Entscheidungsstichwort (Thema)
Privatschulfreiheit. Ersatzschulbegriff. Erziehungsziel als Lehrziel im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG. Einbezug methodischer und organisatorischer Rahmenbedingungen des Unterrichts in die Prüfung der Ersatzschulgenehmigung. Maßstäbe der Genehmigungsprüfung. monoedukative Privatschulen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ersatzschuleigenschaft bestimmt sich primär anhand äußerer Strukturmerkmale wie insbesondere der Schulform sowie der Art und Dauer des Bildungsgangs. Pädagogisch-konzeptionelle Gegebenheiten sind in die Prüfung der Ersatzschuleigenschaft nur dann einzubeziehen, wenn die Privatschule im Hinblick auf äußere Strukturmerkmale von den im öffentlichen Schulwesen vorhandenen oder grundsätzlich vorgesehenen Typen abweicht (Klarstellung gegenüber BVerwG – Urteil vom 18. Dezember 1996 – BVerwG 6 C 6.95).
2. Die Vorgabe des Erziehungsziels der Verinnerlichung der Gleichberechtigung der Geschlechter durch die Schüler liegt innerhalb der staatlichen Bestimmungsmacht gegenüber Ersatzschulen und darf daher in die Prüfung der Gleichwertigkeit hinsichtlich der Lehrziele nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG einbezogen werden. Dies schließt nicht die Befugnis ein, der Ersatzschule die Vermittlung praktischer Alltagsfertigkeiten wie der Fähigkeit zu einem unbefangenen Umgang mit Angehörigen des anderen Geschlechts oder die Vermittlung materieller Leitbilder zum Geschlechterverhältnis jenseits des Postulats der Gleichberechtigung der Geschlechter abzufordern. Die staatliche Bestimmungsmacht gegenüber Ersatzschulen in Erziehungsfragen ist auf das beschränkt, was als Wert- und Ordnungsvorstellung schon kraft verfassungsrechtlicher Vorgaben, mindestens aber aufgrund eines allgemein für verbindlich erachteten gesellschaftlichen Minimalkonsenses zweifelsfrei nicht Gegenstand legitimer abweichender Betrachtung sein kann.
3. Rechtfertigt eine bestimmte Methode oder Organisationsmodalität des Unterrichts wegen der hiervon ausgehenden Wirkung auf die Schüler den Schluss, dass ein der Ersatzschule verbindlich vorgegebenes Erziehungsziel nicht erreicht werden kann, steht diese im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG hinter öffentlichen Schulen zurück. Eine dahingehende Einschätzung der Schulbehörde hat jedoch mit Blick auf die von der Privatschulfreiheit umfasste Freiheit der Methoden- und Formenwahl nur dann Vorrang vor einer gegenteiligen Einschätzung des privaten Schulträgers, wenn sie sich auf einen im Wesentlichen gesicherten, in der Fachwelt weitgehend anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnisstand stützen kann.
4. Der private Schulträger ist gehalten, bei Beantragung einer Ersatzschulgenehmigung sein Konzept vorzustellen und hierbei in Grundzügen zu skizzieren, welche pädagogischen Überlegungen er mit solchen Eigenarten der Schule verbindet, mit denen er von staatlichen Standards abzuweichen beabsichtigt.
5. Die Genehmigung einer Privatschule als Ersatzschule darf nicht allein wegen ihrer monoedukativen Ausrichtung versagt werden.
Normenkette
GG Art. 7 Abs. 4
Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 08.09.2011; Aktenzeichen 3 B 24.09) |
VG Potsdam (Entscheidung vom 19.06.2009; Aktenzeichen 12 K 1013/07) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. September 2011 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Rz. 1
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die monoedukative Ausrichtung einer geplanten Privatschule ihrer staatlichen Genehmigung als Ersatzschule (Art. 7 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG) entgegensteht.
Rz. 2
Der Kläger beantragte die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines zweizügigen Jungengymnasiums von Klasse 7 bis zum Abitur als Ersatzschule. Der Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die geplante Schule könne aufgrund ihrer monoedukativen Ausrichtung eine öffentliche Schule nicht ersetzen. Denn sie gewährleiste keine Ausbildung von Mädchen und verstoße gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichstellung der Geschlechter, das ein die brandenburgische Schulstruktur prägendes Erziehungsziel darstelle.
Rz. 3
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids verpflichtet, den Genehmigungsantrag erneut zu bescheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die monoedukative Ausrichtung der geplanten Schule stehe ihrer Eigenschaft als Ersatzschule nicht entgegen, weil es sich bei der Koedukation trotz ihrer Normierung in § 4 Abs. 7 BbgSchulG nicht um ein die Schulstruktur oder Schulform prägendes Merkmal handle. Die geplante Schule entspreche von ihrem Aufbau und ihrer Struktur her den Vorgaben des brandenburgischen Schulrechts und stimme mit dem dort geregelten Bildungsgang zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife im Rahmen eines Gymnasiums überein. Die geplante Schule stehe nicht wegen ihrer monoedukativen Ausrichtung in ihren Lehrzielen im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG hinter öffentlichen Schulen zurück. Zu den Lehrzielen zählten auch Erziehungsziele. Hierzu gehöre in Brandenburg auch die Gleichberechtigung der Geschlechter. Die Koedukation stelle selbst kein Erziehungsziel dar, sondern sei Mittel und Methode auf dem Weg dorthin. Die grundrechtlich wie einfachgesetzlich gewährleistete Gestaltungsfreiheit der Privatschulen eröffne diesen die Möglichkeit, für sich die Monoedukation einzuführen. Es lasse sich keine hinreichend gesicherte Prognose dahingehend treffen, dass monoedukativer Unterricht generell die Verwirklichung des Erziehungsziels der Gleichberechtigung der Geschlechter hindere. Der Beklagte habe ausweislich des Ablehnungsbescheids noch nicht geprüft, ob das vom Kläger eingereichte Konzept im konkreten Einzelfall zur Verwirklichung dieses Erziehungsziels ausreichend oder ergänzungsbedürftig sei. Das Vorhaben verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. Mädchen werde nicht der Zugang zu Gymnasien schlechthin genommen; das der Schülerauswahl zugrundeliegende Konzept sei sachlich vertretbar und ziele nicht auf ihre Benachteiligung. Völkervertragliche Vorgaben stünden der begehrten Genehmigung nicht entgegen.
Rz. 4
Der Beklagte verfolgt im Rahmen seiner Revision sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen. Er wendet sich gegen die Auffassung der Vorinstanz, wonach die Koedukation kein Erziehungsziel, sondern eine Erziehungsmethode darstelle. Koedukation sei Erziehung im klassischen Sinne, nämlich geschlechtsverschmolzene Erreichung sozialer Kompetenz in der praktischen Erfahrung des anderen Geschlechts. Die Persönlichkeitsentwicklung hin zur sozialen Kompetenz gegenüber dem anderen Geschlecht könne nur im Miteinander stattfinden. Die Verinnerlichung der Gleichberechtigung der Geschlechter sei keine Kenntnis oder Fertigkeit, die rein im Wege kognitiver Vermittlung erworben werden könne. Zudem verstoße die Beschränkung der Schülerauswahl auf Jungen gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. Eine monoedukative Privatschule konterkariere die staatlicherseits zu fördernden diskriminierungsfreien, egalitären und partnerschaftlichen Rollenmodelle. Schließlich verstoße sie gegen verschiedene völkervertragsrechtliche Normen, die zur Bestimmung der Reichweite der grundgesetzlichen Privatschulfreiheit mit heranzuziehen seien.
