Entscheidungsstichwort (Thema)
Redlicher Erwerb. Grundstückskauf. Zweiterwerb. Schwarzgeldabrede. zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrages. sittliche Anstößigkeit. Erwerbsbezogenheit. Alleinerwerb von Grundstücken durch Ehegatten. Verbot der Grundstückskonzentration
Leitsatz (amtlich)
Der Rechtserwerb an einem Grundstück ist nicht deshalb unredlich, weil der zugrunde liegende Kaufvertrag unter gleichzeitiger Vereinbarung von “Schwarzgeld” abgeschlossen worden ist. Ein mit einer Schwarzgeldabrede verbundener Kaufvertrag stellte unter den besonderen Gegebenheiten in der DDR keine sittlich anstößige, moralisch verwerfliche Manipulation im Sinne des Vermögensrechtes dar. Für die Beurteilung der sittlichen Anstößigkeit des Erwerbsvorganges ist es unerheblich, ob der an der Schwarzgeldabrede beteiligte Veräußerer selbst Restitutionsansprüche geltend macht oder ein früherer Inhaber des Vermögenswertes.
Normenkette
VermG § 4 Abs. 2-3; ZGB der DDR § 305; FGB der DDR §§ 13-14
Verfahrensgang
VG Halle (Saale) (Urteil vom 27.02.2002; Aktenzeichen 1 A 2189/98) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 27. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Tatbestand
I.
Der Kläger beansprucht die Rückübertragung eines 3 784 m(2) großen Grundstücks Gemarkung N.…, Flur 2 Flurstück 26/13, H….fang 19a.
Das Grundstück war ursprünglich als Gartenland genutzt. Später wurden darauf verschiedene Bauten (Abstell- und Geflügelhalle), zuletzt 1989 16 Garagen, Gartenlauben, eine Werkstatthalle sowie eine Doppelgarage errichtet. Das Grundstück stand ursprünglich im Eigentum des Klägers und seiner 1980 verstorbenen, von ihm allein beerbten Ehefrau. Beide flohen 1958 nach Westdeutschland. Daraufhin ist das Grundstück zunächst vom Vater des Klägers genutzt und verwaltet worden. Unmittelbar vor dessen Ausreise zu seinem Sohn wurde im September 1971 der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung (im Folgenden: KWV) H.… unter Bezugnahme auf die Anordnung Nr. 2 vom 20. August 1958 als staatlicher Verwalter rückwirkend auf September 1958 eingesetzt. Das streitbefangene Grundstück verkaufte der VEB KWV mit Kaufvertrag vom 15. November 1971 unter Hinweis auf § 1 Abs. 2 der Verwalterverordnung der DDR vom 11. Dezember 1968 an die Eheleute M.… zu einem Kaufpreis von 9 100 Mark. Deren Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch erfolgte im Dezember 1971.
Nach Stellung eines Antrages auf Ausreise aus der DDR schlossen die Eheleute M.… mit dem Beigeladenen einen notariellen Grundstückskaufvertrag unter dem 20. September 1989. Die Ehefrau des Beigeladenen erklärte sich darin mit dem alleinigen Erwerb des streitbefangenen Grundstücks durch ihren Ehemann einverstanden. Der Kaufpreis betrug ausweislich der Vertragsurkunde 12 740 Mark. Er entsprach einem zuvor erstellten Wertermittlungsgutachten vom August 1989. Im Kaufvertrag wurde den Eheleuten M.… u.a. ein Nutzungsrecht für zwei Jahre für die sich auf dem Grundstück befindende Doppelgarage eingeräumt. Nachdem der Grundstückserwerb aufgrund der Grundstücksverkehrsverordnung am 8./10. November 1989 genehmigt worden und die Grundbucheintragung erfolgt war, zahlte der Beigeladene über den genannten Betrag hinaus noch weitere 47 260 Mark in bar, so dass insgesamt 60 000 Mark als Kaufpreis entrichtet worden sind. Unmittelbar nach Genehmigung des Ausreiseantrages verließen die Eheleute M.… am 4. Dezember 1989 die DDR.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 1990 meldete der Kläger vermögensrechtliche Ansprüche beim Beklagten im Wesentlichen mit der Begründung an, der Erwerb des streitbefangenen Grundstücks durch den Beigeladenen sei unwirksam. Der zugrunde liegende Kaufvertrag sei als Scheingeschäft zu bewerten und damit nichtig. Auch sei der Erwerb alleinigen Grundeigentums durch einen einzelnen Ehepartner unzulässig gewesen. Zudem sei die am 10. November 1989 erteilte Grundstücksverkehrsgenehmigung erst nach der Wende erteilt worden, als ein redlicher Erwerb nicht mehr möglich gewesen sei. Auch sei der Beigeladene als Betriebsschullehrer und Inhaber einer Yacht privilegiert gewesen. Er habe auch von der früheren Eigentümersituation und den Grundstücksübertragungen Kenntnis gehabt.
