Entscheidungsstichwort (Thema)
Fernsehveranstalter. Änderung der Beteiligungsverhältnisse. medienrechtliche Unbedenklichkeit. vorherrschende Meinungsmacht. Marktmacht. Fernsehmarkt. Geringfügigkeitsgrenze. Fensterprogramme. Bonus. Vorwegabzug
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit die Veränderung der Beteiligung an einem Fernsehveranstalter der Bestätigung medienrechtlicher Unbedenklichkeit bedarf, geht es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers um die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht auf dem Fernsehmarkt.
2. Eine starke Stellung auf dem Fernsehmarkt kann zwar durch eine ebenfalls starke Stellung des Anteilsinhabers auf medienrelevanten verwandten Märkten verstärkt werden. Je weiter der Schwellenwert von 25 vom Hundert Zuschaueranteil unterschritten wird, desto mehr entfernt sich die Rechtsanwendung aber von den Wertungen, die der Gesetzgeber in den Vermutungsregeln zum Ausdruck gebracht hat, und desto stärker gerät die Prüfung der Unbedenklichkeit zu einer allgemeinen, statt spezifisch fernsehbezogenen Medienkonzentrationskontrolle.
3. Bei einem Zuschaueranteil unter 20 vom Hundert wird die Stellung auf dem Fernsehmarkt nach den Wertungen des Gesetzgebers regelmäßig nur noch ein so geringes Gewicht haben, das es auch unter Berücksichtigung von Aktivitäten auf verwandten medienrelevanten Märkten nicht mehr zur Annahme einer vorherrschenden Meinungsmacht ausreicht.
Normenkette
RStV § 26
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 15.02.2012; Aktenzeichen 7 BV 11.285) |
VG München (Entscheidung vom 08.11.2007; Aktenzeichen M 17 K 06.2675) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Tatbestand
I
Die Klägerin, die Axel Springer AG, ist ein europaweit agierendes Medienunternehmen. Die Beigeladenen sind Tochtergesellschaften der ProSiebenSat.1 Media AG (P7S1) und als private Veranstalter von bundesweit verbreiteten Fernsehprogrammen von der beklagten Landesmedienanstalt zugelassen. Gemeinsam mit zwei weiteren Fernsehveranstaltern, der Sat.1 Satelliten Fernsehen GmbH und der ProSieben Television GmbH, die ebenfalls Tochtergesellschaften der P7S1 sind, meldeten die Klägerin und die Beigeladenen mit Schreiben vom 8. August 2005 bei der Beklagten eine geplante mittelbare Veränderung von Beteiligungsverhältnissen an und beantragten, deren rundfunkrechtliche Unbedenklichkeit zu bestätigen. Gegenstand der im Verlauf des Verfahrens mehrfach modifizierten Anmeldung war das Vorhaben der Klägerin, sämtliche von der ProSiebenSat.1 Media AG Holding L.P. gehaltenen Anteile an der P7S1 käuflich zu erwerben und für die im Streubesitz befindlichen stimmrechtslosen Vorzugsaktien ein öffentliches Übernahmeangebot abzugeben. Nach Vollzug der beabsichtigten Beteiligungsveränderung hätte die Klägerin über 100 vom Hundert des stimmberechtigten Stammkapitals der P7S1 verfügt und wäre zu knapp 71 vom Hundert an deren Gesamtkapital beteiligt gewesen.
Die Beklagte legte die Anmeldung der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) vor, die mit Beschluss vom 10. Januar 2006 feststellte, dass die geplante Beteiligungsveränderung angesichts der Stellung der Klägerin auf medienrelevanten verwandten Märkten, insbesondere ihrer starken Position im Pressebereich, eine vorherrschende Meinungsmacht begründen würde. Deshalb könne das Vorhaben nicht als unbedenklich bestätigt werden.
Mit Beschluss vom 19. Januar 2006 untersagte das Bundeskartellamt den von der Klägerin angestrebten Zusammenschluss mit der P7S1.
Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 7. März 2006 gegenüber der Beklagten, dass sie nach den negativen Bescheiden der KEK und des Bundeskartellamts angesichts der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen keine Möglichkeit gesehen habe, den Anteilserwerb wie geplant umzusetzen. Allerdings sei die Übernahme der P7S1 weiterhin ein strategisch richtiger und sinnvoller Schritt, der bei positiven rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch zukünftig vollzogen werden könnte.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2006 lehnte die Beklagte die Genehmigung der Fortsetzung der Anbietertätigkeit der Beigeladenen nach Erwerb der von der P7S1 gehaltenen Anteile durch die Klägerin ab. Zur Begründung führte die Beklagte unter anderem aus, dass sie zwar von einem grundsätzlich fortbestehenden Übernahmeinteresse der Klägerin ausgehe, dass jedoch auf der Grundlage der rechtlich bindenden Entscheidung der KEK die Genehmigung versagt werden müsse.
Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme der KEK mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2006 zurück.
Die Anteile an der P7S1, die die Klägerin ursprünglich erwerben wollte, wurden Ende 2006 von einem Drittunternehmen gekauft.
Das Verwaltungsgericht hat die gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten erhobene Klage mit Urteil vom 8. November 2007 abgewiesen.
Ihre Berufung hat die Klägerin unter Rücknahme der erstinstanzlich gestellten Verpflichtungsanträge auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids der Beklagten vom 15. Mai 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 4. Juli 2006 beschränkt. Mit Beschluss vom 7. Juli 2009 – 7 BV 08.254 – hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Klage mangels Feststellungsinteresses unzulässig sei.