Rz. 5
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und trägt darüber hinaus vor: Die Einfügung einer Privatschule in das dem Landesschulwesen zugrundeliegende pädagogische Gesamtkonzept dürfe nicht zum Kriterium der Ersatzschuleigenschaft erhoben werden. Die Koedukation stelle eine Erziehungs- oder Organisationsform und kein Erziehungsziel dar; sie ungeachtet ihres offenkundig instrumentellen Charakters als Erziehungsziel auszuformen, ließe die Privatschulfreiheit des Art. 7 Abs. 4 GG leerlaufen und wäre daher selbst dem Gesetzgeber verwehrt. Inwieweit koedukativer Unterricht zum Abbau oder umgekehrt gerade zur Verfestigung geschlechtsstereotyper Sicht- und Verhaltensweisen führe, werde in der Fachwelt nicht einhellig beurteilt. Bei monoedukativem Unterricht sei die Verwirklichung des Erziehungsziels einer Verinnerlichung der Gleichberechtigung der Geschlechter durch die Schüler weder unmöglich noch auch nur nachweisbar erschwert. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG scheide schon deshalb aus, weil der Kläger als Privater hieran nicht gebunden sei.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 6
Die zulässige Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht im Einklang und ist daher revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Versagung der Ersatzschulgenehmigung verletze mit der vom Beklagten gegebenen Begründung die Privatschulfreiheit des Klägers aus Art. 7 Abs. 4 GG, erweist sich ebenso als zutreffend (unten 1.) wie seine Annahme, dass Art. 3 GG die Genehmigungsversagung nicht rechtfertigen könne (unten 2.). Die vom Beklagten angeführten völkerrechtlichen Verträge führen zu keinem anderen Ergebnis (unten 3.). Der Beklagte ist verpflichtet, das Genehmigungsverfahren fortzuführen (unten 4.).
Rz. 7
1. Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG verwehrt dem Beklagten, die Ersatzschulgenehmigung bereits wegen der monoedukativen Ausrichtung der geplanten Schule zu versagen.
Rz. 8
a. Die geplante Schule erfüllt die Merkmale einer Ersatzschule, so dass der Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG eröffnet ist.
Rz. 9
aa. Gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG bedürfen private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen der staatlichen Genehmigung und unterstehen den Landesgesetzen. Der danach den Ländern eröffneten Regelungsbefugnis sind Grenzen zum einen durch die grundgesetzliche Garantie der Privatschule als Institution gesetzt (BVerfG, Urteil vom 26. März 1957 – 2 BvG 1/55 – BVerfGE 6, 309 ≪355≫; stRspr). Zum anderen verbürgt Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG einen grundrechtlichen Individualanspruch auf Genehmigung einer Privatschule als Ersatzschule, wenn diese in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird (BVerfG, Beschluss vom 14. November 1969 – 1 BvL 24/64 – BVerfGE 27, 195 ≪200≫; Urteil vom 8. April 1987 – 1 BvL 8, 16/84 – BVerfGE 75, 40 ≪61≫). Die Erfüllung weiterer als der in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG aufgeführten schulbezogenen Genehmigungsvoraussetzungen darf dem privaten Schulträger weder durch das Landesrecht noch durch eine bestimmte Ausgestaltung der schulbehördlichen Genehmigungspraxis abverlangt werden (vgl. Urteil vom 11. März 1966 – BVerwG 7 C 194.64 – BVerwGE 23, 347 ≪349≫ = Buchholz 11 Art. 7 Abs. 4 GG Nr. 4 S. 13). Regelungsspielraum verbleibt dem Landesgesetzgeber im Hinblick auf die Festlegung bestimmter personenbezogener Voraussetzungen wie insbesondere der Zuverlässigkeit des Schulträgers bzw. der für ihn handelnden Personen (vgl. § 121 Abs. 6 BbgSchulG).
Rz. 10
bb. Ersatzschulen im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GG sind solche Privatschulen, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen sollen (BVerfG, Beschluss vom 14. November 1969 a.a.O. S. 201 f.; BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1996 – BVerwG 6 C 6.95 – BVerwGE 104, 1 ≪8≫ = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 121 S. 28; stRspr). Ihnen stehen solche Privatschulen gegenüber, die staatliche Schulangebote nicht zu ersetzen vermögen und mit deren Besuch daher – anders als durch den Besuch von Ersatzschulen – die staatliche Schulpflicht nicht erfüllt werden kann (sog. Ergänzungsschulen; vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 1969 a.a.O. S. 202). Nicht konstitutiv für Ersatzschulen ist das nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts aus einer staatlichen Anerkennung folgende Recht, nach den für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen (sog. Öffentlichkeitsrechte; vgl. Urteil vom 18. November 1983 – BVerwG 7 C 114.81 – BVerwGE 68, 185 ≪187 f.≫ = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 85 S. 39).
Rz. 11
cc. Während der Landesgesetzgeber bei Normierung der Voraussetzungen für die staatliche Anerkennung über einen Regelungsspielraum verfügt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 1969 a.a.O. S. 204 ff.; BVerwG, Urteil vom 18. November 1983 a.a.O. S. 188 bzw. 39), ist ihm der durch Art. 7 Abs. 4 GG abschließend normierte Ersatzschulbegriff verfassungsrechtlich bindend vorgegeben (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – 1 BvR 1369/90 – BVerfGE 90, 128 ≪139≫; Avenarius, Schulrecht, 8. Aufl. 2010, S. 298; Jestaedt in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, S. 558). Dem Landesgesetzgeber steht insoweit auch keine ergänzende Bestimmungsbefugnis zu. Das Landesrecht beeinflusst jedoch die praktische Reichweite des verfassungsrechtlichen Ersatzschulbegriffs, insofern es festlegt, welche öffentlichen Schulen es gibt, denen eine Privatschule überhaupt entsprechen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 1997 – BVerwG 6 C 1.96 – BVerwGE 105, 20 ≪24≫ = Buchholz 11 Art. 7 Abs. 4 GG Nr. 38 S. 3). In diesem Sinne kann von einer Akzessorietät der Ersatzschulen zu den öffentlichen Schulen gesprochen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1974 – 1 BvR 82/71 – BVerfGE 37, 314 ≪319≫; BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1996 – BVerwG 6 C 6.95 – BVerwGE 104, 1 ≪7≫ = Buchholz 421 Kulturund Schulwesen Nr. 121 S. 27 f., Beschluss vom 21. Juli 2011 – BVerwG 6 B 29.11 – Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 136 S. 14 Rn. 4). Hierin wird die staatliche Schulhoheit (Art. 7 Abs. 1 GG) manifest, die im Wirkbereich der Privatschulfreiheit (Art. 7 Abs. 4 GG) zwar abgeschwächt, aber nicht aufgehoben ist.