Nachdem die Beklagte mit einem zwischenzeitlich bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 20. September 1994 einen auf das streitbefangene Grundstück bezogenen Rückübertragungsantrag der Eheleute M.… wegen Fehlens unlauterer Machenschaften bei der Veräußerung im September 1989 abgelehnt hatte, versagte sie mit Bescheid vom 24. Januar 1995 unter gleichzeitiger Feststellung der vermögensrechtlichen Berechtigung des Klägers auch eine Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks an diesen. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Zwar sei vom Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG auszugehen. Jedoch sei eine Rückübertragung ausgeschlossen, weil ein redlicher Erwerb seitens des Beigeladenen vorliege. Es könne dahinstehen, ob der Erwerb durch die Eheleute M.… im Jahr 1971 bereits redlich gewesen sei. Denn es komme nur auf die Redlichkeit des letzten Erwerbsvorgangs an, mithin den Grundstückserwerb durch den Beigeladenen im September 1989. Zu diesem allein maßgeblichen Zeitpunkt sei von der Redlichkeit des Betreffenden auszugehen. Die Vereinbarung und Zahlung des “Schwarzgeldes” sei ohne Bedeutung, wie schon die Regelung des § 305 Abs. 3 ZGB der DDR zeige. Auch der Erwerb allein durch den Beigeladenen sei nicht zu beanstanden, da hierzu dessen Ehefrau im Kaufvertrag ihr Einverständnis erklärt habe, was nach § 14 des FGB der DDR zulässig gewesen sei. Zudem sei die Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung am 8. November 1989 mangels Anhaltspunkten für ein manipulativ durchgeführtes Genehmigungsverfahren nicht rechtswidrig gewesen. Den Widerspruch des Klägers wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 1998 zurück.
Zur Begründung seiner am 23. Dezember 1998 erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen noch zusätzlich vorgetragen: Der Beigeladene habe seine “Rechtsposition” erst nach dem Stichtag des 18. Oktober 1989 erworben. Nach § 68 Abs. 1 Ziff. 1 und 4 ZGB der DDR sei der Kaufvertrag nichtig gewesen, da der beurkundete niedrige Kaufpreis nicht vom Rechtsfolgewillen der Parteien gedeckt gewesen sei. Auch die Grundstücksverkehrsgenehmigung hätte wegen der Höhe des Entgelts, die die Verfolgung spekulativer Zwecke belege, versagt werden müssen.
Demgegenüber hat die Beklagte die ergangenen Bescheide verteidigt und darauf hingewiesen, dass die zivilrechtliche Wirksamkeit des Kaufvertrages bedeutungslos sei, da hier bereits eine in der Rechtswirklichkeit der DDR unangreifbare Eigentümerstellung erlangt worden sei. Auch die genannte Stichtagsregelung sei nicht einschlägig, da der gegenwärtige Rechtsinhaber nach dem 18. Oktober 1989 von einem redlichen Zwischenerwerber erworben habe, ohne dass ein neuer Schädigungstatbestand verwirklicht worden sei.