Auf die Revision der Klägerin hat der Senat mit Urteil vom 24. November 2010 – BVerwG 6 C 16.09 – (BVerwGE 138, 186 = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 59) den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, weil die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung habe und deshalb zu prüfen sei, ob die medienrechtliche Unbedenklichkeit der geplanten Veränderung der Beteiligungsverhältnisse hätte bestätigt werden müssen oder eine solche Bestätigung ausgeschlossen sei, weil die Klägerin durch die Übernahme der Beteiligungen eine vorherrschende Meinungsmacht im Sinne des § 26 Abs. 1 RStV erlangt hätte. Der KEK komme ein Beurteilungsspielraum bei der Feststellung zu, ob eine vorherrschende Meinungsmacht eintrete. Ob die KEK die Grenzen des ihr eingeräumten Beurteilungsspielraums eingehalten oder überschritten habe, unterliege verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Die Verwaltungsgerichte hätten nachzuprüfen, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten habe, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen sei, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt habe und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemein gültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt habe. Zum richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs gehöre hier, dass § 26 Abs. 2 RStV zwar nicht zwingend erfordere, dass die dort genannten Schwellenwerte für den Zuschaueranteil erreicht würden, aber Regelbeispiele enthalte, die es nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe ermöglichten, eine vorherrschende Meinungsmacht auch dann anzunehmen, wenn die Schwellenwerte nicht ganz erreicht würden. Diese indizielle Bedeutung der Regelbeispiele könne im Rahmen einer Gesamtabwägung nur kompensiert werden, wenn sich der Einzelfall aufgrund individueller Besonderheiten vom Normalfall so deutlich abhebe, dass ein Festhalten an der regelmäßig vorgesehenen Rechtsfolge unangemessen erscheine. Nur wenn die vom Gesetzgeber vorgegebene Eingriffsschwelle im Lichte der Ziele des Gesetzes offensichtlich unangemessen sei, könne § 26 Abs. 1 RStV im Rahmen einer Gesamtabwägung auch bei Unterschreitung der Schwellenwerte Anwendung finden.
In dem daraufhin fortgesetzten Berufungsverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof durch das angefochtene Urteil festgestellt, dass die Versagung der Genehmigung der Fortsetzung der Anbietertätigkeit der Beigeladenen rechtswidrig war: Mit einem Gesamtzuschaueranteil der Programme von Sat.1, ProSieben, Kabel 1, N24 und 9Live von 22,06 vom Hundert in den letzten zwölf Monaten vor der Einleitung des Verfahrens werde der in § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV festgelegte Schwellenwert von 25 vom Hundert nicht nur geringfügig unterschritten. Außerdem hätte die KEK gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV für regionale Fensterprogramme und Sendezeiten für Dritte im Programm von Sat.1 nicht erst im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Medienaktivitäten des Unternehmens, sondern vorab einen Bonus durch Abzug vom tatsächlichen Zuschaueranteil gewähren müssen. Die Drittsendezeiten bei Sat.1 seien auch nach Auffassung der KEK grundsätzlich berücksichtigungsfähig und mit 3 vom Hundert zuschaueranteilsmindernd anzusetzen. Allerdings sei die Bonusregelung nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV kumulativ an den Bonus für Fensterprogramme gemäß § 25 Abs. 4 RStV gekoppelt mit der Folge, dass die Bonuspunkte für Drittsendezeit nur dann gewährt werden könnten, wenn das Unternehmen auch die Voraussetzungen der Bonuspunkte für die Fensterprogramme erfülle. Ob der Gesetzgeber eine solche Reihenfolge der Bonusregelungen tatsächlich habe verbindlich festlegen wollen, könne offenbleiben. Die zuvor von Sat.1 erfüllten Anforderungen an die Regionalfensterprogramme seien erst wenige Monate vor der Entscheidung der KEK verschärft worden. Die Anforderungen seien im Zeitpunkt der Beschlussfassung der KEK wohl auch nach deren Auffassung nur vorübergehend nicht erfüllt worden, was einer fehlenden Übergangsregelung geschuldet gewesen sei. Sat.1 habe die Anpassung an die erhöhten Anforderungen für Regionalfenster bereits auf den Weg gebracht und teilweise umgesetzt. Die KEK selbst habe sämtliche Regionalfenster im Programm von Sat.1 in späteren Entscheidungen ausdrücklich berücksichtigt. Unabhängig davon sei die Gesamtbeurteilung auch deshalb beurteilungsfehlerhaft gewesen, weil die KEK keine besonderen Umstände dargelegt habe, die bei einem (knappen) Unterschreiten eines Zuschaueranteils von 25 vom Hundert ausnahmsweise die Annahme vorherrschender Meinungsmacht gerechtfertigt hätten. Sowohl bei der von der KEK zur Darlegung eines atypischen Falles angenommenen marktbeherrschenden Stellung der Klägerin im Bereich der Straßenverkaufs- und Sonntagszeitungen und der sich hieraus ergebenden Wechselwirkung mit dem Einflusspotential privater Fernsehprogramme als auch bei den sonstigen Aktivitäten der Klägerin auf medienrelevanten verwandten Märkten handele es sich um Umstände, die der Gesetzgeber in § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV durch Regelbeispiele berücksichtigt habe. Schließlich erscheine die Gesamtabwägung beurteilungsfehlerhaft, weil die KEK die Aktivitäten der Klägerin auf medienrelevanten verwandten Märkten zwar in fiktive prozentuale Zuschaueranteile umgerechnet, diese aber nicht in Relation zu einer aus den tatsächlichen Zuschaueranteilen im Fernsehen und den sonstigen medienrelevanten verwandten Märkten zu bildenden Bezugsgröße gesetzt habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten.
Während des Revisionsverfahrens haben die Klägerin und die Funke Mediengruppe in einer gemeinsamen Presseinformation vom 25. Juli 2013 bekanntgegeben, dass die Klägerin ihre Beteiligungen an Regionalzeitungen sowie Programm- und Frauenzeitschriften an die Funke Mediengruppe veräußern wird. Ein entsprechender Vorvertrag sei abgeschlossen worden. Die Klägerin verfolge in ihrer strategischen Ausrichtung eine konsequente Digitalisierungsstrategie mit dem Ziel, das führende digitale Medienunternehmen zu werden. Dabei fokussiere sich das Unternehmen noch stärker auf seine multimedialen journalistischen Kernmarken WELT- und BILD-Gruppe mit den dazugehörigen Zeitschriftenmarken.
Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Revision geltend gemacht: Die Klage sei unzulässig geworden. Die Klägerin habe nunmehr ihre Beteiligung insbesondere an Regionalzeitungen, Frauen- und Programmzeitschriften sowie Anzeigenblättern verkauft. Sie sei nicht mehr mit dem Unternehmen zum Zeitpunkt der Entscheidung der KEK vergleichbar. Eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der seinerzeit getroffenen Entscheidung der KEK sei nur noch geeignet, abstrakte Rechtsfragen zur Auslegung des Rundfunkstaatsvertrags zu klären, könne aber nicht mehr eine Entscheidung der KEK im Falle künftiger Erwerbsabsichten der Klägerin prägen. Jedenfalls habe der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht angenommen, die Klägerin hätte durch die Übernahme der in Rede stehenden Beteiligung keine vorherrschende Meinungsmacht im Sinne des § 26 Abs. 1 RStV erlangt. Dass bei einer Unterschreitung des Schwellenwerts eines Zuschaueranteils von 25 vom Hundert um mehr als 10 vom Hundert ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 26 Abs. 1 RStV zwingend ausscheide, widerspreche der rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts im Revisionsurteil vom 24. November 2010, wonach sich jede starre, auf nominale Prozentwerte abstellende Betrachtungsweise verbiete. Hierin liege ein Verstoß gegen die Bindungswirkung des Revisionsurteils nach § 144 Abs. 6 VwGO und mithin ein Verfahrensfehler. Jedenfalls aber sei materielles revisibles Recht verletzt, da starre Schwellenwerte gegen das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgende Verfassungsgebot größtmöglicher Effektivität der Abwehr von Gefahren für die Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk verstießen. Mit seiner zweiten Annahme, die KEK habe entsprechend § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV vom tatsächlichen Zuschaueranteil vorab, d.h. vor Eintritt in eine Gesamtabwägung, einen Bonus für regionale Fensterprogramme und Sendezeit für Dritte in Abzug bringen müssen, verletze der Verwaltungsgerichtshof materielles revisibles Recht, nämlich § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Denn ein Vorwegabzug verhindere eine effektive Abwehr von Gefahren für die Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk, die sich gerade aus einer Kombination von Meinungsmacht in Rundfunk ≪HERVORHEBUNG TYP="ITALIC"≫und ≪/HERVORHEBUNG≫Presse sowie auf anderen medienrelevanten verwandten Märkten ergäben, und widerspreche damit sowohl dem Sinn und Zweck des § 26 RStV als auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Jedenfalls aber seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 RStV nicht erfüllt, weil die regionalen Fensterprogramme bei Sat.1 (noch) nicht den Anforderungen des § 25 Abs. 4 RStV entsprochen hätten. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs hänge die Zulässigkeit einer Gesamtabwägung nach § 26 Abs. 1 RStV nicht davon ab, dass die als Besonderheiten des Einzelfalles angeführten Umstände ihrer Art nach begrifflich nicht bereits von den Regelbeispielen des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV erfasst seien. Diese Annahme widerspreche unter Verletzung von § 144 Abs. 6 VwGO den rechtlichen Erwägungen im Revisionsurteil vom 24. November 2010. Zugleich sei materielles Recht – § 26 Abs. 1 RStV und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – verletzt, weil ein atypischer Fall, der einen Rückgriff auf § 26 Abs. 1 RStV gestatte, unter Berücksichtigung auch der rundfunkrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer dann vorliege, wenn sich – wie hier – auch bei Unterschreitung der Schwellenwerte des § 26 Abs. 2 RStV aus einer Kombination der Einflüsse in Rundfunk und Presse ein einseitiger, in hohem Maße ungleichgewichtiger Einfluss einzelner Veranstalter oder Programme auf die öffentliche Meinungsbildung und damit eine Gefahr für die öffentliche Meinungsvielfalt ergebe. Der Verwaltungsgerichtshof verletze schließlich auch mit seiner Annahme Bundesrecht, die KEK habe beurteilungsfehlerhaft die von ihr für die Aktivitäten der Klägerin auf medienrelevanten verwandten Märkten ermittelten fiktiven Zuschaueranteile nicht in Relation zu einer Bezugsgröße gesetzt, die aus den tatsächlichen Zuschaueranteilen und den sonstigen medienrelevanten verwandten Märkten zu bilden sei. Eine Einbeziehung sämtlicher medienrelevanter Märkte sei weder nach dem Wortlaut der Vorschrift noch nach ihrem auf die Sicherung der Meinungsvielfalt (nur) im Fernsehen beschränkten Sinn und Zweck geboten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Februar 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 8. November 2007 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Februar 2012 zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ihr Feststellungsinteresse sei nicht weggefallen. Bei vergleichbaren Erwerbsvorhaben müssten sie und ein potentieller Veräußerer da mit rechnen, dass aufgrund der Grundsätze, die die KEK zur Feststellung vor herrschender Meinungsmacht ihrer angegriffenen Entscheidung zugrunde gelegt habe, die medienrechtliche Unbedenklichkeit wiederum nicht bestätigt werde. Sie sei nach wie vor auf medienrelevanten verwandten Märkten aktiv, auch wenn sich die Gewichte von Presseerzeugnissen zu Onlinediensten verschoben hätten. Jedenfalls verfüge sie weiterhin über die Marken BILD und WELT, auf die die KEK wesentlich für die Annahme vorherrschender Meinungsmacht abgestellt habe. Im Übrigen verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene zu 1 hält die Klage weiter für zulässig. Die Beigeladenen zu 2 und zu 3 haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Klage ohne Verstoß gegen Bundesrecht als zulässig (1.) und begründet (2.) angesehen.
1. Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Er hat seiner Entscheidung insoweit gemäß § 144 Abs. 6 VwGO die rechtliche Beurteilung des Senats im Urteil vom 24. November 2010 – BVerwG 6 C 16.09 – (BVerwGE 138, 186 = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 59 Rn. 22 ff.) zugrunde gelegt, wonach die Klage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig ist. Die Klage ist auch nicht zwischenzeitlich dadurch unzulässig geworden, dass sich die Klägerin zu einer Veräußerung ihrer Beteiligungen an Regionalzeitungen sowie Programm- und Frauenzeitschriften entschlossen und einen entsprechenden Vorvertrag mit einem Erwerber abgeschlossen hat. Hierdurch ist ihr berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte zur Erteilung der ursprünglich begehrten Unbedenklichkeitsbescheinigung verpflichtet gewesen ist, nicht entfallen. Zwar hat eine Veräußerung eines Teils des Zeitungs- und Zeitschriftenprogramms eine Verringerung der Meinungsmacht der Klägerin im Pressebereich zur Folge, die für die ablehnende Haltung der KEK zu der hier streitigen rundfunkrechtlichen Übernahmeabsicht der Klägerin ausschlaggebend war. Freilich verfügt die Klägerin mit den Titeln der BILD- und der WELT-Gruppe auch künftig noch über eine starke Stellung im Bereich der Presse. Hinzu kommt, dass die von der Klägerin verfolgte Digitalisierungsstrategie mit dem erklärten Ziel, das führende digitale Medienunternehmen zu werden, erwarten lässt, dass sie auf anderen Märkten, namentlich im OnlineBereich, ihre Marktposition ausbauen und dadurch zusätzlichen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung gewinnen wird. Vor diesem Hintergrund würde sich auch bei künftigen Übernahmevorhaben der Klägerin im Bereich des bundesweiten Privatfernsehens die Frage nach den rundfunkrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen einer Kombination von Meinungsmacht im Fernsehen und auf anderen medienrelevanten verwandten Märkten stellen und wären entsprechende Vorhaben der Klägerin durch die ablehnende Haltung der KEK im vorliegenden Fall bemakelt.
Der Senat hat das Feststellungsinteresse anknüpfend an einen solchen Makel aus einem Rehabilitationsinteresse, nicht aus einer Wiederholungsgefahr abgeleitet. Es ist deshalb unerheblich, dass sich die Aktivitäten der Klägerin auf Medienmärkten geändert haben und eine mögliche künftige Entscheidung der KEK auf einen veränderten Sachverhalt trifft. Erst recht ist für das Feststellungsinteresse nicht zu prüfen, ob die KEK auf der Grundlage ihrer Maßgaben in der hier angegriffenen Entscheidung eine Übernahme der Beteiligung an den Veranstaltern der Programme Sat.1 und ProSieben auch unter den veränderten Aktivitäten der Klägerin im Medienbereich wiederum ablehnen würde. Es reicht vielmehr aus, dass die Klägerin mit Blick auf (nur) vergleichbare Übernahmevorhaben noch der Rehabilitation bedarf. Sie bedürfte der Rehabilitation heute nicht mehr, wenn sie bei vergleichbaren Übernahmeabsichten auch auf der Grundlage der seinerzeit ihr entgegengehaltenen Auffassung der KEK für jeden Veräußerer der Anteile als mögliche Erwerberin in Betracht kommt. Anders gewendet: Das Rehabilitationsinteresse der Klägerin besteht fort, wenn ein Veräußerer die Klägerin auch heute nicht als mögliche Erwerberin in Betracht zieht, weil auf der Grundlage der seinerzeit zugrunde gelegten Rechtsansicht der KEK mit einer Versagung der medienrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung gerechnet werden muss. Um diesen „Makel” zu verlieren, ist die Klägerin nach wie vor darauf angewiesen, dass gerichtlich geklärt wird, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen einem Unternehmen, das auf medienrelevanten, dem Fernsehen verwandten Märkten aktiv ist, die medienrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Erwerb einer Beteiligung an einem Veranstalter von Rundfunkprogrammen versagt werden darf. Es steht nicht fest, dass gemessen an den seinerzeit angelegten Maßstäben der Klägerin heute eine medienrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt werden würde. Daher sind diese Maßstäbe weiter klärungsbedürftig. Die Klägerin kann nach wie vor nicht darauf verwiesen werden, erst anlässlich eines künftigen Erwerbsvorhabens die Rechtmäßigkeit der von der KEK angelegten Maßstäbe gerichtlich klären zu lassen, sollten sie dort wieder zu einer Entscheidung gegen sie führen. Denn diese gerichtliche Klärung käme wiederum zu spät. Auf vorläufigen Rechtsschutz und vorbeugenden Rechtsschutz kann die Klägerin nicht verwiesen werden. Es ist gerade die Funktion der Fortsetzungsfeststellungsklage, ein begonnenes Verfahren fortführen zu dürfen, wenn dort die Klärung auch künftig bedeutsamer Fragen möglich ist.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat ebenfalls zutreffend angenommen, dass die Klage begründet ist. Er hat in Übereinstimmung mit Bundesrecht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet gewesen ist, die beabsichtigte Änderung der Beteiligungsverhältnisse als medienrechtlich unbedenklich zu bestätigen, und ihr entgegenstehender Bescheid deshalb rechtswidrig gewesen ist.
a) Nach § 29 Satz 1 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) in der hier maßgeblichen, im Zeitpunkt der Erledigung des Verpflichtungsbegehrens geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 2001 (BayGVBl S. 502), zuletzt geändert durch den am 1. April 2005 in Kraft getretenen Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (BayGVBl 2005 S. 27, 245), ist jede geplante Veränderung von Beteiligungsverhältnissen oder sonstigen Einflüssen bei der zuständigen Landesmedienanstalt vor ihrem Vollzug schriftlich anzumelden. Nach § 29 Satz 3 RStV dürfen die Veränderungen nur dann von der zuständigen Landesmedienanstalt als unbedenklich bestätigt werden, wenn unter den veränderten Voraussetzungen eine Zulassung erteilt werden könnte.
