Entscheidungsstichwort (Thema)
Fachkunde. Handel mit Schusswaffen und Munition. Tätigkeit im Waffenhandel. Waffenhandelserlaubnis
Leitsatz (amtlich)
Eine Tätigkeit ist im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 WaffG geeignet, die erforderliche Fachkunde zu vermitteln, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls einer dreijährigen Vollzeitbeschäftigung gleichwertig ist, die in erheblichem Umfang den Verkauf von Schusswaffen und Munition zum Gegenstand hat.
Normenkette
WaffG §§ 9, 8, 7
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 23.09.1999; Aktenzeichen 11 L 488/98) |
VG Hannover (Entscheidung vom 29.09.1997; Aktenzeichen 10 A 1763/97) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. September 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der 1966 geborene Kläger ist als Kaufmann bei einer Sparkasse beschäftigt. Zumindest seit Anfang 1993 arbeitet er daneben als Verkäufer in einem Geschäft für „Waffen und Outfit”, das sein Vater nebenberuflich und mit der erforderlichen waffenrechtlichen Erlaubnis betreibt. Die Beschäftigung dauert 13,5 Stunden pro Woche; hinzu kommt, dass der Kläger im Abstand von zwei Wochen zwei bis drei Stunden Munition auf einem Schießstand verkauft.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 20. Februar/2. März 1996 die Erteilung der Erlaubnis zum Waffenhandel gemäß § 7 WaffG, um zunächst Miteigentümer des väterlichen Waffenhandelsgeschäfts zu werden und es später im Wege der Erbfolge übernehmen zu können. Zum Nachweis der fachlichen Eignung verwies er in erster Linie auf die mehr als dreijährige Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter im Betrieb seines Vaters. Ergänzend berief er sich auf seine Qualifikation als Jagdscheininhaber, aktiver Sportschütze und Schießsportleiter in einem Schützenverein sowie als Waffenausbilder bei der Bundeswehr. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23. Oktober 1996, bestätigt durch Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 18. Februar 1997, im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger habe keine dreijährige hauptberufliche Tätigkeit im Waffenhandel nachgewiesen.
Das Verwaltungsgericht hat die auf die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger die beantragte Waffenhandelserlaubnis zu erteilen, gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob § 9 Abs. 2 Nr. 2 WaffG eine hauptberufliche Handelstätigkeit voraussetze. Denn der Kläger erfülle die Voraussetzungen dieser Vorschrift selbst dann nicht, wenn eine nicht unerhebliche Befassung mit dem Verkauf von Schusswaffen und Munition genüge. Geboten sei mindestens eine halbtägige fachberufliche Tätigkeit konkret mit Schusswaffen und Munition für einen Zeitraum von drei Jahren. Der zeitliche Umfang der Tätigkeit liege hier erheblich darunter. Da die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WaffG allein auf objektiv nachprüfbare Vorgaben abstelle und restriktiv auszulegen sei, komme es nicht auf die im Einzelfall vermittelten Kenntnisse an. Diese könnten allein durch eine Prüfung gemäß § 9 Abs. 1 WaffG nachgewiesen werden.
Zur Begründung seiner Revision trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Es komme darauf an, ob er die erforderliche Fachkunde durch seine Tätigkeit erworben haben könne und in ausreichendem Maße besitze, so dass er sie nicht durch eine Fachkundeprüfung nachzuweisen brauche. Die mittlerweile siebenjährige Beschäftigung im Handelsgeschäft des Vaters und seine sonstige Qualifikation reichten als Nachweis aus.
Der Beklagte und der Oberbundesanwalt verteidigen das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters des Oberbundesanwalts in der mündlichen Verhandlung über die Revision verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Waffenhandelserlaubnis. Er hat die erforderliche Fachkunde nicht nachgewiesen.
Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde, wer gewerbsmäßig oder selbständig im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung Schusswaffen oder Munition ankaufen, vertreiben, anderen überlassen oder den Erwerb, den Vertrieb oder das Überlassen solcher Gegenstände vermitteln will (Waffenhandel). Die Erlaubnis ist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller oder eine Leitungsperson im Sinne von § 8 Abs. 1 WaffG nicht die erforderliche Fachkunde nachweist. Die Fachkunde ist gemäß § 9 Abs. 1 WaffG durch eine Prüfung vor der zuständigen Behörde nachzuweisen. Gemäß § 9 Abs. 2 WaffG braucht die Fachkunde nicht nachzuweisen, wer als Büchsenmacher die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt (Nr. 1) oder wer mindestens drei Jahre im Handel mit Schusswaffen und Munition tätig gewesen ist, sofern die Tätigkeit ihrer Art nach geeignet war, die erforderliche Fachkunde zu vermitteln (Nr. 2).