Rz. 12
dd. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, die geplante Schule entspreche in ihrem Aufbau und in ihrer Struktur sowie im Hinblick auf ihren Bildungsgang der im brandenburgischen Schulrecht geregelten Schulform des Gymnasiums; ferner hat es angenommen, der monoedukative Zuschnitt der Schule betreffe kein die Schulstruktur oder Schulform in Brandenburg prägendes Merkmal und stehe daher ihrer Einordnung als Ersatzschule nicht entgegen. Das Berufungsurteil trifft hiermit in erster Linie – gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO den Senat bindende – Aussagen über den Inhalt des Landesrechts bzw. nimmt im Hinblick auf die tatsächlichen Merkmale der geplanten Schule eine Sachverhaltswürdigung vor, die mangels hiergegen angebrachter Verfahrensrügen revisionsgerichtlicher Kontrolle im Grundsatz unzugänglich ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), in der Sache aber auch keinen Anlass für Beanstandungen bietet. Soweit diese Aussagen von der Prämisse ausgehen, die Ersatzschuleigenschaft bestimme sich primär anhand äußerer Strukturmerkmale wie insbesondere der Schulform sowie der Art und Dauer des Bildungsgangs, nicht aber anhand pädagogisch-konzeptioneller Gegebenheiten – wie sie durch die hier in Rede stehende monoedukative Ausrichtung einer Schule berührt sind –, liegt dem ein zutreffendes Verständnis des verfassungsrechtlichen Ersatzschulbegriffs zugrunde.
Rz. 13
Der Ersatzschulbegriff führt zum Ausschluss der Genehmigungsfähigkeit solcher Privatschulen, die in so gravierender Weise von den im öffentlichen Schulwesen verbreiteten Typen abweichen – beispielsweise durch Ausrichtung der Ausbildung auf staatlich nicht geregelte Abschlüsse –, dass es aus dem Blickwinkel der staatlichen Schulhoheit von vornherein nicht vertretbar wäre, ihren Besuch dem Besuch einer öffentlichen Schule gleichzustellen und als Erfüllung der Schulpflicht zu werten. Im Hinblick auf pädagogisch-konzeptionelle Gegebenheiten darf der notwendige Abgleich gegen Belange der staatlichen Schulhoheit grundsätzlich nicht auf dieser begrifflichen Ebene erfolgen, sondern erst auf Ebene der systematisch nachgelagerten Genehmigungsvoraussetzung des Nicht-Zurückstehens hinsichtlich der Lehrziele gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG. Auf ihr gelten zwar auch in dieser Hinsicht bestimmte Mindestanforderungen, werden zugleich aber Abweichungen von staatlichen Standards toleriert, um der Privatschule eine ihrer Eigenart entsprechende Verwirklichung zu gewährleisten (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 1972 – 1 BvR 230/70, 1 BvR 95/71 – BVerfGE 34, 165 ≪197≫; stRspr). Der Einbezug pädagogischkonzeptioneller Gegebenheiten bereits in die Beurteilung der Ersatzschuleigenschaft einer Privatschule würde dem Landesgesetzgeber über Gebühr Raum eröffnen, durch – normativ schwer greifbare – Festlegungen seiner schulpädagogischen Konzeption von vornherein den zulässigen Umfang des Ersatzschulwesens einzuengen und hiermit die Gewährleistung des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG in Teilen leerlaufen zu lassen (insoweit zutreffend: Boysen in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 7 Rn. 96; im Ergebnis ebenso Robbers in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 6. Aufl. 2010, Art. 7 Rn. 181). Denn für diese Beurteilung gilt, dass es auf wesensmäßige Übereinstimmung ankommt, wohingegen die Verfassung sich in Bezug auf “Lehrziele” im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG weitgehend mit einer bloßen Ergebnisäquivalenz begnügt und insofern einen bindungsschwächeren Prüfungsmaßstab vorgibt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Februar 2011 – 1 BvR 188/11 – juris Rn. 7: Gleichwertigkeit, nicht Gleichartigkeit).
Rz. 14
ee. Der Kläger vertritt zu Recht den Standpunkt, dass sich dem Urteil des Senats vom 18. Dezember 1996 (a.a.O.) kein substantiell abweichendes Verständnis des verfassungsrechtlichen Ersatzschulbegriffs entnehmen lässt, auch wenn die dort verwendete Formulierung, wonach es insofern auf ein “Mindestmaß an Verträglichkeit mit vorhandenen Schulstrukturen einschließlich der damit verfolgten pädagogischen Ziele” ankommt (Urteil vom 18. Dezember 1996 a.a.O. S. 7 bzw. 28), dies auf den ersten Blick nahelegen mag. Der Senat hatte in dem Fall zu entscheiden, ob ein grundständiges, die Ausbildung ab der 5. Klasse einsetzendes Privatgymnasium eine Ersatzschule darstellen kann, wenn das Landesrecht weiterführende Schulen erst ab der Klasse 7 vorsieht. Er hat hierzu ausgeführt, dass das “Hineinragen” des grundständigen Privatgymnasiums in den “landesrechtlich festgelegten Grundschulbereich” (Urteil vom 18. Dezember 1996 a.a.O. S. 8 bzw. 28) dessen Ersatzschulqualität nicht bereits ausschließe; es sei nicht allein “auf die äußere Form, sondern auf die besonderen pädagogischen Inhalte abzustellen (…), die im Rahmen der jeweiligen Gesamtzwecke in unterschiedlichen Strukturen verfolgt werden” (Urteil vom 18. Dezember 1996 a.a.O., Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 121 S. 30 – insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 104, 1 ff.). Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass eine festgestellte Abweichung in äußeren Strukturmerkmalen die Genehmigung als Ersatzschule nicht hindern muss, sofern sie nicht mit einer Abweichung zu der pädagogischen Konzeption einhergeht, die sich speziell in diesen Merkmalen ausprägt. Dies steht – was klarzustellen der vorliegende Fall Gelegenheit bietet – nicht im Widerspruch zu der Annahme, dass sich die Ersatzschulqualität einer Privatschule primär anhand solcher Merkmale bestimmt und, ohne dass dann pädagogisch-konzeptionelle Gegebenheiten überhaupt noch in den Blick zu nehmen wären, zu bejahen ist, wenn schon auf dieser Ebene ein hinreichendes Maß an Übereinstimmung mit den im öffentlichen Schulwesen vorhandenen oder grundsätzlich vorgesehenen Typen zum Vorschein tritt.
Rz. 15
Der Rückgriff auf pädagogisch-konzeptionelle Gegebenheiten bereits bei Prüfung der Ersatzschuleigenschaft eröffnet Privatschulen eine Genehmigungsperspektive dann, wenn bestimmte strukturbezogene Abweichungen die Grundlinien der staatlichen Schulpolitik letztlich nicht konterkarieren und daher Belange der staatlichen Schulhoheit nicht in ausschlaggebender Weise beeinträchtigen. Unter diesen Umständen wäre es unverhältnismäßig, der Privatschule die Ersatzschulqualität von vornherein abzusprechen und in die Prüfung der einzelnen Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG gar nicht erst einzutreten. Dem Senatsurteil vom 18. Dezember 1996 liegt insofern eine freiheitssichernde Intention zugrunde, wie sie erkennbar auch mit dem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geprägten Begriff vom “Gesamtzweck” der Privatschulerrichtung (erstmals Beschluss vom 14. November 1969 a.a.O. S. 201) verfolgt wird, der Raum für eine wertende Einzelfallbetrachtung belässt. An diesen anknüpfend hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluss vom 8. Juni 2011 (1 BvR 759/08, 1 BvR 733/09) ausgesprochen, dass sich die Akzessorietät der Ersatzschulen zu den öffentlichen Schulen nicht notwendigerweise auf eine formale Entsprechung zu den jeweils im Landesrecht typisierten Schularten und -formen bezieht (juris Rn. 21). Ebenso wenig wie dem Urteil des Senats vom 18. Dezember 1996 lag dem eine Absicht zugrunde, den Ersatzschulbegriff generell mit pädagogischkonzeptionellen Anforderungen zu befrachten und hierüber das Akzessorietätserfordernis im Ergebnis sogar zu verschärfen. Dass sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Senat bei vorliegender Übereinstimmung in äußeren Strukturmerkmalen die Ersatzschuleigenschaft ohne weiteres bejahen, selbst wenn im Einzelfall evidente Abweichungen in pädagogisch-konzeptioneller Hinsicht erkennbar sind, geht aus der jeweiligen Spruchpraxis hervor (etwa BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 a.a.O. S. 139 f.; BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2000 – BVerwG 6 C 5.00 – BVerwGE 112, 263 ≪266 f.≫ = Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 127 S. 24).
