Entscheidungsstichwort (Thema)
DDR-Recht, Revisibilität übergeleiteten bzw. ausgelaufenen DDR-Rechts. Feststellung der Unwirksamkeit eines Erwerbs im Vermögenszuordnungsrecht. Feststellung der Unwirksamkeit im Vermögenszuordnungsrecht. Feststellung der Unwirksamkeit eines Erwerbsgeschäfts. “hängendes” Grundstückserwerbsgeschäft. “schwebendes” Grundstückserwerbsgeschäft. Grundstücksverkehrsgenehmigung nach dem Recht der DDR bzw. der Bundesrepublik. Genehmigung eines Grundstücksgeschäfts im Beitrittsgebiet. Genehmigung von Grundstückserwerbsgeschäften im Beitrittsgebiet. schwebende Unwirksamkeit eines Geschäfts wegen fehlender Genehmigung. Genehmigungsfähigkeit eines Geschäfts
Leitsatz (amtlich)
Ein “hängendes” (schwebendes) Grundstückserwerbsgeschäft im Sinne des Art. 233 § 7 Abs. 1 EGBGB darf nicht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 VZOG als unwirksam bewertet werden, solange eine sowohl nach der DDR-GVVO als auch nach der GVO erforderliche Grundstücksverkehrsgenehmigung nicht endgültig versagt worden ist und noch in rechtlich zulässiger Weise erteilt werden kann, sofern dem Geschäft im Übrigen kein Unwirksamkeitsgrund (Nichtigkeitsgrund) anhaftet.
Normenkette
EGBGB Art. 233 § 7 Abs. 1; GVO (1993) § 1 Abs. 2; GVVO (1977) § 3 Abs. 4; 2. DVO/TreuhG; VwGO § 137 Abs. 1; VZOG § 2 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 20.03.2002; Aktenzeichen 1 A 164.98) |
Tenor
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten, die diese selbst trägt.
Tatbestand
I.
Die Kläger wenden sich gegen die von der Zuordnungsbehörde getroffene Feststellung, ein von ihnen vor dem Beitritt der DDR abgeschlossener notarieller Grundstückskaufvertrag, der nicht mehr zu einer Eintragung im Grundbuch geführt hat (“hängender Grundstücksvertrag”), sei unwirksam.
Das streitgegenständliche Grundstück ist mit einem Wohngebäude bebaut, das die Kläger sowie eine andere Familie zur Miete bewohnten. Rechtsträger des im Eigentum des Volkes stehenden Grundstücks war das Ministerium für Nationale Verteidigung (MfNV) bzw. für Abrüstung und Verteidigung (MfAV). Die Kläger wurden im März 1990 seitens des Ministeriums darauf aufmerksam gemacht, dass sie zusammen mit den anderen Mietern das Grundstück mit Gebäude kaufen könnten. Nachdem sich die anderen Mieter an einem Erwerb nicht interessiert gezeigt hatten, schlossen die Kläger mit dem MfAV vor dem Staatlichen Notariat am 16. Juni 1990 einen Grundstückskaufvertrag ab. Dabei trat auf Seiten des Rechtsträgers ein Herr S.… auf, der laut Vertragsurkunde in “Vollmacht des Herrn Oberst H.…,vom 12. April 1990, die vorgelegen hat und den gesetzlichen Vorschriften entspricht”, handelte. Der am 20. Juni 1990 beim Grundbuchamt eingegangene Eintragungsantrag ist bis zum Beitritt der DDR nicht beschieden worden.
Die Zuordnungsbehörde stellte mit Bescheid vom 10. März 1998 fest, dass der eingeleitete Erwerb der Kläger unwirksam sei, weil das Ministerium bei Vertragsabschluss nicht rechtswirksam vertreten gewesen sei.
Der hiergegen gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben mit der Begründung, die von der Beklagten und der Beigeladenen geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe griffen nicht durch.
Zum einen liege kein Vertretungsmangel vor. Das Ministerium habe zu DDR-Zeiten so vertreten werden dürfen, wie es im Streitfall gehandhabt worden sei. Dies folge insbesondere aus einem Befehl des MfNV vom 29. März 1990, demzufolge der im Streitfall aufgetretene Herr S.… zulässigerweise durch den benannten Oberst unterbevollmächtigt worden sei.