Danach kann die Unbedenklichkeit einer beabsichtigten Beteiligungsveränderung insbesondere dann nicht bestätigt werden, wenn im bundesweiten Fernsehen ein Unternehmen durch die Änderung der Beteiligungsverhältnisse eine vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Denn nach § 26 Abs. 1 RStV darf ein Unternehmen (natürliche oder juristische Person oder Personenvereinigung) in der Bundesrepublik Deutschland selbst oder durch ihm zurechenbare Unternehmen bundesweit im Fernsehen eine unbegrenzte Anzahl von Programmen veranstalten, es sei denn, es erlangt dadurch vorherrschende Meinungsmacht. Dass vorherrschende Meinungsmacht gegeben ist, wird nach § 26 Abs. 2 Satz 1 RStV vermutet, wenn die einem Unternehmen zurechenbaren Programme (§ 28 RStV) im Durchschnitt eines Jahres einen (nach Maßgabe von § 27 RStV ermittelten) Zuschaueranteil von 30 vom Hundert erreichen. Gleiches gilt nach § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV bei Erreichen eines Zuschaueranteils von 25 vom Hundert, sofern das Unternehmen auf einem medienrelevanten verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung hat oder eine Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30 vom Hundert im Fernsehen entspricht.
Zuständig für die abschließende Beurteilung von Fragestellungen der Sicherung von Meinungsvielfalt im Zusammenhang mit der bundesweiten Veranstaltung von Fernsehprogrammen, insbesondere für die Prüfung solcher Fragen bei der Bestätigung von Veränderungen von Beteiligungsverhältnissen als unbedenklich, ist nach § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 RStV die KEK und war seinerzeit noch nach Maßgabe des § 37 Abs. 2 RStV die – durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag inzwischen aufgelöste – Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten (KDLM). Die Beschlüsse der KEK sind gegenüber den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend und deren Entscheidungen zugrunde zu legen, § 37 Abs. 1 Satz 5 und 6 RStV.
b) Die KEK hat für die Beklagte bindend entschieden, dass die Klägerin mit der Übernahme der hier in Rede stehenden Beteiligungen eine vorherrschende Meinungsmacht erlangt hätte. Dieser Beschluss ist aber mit den gesetzlichen Vorgaben aus § 26 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 bis 3 RStV nicht vereinbar.
aa) Die Klägerin hätte keine vorherrschende Meinungsmacht nach Maßgabe des § 26 Abs. 1 RStV in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Satz 1 oder 2 RStV erlangt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs haben die Programme von Sat.1, ProSieben, Kabel 1, N24 und 9Live in dem maßgeblichen Zeitraum der letzten zwölf Monate vor der Einleitung des Verfahrens (§§ 27, 36 Abs. 1 Satz 4 RStV) einen tatsächlichen Zuschaueranteil von 22,06 vom Hundert erreicht. Damit war sowohl der Schwellenwert des § 26 Abs. 2 Satz 1 RStV von 30 vom Hundert als auch der Schwellenwert des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV von 25 vom Hundert nicht erreicht.
bb) In seinem ersten Revisionsurteil vom 24. November 2010 hat der Senat § 26 RStV jedoch dahingehend ausgelegt, dass eine vorherrschende Meinungsmacht nicht nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 der Vorschrift angenommen werden kann, also insbesondere nicht zwingend die dort genannten Schwellenwerte für den Zuschaueranteil erreicht sein müssen (BVerwG 6 C 16.09 – BVerwGE 138, 186 = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 59 Rn. 31 ff.). § 26 Abs. 2 RStV trifft keine abschließende Regelung, sondern enthält Regelbeispiele mit Leitbildcharakter für die Auslegung der Generalklausel des § 26 Abs. 1 RStV. Bei der Feststellung vorherrschender Meinungsmacht kommt der KEK ein Beurteilungsspielraum zu, der eine der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegende Grenze im richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs findet (a.a.O. Rn. 42 f.). Dazu gehört hier, dass es die Regelbeispiele des § 26 Abs. 2 RStV nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe ermöglichen, eine vorherrschende Meinungsmacht auch dann anzunehmen, wenn die Schwellenwerte nicht ganz erreicht werden (a.a.O. Rn. 44). Die indizielle Bedeutung der Regelbeispiele kann im Rahmen einer Gesamtabwägung nur kompensiert werden, wenn sich der Einzelfall aufgrund individueller Besonderheiten vom Normalfall so deutlich abhebt, dass ein Festhalten an der regelmäßig vorgesehenen Rechtsfolge unangemessen erscheint. Dabei hat die KEK zum einen den Sinn des Regelbeispiels und die dabei vom Gesetzgeber getroffenen Wertungen zu beachten und zum anderen sicherzustellen, dass die besonderen Umstände, auf die sie sich stützt, ihrem Gewicht nach den Regelbeispielen entsprechen. Besteht eine Ähnlichkeit mit einem Regelbeispiel, ist es dem Rechtsanwender nicht erlaubt, eigene Wertungen an die Stelle der Wertungen des Gesetzgebers zu setzen. Die KEK ist zu einer freien Gesamtabwägung erst dann aufgerufen, wenn der Einzelfall Besonderheiten aufweist, die sich durch kodifizierte Regelbeispiele nicht angemessen erfassen lassen. Die KEK hat danach die vom Gesetzgeber getroffene Wertung, dass ein Zuschaueranteil von weniger als 25 vom Hundert in der Regel als unbedenklich einzustufen ist, zu beachten. Nur wenn die vom Gesetzgeber vorgegebene Eingriffsschwelle im Lichte der Ziele des Gesetzes offensichtlich unangemessen ist, kann § 26 Abs. 1 RStV im Rahmen einer Gesamtabwägung auch bei Unterschreitung der Schwellenwerte Anwendung finden.
cc) Die KEK hat ihren Beurteilungsspielraum überschritten, indem sie hier angenommen hat, die Klägerin hätte mit der Übernahme der in Rede stehenden Beteiligungen eine vorherrschende Meinungsmacht erlangt.
