restbetrag seien das Jahr der Durchführung und das Jahr der Rückübertragung durch die Ausgangsbehörde – wenn die Restitutionsentscheidung als solche nicht angefochten worden sei – zu berücksichtigen. Danach ergebe sich folgende Berechnung: Die Kosten der Dachreparatur des Jahres 1987 seien vollständig von dem Freibetrag abgedeckt. Von den zusammenzufassenden Kosten für die Wohnungen und die Fassade in Höhe von insgesamt 581 217,62 M sei einmalig der Freibetrag in Höhe von 70 000 M abzusetzen und vom verbleibenden Rest in Höhe von 511 217,62 M Abschreibungen von 7 × 8 % (= minus 286 281,86 M) für die Jahre 1990 bis 1996 abzusetzen, der Rest von 224 935,76 M auf DM umzurechnen und der daraus resultierende gesamte Wertausgleich in Höhe von 112 467,88 DM zur Hälfte (= 56 233,94 DM) dem Kläger aufzuerlegen. Die Verböserung zulasten des Widerspruchsführers sei im Hinblick auf die Selbstkontrollfunktion des Vorverfahrens zulässig, weil der entscheidende Widerspruchsausschuss einen der Fachaufsichtsbehörde angegliederten Spruchkörper darstelle und der Widerspruchsbehörde die ursprüngliche Entscheidungskompetenz der Ausgangsbehörde zukomme. Vertrauensschutz des Klägers bestehe nicht; Ermessen sei nicht eröffnet.
Mit der gegen die Wertausgleichsfestsetzung insgesamt gerichteten Klage hat der Kläger geltend gemacht: Er könne weder die Rechnungen im Einzelnen inhaltlich überprüfen noch nachprüfen, ob die damaligen Arbeiten erforderlich gewesen und welche Arbeiten tatsächlich durchgeführt worden seien. Er sei nicht bereit, Geld für Arbeiten zu zahlen, die objektiv nicht in seinem Interesse gewesen seien und zum Teil sogar zur Verschlechterung des baulichen Zustandes geführt hätten. Aufgrund konkreter Umstände müsse davon ausgegangen werden, dass in die bei ihm angesetzten Rechnungen auch die am Nachbarhaus angefallenen Kosten eingeflossen seien. In diesen Rechnungen seien Posten u.a. für Baumfällarbeiten enthalten, obwohl auf seinem Grundstück niemals Bäume gestanden hätten. Außerdem dürften die Baumaßnahmen der Jahre 1989 und 1990 nicht als einheitliche Maßnahme mit der Folge des nur einmaligen Abzuges des Freibetrages angesehen werden.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 6. Dezember 2000 stattgegeben und die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als dem Kläger ein Wertausgleichsbetrag auferlegt worden ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe den Wertausgleich falsch berechnet. Eine eindeutige Berechnungsmethode lasse sich dem § 7 Abs. 1 VermG allerdings nicht entnehmen. Die Kammer gehe von dessen Wortlaut aus, weil der Norm ein systematischer Bezug fehle, den Gesetzesmaterialien keine Begründung zu entnehmen sei und Sinn und Zweck der Regelung „im Dunkeln” blieben. Nach dem maßgeblichen Wortlaut der Norm bezögen sich die Worte „im Durchschnitt” auf das Kalenderjahr und der genannte Betrag von 10 000 M auf die Wohneinheit. Danach seien die während der Nutzungsdauer insgesamt aufgewandten Investitionskosten auf die Nutzungsjahre aufzuteilen. Da das Grundstück im Dezember 1984 enteignet und seitdem bis zum Erlass des Rückübertragungsbescheides im Januar 1996 von dem Verfügungsberechtigten genutzt worden sei, müssten die – maximal in Betracht kommenden – Gesamtkosten in Höhe von 581 217,62 M für die Jahre 1989/90 durch 13 geteilt werden; da dieser Durchschnittswert unter dem Betrag von 70 000 M liege, sei danach kein Wertausgleich zu leisten. Die gegenteilige Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 1 VermG, die etwa in dem BMF-Erlass vom 4. September 1992 vertreten werde, werde dem Wortlaut nicht gerecht. Denn der Begriff des „Durchschnitts” könne nicht auf die Wohneinheit bezogen werden. Es seien auch keine Gründe dafür ersichtlich, einzelne größere Instandsetzungsmaßnahmen anders zu behandeln als mehrere kleine mit dem gleichen Gesamtaufwand.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt die Beklagte unter Hinweis auf den ihrer Ansicht nach zutreffenden Erlass vom 4. September 1992 die Verletzung materiellen Rechts.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 6. Dezember 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt tritt der Revision zur Seite.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht begründet (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht, weil die darin vertretene Berechnungsmethode des Wertausgleichs gegen § 7 Abs. 1 VermG verstößt. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO); denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Verböserung zulasten des Klägers im Widerspruchsbescheid als solche nicht beanstandet. Da zur Berechnung der rechtmäßigen Höhe des Wertausgleichsbetrages keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen worden sind, kann der Senat nicht selbst in der Sache entscheiden.