Die Unwirksamkeit folge auch nicht aus dem Fehlen einer Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsverordnung der DDR – GVVO –. Der Kaufvertrag sei in Ermangelung dieser Genehmigung allenfalls schwebend unwirksam, was einer Unwirksamkeitsfeststellung entgegenstehe.
Der Kaufvertrag habe auch nicht gegen ein Verbot verstoßen, Zweifamilienhäuser an nur eine von mehreren Mietparteien zu veräußern. Schließlich habe der vereinbarte Kaufpreis einem Preisvorbescheid des Rats der Stadt P.… entsprochen, so dass der Kaufvertrag auch nicht gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB nichtig gewesen sei.
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision zielt auf Klageabweisung und macht im Wesentlichen folgende Unwirksamkeitsgründe geltend:
Das Verwaltungsgericht habe hinsichtlich der Vertretungsbefugnis übersehen, dass der von ihm herangezogene Befehl nur zur Veräußerung an die derzeitigen Mieter bzw. an Bürger mit gültiger Wohnraumzuweisung ermächtigt habe. Dieses Erfordernis erfüllten die Kläger im Hinblick auf die zweite Wohnung nicht.
Was die Genehmigung nach der DDR-GVVO anlange, so fehle es bereits an einem rechtzeitigen Genehmigungsantrag. Selbst wenn man von einer schwebenden Unwirksamkeit zum Beitrittszeitpunkt ausgehe, hätten der Wegfall des Genehmigungserfordernisses und die damit verbundene Unmöglichkeit, die Genehmigung nachzuholen, endgültig zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts geführt.
Nach den Vorschriften des Verkaufsgesetzes (1990) sei die Veräußerung eines Zweifamilienhauses sowie des dazugehörigen Grundstücks an nur eine von mehreren Mietparteien unzulässig gewesen, weil der Verkauf zwingend mit der persönlichen Nutzung des Gebäudes verbunden gewesen sei. Deshalb hätten volkseigene Zweifamilienhäuser nur gemeinschaftlich an alle Mietparteien oder nur mit Hilfe eines gesonderten Eigentumsanteils an eine Mietpartei veräußert werden dürfen.
Schließlich hätten die Kläger wissen können bzw. müssen, dass mit der Veräußerung des Zweifamilienhauses an sie gegen Rechtsvorschriften der DDR verstoßen worden sei. Dies habe zur Folge, dass auf den Erwerb der Vorwurf der unlauteren Machenschaften zutreffe, welcher ebenfalls eine Unwirksamkeitsfeststellung rechtfertige.
Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil. Die Beklagte hat von einer Revision und einer Antragstellung abgesehen, hält aber die Revision für begründet. Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die behördliche Feststellung, der Kaufvertrag vom 16. Juni 1990 sei unwirksam, rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zunächst angenommen, die Zuordnungsbehörde habe über die Wirksamkeit des Vertrages nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Satz 4 VZOG entscheiden dürfen. Diese Vorschrift ermöglicht nämlich u.a. die Feststellung der Unwirksamkeit eines vor dem Beitritt der DDR durch notariellen Kaufvertrag eingeleiteten, aber nicht mehr vollendeten Grundstückserwerbs (vgl. Urteil vom 16. März 2000 – BVerwG 3 C 15.99 – Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 31 S. 5). Dabei hat die Behörde auch darüber zu befinden, ob eine Vermögenszuordnung wegen eines zu DDR-Zeiten eingeleiteten und grundsätzlich vollendungsfähigen Erwerbs mit dessen Vollendung gegenstandslos geworden ist oder zu werden droht (vgl. Urteil vom 17. Juni 1999 – BVerwG 3 C 38.98 – BVerwGE 109, 134 ≪137≫ = Buchholz 428.2 § 2 VZOG Nr. 10 S. 3).