Rz. 16
b. Kann demnach von der Ersatzschuleigenschaft der geplanten Schule ausgegangen werden, ist dem Kläger mit der Antragstellung ein Anspruch auf Prüfung der in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG normierten Genehmigungsvoraussetzungen erwachsen. Dieser Anspruch ist durch die abschlägige Bescheidung des Genehmigungsantrags durch den Beklagten nicht erloschen. Die monoedukative Ausrichtung der geplanten Schule rechtfertigt nicht bereits die Bewertung, sie stehe in ihren Lehrzielen hinter öffentlichen Schulen im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG zurück.
Rz. 17
aa. Der Begriff der Lehrziele besitzt eine fachlich-inhaltliche Komponente und lenkt die Genehmigungsprüfung insoweit auf die Frage, ob die von der Ersatzschule vermittelten fachlichen Kenntnisse und die Allgemeinbildung dem nach geltendem Recht vorgeschriebenen Standard öffentlicher Schulen entsprechen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Juni 2011 – 1 BvR 759/08. 1 BvR 733/09 – juris Rn. 17). Dass monoedukative Schulen im Hinblick auf ihre Eignung zur Wissens- und Bildungsvermittlung nicht allgemein hinter öffentlichen koedukativen Schulen zurückstehen, darf ohne weiteres unterstellt werden und wird vom Beklagten nicht bestritten, auch nicht im Hinblick auf die wissensmäßige Vermittlung des Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die Vorbehalte des Beklagten gründen sich vielmehr auf die Einschätzung, ohne die schulalltägliche Konfrontation mit dem anderen Geschlecht könne die Gleichberechtigung der Geschlechter von Seiten der Schüler nicht verinnerlicht, d.h. nicht hinreichend in ihren Wert- und Ordnungsvorstellungen verankert und als eigene Überzeugung ausgeformt werden. Hiermit steht ein schulisches Wirkungsfeld in Rede, das vom Bereich der Wissens- und Bildungsvermittlung abgegrenzt und mit dem Begriff der “Erziehung” erfasst wird, gleichwohl jedoch dem Merkmal der “Lehrziele” im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG prinzipiell zugeordnet werden darf.
Rz. 18
(1) Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass der aufgrund von Art. 7 Abs. 4 GG dem staatlichen Einfluss entzogene Bereich durch die Erteilung eines eigenverantwortlich geprägten und gestalteten Unterrichts in der Privatschule gekennzeichnet ist, der neben der weltanschaulichen Basis, der Lehrmethode und den Lehrinhalten gerade auch die Erziehungsziele betrifft (erstmals BVerfG, Beschluss vom 14. November 1969 a.a.O. S. 200 f.; aufgegriffen im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. April 1990 – BVerwG 7 B 44.90 – Buchholz 11 Art. 7 Abs. 4 GG Nr. 33 S. 22). Hiermit sollte jedoch nicht zum Ausdruck gebracht werden, die Festlegung von Erziehungszielen oder die erzieherischen Auswirkungen vom privaten Schulträger vorgesehener Unterrichtsmodalitäten dürften unter keinen Umständen Anlass für staatliche Beanstandungen bilden und folglich keine Rolle bei Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG spielen. Eine solche Sichtweise würde die grundgesetzliche Privatschulfreiheit unzulässig verabsolutieren:
Rz. 19
Art. 7 Abs. 4 GG darf nicht als Bereichsausnahme zu Art. 7 Abs. 1 GG verstanden werden, der das gesamte Schulwesen unter die Aufsicht des Staates stellt (vgl. Gröschner in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl. 2004, Art. 7 Rn. 101). Art. 7 Abs. 4 GG gewährleistet privaten Schulträgern Gründungs- und Gestaltungsfreiheit, setzt dieser aber zugleich in bestimmten Feldern Schranken, um die Durchsetzung elementarer Anliegen der staatlichen Schulhoheit zu sichern. Privatschulfreiheit wird so gesehen von der Verfassung im Sinne eines Ausgleichs der jeweiligen Belange nur begrenzt und in einer Weise eingeräumt, die den Staat nicht prinzipiell aus seiner Verantwortung für das Schulwesen entlässt (vgl. Urteil vom 19. Februar 1992 – BVerwG 6 C 3.91 – BVerwGE 90, 1 ≪7≫ = Buchholz 11 Art. 7 Abs. 5 GG Nr. 3 S. 20). Die staatliche Verantwortung darf sich in Bezug auf das Feld der “Lehrziele” im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG nicht darin erschöpfen, die Einhaltung von Standards der Wissens- und Fertigkeitsschulung durch Ersatzschulen einzufordern. Schule in dem Sinne, wie er von der Verfassung in Art. 7 GG insgesamt vorausgesetzt wird, ist unbeschadet des elterlichen Erziehungsrechts (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) auch eine Anstalt der Persönlichkeitsbildung und der Wertevermittlung (vgl. Jestaedt a.a.O. S. 545: “Bildungs- und Erziehungsanstalt”; ähnlich BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. April 2003 – 1 BvR 436/03 – juris Rn. 7). Sie bezieht auch hieraus ihre herausragende Bedeutung für die Gesellschaft, die der Senat in seinem Urteil vom 19. Februar 1992 hervorgehoben hat (a.a.O. S. 7 bzw. 20). Wären in Bezug auf Ersatzschulen Erziehungsfragen der staatlichen Bestimmungsmacht gänzlich entzogen, könnte der Staat seiner Verantwortung für das Schulwesen an einem für das Gemeinwesen zentralen Punkt – dem der Ausbildung von Wert- und Ordnungsvorstellungen durch die nachwachsende Generation – nicht gerecht werden. Die ihm durch Art. 7 Abs. 1 GG aufgetragene Aufsicht wiese dann an entscheidender Stelle eine Lücke auf.
Rz. 20
(2) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dementsprechend bereits zu einem frühen Zeitpunkt ausgesprochen worden, dass der Begriff der Lehrziele im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG auch Erziehungsziele einschließt (Urteil vom 6. Dezember 1963 – BVerwG 7 C 6.61 – Buchholz 11 Art. 7 Abs. 4 GG Nr. 3 S. 10). Der Senat hat in seinem bereits erwähnten Urteil vom 19. Februar 1992 eine in der Vorinstanz getroffene Differenzierung aufgegriffen, wonach innerhalb des Begriffs der “Lehrziele” zwischen dem – oben bereits angesprochenen – Bereich der “Qualifikation” einerseits und dem Bereich der “Erziehungsziele” andererseits zu unterscheiden sei (a.a.O. S. 9 bzw. 22). Diese Unterscheidung hat sich später das Bundesverfassungsgericht in dem gleichfalls bereits erwähnten Kammerbeschluss vom 8. Juni 2011 zu Eigen gemacht (a.a.O. Rn. 17).