1. Die Methode des Verwaltungsgerichts zur Berechnung des Wertausgleichs verstößt gegen § 7 Abs. 1 VermG.
Seine Annahme, bei § 7 Abs. 1 Satz 1 VermG sei schon vor Abzug des Freibetrages durch die Verteilung der Gesamtkosten auf alle Jahre der Nutzung durch den Verfügungsberechtigten – also unter Einbeziehung auch der vor der Baumaßnahme liegenden Nutzungsjahre – ein Durchschnittswert zu ermitteln und ggf. nach Abzug des Freibetrages der Restbetrag danach um jährlich 8 % abzuschreiben, ist mit § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 3 VermG nicht zu vereinbaren. Diese entscheidungstragende Begründung des angefochtenen Urteils widerspricht der gesetzlichen Systematik des § 7 Abs. 1 VermG und dessen erkennbarem Zweck, ohne vom Wortlaut zwingend geboten zu sein.
a) § 7 Abs. 1 Satz 1 VermG erlegt dem Berechtigten die Pflicht auf, „die Kosten für vom Verfügungsberechtigten bis zum 2. Oktober 1990 durchgeführte Maßnahmen für eine Bebauung, Modernisierung oder Instandsetzung des Vermögenswertes zu ersetzen, soweit … diese Kosten im Kalenderjahr im Durchschnitt 10 000 M der Deutschen Demokratischen Republik je Einheit im Sinne des § 18 Abs. 2 Satz 3 überschritten haben”. Von dem danach ermittelten Betrag sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 VermG in einem zweiten Schritt „jährliche Abschläge von 8 vom Hundert bis zur Entscheidung über die Rückgabe vorzunehmen”. Das Ergebnis ist im Verhältnis 2 zu 1 in Deutsche Mark (§ 7 Abs. 1 Satz 4 VermG) umzurechnen und ergibt den zu ersetzenden Wertausgleich.
Dem Vermögensgesetz liegt damit erkennbar ein zweistufiges Berechnungssystem zugrunde. Zunächst sind die für den Wertausgleich berücksichtigungsfähigen Investitionen zu ermitteln, also zu prüfen, ob es sich um dem Vermögenswert des Berechtigten zuzuordnende, ausgleichsfähige Maßnahmen der Bebauung, Modernisierung oder Instandsetzung und nicht um bloße Instandhaltungsarbeiten handelt (vgl. zur Abgrenzung: BMF-Erlass vom 4. September 1992, Ziffer 2, abgedruckt bei Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Band 2, Anhang II.13 sowie BTDrucks 12/2695 Seite 8 f. und Anlage 2 der Durchführungsbestimmung vom 30. Juni 1972 ≪GBl DDR II, 499≫). Das danach festgestellte Gesamtkostenvolumen wird auf dieser ersten Stufe nur insoweit als für den Ausgleich maßgeblich erachtet, als es bei bebauten Grundstücken einen bestimmten Schwellenwert je Einheit im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 3 VermG, also je abgeschlossener Wohnungseinheit, überschritten hat. Mit der Feststellung des danach in das Rechenwerk einzustellenden, die Bagatellgrenze überschreitenden und damit berücksichtigungsfähigen Kostenbetrages ist die erste Stufe der Ermittlung der maßgeblichen Investitionskosten abgeschlossen. Konsequenter- weise sind deshalb in diesem Zusammenhang auch nur Maßnahmen bis zum 2. Oktober 1990 von Bedeutung. Auf der zweiten Stufe des § 7 Abs. 1 Satz 3 VermG hat der Gesetzgeber hingegen zugunsten des Berechtigten der nach Durchführung der Baumaßnahmen eingetretenen Abnutzung durch jährliche Abschreibungen von dem maßgeblichen, für das Objekt aufgewandten Kostenbetrag Rechnung getragen und in diesem Zusammenhang folgerichtig den Zeitraum bis zur Entscheidung über die Rückübertragung einbezogen.
Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht bereits auf der Stufe der Ermittlung des berücksichtigungsfähigen Kostenaufwandes durch die Aufteilung der Gesamtinvestitionskosten auf die Nutzungsdauer bis zur Rückübertragung einen abschreibungsähnlichen Effekt in die Ausgleichsberechnung eingeführt, der durch die zusätzliche Abschreibung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 VermG ein zweites Mal berücksichtigt wird. Im wirtschaftlichen Ergebnis wird der Werteverzehr durch Abnutzung damit in dem Rechenvorgang in systemwidriger Weise doppelt wirksam.
b) Dass die Formulierung „im Durchschnitt” entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht auf die Jahre der Nutzung bezogen ist und deshalb nicht die von ihm vorgenommene Mittelung der Kosten rechtfertigt, legt schon die Wortlautauslegung nahe. Denn das Gesetz spricht nicht von dem Durchschnitt der Nutzungsjahre, sondern stellt auf den Kostenbetrag von „im Kalenderjahr im Durchschnitt 10 000 Mark der DDR je Einheit …” ab und berücksichtigt nur Kosten bis zum 2. Oktober 1990. Die Nutzungsdauer wird damit erkennbar nicht angesprochen. Vielmehr bezieht sich der Durchschnittswert – wie schon die Stellung im Satzgefüge nahe legt – auf den genannten Betrag je Wohneinheit. Mit dieser Pauschalierung sollen die praktischen Schwierigkeiten der sonst erforderlichen konkreten Zuordnung einzelner Arbeiten zu bestimmten Wohnungseinheiten aus dem Weg geräumt werden. Dies wird bestätigt durch die sprachlich eindeutigere Wendung in § 7 Abs. 1 Satz 3 VermG („10 000 Mark der DDR im Durchschnitt je Einheit …”), die sich bei der Gesetzesnovellierung ursprünglich als Satz 2 der vom Verwaltungsgericht missverstandenen Formulierung unmittelbar anschließen sollte (vgl. Protokoll der 46. Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestages vom 24. Juni 1992, Seite 29 – modifizierte Bundesratsversion –).
c) Der Zweck der Regelung spricht ebenfalls gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts. Er besteht in dem Ziel, den durch Baumaßnahmen jenseits des nicht unbeträchtlichen Schwellenwertes von 10 000 Mark je Wohnungseinheit bewirkten Wertzuwachs abzuschöpfen. Dessen Verbleib bei dem Restitutionsberechtigten wäre durch den Wiedergutmachungszweck des Vermögensgesetzes nicht gedeckt (Urteil vom 18. Januar 1996 – BVerwG 7 C 45.94 – Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 17 S. 29 ≪36≫). Dem bereicherungsrechtlichen Charakter der Vorschrift entspricht es, dass auf der Ermittlungsstufe nur Kosten jenseits eines bestimmten Schwellenwertes – gleichsam als Kriterium für die Zufuhr objektiver Werte – Berücksichtigung finden und auf der zweiten Stufe dem Werteverzehr durch Abnutzung mit Hilfe von jährlichen Abschreibungen Rechnung getragen wird. Diesem durch das dargelegte Berechnungssystem gewährleisteten Zweck wird die im Ergebnis zu einer doppelten Abschreibung führende Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht gerecht. Denn sie hat zur Folge, dass ein Wertausgleich in nennenswertem Umfang und typischerweise nicht zu leisten wäre, die Vorschrift also weitgehend ins Leere ginge, obwohl die Abschreibungsregelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 VermG zum Ausdruck bringt, dass der Gesetzgeber bauliche Maßnahmen, die weniger als 12,5 Jahre – danach sind die Investitionen zu 100 % abgeschrieben – zurückliegen, als grundsätzlich ausgleichungswürdig ansieht. Nach der Berechnungsmethode des Verwaltungsgerichts wären nämlich selbst für DDR-Verhältnisse aufwändige Investitionen ausgleichsfrei. So würde nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts zum Beispiel ein Modernisierungsaufwand in Höhe von 700 000 Mark im Jahre 1985 bei sieben Wohnungseinheiten und einer Rückübertragung im Jahre 1995 den Schwellenwert des § 7 Abs. 1 Satz 1 VermG nicht überschreiten, also keinerlei Verpflichtung zum Wertausgleich begründen; bei einem Investitionsvolumen von 770 000 Mark und im Übrigen gleich bleibenden Annahmen würde ein Betrag von (77 000 – 70 000 =) 7 000 M mit jährlich 8 % abgeschrieben werden, was bei insoweit 11 berücksichtigungsfähigen Jahren (= – 88 %) einen Ausgleichsbetrag von 840 M, also 420 DM ergäbe. Da noch höhere Gesamtinvestitionskosten zu DDR-Zeiten außergewöhnlich und die daraus resultierenden „Ausgleichsbeträge” – wie gezeigt – selbst dann völlig unerheblich wären, ließe die Auffassung des Verwaltungsgerichts einen Wertausgleich in den typischen Fällen regelmäßig entfallen. Sie wird damit weder der Lebenswirklichkeit der DDR noch dem erkennbaren Ziel des Gesetzes gerecht und findet deshalb zu Recht auch in der Kommentarliteratur keinen Rückhalt (vgl. Meyer-Seitz in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 7 Rn. 24; Wasmuth, RVI § 7 VermG Rn. 55, 58; Budde-Hermann in Kimme, VermG, § 7 Rn. 12; Kuhlmey/Wittmer in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 7 VermG Rn. 22).
d) Bei richtigem Verständnis des § 7 Abs. 1 VermG bezieht sich die geforderte Durchschnittsbildung somit auf den Schwellenwert von 10 000 Mark je Wohneinheit. Der diesen Betrag überschreitende Kostenanteil ist mit jährlich 8 % abzuschreiben. Ein danach verbleibender Restbetrag ist nach Umrechnung in DM auszugleichen. Dies entspricht der Berechnungsmethode, die dem Erlass des Bundesministers der Finanzen vom 4. September 1992 (a.a.O.) zutreffender Weise zugrunde liegt. Die Bezugnahme des Gesetzes auf das „Kalenderjahr” hat nach Ansicht des Senats erstens Bedeutung für die Frage, wie bei Modernisierungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen zu verfahren ist, die sich über mehr als ein Jahr erstrecken, und wirkt sich zweitens auf die Beantwortung der Frage aus, wie zu verfahren ist, wenn in einem Kalenderjahr mehrere getrennte Maßnahmen bzw. in mehreren Jahren wiederholt eine bestimmte Modernisierungs- oder Instandsetzungsmaßnahme durchgeführt werden. Durch die Formulierung, es seien die den Schwellenwert überschreitenden Kosten für bestimmte Maßnahmen „im Kalenderjahr” zu berücksichtigen und der Abschreibung zuzuführen, bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass bei wiederholt durchgeführten Maßnahmen der Schwellenwert in jedem von Bauarbeiten betroffenen Kalenderjahr – also mehrfach – in Abzug gebracht werden muss (ebenso BMF-Erlass, Ziffer 3 und 9 Buchst. c, a.a.O.). Die Hervorhebung des Kalenderjahres hat ferner zur Folge, dass bei mehreren separaten Maßnahmen innerhalb eines Kalenderjahres – also zum Beispiel Modernisierungsmaßnahmen an Wohnungen und Instandsetzungsmaßnahmen am Gebäude – der Freibetrag insgesamt nur einmal angerechnet wird (ebenso: BMF-Erlass Ziffer 9 Buchst. a, a.a.O.; Kuhlmey/Wittmer, a.a.O., § 7 Rn. 22; Wasmuth, a.a.O., § 7 Rn. 58). Dem entspricht es, bei Modernisierungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen, die mehr als ein Jahr in Anspruch nahmen, „im Kalenderjahr” – d.h. in jedem Jahr mit Bauarbeiten in nicht völlig unerheblichem Umfang – den Schwellenwert als Freibetrag abzuziehen (a.A.: Meyer-Seitz, a.a.O., § 7 Rn. 24; Kuhlmey/Wittmer, a.a.O., § 7 Rn. 22; Wasmuth, a.a.O., § 7 Rn. 58). Dass der Schwellenwert eine Bagatell- oder Erheblichkeitsgrenze kennzeichnen soll, steht dieser Betrachtung nicht entgegen. Zwar ist eine einheitliche Maßnahme, die sich über mehr als ein Jahr erstreckt, schon dann als erheblich anzusehen, wenn sie insgesamt den Schwellenwert von 10 000 Mark je Einheit überschreitet; andererseits macht es nach der auf das Kalenderjahr der Bauarbeiten abstellenden Konzeption des Gesetzes auch Sinn, die Erheblichkeit mit Blick auf jedes Kalenderjahr der Bauarbeiten gesondert zu prüfen und zugunsten des Berechtigten gegebenenfalls den Schwellenwert mehrfach abzusetzen. Dieses am Wortlaut orientierte Verständnis der Vorschrift hat überdies den Vorzug, dass es auf die gegebenenfalls schwierige tatsächliche Frage, ob Instandsetzungsmaßnahmen, die in zwei aufeinander folgenden Jahren stattgefunden haben, eine einheitliche oder jeweils getrennte Maßnahmen darstellen, insoweit nicht ankommt.
2. Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht bereits deshalb (zumindest teilweise) rechtswidrig – und das angefochtene Urteil dementsprechend insoweit nicht zumindest im Ergebnis richtig – weil die im Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 1998 vorgenommene reformatio in peius unzulässig wäre.
a) Deren Zulässigkeit ergibt sich allerdings nicht bereits aus der Verwaltungsgerichtsordnung; vielmehr ist nach Maßgabe des jeweils anzuwendenden materiellen Bundes- oder Landesrechts zu entscheiden, ob eine Verböserung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zulässig ist (vgl. Urteil vom 29. August 1986 – BVerwG 7 C 51.84 – Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 83, Beschluss vom 17. Juni 1996 – BVerwG 1 B 100.96 – Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 64; vgl. bereits Urteil vom 23. Mai 1962 – BVerwG 5 C 73.61 – BVerwGE 14, 175 = Buchholz 310 § 73 VwGO Nr. 1 sowie den Überblick bei Pietzner-Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im öffentlichen Recht, 10. Aufl., § 40 m.w.N.). Das hier einschlägige und insoweit maßgebliche Vermögensgesetz steht der Verböserung eines Wertausgleichsbetrages zulasten des Widerspruchsführers nicht entgegen. Ermessen ist hierbei nicht eröffnet; die Befugnisse der Widerspruchsbehörde sind gegenüber denjenigen der Ausgangsbehörde nicht eingeschränkt. Die Selbstkontrollfunktion des Vorverfahrens und das im vermögensrechtlichen Verfahren insgesamt erkennbare Beschleunigungsinteresse rechtfertigen eine dem Gesetz entsprechende Verschärfung der Ausgangsentscheidung durch die Widerspruchsbehörde selbst. Das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht den Widerspruchsbescheid insoweit nicht beanstandet.
Den Verfahrensregelungen des Vermögensgesetzes in §§ 30 ff. lässt sich Gegenteiliges nicht entnehmen; vielmehr sind sie in ihrer Ausgestaltung darauf angelegt, die inhaltliche Richtigkeit der getroffenen Entscheidung durch Anhörungspflichten und Verfahrensbeteiligungen zu gewährleisten. Der inhaltlichen Richtigkeit der vermögensrechtlichen Entscheidung dient auch die Befugnis der Widerspruchsbehörde, einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zulasten des Widerspruchsführers zu ändern. § 36 Abs. 2 VermG schließt die reformatio in peius ebenfalls nicht aus. Dort ist vorgesehen, dass ein Dritter, der durch die Aufhebung oder Änderung der Ausgangsentscheidung beschwert würde, vor Abhilfe oder Erlass des Widerspruchsbescheides zu hören ist. Damit ist jedoch kein Verbot der Verböserung zulasten des – dort nicht gesondert erwähnten – Widerspruchsführers ausgesprochen; vielmehr hat der Senat mit Beschluss vom 19. Mai 1999 – BVerwG 8 B 61.99 – (Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 4) diese Regelung umgekehrt so verstanden, dass mangels abschließenden Charakters neben ihr die Anhörungspflicht des § 71 VwGO bei einer beabsichtigten Verböserung eingreife und dann die Anhörung des Widerspruchsführers geboten sei. Der Sache nach ist der Senat damit bereits in diesem Beschluss von der Zulässigkeit der reformatio in peius im Vermögensrecht ausgegangen.