Der Beigeladene hat im Wesentlichen vorgebracht, es sei zweifelhaft, ob der Kläger sich auf einen Schädigungstatbestand berufen könne, da er den Eigentumswechsel 1971 selbst initiiert habe. Das in der DDR geltende Verbot, mehrere Grundstücke zu erwerben, greife nur ein, wenn es sich um gleichartige Grundstücke gehandelt habe. Daran fehle es jedoch, da das 1989 von ihm erworbene Gartengrundstück nicht mit dem seiner Frau gehörenden Wohngrundstück gleichzusetzen sei. Auch sein alleiniger Erwerb sei nicht zu beanstanden gewesen. Er habe das hierfür erforderliche Geld von seinen Eltern persönlich erhalten. Der Erwerb des Wohngrundstücks durch seine Ehefrau beruhe hingegen auf einer vorweg genommenen Erbfolge.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Februar 2002 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger zwar gemäß § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG berechtigt sei. Eine Restitution an ihn sei aber ausgeschlossen, da der Erwerb des Beigeladenen bereits vor dem maßgeblichen Stichtag des § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG durch den Kaufvertrag vom 20. September 1989 erfolgt und dieser Erwerbsvorgang auch redlich gewesen sei. Etwaige zivilrechtliche Mängel des Vertrages seien bedeutungslos. Eine sittlich anstößige Manipulation, die regelmäßig im Verhalten staatlicher Stellen liege und deren Verhalten sich der Erwerber unter bestimmten Voraussetzungen zurechnen lasse müsse, liege nicht vor. Bei einem beiden Vertragsparteien gleichermaßen zurechenbaren Rechtsverstoß fehle es an der sittlich auf Ausgleich drängenden Anstößigkeit. Die Zahlung von Schwarzgeld könne jedenfalls keine Unredlichkeit begründen, da sie nur dazu gedient habe, dem Verkäufer ein höheres Entgelt zu verschaffen, als nach DDR-Recht zulässig gewesen sei. Auch die Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung im November 1989 sei nicht zu beanstanden. Ebenso läge keine unzulässige Grundstückskonzentration im Sinne des DDR-Rechts vor, da nur die Ehefrau des Beigeladenen Grundeigentum besessen habe. Zudem fehle es an der Gleichartigkeit der beiden Grundstücke.
Gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil hat der Kläger die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts und vertieft sein bisheriges Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 27. Februar 2002 sowie den Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen der Stadt Halle vom 24. Januar 1995 und den Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. November 1998 aufzuheben, soweit es nicht um die Berechtigtenfeststellung geht, und die Beklagte zu verpflichten, das Grundstück Gemarkung N.…, Flur 2 Flurstück 26/13, H.… fang 19a, an ihn zurückzuübertragen.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet (§ 144 Abs. 2 VwGO).
Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Nachdem die Berechtigung des Klägers im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG und damit das Vorliegen einer Schädigungsmaßnahme nach § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG vom Verwaltungsgericht zutreffend bejaht worden ist und zwischen den Beteiligten auch außer Streit steht, erstreckt sich die revisionsgerichtliche Überprüfung allein auf die Frage, ob das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen ist, dass die Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks wegen redlichen Eigentumserwerbs seitens des Beigeladenen gemäß § 4 Abs. 2 und 3 VermG ausgeschlossen ist. Diese Frage ist zu bejahen.
Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ist die Rückübertragung u.a. dann ausgeschlossen, wenn natürliche Personen nach dem 8. Mai 1945 in redlicher Weise an dem Vermögenswert Eigentum erworben haben. In ständiger Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass in § 4 Abs. 3 VermG der Gesetzgeber Regelbeispiele für die Unredlichkeit beim Erwerb benannt hat, wobei die in Betracht kommenden Fallgestaltungen nicht abschließend geregelt sind. Allgemein kennzeichnend für die Unredlichkeit und Voraussetzung für deren Annahme ist, dass der Erwerb auf einer sittlich anstößigen, d.h. moralisch verwerflichen Manipulation beruht, an der der Erwerber in vorwerfbarer Weise beteiligt war. Das soziale Unwerturteil, das aufgrund des Gesamtbildes der Umstände zu fällen ist, kann sich dabei auf den Erwerbsvorgang selbst oder auch die Erwerbshintergründe beziehen. Die für die Annahme der Unredlichkeit in Betracht kommenden Umstände müssen jeweils erwerbsbezogen in dem Sinne sein, dass sie den Erwerbsvorgang selbst betreffen und ihn “als auf einer sittlich anstößigen Manipulation beruhend” erscheinen lassen. Deshalb genügt die bloße Kausalität eines manipulativen Handelns für einen späteren Erwerb nicht, wenn dieses nicht auch auf ihn selbst ausstrahlt und ihn sittlich anstößig erscheinen lässt (stRspr des BVerwG: Urteil vom 22. November 2001 – BVerwG 7 C 8.01 – Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 15; Urteil vom 31. Juli 2002 – BVerwG 8 C 36.01 – VIZ 2002, 71 f. – zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 § 4 Abs. 2 VermG vorgesehen).