Rz. 21
Das von der Privatschulfreiheit grundsätzlich umfasste Recht privater Schulträger, über Erziehungsfragen selbst zu bestimmen, besitzt somit einen relativen Stellenwert. Hierin schlägt sich nieder, dass der Ersatzschulträger – anders als im Normalfall ein Grundrechtsträger außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 7 Abs. 4 GG – an der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe mitwirkt (vgl. Avenarius a.a.O. S. 288; Gröschner a.a.O. Rn. 103).
Rz. 22
bb. Die Vorgabe speziell des Erziehungsziels der Verinnerlichung der Gleichberechtigung der Geschlechter – d.h. ihrer personalen Gleichwertigkeit wie rechtlichen Gleichstellung – durch die Schüler liegt innerhalb der durch die Verfassung anerkannten staatlichen Bestimmungsmacht. Die Frage, ob es im Rahmen einer Ersatzschule beachtet wird, darf in die Prüfung der Gleichwertigkeit hinsichtlich der Lehrziele im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG einbezogen werden.
Rz. 23
(1) Nach dem Urteil des Senats vom 19. Februar 1992 leitet sich aus den unmittelbar durch die Verfassung gebotenen Anforderungen an exekutives Handeln ein für die Ersatzschulen verbindlicher Standard an Erziehungszielen ab. Hierbei handelt es sich um das Gebot der Achtung der Würde eines jeden Menschen und verbunden damit um die Grundrechte der Art. 2 ff. GG und die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz sowie ferner um die in Art. 20 GG aufgeführten Verfassungsgrundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaats (a.a.O. S. 12 bzw. 24). Eine Privatschule steht demnach im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG in ihren Lehrzielen hinter öffentlichen Schulen zurück und hat folglich keinen Anspruch auf Genehmigung als Ersatzschule, wenn nicht gewährleistet erscheint, dass im Rahmen ihres Unterrichts diejenigen Erziehungsziele beachtet werden, die sich aus diesen Verfassungsvorgaben und den von ihnen umfassten Wert- und Ordnungsvorstellungen ableiten.
Rz. 24
(2) Die Verinnerlichung der Gleichberechtigung der Geschlechter durch die Schüler zählt aufgrund ihres engen Bezugs zu Art. 3 Abs. 2 GG zu denjenigen Erziehungszielen, die von dem im Urteil des Senats vom 19. Februar 1992 entfalteten Mindeststandard umfasst sind und folglich auch gegenüber Ersatzschulträgern Verbindlichkeit beanspruchen. Die vom Beklagten im Revisionsverfahren vorgetragene Auffassung, die “Persönlichkeitsentwicklung hin zur sozialen Kompetenz gegenüber dem jeweils anderen Geschlecht (kann) nur im werteorientierten Miteinander stattfinden”, lässt in dieser Hinsicht allerdings eine Klarstellung geboten erscheinen. Die staatlichen Einwirkungsbefugnisse gegenüber Ersatzschulen im Bereich von Erziehungsbelangen schließen nicht das Recht ein, die Frage der Erlernbarkeit praktischer Alltagsfähigkeiten wie beispielsweise der Fähigkeit zu einem unbefangenen bzw. unverkrampften Umgang mit Angehörigen des anderen Geschlechts in die Genehmigungsprüfung einzubeziehen. Eine solche Fähigkeit mag bei natürlicher Betrachtung als Ausweis “sozialer Kompetenz” aufzufassen sein, verkörpert aber keine Wert- und Ordnungsvorstellung, wie sie für den Erziehungsbegriff kennzeichnend ist, von dem im Rahmen von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG ausgegangen werden muss. Sollte der Beklagte mit “sozialer Kompetenz” die Einprägung bestimmter materieller Leitbilder zum Geschlechterverhältnis verbinden, wäre ihm entgegenzuhalten, dass – jenseits des formalen Postulats der Gleichberechtigung – über den Inhalt solcher Leitbilder und die aus ihnen zu folgernden Einstellungs- und Verhaltensanforderungen bis hin zur Verpflichtung auf bestimmte partnerschaftliche Rollenmodelle innerhalb der Gesellschaft unterschiedliche Anschauungen verbreitet sind. Es bedarf hier keiner Klärung, inwiefern der Staat unter Berücksichtigung des elterlichen Erziehungsrechts (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) berechtigt ist, einzelne solcher Anschauungen in der Weise für sich zu vereinnahmen, dass er sie für den Bereich des öffentlichen Schulwesens als Erziehungsziel ausformuliert und dort den Schulen verbindlich vorgibt. Im Bereich des Privatschulwesens überschritte der Staat jedenfalls seine Bestimmungsmacht in Erziehungsfragen, würde er sich in seinen Vorgaben nicht auf das beschränken, was als Wert- und Ordnungsvorstellung schon kraft verfassungsrechtlicher Vorgaben, mindestens aber aufgrund eines allgemein für verbindlich erachteten gesellschaftlichen Minimalkonsenses zweifelsfrei nicht Gegenstand legitimer abweichender Betrachtung sein kann. Mit darüber hinausgehenden Vorgaben würde der Staat Position zu weltanschaulichen Streitfragen beziehen und damit die Gestaltungsfreiheit des privaten Schulträgers in einer Weise einschränken, die dem Staat jedenfalls im Wirkbereich des Art. 7 Abs. 4 GG verwehrt ist.
Rz. 25
cc. Die Einschätzung des Beklagten, wonach die Monoedukation im Gegensatz zur Koedukation in tatsächlicher Hinsicht nicht hinreichend eine Verinnerlichung der Gleichberechtigung der Geschlechter durch die Schüler gewährleiste, kann keinen Vorrang vor der entgegenstehenden Einschätzung des Klägers beanspruchen und daher die Genehmigungsversagung nicht tragen.
Rz. 26
(1) Dem Kläger ist freilich nicht darin zu folgen, dass die monoedukative Schulausrichtung schon deshalb nicht in die Prüfung der Gleichwertigkeit hinsichtlich der Lehrziele einbezogen werden dürfe, weil sie bei natürlicher Betrachtung kein Ziel, sondern ein Instrument darstelle. Zwar geht er im Grundsatz Recht mit seiner dahinter stehenden Annahme, Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG könne leerlaufen, dürften Schulgesetzgeber oder Schulverwaltung beliebige Regelungsanliegen als Lehrziel bzw. Erziehungsziel deklarieren, die dies begrifflich in Wahrheit nicht sein können. Dieser Einwand führt jedoch im vorliegenden Fall am Kern des Problems vorbei. Der Verinnerlichung der Gleichberechtigung der Geschlechter ist nach dem Vorgesagten die Qualität eines im Rahmen von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG rechtlich verbindlichen Erziehungsziels nicht abzusprechen. Weiter liegt auf der Hand, dass die Internalisierung von Wert- und Ordnungsvorstellungen – nicht anders übrigens als der Erwerb fachlicher Kenntnisse – zuweilen in einem untrennbaren Zusammenhang mit den methodischen und organisatorischen Rahmenbedingungen steht, unter denen der Unterricht veranstaltet wird. Der Schulbehörde darf der Einbezug solcher Rahmenbedingungen in die Genehmigungsprüfung nicht prinzipiell verwehrt sein, soll die staatliche Bestimmungsmacht im Bereich von Erziehungsfragen nicht von vornherein auf die Abwehr eklatanter, bereits auf Ebene der Zieldefinition des privaten Schulträgers zu Tage tretender Defizite beschränkt sein. Rechtfertigt schon eine bestimmte Methode oder Organisationsmodalität des Unterrichts wegen der hiervon ausgehenden Wirkungen auf die Schüler den Schluss, dass ein der Privatschule verbindlich vorgegebenes Erziehungsziel nicht erreicht werden kann, steht diese im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG in ihren Lehrzielen hinter öffentlichen Schulen zurück und ist ihr daher die Genehmigung als Ersatzschule zu versagen.