b) Zur (teilweisen) Aufhebung der angefochtenen Bescheide führt auch nicht der Umstand, dass die Widerspruchsbehörde vor Erlass des verbösernden Widerspruchsbescheides den Kläger nicht angehört hat. Zwar wäre sie dazu von Gesetzes wegen gemäß § 71 VwGO verpflichtet gewesen (vgl. Beschluss vom 19. Mai 1999 – BVerwG 8 B 61.99 – a.a.O.). Dieser Verfahrensfehler rechtfertigt als solcher jedoch die Aufhebung des Widerspruchsbescheides nicht (vgl. §§ 46 und 45 Abs. 2 VwVfG).
c) Die Klage ist auch zutreffend gegen die Ausgangsbehörde gerichtet. Ficht nämlich der Kläger – wie hier – den Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, in vollem Umfang an, beschränkt er sich also nicht auf die Verböserung als solche, bleibt die Ausgangsbehörde der richtige Beklagte (vgl. Urteil vom 29. August 1986 – BVerwG 7 C 51.84 – a.a.O.). Anders wäre die Rechtslage nur dann, wenn der verbösernde Widerspruchsbescheid von Beginn des Verwaltungsrechtsstreites an alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage gewesen wäre.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das Verwaltungsgericht hat von seinem Standpunkt aus konsequenterweise keine Feststellungen getroffen, die es dem Senat erlauben würden, den richtigen Wertausgleichsbetrag selbst zu errechnen. Der Kläger hat die Rechnungen im Einzelnen bestritten, insbesondere die Zuordnung verschiedener in Rechnung gestellter Arbeiten zu dem ihm gehörenden Vermögenswert (u.a. Baumfällarbeiten) in Zweifel gezogen. Aus diesen Gründen ist die Zurückverweisung unumgänglich. Das Verwaltungsgericht wird unter Berücksichtigung der dargelegten rechtlichen Kriterien (s.o. zu II.1) prüfen müssen, ob es sich – woran allerdings nach der Art der Rechnungen keine Zweifel bestehen dürften – bei den in den Jahren 1989/90 durchgeführten Arbeiten um Modernisierungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen und nicht um bloße Instandhaltungsarbeiten handelte (vgl. zur Abgrenzung: BMF-Erlass vom 4. September 1992, a.a.O., Ziff. 2). Der Feststellung durch das Tatsachengericht bedarf ggf. auch, ob diese Baumaßnahmen ein einheitliches Vorhaben oder zwei getrennt zu beurteilende Projekte darstellten. Zwar darf pro Kalenderjahr in beiden Fällen nur insgesamt einmal der Freibetrag abgezogen werden (s.o. zu II.1), so dass insoweit die Abgrenzung hier entbehrlich wäre; andererseits richtet sich die Abschreibung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 VermG nach der Beendigung der jeweiligen Maßnahme, kann also bei getrennten Maßnahmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen. Ferner wird das Verwaltungsgericht dem Einwand des Klägers nachgehen müssen, bestimmte Rechnungskosten seien nicht seinem Haus zuzuordnen. Hingegen ist es unerheblich, ob die in Ansatz gebrachten baulichen Maßnahmen zu einer objektiven Wertsteigerung geführt haben. § 7 Abs. 1 VermG macht den Wertausgleich nicht von einer objektiven Werterhöhung abhängig, sondern lässt für den Wertausgleich allein den Nachweis der Durchführung bestimmter Instandsetzungsarbeiten genügen. Dies ergibt sich aus dem Vergleich mit § 7 Abs. 2 VermG, der – anders als Abs. 1 – für die dort geregelten Sachverhalte auf den „objektiven Wert” zum Zeitpunkt der Rückübertragungsentscheidung abstellt. Hat das Verwaltungsgericht auf diese Weise den Betrag der maßgeblichen Gesamtinvestitionen ermittelt, so ist im nächsten Schritt für jedes Kalenderjahr, in dem abgerechnete Baumaßnahmen in einem nicht völlig unerheblichen Umfang stattgefunden haben, der „Freibetrag” gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 VermG – hier also je 7 × 10 000 M – abzuziehen und der Restbetrag gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 VermG um jährlich 8 % abzuschreiben. Dabei ist aus Praktikabilitätsgründen das Jahr der Beendigung der Baumaßnahmen und das Jahr der Rückübertragung jeweils zugunsten des Berechtigten voll anzusetzen (vgl. BMF-Erlass vom 4. September 1992, a.a.O., Ziff. 3).
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Sailer, Golze, Postier
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.11.2001 durch Jesert Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 671941 |
BVerwGE, 259 |
ZAP 2002, 617 |