In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht zu Recht das Vorliegen einer sittlich anstößigen Manipulation bei dem entscheidenden Erwerbsvorgang, dem am 20. September 1989 zwischen dem Beigeladenen und den Eheleuten M.… abgeschlossenen Kaufvertrag, verneint. Es hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend darauf abgestellt, dass es bei mehrfachem Erwerb des von einer Maßnahme gemäß § 1 VermG betroffenen Vermögenswertes auf die Redlichkeit des letzten Erwerbsvorganges ankommt (vgl. Urteil vom 27. Oktober 1995 – BVerwG 7 C 56.94 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 24). Bei der Prüfung der Redlichkeit des Erwerbs ist mithin allein auf die Person des gegenwärtigen und damit letzten Rechtsinhabers und dessen rechtsgeschäftlichen Erwerb abzustellen. Dies entspricht allein dem Normzweck des § 4 Abs. 2, Abs. 3 VermG, wonach ein sozial verträglicher Ausgleich zwischen dem Restitutionsinteresse des Alt-Eigentümers und dem schutzwürdigen berechtigten Vertrauen des Erwerbers auf den Bestand des Rechtsgeschäftes zu schaffen ist (vgl. stRspr, Beschluss vom 23. Juni 1995 – BVerwG 7 PKH 2.94 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 20; Urteil vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 9.99 – Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 3; Urteil vom 13. September 2000 – BVerwG 8 C 12.99 – Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 11). Dementsprechend ist nur auf eine Redlichkeit des Beigeladenen als gegenwärtigen Verfügungsberechtigten im Zeitpunkt des rechtsgeschäftlichen Erwerbs durch den Kaufvertragsabschluss vom 20. September 1989 abzustellen. Die Frage einer Redlichkeit der Eheleute M.… bei deren Grundstückserwerb im Jahr 1971 ist entgegen der Auffassung der Revision belanglos.
Entgegen der Meinung des Klägers kommt es auch nur auf das Datum des Abschlusses des Kaufvertrages am 20. September 1989 an und nicht etwa auf den Zeitpunkt der Genehmigung des Vertrages nach der Grundstücksverkehrsverordnung der DDR oder gar auf den Zeitpunkt der Grundbucheintragung am 10. November 1989. Das belegt schon der Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG, wo von dem “dem Erwerb zugrunde liegenden Rechtsgeschäft” die Rede ist. Dasselbe belegt auch der Wortlaut des Rückausnahmetatbestands des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VermG, wo ebenfalls vom “Erwerb” die Rede ist und zwar von seiner schriftlichen Beantragung vor dem 19. Oktober 1989. Da somit der Abschluss des Kaufvertrages maßgebend ist, spielt die vom Kläger angesprochene Stichtagsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG keine Rolle (vgl. hierzu Urteil vom 27. Oktober 1995 – BVerwG 7 C 56.94 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 24).
Entgegen der Auffassung des Klägers scheitert der maßgebliche Grundstückserwerb auch nicht daran, dass er in Anwendung des damals geltenden DDR-Rechts etwa als ein nichtiges Scheingeschäft nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 und 4 ZGB zu bewerten wäre. Nach § 305 Abs. 3 ZGB galt nämlich für den Fall, dass ein Verstoß gegen die Preisanordnung Nr. 415 vom 6. Mai 1955 durch Täuschung staatlicher Stellen durch Beurkundung des erlaubten Kaufpreises und verdeckter Vereinbarung einer darüber hinausgehenden Schwarzgeldzahlung vorlag, der im Grundstückskaufvertrag zwecks Täuschung beurkundete niedrigere Kaufpreis, so dass der Kauf selbst wirksam blieb. Der Preisverstoß führte lediglich zu einer Teilnichtigkeit der verdeckten höheren Kaufpreisvereinbarung und gegebenenfalls zur Einziehung des zu Unrecht Erlangten gemäß § 88 Abs. 2 und § 69 Abs. 2 ZGB (vgl. Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, Staatsverlag der DDR, 1985, Nr. 3 zu § 305 ZGB i.V.m. § 68 ZGB zu Nr. 2 und § 69 ZGB zu Nr. 2.4). Von der nach DDR-Recht zu beurteilenden Wirksamkeit des Kaufvertrages auch im Falle einer Schwarzgeldvereinbarung geht entgegen der Annahme des Klägers ebenfalls der Bundesgerichtshof aus (vgl. Urteil vom 7. Mai 1993 – BGH V ZR 99/92 – DtZ 1993, 245; vgl. ebenso Beschluss vom 18. Mai 2001 – BVerwG 7 B 7.01). Im Übrigen setzt der redliche Erwerb nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG auch kein zivilrechtlich wirksames Rechtsgeschäft voraus. Das folgt aus § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG, wonach ein möglicherweise zu zivilrechtlicher Unwirksamkeit führender Rechtsverstoß für die Annahme der Unredlichkeit allein nicht genügt, vielmehr die Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis des Erwerbers hiervon und sein fehlendes Vertrauen in den Bestand der Eigentümerstellung hinzukommen muss (stRspr des BVerwG, Urteil vom 18. Januar 1996 – BVerwG 7 C 20.94 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 25; Urteil vom 19. Januar 1995 – BVerwG 7 C 42.93 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 12).
Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht auch allein das Regelbeispiel des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG seiner Prüfung zugrunde gelegt. Danach ist der Rechtserwerb regelmäßig unredlich, wenn er nicht im Einklang mit den im Erwerbszeitpunkt geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis der DDR stand und der Erwerber dies wusste oder hätte wissen müssen. Hinzu kommen muss das Vorliegen einer dem Erwerber zurechenbaren sittlich anstößigen Manipulation, die bei objektiver Betrachtung die Absicht erkennen lässt, den Erwerbsvorgang gezielt zu beeinflussen, wobei bei dieser Fallgestaltung keine aktive Mitwirkung des Erwerbers an der Manipulation erforderlich ist (stRspr des BVerwG: vgl. Urteil vom 19. Januar 1995 – BVerwG 7 C 42.93 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 12; Urteil vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 9.99 – Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 3; Urteil vom 28. März 2001 – BVerwG 8 C 2.00 – Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 12). In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht zwar nicht ausdrücklich festgestellt, dass die vorliegende Vereinbarung und Zahlung von Schwarzgeld nicht im Einklang mit den allgemeinen Rechtsvorschriften der DDR stand. Es hat vielmehr das Vorliegen einer sittlich anstößigen Manipulation verneint, worin ihm im Ergebnis zuzustimmen ist. Die vorliegende Vereinbarung und Zahlung von Schwarzgeld stellte allerdings unter Zugrundelegung des DDR-Rechts einen Verstoß gegen die Preisanordnung Nr. 415 vom 6. Mai 1955 und auch gegen § 305 Abs. 1 ZGB dar. Dem Kläger ist zwar insoweit zu folgen, dass das Verbot überhöhter Kaufpreisvereinbarungen allgemein in der DDR und damit auch dem Beigeladenen bekannt sein musste. Das reicht jedoch nicht für die Annahme einer sittlich anstößigen Manipulation aus. In den Fällen einer Schwarzgeldabrede zwischen dem einen Restitutionsantrag stellenden Veräußerer und dem Erwerber fehlt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an einer sittlich anstößigen Manipulation (Beschluss vom 6. Januar 1994 – BVerwG 7 B 200.93 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 5; Beschluss vom 13. März 2001 – BVerwG 7 B 132.00 –; Beschluss vom 18. Mai 2001 – BVerwG 7 B 7.01 –; Beschluss vom 13. Juli 2001 – BVerwG 7 B 20.01 –; Beschluss vom 20. Februar 2002 – BVerwG 7 B 98.01 –; Urteil vom 28. März 2001 – BVerwG 8 C 2.00 – Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 12; Beschluss vom 15. Oktober 2001 – BVerwG 8 B 104.01 – Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 4).