Rz. 27
(2) Bei der Anwendung dieser Maßgabe muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Freiheit der Methoden- und Formenwahl die Essenz der Privatschulfreiheit bildet. Der Wortlaut von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG macht dies darin kenntlich, dass die Genehmigungsfähigkeit als Ersatzschule erst im Falle eines “Zurückstehens” ausgeschlossen und damit von einer bloßen Ergebnisäquivalenz abhängig gemacht wird. Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG bezweckt nicht, die inhaltliche Einheit des Schulwesens zu sichern, sondern Schüler von Ersatzschulen vor einem ungleichwertigen Schulerfolg bzw. die Allgemeinheit vor unzureichenden Bildungseinrichtungen zu schützen (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2000 a.a.O. S. 268 bzw. 125; BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2011 a.a.O. Rn. 15; stRspr). Es ist gerade Kennzeichen der Privatschulen, dass in ihnen ein eigenverantwortlich geprägter und gestalteter Unterricht erteilt wird, auch in Bezug auf die Lehrmethode (BVerfG, Beschluss vom 14. November 1969 a.a.O. S. 200 f.; stRspr). Die Benachteiligung von Privatschulen allein wegen ihrer andersartigen Erziehungsformen verbietet sich daher (BVerfG, a.a.O. S. 201). Die Verfassung berücksichtigt hiermit unter anderem die Bezüge der Privatschulfreiheit zum elterlichen Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1992 – 1 BvR 167/87 – BVerfGE 88, 40 ≪46≫) und bekennt sich zu einem schulischen Pluralismus, der in dem Offensein für die Vielfalt der Formen und Inhalte, in denen Schule sich darstellen kann, zum Ausdruck kommt (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – 1 BvR 682, 712/88 – BVerfGE 90, 107 ≪116≫).
Rz. 28
(3) Vor diesem Hintergrund sind der Versagung einer Ersatzschulgenehmigung wegen der erzieherischen Wirkungen von methodischen und organisatorischen Rahmenbedingungen des Unterrichts hohe Hürden gesetzt. Die Freiheit des privaten Schulträgers schließt grundsätzlich ein, sich für Methoden und Organisationsformen des Unterrichts entscheiden zu dürfen, die in der schulpädagogischen Fachwelt kontrovers erörtert werden und deren erzieherische Ebenbürtigkeit mit Standards öffentlicher Schulen wissenschaftlich nicht erwiesen ist oder sogar von einzelnen Lehrmeinungen mit beachtlichen Gründen in Zweifel gezogen wird. Sie muss grundsätzlich auch die Wahl von Festlegungen ermöglichen, die von den staatlich Verantwortlichen für den Bereich des öffentlichen Schulwesens bewusst verworfen wurden. Wäre der private Schulträger auf Methoden und Organisationsformen beschränkt, die unter dem Gesichtspunkt ihrer erzieherischen Auswirkungen – für sich genommen wie im Hinblick auf ihre Ebenbürtigkeit mit den Standards öffentlicher Schulen – auf Seiten der Fachwelt wie der staatlichen Schulpolitik einhellig gutgeheißen werden, würde Art. 7 Abs. 4 GG letztlich kaum mehr als den bloßen Betrieb einer Privatschule gewährleisten. Die Freiheit der Methoden und Formenwahl muss gerade auch als Freiheit der schulpädagogischen Beurteilung verstanden werden, um der grundrechtlichen Gewährleistung volle Wirksamkeit zu verschaffen. Der private Schulträger darf die Schulgestaltung daher grundsätzlich anhand derjenigen Annahmen über pädagogische Wirkungszusammenhänge vornehmen, die er selbst für fachlich überzeugend hält. Eine diesbezügliche Korrektivfunktion verortet die Verfassung nicht in erster Linie bei der staatlichen Schulaufsicht, sondern bei den Eltern, die in Wahrnehmung ihres Erziehungsrechts (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) darüber zu entscheiden haben, ob sie ihr Kind einer Schule anvertrauen, die auf solchen Annahmen aufbaut.
Rz. 29
(4) Eine Grenze ist bei solchen Methoden und Organisationsformen erreicht, bei denen aufgrund eines im Wesentlichen gesicherten, in der Fachwelt weitgehend anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnisstandes davon auszugehen ist, dass ihre Eignung zur Verwirklichung eines rechtlich bindenden Erziehungsziels in unvertretbar hohem Maße geringer als diejenige der im öffentlichen Schulwesen gebräuchlichen Methoden und Organisationsformen ausfällt. Ist ein derartiger Grad an objektivierter Gewissheit darüber erreicht, dass der private Schulträger sich mit seiner fachlichen Einschätzung nicht innerhalb der Bandbreite noch als vertretbar einzustufender Lehrmeinungen bewegt, muss den Belangen der staatlichen Schulhoheit und dem Schutz der Allgemeinheit vor unzureichenden Bildungseinrichtungen Vorrang vor dem Bestimmungsrecht des privaten Schulträgers eingeräumt werden. Ein strengerer Maßstab indes würde dem Staat in letzter Konsequenz Entscheidungen über offene schulpädagogische Streitfragen übertragen und so die Eigenverantwortung des privaten Schulträgers gerade dort schmälern, wo die Verfassung ihr mit Bedacht breiten Raum öffnet. Er würde es dem privaten Schulträger zudem erschweren oder sogar verwehren, einzelne Methoden und Organisationsformen im Lichte unterschiedlicher, ggfs. sogar untereinander konfligierenden Zielgrößen zu bewerten und in diesem Zusammenhang bestimmte Abwägungen und Schwerpunktsetzungen vorzunehmen. Defizite in Bezug auf eine Zielgröße können im Lichte mit ihnen als Kehrseite einhergehender Vorteile in Bezug auf eine andere Zielgröße innerhalb eines gewissen Rahmens durchaus vertretbar sein und sind insoweit im Bekenntnis der Verfassung zum “schulischen Pluralismus” mit inbegriffen.
Rz. 30
(5) Die Schulbehörde darf vom privaten Schulträger nicht den Nachweis verlangen, dass von ihm vorgesehene methodische und organisatorische Rahmenbedingungen des Unterrichts die vorbezeichnete Grenze nicht überschreiten und sich mithin im Rahmen seines grundrechtlichen Bestimmungsrechts halten. Ist diese Grenze nach dem Ergebnis der von der Schulbehörde selbst unter Beachtung der vorstehenden Maßgaben vorzunehmenden Prüfung nicht überschritten, ist zugunsten des privaten Schulträgers davon auszugehen, dass dieser im Rahmen des Schulbetriebs – der auch den übrigen, ihrerseits qualitätssichernden Anforderungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG genügen muss – die ihm staatlicherseits bindend vorgegebenen Erziehungsziele beachten wird (vgl. bereits Urteil vom 19. Februar 1992 a.a.O. S. 15 bzw. 27). Um der Schulbehörde die für eine Prüfung benötigten Grundlagen zu vermitteln, ist der private Schulträger gehalten, im Rahmen der Antragstellung sein Konzept vorzustellen und hierbei insbesondere auch in Grundzügen zu skizzieren, welche pädagogischen Überlegungen er mit solchen methodischen und organisatorischen Rahmenbedingungen verbindet, mit denen er von staatlichen Standards abzuweichen beabsichtigt. Hierdurch wird zugleich sichergestellt, dass von staatlichen Standards nicht gänzlich unreflektiert abgewichen wird. Dieser Obliegenheit ist der Kläger im vorliegenden Fall ausweislich der Aktenlage nachgekommen.