Der Kläger erfüllt, was hier allein in Betracht zu ziehen ist, die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WaffG nicht. Er ist zwar mehr als drei Jahre im Handel mit Schusswaffen und Munition tätig gewesen. Jedoch war die Tätigkeit im Sinne des Gesetzes nicht geeignet, die erforderliche Fachkunde zu vermitteln. Darauf, ob der Kläger die Fachkunde – durch die Tätigkeit oder mit Hilfe seiner sonstigen Befassung mit Waffen – tatsächlich erworben hat, kommt es, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht an; der Besitz der Fachkunde kann nur durch eine Prüfung gemäß § 9 Abs. 1 WaffG nachgewiesen werden.
Die Regelung des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WaffG beruht auf der Vorstellung des Gesetzgebers, die dort genannte Tätigkeit vermittle die für den Waffenhandel erforderliche Fachkunde. Diese Vermutung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Tätigkeit einem typischen Erscheinungsbild entspricht. Leitbild des Gesetzes ist, worauf auch das Erfordernis einer Mindestdauer von drei Jahren hindeutet, eine Tätigkeit in einem Waffenhandelsunternehmen, die der praktischen Ausbildung in anderen Berufen vergleichbar ist. Demnach muss die Tätigkeit nicht nur, was in § 9 Abs. 2 Nr. 2 WaffG ausdrücklich erwähnt ist, ihrer Art nach geeignet sein, die erforderliche Fachkunde zu vermitteln, sondern sie muss auch einen Umfang aufweisen, der einer dreijährigen berufspraktischen Ausbildung gleichkommt. Den gesetzlichen Anforderungen genügt eine dreijährige Vollzeitbeschäftigung in einem Einzelhandelsgeschäft, die in erheblichem Umfang den Verkauf von Schusswaffen und Munition zum Gegenstand hat (vgl. BTDrucks 5/528 S. 24; Nr. 9.3 WaffVwV). Eine davon abweichende Ausgestaltung der Waffenhandelstätigkeit erfüllt die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WaffG, wenn sie nach tatrichterlicher Einschätzung im Einzelfall der genannten Vollzeitbeschäftigung gleichwertig ist. So kann eine verkürzte Wochenarbeitszeit durch eine besonders intensive Beteiligung am Waffenhandel ausgeglichen sein, ohne dass schematisch auf eine bestimmte Mindestwochenarbeitszeit abgestellt werden könnte. Auch können u.U. Defizite beim Waffen- und Munitionsverkauf durch eine verlängerte Tätigkeit kompensiert oder etwa Fehlzeiten nachgeholt werden (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 2 WaffG: „… mindestens drei Jahre …”), sofern die Tätigkeit grundsätzlich geeignet ist, die für die erstrebte, ggf. beschränkte (vgl. § 9 Abs. 3 WaffG; § 12 Abs. 2 Nr. 2 1. WaffV) Erlaubnis erforderliche Fachkunde in drei Jahren zu vermitteln.
Die Tätigkeit des Klägers erfüllt diese Anforderungen nicht. Dies lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts entnehmen, ohne dass es weiterer Aufklärung bedürfte. Der Kläger ist im Waffenhandel nur nebenberuflich und weniger als die Hälfte einer üblichen Wochenarbeitszeit beschäftigt gewesen. Der im Vergleich zum typischen Fall einer Vollzeitbeschäftigung geringe Umfang der Tätigkeit wird nicht etwa dadurch ausgeglichen, dass der Kläger in einem Unternehmen gearbeitet hätte, das die erforderliche, vom Kläger beanspruchte umfassende Fachkunde durch eine besonders intensive praktische Ausbildung vermittelt. Sein Vater betreibt den Waffenhandel seinerseits im Nebenberuf. Dies spricht für einen – im Vergleich zum Üblichen – geringen Geschäftsumfang und gegen eine, worauf es hier ankäme, überdurchschnittliche Eignung des Betriebs zur Vermittlung der erforderlichen Fachkunde. Gegenteiliges hat der Kläger zu keiner Zeit vorgetragen; dafür ist auch sonst nichts ersichtlich. Zu berücksichtigen ist ferner, dass ein Teil des Geschäftsumfangs auf „Outfit” (Waffen- und Jagdzubehör) entfällt. Hingegen spielt der Umstand keine Rolle, dass der Kläger zum Waffenhandelsgeschäft des Vaters in einer besonderen Beziehung steht und an den Geschäftsvorgängen erhöhten Anteil nehmen mag. Auf subjektive Umstände dieser Art kommt es bei der Beurteilung einer Tätigkeit im Waffenhandel auf ihre Eignung gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 WaffG nicht an. Ist die Tätigkeit des Klägers danach nicht geeignet, die erforderliche Fachkunde in drei Jahren zu vermitteln, ist es auch ohne Bedeutung, dass der Kläger sie zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung bereits über sechs Jahre ausgeübt hat.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Meyer, Gielen, Hahn, Groepper, Gerhardt
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.06.2000 durch Wichmann Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NVwZ-RR 2000, 782 |
GewArch 2000, 432 |
RdL 2000, 277 |
DVBl. 2000, 1634 |
FSt 2001, 389 |
FuBW 2001, 514 |
FuHe 2001, 732 |
FuNds 2002, 311 |