Ausgehend vom Schutzzweck der Regelung des § 4 Abs. 2 und Abs. 3 VermG, “einen sozialverträglichen Ausgleich zwischen dem Interesse der Berechtigten an der Rückgabe ihrer in der DDR rechtstaatswidrig entzogenen Vermögenswerte und dem Interesse von Bürgern der DDR herzustellen, die daran in der Zwischenzeit Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte erworben hatten” (Urteil vom 19. Januar 1995 – BVerwG 7 C 42.93 – BVerwGE 97, 286 ≪292 –) haben damit beide für das Vermögensrecht zuständigen Senate des Bundesverwaltungsgerichts eine sittlich anstößige Manipulation bei einer Schwarzgeldvereinbarung zwischen den genannten Personen verneint. “Denn der mit den Restitutionsvorschriften bezweckte sozialverträgliche Ausgleich würde geradezu auf den Kopf gestellt, hielte man einem Käufer, der sich einem solchen Verlangen des Verkäufers beugt, eine die Unredlichkeit des Erwerbsgeschäfts kennzeichnende sittlich anstößige Manipulation vor mit der Folge, dass er die Rückübertragung des Vermögenswertes an den Verkäufer hinnehmen müsste” (Beschluss vom 13. März 2001 – BVerwG 7 B 132.00 –). In die gleiche Richtung zielt das Argument, dass einer Schwarzgeldabrede “die sittliche, auf Ausgleich drängende Anstößigkeit i.S. des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG” dann fehle, wenn der Verstoß gegen Rechtsvorschriften der DDR “auf einem bewussten und gezielten Zusammenwirken des Verkäufers und des Erwerbers zur Täuschung der staatlichen Stellen” beruhe, wenn also der Rechtsverstoß “den Vertragparteien gleichermaßen oder gar in erster Linie dem Verkäufer zuzurechnen ist” (vgl. Urteil vom 28. März 2001 – BVerwG 8 C 2.00 – Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 12 S. 37 ≪44-).
Das Verwaltungsgericht hat sich diese Rechtsprechung im Ergebnis zutreffend zu eigen gemacht und der hier vorliegenden Schwarzgeldabrede zwischen dem Beigeladenen und den Eheleuten M.… die sittliche Anstößigkeit abgesprochen. Der Umstand, dass vorliegend nicht der die Restitution begehrende, frühere Eigentümer an der Schwarzgeldabrede mitgewirkt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Das folgt schon daraus, dass auf die Redlichkeit des letzten Erwerbsvorgangs abzustellen ist (vgl. Urteil vom 27. Oktober 1995 – BVerwG 7 C 56.94 – a.a.O.), an dem hier der frühere Eigentümer gar nicht beteiligt sein konnte. Dafür spricht vor allem die folgende Überlegung: Die von § 4 Abs. 2 und 3 VermG bezweckte Schaffung eines sozialverträglichen Ausgleichs stellt entscheidend darauf ab, ob sich der Erwerber selbst “sittlich anstößig” verhält, nicht hingegen, ob allein dem Veräußerer ein Rechtsverstoß in gleichgewichtiger Weise zur Last zu legen ist und deswegen nichts auf einen sozialen Ausgleich hindrängt. Es kommt damit ausschlaggebend auf die Absichten und die Vorstellung des Erwerbers an. Dies belegt schon der Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG, wonach darauf abgestellt wird, dass “natürliche Personen … in redlicher Weise an dem Vermögenswert Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte erworben haben”. Die redliche Weise bezieht sich damit nicht auf den Veräußerer oder gar – wie im vorliegenden Fall – auf einen Vorveräußerer. Es soll nämlich nur das berechtigte Vertrauen der DDR-Bürger auf den Bestand manipulationsfrei aufgrund der damaligen Rechtslage in der DDR erworbener Vermögenswerte geschützt werden, wobei vorliegend die Schwarzgeldabrede nach der Wertung des § 305 Abs. 3 ZGB dem Grundstückserwerb gerade nicht die Wirksamkeit nahm. Die berechtigten Erwartungen des Erwerbers sollen damit nicht enttäuscht werden und der Vermögenswert trotz der grundlegenden Veränderungen der politischen und rechtlichen Verhältnisse des Jahres 1989 behalten werden dürfen (Beschluss vom 23. Juni 1995 – BVerwG 7 PKH 2.94 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 20; Urteil vom 28. Februar 2001 – BVerwG 8 C 3.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 28). Dementsprechend kommt es auch für die Frage, ob ein Rückübertragungsanspruch in Folge redlichen Erwerbs nach § 4 Abs. 2 VermG ausgeschlossen ist, maßgeblich auf die Person des gegenwärtigen Rechtsinhabers an. Daraus folgt, dass es für die Beurteilung der sittlichen Anstößigkeit des Erwerbsvorgangs unerheblich ist, ob der an der Schwarzgeldabrede beteiligte Veräußerer Restitutionsansprüche geltend macht oder ein Dritter, der früher einmal Inhaber des Vermögenswertes gewesen ist, wie das bei dem Kläger der Fall ist.