Rz. 31
(6) Im Lichte der vorstehend dargestellten Maßstäbe darf eine Schulbehörde die ordnungsgemäß beantragte Genehmigung einer Privatschule als Ersatzschule nicht allein wegen ihrer monoedukativer Ausrichtung versagen (im Ergebnis ebenso Schmitt-Kammler/Thiel a.a.O. Rn. 68; Boysen a.a.O. Rn. 95; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz-Kommentar, 12. Aufl. 2011, Art. 7 Rn. 40):
Rz. 32
Die tatrichterliche Würdigung durch die Vorinstanz hat ergeben, dass das Erziehungsziel der Verinnerlichung der Gleichberechtigung der Geschlechter auch bei monoedukativem Unterricht erreicht werden kann. Die hiergegen angebrachte Verfahrensrüge des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe sich nicht mit dem in der Vorinstanz vom Beklagten beigebrachten Gutachten von Prof. Dr. F… auseinander gesetzt, greift schon deshalb nicht durch, weil das Oberverwaltungsgericht hierauf in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich eingegangen ist (UA S. 9, 12). Aus der Sicht des Senats erscheint die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts bei Zugrundelegung allgemein zugänglicher Erkenntnisse sachlich nachvollziehbar. Sie steht im Einklang mit dem Befund, dass monoedukativ ausgerichtete Schulen in Deutschland wie in anderen Staaten auf eine längere Tradition zurückblicken können und auch heute noch verbreitet sind, ohne dass valide Erkenntnisse über bei ihnen offenbar gewordene erzieherische Defizite gleich welcher Art allgemeinkundig geworden wären. In der schulpädagogischen Theorie wird über Vorzüge und Nachteile monoedukativer Schulen bis heute kontrovers diskutiert und hat sich keine einheitliche, unangefochtene Lehrauffassung über ihre pädagogische Wertigkeit herausgebildet, auch nicht in Bezug auf ihre Eignung zu der hier in Rede stehenden Verinnerlichung der Gleichberechtigung der Geschlechter durch die Schüler (vgl. die Forschungsüberblicke bei Stürzer, Zur Debatte um Koedukation, Monoedukation und reflexive Koedukation, in: dies. u.a., Geschlechterverhältnisse in der Schule, 2003, S. 171 ff.; Glumpler, Koedukation – Entwicklung und Perspektiven, Forschungsergebnisse zur Koedukation und ihre Bedeutung für die LehrerInnenausbildung, in: dies., Koedukation, Entwicklungen und Perspektiven, 1994, S. 9 ff.; Grünewald-Huber, Koedukation und Gleichstellung, 1997, S. 29 ff.; Leonard, Single-Sex-Schooling, in: The SAGE Handbook of Gender and Education, 2006, S. 190 ff.). Dem widerspricht letztlich auch nicht das vom Beklagten in der Vorinstanz vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. F…, das – auf der Basis einer früheren Befragung von 1700 Schülern mono- wie koedukativer Schulen und einer sozialisationstheoretisch angeleiteten Einordnung ihrer Ergebnisse – zwar im Ergebnis “strukturell günstigere Voraussetzungen” der Koedukation für die Sicherung von Gleichstellung und Gleichwertigkeit der Geschlechter konstatiert (S. 15), aber nicht beansprucht, insoweit einen einhelligen, gesicherten Forschungsstand abzubilden oder einen objektiv zwingenden Nachweis zu führen, dass es unter den Bedingungen der Monoedukation schlechthin unmöglich oder auch nur in einem unvertretbar höherem Maße als unter den Bedingungen der Koedukation erschwert wäre, dieses Ziel zu verwirklichen. Das genannte Gutachten referiert selbst Gegenpositionen zu seinem eigenen Standpunkt (S. 4, 9) und spricht von einem Mangel einschlägiger Forschungsarbeiten (S. 2). An einigen Stellen tritt zudem hervor, das es von einem weitergehenden Verständnis des Konzepts der Gleichberechtigung der Geschlechter ausgeht, als es nach dem oben Gesagten im hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Zusammenhang zulässig ist, beispielsweise wenn Hinweise angesprochen werden, wonach die “Geschlechtertrennung eher die Neigung verstärkt, Typisierungen vorzunehmen” (S. 14). Eine Verstärkung typisierender Sichtweisen auf die Geschlechter als Folge monoedukativen Unterrichts mag aus geschlechterpädagogischem Blickwinkel zu Recht zu beanstanden sein und insofern einen legitimen Ansatz für fachwissenschaftliche Kritik an monoedukativen Schulen bieten, würde aber für sich genommen noch nicht belegen, dass die Schüler solcher Schulen die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht hinreichend verinnerlichen.
Rz. 33
(7) Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, eine Beurteilungsprärogative der Schulbehörde in Erwägung zu ziehen. Der spezialisierte Sachverstand der Schulverwaltung in Bezug auf schulpädagogische Fachfragen rechtfertigt im Grundsatz ebenso wenig wie in anderen Feldern, in denen gleichfalls spezieller administrativer Sachverstand vorhanden ist, eine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte. Das Bundesverfassungsgericht hat in Bezug auf die Anwendung von Art. 7 Abs. 5 GG und das dort geregelte Merkmal des “besonderen pädagogischen Interesses” ausgesprochen, dass die Frage, ob ein Erziehungskonzept wissenschaftlich abgesichert ist, sich innerhalb der Bandbreite wissenschaftlich anerkannter pädagogischer Konzepte hält und Methoden vorsieht, die jedenfalls von ernstzunehmenden Teilen der Pädagogik als wissenschaftlich begründbar angesehen werden, durch die Verwaltungsgerichte selbst, ggfs. mithilfe von Sachverständigen, geklärt werden kann (Beschluss vom 16. Dezember 1992 a.a.O. S. 62). Ausgehend hiervon ergibt sich im vorliegenden Fall für die Annahme einer Beurteilungsprärogative des Beklagten im Hinblick auf die Frage, ob die oben skizzierten Grenzen überschritten sind, keine tragfähige Grundlage.
Rz. 34
2. Die Genehmigung einer monoedukativ ausgerichteten Privatschule als Ersatzschule verstößt nicht gegen die aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG folgende, insoweit mit Art. 3 Abs. 3 GG deckungsgleiche (vgl. Kischel in Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Stand 1.10.2012, Art. 3 Rn. 162 m.w.N.) Maßgabe, Frauen und Mädchen nicht aufgrund ihres Geschlechts nachteilig zu behandeln.