Im Zeitpunkt der Entscheidung der KEK lag der Zuschaueranteil der von dem beabsichtigten Erwerb betroffenen Fernsehveranstalter unter 20 vom Hundert, weil von dem tatsächlichen Zuschaueranteil von 22,06 vom Hundert weitere fünf Prozentpunkte für sogenannte Fensterprogramme und Sendezeiten Dritter abzuziehen waren. Jedenfalls dann, wenn der Schwellenwert von 25 vom Hundert so deutlich unterschritten wird, schließen es die vom Gesetzgeber in § 26 Abs. 2 RStV getroffenen Wertungen aus, eine vorherrschende Meinungsmacht im Fernsehen unter Einbeziehung von Aktivitäten auf medienrelevanten verwandten Märkten anzunehmen.
(1) Der Gesetzgeber des Rundfunkstaatsvertrags hat keine allgemeine Konzentrationskontrolle auf den Medienmärkten geschaffen. Er hat sich darauf beschränkt, Instrumente bereitzustellen, die die Bildung vorherrschender Meinungsmacht gerade im Fernsehen verhindern sollen. Verfassungsrechtlich war er zu weitergehenden Regelungen nicht verpflichtet. Verfassungsrecht gebietet deshalb auch nicht, die einschlägigen Vorschriften des § 26 Abs. 1 und 2 RStV erweiternd auszulegen, um so zu einer allgemeinen medienrechtlichen Konzentrationskontrolle zu gelangen. Vorherrschende Meinungsmacht kann zunächst in Beschränkung auf den Bereich des Rundfunks entstehen. Dies kann der Fall sein, wenn von Beginn an nur wenige Anbieter vorhanden sind, wenn eine anfängliche Vielzahl von Anbietern durch Ausscheiden kleiner Veranstalter auf wenige große Veranstalter zu sammenschmilzt, wenn ein und derselbe Veranstalter mehrere im Geltungsbereich eines Rundfunkgesetzes empfangbare Programme anbietet oder wenn ein Zusammenschluss privater Anbieter stattfindet (BVerfG, Urteil vom 4. November 1986 – 1 BvF 1/84 – BVerfGE 73, 118 ≪172≫). Gleiche, möglicherweise größere Gefahren sind zu befürchten, wenn Meinungsmacht im Bereich des Rundfunks sich mit Meinungsmacht im Bereich der Presse verbindet. Demgemäß erfordert die verfassungsrechtliche Gewährleistung freier Meinungsbildung gesetzliche Vorkehrungen auch dagegen, dass vorherrschende Meinungsmacht sich aus einer Kombination der Einflüsse in Rundfunk und Presse ergibt. Für den Landesgesetzgeber kann im Rahmen seiner Rundfunkgesetzgebung eine Verpflichtung zu Vorkehrungen nur bestehen, soweit die Entstehung multimedialer Meinungsmacht zu Gefahren für die Meinungsvielfalt im Rundfunk zu führen droht (BVerfG, Urteil vom 4. November 1986 a.a.O. S. 175). Der Landesgesetzgeber ist hingegen zwar möglicherweise berechtigt, nicht jedoch verfassungsrechtlich verpflichtet, im Rahmen seiner Rundfunkgesetzgebung eine Konzentration von Meinungsmacht allgemein einer Kontrolle zu unterwerfen, unabhängig davon, wie sich die Kombination von Meinungsmacht im Bereich der Presse und des Fernsehens gerade auf die Meinungsvielfalt im Fernsehen auswirkt. Er kann sich vielmehr darauf beschränken, nur der Gefahr zu begegnen, die sich daraus ergeben kann, dass eine ohnehin beträchtliche Meinungsmacht im Fernsehen durch Aktivitäten des Veranstalters auf verwandten Märkten noch verstärkt wird.
Der Gesetzgeber des Rundfunkstaatsvertrags ist in § 26 RStV nur seiner Pflicht nachgekommen, Gefahren für die Meinungsvielfalt im Fernsehen zu wehren, hat aber nicht die Entstehung multimedialer Meinungsmacht allgemein, zwar unter Einbeziehung des Fernsehens, aber unabhängig von dessen konkreten Beitrag zu dieser Meinungsmacht, verhindern wollen. Dass es nach den Vor stellungen des Gesetzgebers darum geht, vorherrschende Meinungsmacht im Fernsehen zu verhindern, hat insbesondere in den Vermutungsregeln des § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 RStV seinen Ausdruck gefunden. Der Gesetzgeber bemisst die vorherrschende Meinungsmacht dort an Zuschaueranteilen. In ihnen drückt sich eine starke Stellung auf dem Fernsehmarkt aus. Zwar fordert § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV die Einbeziehung von Aktivitäten außerhalb des Fernsehmarktes, nämlich auf medienrelevanten verwandten Märkten. Die Orientierung am Zuschaueranteil wird damit aber nicht aufgelöst, sondern nur modifiziert. Eine starke Stellung auf dem Fernsehmarkt, ausgedrückt in einem entsprechenden Zuschaueranteil, muss erreicht sein, damit eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse überhaupt aufgegriffen und einer medienrechtlich ausgerichteten Konzentrationsprüfung zugeführt werden kann. Aktivitäten auf anderen Märkten haben nur dann eine Bedeutung, wenn sie eine ohnehin beträchtliche Meinungsmacht im Fernsehen zu einer vorherrschenden Meinungsmacht verstärken können. Dass eine solche Prüfung auch stattfinden kann, wenn der Zuschaueranteil die Schwellenwerte nicht ganz erreicht, löst diesen Zusammenhang nicht auf. Denn die vorherrschende Meinungsmacht ist nach § 26 Abs. 1 RStV in jedem Fall nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze dieser Bestimmung und damit auch nach Absatz 2 und dem an Zuschaueranteilen orientierten Modell festzustellen.