Wegen der Konnexität mit der Vollendungsfähigkeit darf die behördliche Unwirksamkeitsfeststellung erst erfolgen, wenn das fragliche Rechtsgeschäft sich endgültig als unwirksam (nichtig) erweist. Wie noch darzulegen ist, fehlt es an dieser Voraussetzung im vorliegenden Fall, denn der der angefochtenen behördlichen Feststellung allein anhaftende Mangel der fehlenden Grundstücksverkehrsgenehmigung kann noch behoben werden.
Ist – wie im vorliegenden Fall – der Antrag auf Eintragung in das Grundbuch vor dem Wirksamwerden des Beitritts gestellt worden, so richtet sich die Übertragung von Grundstückseigentum nach den am 2. Oktober 1990 geltenden DDR-Rechtsvorschriften (Art. 233 § 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Gegen die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Überzeugung des Verwaltungsgerichts, diese Vorschriften hätten der Wirksamkeit des Kaufvertrages vom 16. Juni 1990 nicht entgegengestanden, ist revisionsgerichtlich nichts zu erinnern.
2.1 Was die von der Revision angeführten Unwirksamkeitsgründe “fehlende Vertretungsbefugnis” (a), “Veräußerungsverbot bzgl. Zweifamilienhäusern” (b), “Verstoß gegen Wohnraumlenkungsvorschriften” (c) sowie “Verstoß gegen Grundsätze der sozialistischen Moral” (d) angeht, so entziehen diese sich der revisionsgerichtlichen Überprüfung. Sie betreffen nämlich nicht die Anwendung und Auslegung von Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO, sondern von ausgelaufenem DDR-Recht. Dessen Auslegung ist grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehalten (vgl. Urteil vom 9. März 1999 – BVerwG 3 C 21.98 – Buchholz 115 Sonst. Wiedervereinigungsrecht Nr. 21 S. 10 m.w.N.). Soweit daher das Verwaltungsgericht die Unwirksamkeit des Kaufvertrages verneint hat unter Berufung auf DDR-Recht, das nicht durch Art. 9 EV zum fortgeltenden Bundesrecht bestimmt worden ist, ist der Senat hieran gebunden.
- Mit seinen Ausführungen zur ordnungsgemäßen Vertretung des Ministeriums für Nationale Verteidigung bei dem in Rede stehenden Grundstückskaufvertrag bewegt sich das angefochtene Urteil ausschließlich auf dem Boden des ausgelaufenen DDR-Rechts. In dessen Anwendung hat das Verwaltungsgericht angenommen, der Verkauf von Gebäuden und Grundstücken sei durch den Befehl Nr. 44/90 zulässigerweise Leitern von Unterkunftsabteilungen überantwortet worden. Damit sei der in der Vollmacht genannte Oberst H.…,zur Erteilung einer Untervollmacht an den Leiter der Arbeitsgruppe, Herrn S.…, befugt gewesen. Fragen des revisiblen Bundesrechts sind damit nicht angesprochen.
- Nichts anderes gilt für die Behauptung der Unwirksamkeit des Geschäfts wegen Veräußerung an nur eine Mietpartei (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB). Auch insoweit hat das Verwaltungsgericht in Anwendung und Auslegung ausgelaufenen DDR-Rechts angenommen, es sei keine Vorschrift ersichtlich, wonach der Verkauf eines Zweifamilienhauses nur an beide Mietparteien erlaubt gewesen sei. Überdies seien die Rechte der anderen Mieter durch eine Bestimmung des DDR-Rechts geschützt gewesen, wonach der Verkauf volkseigener Gebäude die Rechte der darin wohnenden Mieter nicht berühre. Auch mit diesen Darlegungen verbinden sich keine Fragen des revisiblen Bundesrechts. Im Übrigen deckt sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts mit derjenigen des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 17. Mai 2002 – V ZR 193/01 – ZOV 2002, 227 f.). Danach war es nach der durchgängigen DDR-Praxis gerade nicht erforderlich, dass der Erwerber beide Wohnungen zu eigenen Wohnzwecken nutzte; zulässig sei beispielsweise auch der Erwerb zum Zweck der Vermietung der weiteren Einheit gewesen.