Rz. 35
Die Beschränkung des Schülerkreises auf Angehörige des männlichen Geschlechts beruht auf einer Entscheidung des Klägers, der hiermit in Ausübung grundrechtlicher Freiheit handelt und seinerseits nicht Grundrechtsverpflichteter ist. Dass der Ersatzschulbetrieb nur auf Grundlage einer staatlichen Genehmigung aufgenommen werden darf, ordnet die Entscheidung über die Beschränkung des Schülerkreises nicht der Genehmigungsbehörde zu. Ist der Genehmigungsbehörde aufgrund von Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG verwehrt, diese Entscheidung – die sich nach dem oben Gesagten im Einklang mit dem Erziehungsziel der Gleichberechtigung der Geschlechter befindet – zum Anlass einer Genehmigungsversagung zu nehmen, so wäre es verfassungssystematisch unstimmig, etwas Gegenteiliges aus Art. 3 Abs. 2 GG herleiten zu wollen. Genügt die Schule den Anforderungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG, greift das Recht des privaten Schulträgers, die Schüler selbst auszuwählen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 23. November 2004 – 1 BvL 6/99 – BVerfGE 112, 74 ≪83≫; BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 – III ZR 74/07 – BGHZ 175, 102 ≪108≫). Unabhängig davon wird der in Art. 3 Abs. 2 GG verankerte Anspruch von Angehörigen des weiblichen Geschlechts, Zugang zu einer materiell gleichwertigen Schulausbildung zu erlangen, im Allgemeinen nicht dadurch verletzt, dass eine einzelne Bildungseinrichtung sich auf die Unterrichtung von Angehörigen des männlichen Geschlechts beschränkt; umgekehrt gilt Entsprechendes.
Rz. 36
3. Die vom Beklagten angeführten völkervertragsrechtlichen Bindungen können schon deshalb nicht zu einer abweichenden grundrechtlichen Inhaltsbestimmung führen, weil sie einer Genehmigung monoedukativer Ersatzschulen sachlich nicht entgegenstehen.
Rz. 37
a. Gemäß Art. 2a des Übereinkommens vom 15. Dezember 1960 gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen (BGBl 1968 II S. 386) ist den Vertragsstaaten das Recht belassen, monoedukative Bildungseinrichtungen zu unterhalten, soweit sie eine gleichwertige Ausbildung gewährleisten. Nichts anderes kann in Bezug auf Privatschulen gelten, deren Zulässigkeit in Art. 2c des Übereinkommens erwähnt wird. Der Einwand des Beklagten, Schulen müssten nach dem Übereinkommen eine diskriminierungs- wie vorurteilsfreie Bildung und Erziehung gewährleisten, verfängt nicht, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies im Hinblick auf monoedukative Schulen nicht der Fall sein könnte. Soweit der Beklagte ferner vorträgt, monoedukative Ersatzschulen seien nach dem Übereinkommen nur zulässig, wenn vergleichbare Schulen im Bereich des öffentlichen Schulwesens existieren, überdehnt er die Maßgabe aus Art. 2c, wonach private Unterrichtsanstalten darauf gerichtet sein müssen, zusätzliche zu den durch die öffentliche Hand bereitgestellten Unterrichtsmöglichkeiten zu bieten. Hiermit soll ersichtlich nur sichergestellt werden, dass Privatschulen nicht genutzt werden, um einzelne Bevölkerungsgruppen aus dem öffentlichen Schulsektor zu drängen.
Rz. 38
b. Art. 13 Abs. 1 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (BGBl 1973 II S. 1570) mit seinem Bekenntnis zur vollen Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und zur Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten im Rahmen der Bildung sowie Art. 29 Abs. 1d des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (BGBl 1992 II S. 122), wonach die Bildung des Kindes darauf gerichtet sein muss, es auf ein verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft im Geiste u.a. der Gleichberechtigung der Geschlechter vorzubereiten, hindern nicht die Genehmigung monoedukativer Ersatzschulen. Dass Schüler auch im Rahmen monoedukativen Unterrichts die Gleichberechtigung der Geschlechter verinnerlichen können, ist oben bereits ausgeführt worden.
Rz. 39
c. Die Verpflichtung aus Art. 10c des Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (BGBl 1985 II S. 648), geeignete Maßnahmen zur Beseitigung bildungsbezogener Diskriminierungen von Frauen zu treffen und in diesem Zusammenhang die “Koedukation und sonstige Erziehungsformen”, die zur Beseitigung stereotyper Auffassungen in Bezug auf die Rolle von Mann und Frau beitragen, zu fördern, hindert gleichfalls nicht die Genehmigung monoedukativer Ersatzschulen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Vorschrift die Koedukation nicht als einzige zur Beseitigung stereotyper Rollenbilder geeignete “Erziehungsform” behandelt. Zudem würde der rechtliche Gehalt der vertraglich vereinbarten Förderpflicht überzeichnet werden, wollte man dieser eine Untersagungspflicht entnehmen.
Rz. 40
4. Der Beklagte ist verpflichtet, das Genehmigungsverfahren fortzusetzen. Er wird hierbei insbesondere zu prüfen haben, ob die vom Kläger geplante Schule im Hinblick auf die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrkräfte sowie im Hinblick auf die Einrichtungen – d.h. ihre sächlich-organisatorische Ausstattung (vgl. Uhle in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Stand 1.10.2012, Art. 3 Rn. 84) – nicht hinter öffentlichen Schulen zurücksteht und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird (Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG). Ferner wird der Beklagte zu prüfen haben, ob die Schule ausgehend vom Konzept des Klägers in sonstiger Hinsicht hinsichtlich ihrer Lehrziele nicht hinter öffentlichen Schulen zurücksteht.
Rz. 41
Die Unzulässigkeit einer Genehmigungsversagung allein wegen der monoedukativen Ausrichtung der Schule schließt nicht zwingend aus, dass diese aufgrund sonstiger, nicht mit dieser Ausrichtung im Zusammenhang stehender Eigenarten keine hinreichende Gewähr für eine Verinnerlichung der Gleichberechtigung der Geschlechter durch die Schüler bietet, wiewohl hierfür nach der Aktenlage nichts ersichtlich ist. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass im Lichte des oben Gesagten kein Raum für kompensatorische Vorgaben der Art besteht, wie sie erstinstanzlich das Verwaltungsgericht (UA S. 11 f. – gezielte Unterrichtsmaterialien, Referentinnen aus dem Bereich der Frauenpolitik) und ansatzweise auch das Oberverwaltungsgericht (UA S. 12 – dort aufgeworfene Frage der Ergänzungsbedürftigkeit) in Erwägung gezogen haben. Solche – von den Vorinstanzen gerade an die monoedukative Schulausrichtung angeknüpften – Vorgaben würden die grundrechtlich geschützte Einschätzung des Klägers entwerten, dass die Monoedukation die Verwirklichung des Erziehungsziels der Verinnerlichung der Gleichberechtigung der Geschlechter durch die Schüler nicht hindert. Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass aufgrund eines im Wesentlichen gesicherten, weitgehend anerkannten fachwissenschaftlichen Erkenntnisstands eine Verinnerlichung der Gleichberechtigung der Geschlechter durch Schüler monoedukativer Schulen nur unter der Bedingung für möglich zu erachten wäre, dass Vorgaben dieser Art umgesetzt werden.
Rz. 42
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Neumann, Büge, Dr. Möller, Hahn, Prof. Dr. Hecker
Fundstellen
Haufe-Index 3609602 |
BVerwGE 2013, 333 |
DÖV 2013, 608 |
JZ 2013, 90 |
LKV 2013, 316 |
VR 2013, 251 |
DVBl. 2013, 724 |
NordÖR 2013, 152 |
SchuR 2013, 103 |