(2) Danach ist es ausgeschlossen, bei der Feststellung vorherrschender Meinungsmacht der Stellung auf dem Fernsehmarkt, ausgedrückt in Zuschaueranteilen, ein ausschließlich relatives Gewicht beizumessen, das stets durch ein entsprechend höheres Gewicht ausgeglichen werden kann, das sich aus der Stellung des jeweiligen Veranstalters auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt. Je weiter der Schwellenwert von 25 vom Hundert Zuschaueranteil unterschritten wird, desto mehr entfernt sich vielmehr die Rechtsanwendung von den Wertungen, die der Gesetzgeber in den Vermutungsregeln zum Ausdruck gebracht hat, und desto stärker gerät die Prüfung der Unbedenklichkeit zu einer allgemeinen, statt spezifisch fernsehbezogenen Medienkonzentrationskontrolle.
Eine Grenze für den Zuschaueranteil, der nicht unterschritten werden darf, ohne Rücksicht auf das Gewicht der Aktivitäten auf anderen Märkten in jedem Falle schon dann anzunehmen, wenn der Schwellenwert von 25 vom Hundert um 10 vom Hundert unterschritten wird, erscheint allerdings zu eng und findet insbesondere in dem Regelungsmodell des Gesetzgebers keine hinreichende Stütze. Bei einem Zuschaueranteil unter 20 vom Hundert wird jedoch die Stellung auf dem Fernsehmarkt nach den Wertungen des Gesetzgebers regelmäßig nur noch ein so geringes Gewicht haben, das es auch unter Berücksichtigung von Aktivitäten auf verwandten medienrelevanten Märkten nicht mehr zur Annahme einer vorherrschenden Meinungsmacht ausreicht. Diese Grenze bei einem Zuschaueranteil unter 20 vom Hundert anzunehmen, legt die Systematik des § 26 Abs. 2 RStV nahe. Eine vorherrschende Meinungsmacht wird bei einem Zuschaueranteil von 30 vom Hundert vermutet (Satz 1). Liegen bestimmte Faktoren außerhalb des Fernsehens vor, kann die Schwelle auf 25 vom Hundert gesenkt werden. Der Normgeber nimmt mithin einen Schritt von fünf Prozentpunkten vor. Es ist nicht anzunehmen, dass er für eine weitergehende Absenkung der Schwelle außerhalb der Vermutungstatbestände einen größeren Schritt für richtig halten könnte. Ein noch größerer Schritt würde über die Wertung des Gesetzgebers hinweggehen, dass ein tatsächlicher Zuschaueranteil von weniger als 25 vom Hundert in der Regel als unbedenklich einzustufen ist.
(3) Ob ein tatsächlicher Zuschaueranteil von 20 vom Hundert als absolute Untergrenze für die Annahme vorherrschender Meinungsmacht anzusehen ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn diese Grenze wird hier noch deutlich unterschritten. Von dem ermittelten tatsächlichen Zuschaueranteil von 22,06 vom Hundert sind nämlich in entsprechender Anwendung von § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV weitere fünf Prozentpunkte abzuziehen, weil in dem Programm von Sat.1 sogenannte Fensterprogramme zur aktuellen und authentischen Darstellung der Ereignisse des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens in dem jeweiligen Land (§ 25 Abs. 4 RStV) und Sendezeiten für Dritte (§ 26 Abs. 5 RStV) aufgenommen waren.
a1) Zwar scheidet eine direkte Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV aus, weil der Zuschaueranteil den Schwellenwert von 25 vom Hundert nicht erreicht hat und daher der Anwendungsbereich des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV, an den die Bonusregelung anknüpft, nicht eröffnet war. Wenn jedoch bei einem Zuschaueranteil zwischen 25 und 30 vom Hundert ein Bonus für Fensterprogramme und Sendezeit für Dritte durch Abzug vom tatsächlichen Zuschaueranteil zu gewähren ist, dann muss dies erst recht bei einer Unterschreitung des Schwellenwerts im Rahmen der Generalklausel des § 26 Abs. 1 RStV gelten, wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die Auffassung der KEK im vorliegenden Fall (Nr. IV 3.4. des Beschlusses vom 10. Januar 2006) und ihrer Spruchpraxis in anderen Prüffällen zutreffend ausführt.
b1) Der Bonus für Fensterprogramme und Sendezeiten Dritter ist vorab von dem ermittelten tatsächlichen Zuschaueranteil abzuziehen. Er bestimmt die Schwelle mit, die erreicht sein muss, damit die Stellung auf dem Fernsehmarkt Anlass bietet, überhaupt die Aktivitäten auf verwandten medienrelevanten Märkten in den Blick zu nehmen. Die Verbesserung der Meinungsvielfalt durch Fensterprogramme und Sendezeiten für Dritte ist hingegen kein Gesichtspunkt, der erst im Rahmen einer Gesamtabwägung heranzuziehen ist, um eine Verschlechterung der Meinungsvielfalt durch Aktivitäten auf medienrelevanten verwandten Märkten nach deren Umrechnung in fiktive Zuschaueranteile gegebenenfalls zu relativieren.
Der Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig. Danach sind „bei der Berechnung des nach Satz 2 maßgeblichen Zuschaueranteils” Bonuspunkte „vom tatsächlichen Zuschaueranteil” abzuziehen. Der „tatsächliche Zuschaueranteil” ist dabei zweifellos der gemäß §§ 27, 28, 36 Abs. 1 Satz 4 RStV von der KEK auf der Grundlage repräsentativer Erhebungen ermittelte Zuschaueranteil. Bei dem „nach Satz 2 maßgeblichen Zuschaueranteil” könnte es sich um jenen Zuschaueranteil handeln, anhand dessen festgestellt wird – der also „maßgeblich” dafür ist –, ob der 25-vom-Hundert-Schwellenwert erreicht ist.