- Fehl geht deshalb auch der ergänzende Vorwurf der Revision, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den Wohnraumlenkungsvorschriften nicht die gebührende Beachtung geschenkt. Auch insoweit bewegen sich die Darlegungen des Verwaltungsgerichts innerhalb der Schranken des irrevisiblen DDR-Rechts.
- Schließlich scheitert auch der Vorwurf der Revision, das Verwaltungsgericht hätte prüfen und bewerten müssen, ob und inwieweit der Erwerb der Kläger gegen Grundsätze der sozialistischen Moral verstoßen habe, an der Zuständigkeit des Tatsachengerichts zur Auslegung des früheren DDR-Rechts. Allerdings trifft es zu, dass auch solche Erwerbstatbestände nach § 2 Abs. 1 Satz 4 VZOG als unwirksam bewertet werden können, die auf “unlauteren Machenschaften” beruhten oder sich als solche darstellten (vgl. Urteil vom 19. November 1998 – BVerwG 3 C 35.97 – Buchholz 428.2 § 2 VZOG Nr. 9 S. 27 m.w.N.). Soweit eine solche Bewertung aber – wie hier – nach Maßgabe ausgelaufenen DDR-Rechts vorzunehmen war, ist sie gleichfalls grundsätzlich vom Revisionsgericht nicht überprüfbar. Im Übrigen rechtfertigen die festgestellten Tatsachen auch nicht ansatzweise die Annahme, die Kläger hätten das Grundstück auf anstößige Weise erworben.
2.2 Der Grundstückserwerb ist auch nicht wegen des Wegfalls der Verfügungsbefugnis des MfAV infolge des In-Kraft-Tretens der 2. DVO/TreuhG am 30. August 1990 (also nach Vertragsschluss und Stellung des Eintragungsantrags) unwirksam geworden. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass ein wegen noch fehlender Grundbucheintragung “schwebender” Grundstückskaufvertrag gleichwohl nach Maßgabe von Art. 233 § 7 Abs. 1 EGBGB vollendungsfähig sein kann (vgl. hierzu und zur Revisibilität der 2. DVO/TreuhG: Urteil vom 17. Juni 1999 – BVerwG 3 C 38.98 – a.a.O.). Der Senat hält nach erneuter Prüfung an seiner Auffassung fest, dass der normativ angeordnete Wechsel der Verfügungsbefugnis vom MfAV auf die Treuhandanstalt zuvor abgeschlossenen Grundstücksveräußerungsverträgen nicht gewissermaßen rückwirkend die rechtliche Grundlage entzieht.
2.3 Der Grundstückskaufvertrag vom 16. Juni 1990 ist auch nicht wegen Fehlens der normativ vorgeschriebenen Grundstücksverkehrsgenehmigung endgültig unwirksam. Da diese bisher nicht versagt worden ist, hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass der bereits zu DDR-Zeiten eingetretene Zustand der bloß schwebenden Unwirksamkeit des Geschäfts noch andauere, was eine Unwirksamkeitsfeststellung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 4 VZOG hindere.
Die Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken vom 15. Dezember 1977 (GBl 1978 I Nr. 5 S. 73), – GVVO – sah in ihrem § 2 für die hier in Rede stehenden Grundstücksgeschäfte eine staatliche Genehmigung vor. Das Genehmigungsverfahren diente ursprünglich der staatlichen Leitung und Kontrolle des Grundstücksverkehrs und war Ausdruck der sozialistischen Gesellschafts- und Eigentumspolitik (vgl. § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 GVVO). Der Einigungsvertrag (Anlage II, Kapitel III, Sachgebiet B, Abschnitt II Nr. 1, in Kraft getreten am 29. September 1990, vgl. BGBl II S. 1360) beließ diese Verordnung in Kraft, änderte sie jedoch in wesentlichen Punkten. Insbesondere wurden die Bestimmungen aufgehoben, welche die früheren Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung regelten. Das Genehmigungsverfahren als solches wurde beibehalten, damit – wie es in der Amtlichen Erläuterung (BTDrucks 11/7817) hierzu heißt – “die Verpflichtungen zur Rückgabe des Eigentums an frühere Eigentümer und die Aufhebung der staatlichen Verwaltung, wie sie sich aus der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen vom 15. Juni 1990 ergeben, gewährleistet werden können”. Am 2. Oktober 1990 als dem nach Art. 233 § 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB für die Eigentumsübertragung maßgeblichen Zeitpunkt verlangte somit das DDR-Recht die besagte Grundstücksverkehrsgenehmigung, wenngleich sich deren Zielrichtung vollständig geändert hatte. Da den Klägern die Genehmigung weder erteilt noch versagt worden ist, erweist sich der Kaufvertrag vom 16. Juni 1990 weder als voll wirksam noch als endgültig unwirksam.