Dieses Verständnis ist aber im Hinblick auf die Systematik des in § 26 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 RStV normierten Vermutungstatbestandes ausgeschlossen. § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV verweist auf den „nach Satz 2” maßgeblichen Zuschaueranteil, ohne zwischen den dort geregelten Alternativen zu unterscheiden. In § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er in beiden dort behandelten Fällen die Meinungsvielfalt im Fernsehen in grundsätzlich gleicher, die Vermutung vorherrschender Meinungsmacht rechtfertigender Weise einem erheblichen Risiko ausgesetzt sieht. Sofern jeweils ein Zuschaueranteil von 25 vom Hundert erreicht ist, sind Unternehmen mit einer marktbeherrschenden Stellung auf einem medienrelevanten verwandten Markt aus medienkonzentrationsrechtlicher Sicht nicht anders zu bewerten als Unternehmen, die aufgrund ihrer Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten über einen Meinungseinfluss verfügen, der dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30 vom Hundert im Fernsehen entspricht. Dieser Gleichsetzung entspricht es dann aber auch, die vom Gesetzgeber in Anerkennung der vielfaltverstärkenden Wirkung von Regional- und Drittfenstern vorgesehene Anrechnung von Bonuspunkten in einheitlicher Weise vorzunehmen, was wiederum nur durch Vorwegabzug vom tatsächlichen Zuschaueranteil bei der Prüfung der Erreichung des 25-vom-Hundert-Schwellenwerts möglich ist.
Auch entstehungsgeschichtliche Erwägungen sprechen jedenfalls nicht gegen das hier gefundene Ergebnis. Die Bonusregelung wurde im Zuge der Ersetzung des vormals in § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV vorgesehenen Geringfügigkeitskriteriums durch den 25-vom-Hundert-Schwellenwert durch den Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag eingeführt. Die amtliche Begründung der Gesetzesänderung ist hinsichtlich der hier interessierenden Frage der Art und Weise der Bonifizierung unergiebig. Dort (LTDrucks 14/8628 S. 12) heißt es: „Durch die Streichung des Wortes ‚geringfügig' in Absatz 2 Satz 2 wird die Möglichkeit eröffnet, die Stellung eines Unternehmens auf medienrelevanten Märkten ab einer Untergrenze von 25 vom Hundert Zuschaueranteil einzubeziehen, bei gleichzeitiger Gewährung eines Bonus bei Aufnahme von Regionalfenstern … und eines weiteren Bonus …, wenn … Sendezeit für Dritte …gewährt wird”. Dem lässt sich eine unmittelbare Aussage dazu, wie zu gewährende Bonuspunkte in Abzug zu bringen sind, nicht entnehmen. Allenfalls mag in dieser Formulierung die Vorstellung zum Ausdruck kommen, dass es für die Bonusgewährung keine Rolle spielt, welche der beiden Alternativen des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV jeweils in Rede steht, was die systematische Auslegung bestätigt, die eine einheitliche Handhabung der Bonusgewährung ermöglicht.
Der systematischen Auslegung stehen schließlich auch Sinn und Zweck des § 26 RStV, zur Sicherung der Meinungsvielfalt im bundesweiten Fernsehen dem Entstehen vorherrschender Meinungsmacht vorzubeugen, nicht entgegen. Zwar führt ein Vorwegabzug von Bonuspunkten – wenn und weil der 25-vom-Hundert-Schwellenwert danach nicht mehr erreicht wird – gegebenenfalls dazu, dass eine Berücksichtigung der Stellung eines Unternehmens auf medienrelevanten verwandten Märkten nicht mehr in Betracht kommt, unabhängig davon, wie groß der insoweit erlangte Meinungseinfluss auch sein mag. Das betrifft freilich nur das Eingreifen der in § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV normierten Vermutungstatbestände. Da jedoch auch unterhalb der Schwellenwerte des § 26 Abs. 2 RStV nach Maßgabe der oben stehenden Erwägungen ein Rückgriff auf § 26 Abs. 1 RStV zulässig ist, bleibt eine Berücksichtigung der Gefahren für die Meinungsvielfalt, die sich aus einer Verknüpfung der Stellung im Fernsehen mit Aktivitäten auf vor- und nachgelagerten Märkten oder aus einer Kombination von Einflüssen in Rundfunk und Presse ergeben können, innerhalb der aufgezeigten Grenzen weiter möglich.
Von dem im Jahr 2006 ermittelten Zuschaueranteil von P7S1 in Höhe von 22,06 vom Hundert sind daher zur Ermittlung der Meinungsmacht des Anbieters insgesamt 5 Prozentpunkte abzuziehen. Der erkennende Senat teilt insofern die rechtlichen Beurteilungen des Berufungsgerichts auf der Grundlage der von diesem getroffenen tatsächlichen Feststellungen. Insbesondere war die Erfüllung der ohne Übergangsregelung verschärften Anforderungen bereits kurz nach Inkrafttreten der Regelung naheliegender Weise nicht oder nur schwer möglich. Im Hinblick darauf, dass die Nichterfüllung der Anforderungen durch die Sat.1-Regionalfenster im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 10. Januar 2006 wohl auch nach Auffassung der KEK nur vorübergehender Natur und der fehlenden Übergangsregelung geschuldet war, geriete eine Nichtberücksichtigung im Rahmen der Bonusregelung des § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV mit dem Gedanken des Vertrauensschutzes in Konflikt. Auch stünde es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang, wegen der im Zeitpunkt des Beschlusses vom 10. Januar 2006 noch nicht vollständig umgesetzten Anpassung an die Neuregelung für Regionalfenster sowohl den hierfür vorgesehenen Bonus in Höhe von 2 vom Hundert Zuschaueranteil als auch den daran gekoppelten Bonus für Drittsendezeiten in Höhe von 3 vom Hundert in vollem Umfang abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Neumann, Dr. Graulich, Dr. Möller, Hahn, Prof. Dr. Hecker
Fundstellen
BVerwGE 2014, 52 |
CR 2014, 29 |
NZG 2014, 7 |
AfP 2014, 470 |
DÖV 2014, 580 |
JuS 2014, 857 |
ZUM-RD 2014, 454 |
DVBl. 2014, 4 |
K&R 2014, 547 |
MMR 2014, 9 |
MMR 2015, 67 |
WuW 2014, 616 |