Nicht zu folgen vermag der Senat der Ansicht von Wacke (Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., 1999, Band 11, Art. 233 § 7 EGBGB, S. 711 Anm. 6), wonach das Genehmigungserfordernis am 3. Oktober 1990 mit der Folge entfallen sei, dass das bisher schwebend unwirksame Rechtsgeschäft voll wirksam geworden sei. Das in der DDR 1977 eingeführte Genehmigungserfordernis ist zu keiner Zeit weggefallen, sondern gilt im Beitrittsgebiet auch heute noch. Die Grundstücksverkehrsverordnung der DDR ist nach ihrer Überführung in das Recht der Bundesrepublik zwar mehrfach geändert, außerdem neugefasst und durch Art. 4 Nr. 1 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257, 1266) in “Grundstücksverkehrsordnung (GVO)” umbenannt, jedoch nie aufgehoben worden. Nachdem die sozialistischen Genehmigungskriterien spätestens am 29. September 1990 durch solche des Alteigentümerschutzes abgelöst worden sind, vermag der Senat gerade auch in Hinblick auf den Normzweck nicht nachzuvollziehen, inwiefern der Beitritt der DDR einen Wegfall des Genehmigungserfordernisses habe bewirken sollen. § 2 Abs. 1 Satz 1 der geltenden Fassung besagt demgegenüber unmissverständlich, dass u.a. die Auflassung und der schuldrechtliche Vertrag hierüber einer Genehmigung bedürfen. Ohne Vorlage des Genehmigungsbescheids können die Kläger nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 GVO). Dies gilt unabhängig davon, ob der notarielle Vertrag vor oder nach dem Beitritt geschlossen worden ist.
Unschädlich ist es für die Kläger, dass sie den Antrag auf Genehmigung des Grundstückskaufvertrages – soweit ersichtlich – erst im Februar 1992 gestellt haben. Der erkennende Senat vermag den Regelungen über die Grundstücksverkehrsgenehmigung weder eine ausdrückliche Antragsbefristung noch auch nur einen Anhalt dafür zu entnehmen, dass eine bis zum Beitritt der DDR nicht vorgenommene Antragstellung verspätet wäre. Selbst der Eintragungsantrag kann noch nach dem 3. Oktober 1990 wirksam gestellt werden (vgl. Art. 233 § 7 Abs. 1 Satz 3 EGBGB). Entsprechendes hat daher auch in Hinblick auf genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte zu gelten.
Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist im Streitfall somit von einem unverändert genehmigungsfähigen und -bedürftigen Rechtsgeschäft auszugehen. Solange die Genehmigung nicht versagt ist, kann das bislang schwebend unwirksame Rechtsgeschäft noch volle Wirksamkeit erlangen (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 1994 – VIII ZR 41/94 – BGHZ 127, 368 ≪375≫ m.w.N.). Das verbietet es der Beklagten, den Kaufvertrag vom 16. Juni 1990 für unwirksam zu erklären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Umstand, dass die Beklagte nicht Revisionsführerin war, aber die Revision der Beigeladenen unterstützt hat, rechtfertigt zwar keine Kostenbelastung der Beklagten, wohl aber den Ausspruch, dass sie – und nicht die Beigeladene – ihre eigenen außergerichtlichen Kosten trägt.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Fundstellen
Haufe-Index 886244 |
BVerwGE 2003, 233 |
VIZ 2003, 233 |
NJ 2003, 218 |