Die Schwarzgeldabrede führte auch nicht zur sittlichen Anstößigkeit des Erwerbsvorgangs. Schon nach den Vorstellungen der Rechtsordnung der DDR war eine Schwarzgeldabrede nicht als sittlich anstößig zu werten, wie § 305 Abs. 3 ZGB untermauert. Diese Regelung verhinderte gerade im Gegensatz zum Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs, dass das von dieser Abrede betroffene Rechtsgeschäft insgesamt unwirksam wurde. Die von Klägerseite angesprochene Möglichkeit der Rücknahme der für ein solches Rechtsgeschäft erteilten Grundstücksverkehrsgenehmigung ändert an dieser Wertung nichts. Denn diese von einer bestimmten behördlichen Prüfung und Einzelfallentscheidung abhängige Rücknahmemöglichkeit erweist gerade die zunächst eingetretene Wirksamkeit des Rechtsakts.
Auch am zur Korrektur von Fehlwertungen anzulegenden Maßstab der geltenden freiheitlichen Rechtsordnung ist es ebenfalls sittlich nicht “anstößig”, wenn die DDR-Bürger versuchten, die bei Grundstücksverkäufen anfallende Gegenleistung, die aus dem ideologisch begründeten Rechtsverständnis der DDR durch Preisregelungen bewusst niedrig gehalten wurde, durch zusätzliche Abreden, unter Beachtung der gegenseitigen Interessenlage beider Vertragsparteien, auszugleichen und damit gewissermaßen “aufzubessern”.
Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend die Redlichkeit des Erwerbs nicht deshalb verneint, weil der Beigeladene das Grundstück zu Alleineigentum erworben hatte. Darin lag schon kein Verstoß gegen die allgemeinen Rechtsvorschriften der DDR. Denn ein solcher Alleinerwerb war nach § 13 Abs. 2 Satz 1 FGB i.V.m. § 299 Abs. 2 Nr. 2 ZGB zulässig, da der Beigeladene nach seinem unwidersprochenen Vortrag das Geld für den Grundstückskauf im September 1989 von seinen Eltern zu diesem Zweck persönlich als Geschenk erhalten hatte. Dies entsprach im Übrigen der im notariellen Vertrag vom 20. September 1989 unter Nr. 2 abgegebenen Erklärung der Ehefrau des Beigeladenen, die als Vereinbarung i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FGB zu werten ist, die auch nach § 299 Abs. 2 Nr. 1 ZGB bei Grundstücksgeschäften erlaubt war (Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR, a.a.O. § 299 ZGB zu Nr. 2.1).
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht schließlich davon ausgegangen, dass der Erwerb des streitbefangenen Grundstücks durch den Beigeladenen nicht gegen die in der DDR geltenden Rechtsvorschriften verstieß, die eine Konzentration von Eigentums- und Nutzungsrechten an Grundstücken verboten haben, was zu einer Versagung einer Grundstücksverkehrsgenehmigung gemäß § 3 Abs. 4 Buchst. c GVVO geführt hätte. Das Verbot der Grundstückskonzentration bezog sich nämlich nur auf den Erwerb gleichartiger oder ähnlicher Grundstücke (vgl. hierzu Urteil vom 10. Dezember 1998 – BVerwG 7 C 42.97 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 63; Urteil vom 28. März 2001 – BVerwG 8 C 4.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 17; vgl. auch die gemeinsame Richtlinie zur Regelung des Verfahrens der Leitung und Kontrolle des Grundstücksverkehrs in der DDR vom 16. Mai 1978 in der Fassung vom 19. Mai 1983 zu Abschnitt III Nr. 12 i.V.m. Nr. 6). An einer solchen Gleichartigkeit fehlt es im vorliegenden Fall, da das vom Kläger erworbene Gartengrundstück mit den darauf errichteten Garagen, Gartenlauben usw. nicht mit dem Hausgrundstück seiner Ehefrau zu vergleichen ist.
Soweit der Kläger abschließend rügt, das Verwaltungsgericht habe die Sachaufklärung bezüglich einer privilegierten Stellung des Beigeladenen im System der DDR unterlassen, da er eine Yacht besessen habe und Betriebsschullehrer gewesen sei, so kann die Revision damit nicht durchdringen. Unabhängig von der Frage, ob ein derartiger Besitz oder ein solcher Beruf “als Merkmale einer besonderen Privilegierung” zu werten sind, begründet allein die Eigenschaft des Erwerbers als Funktionsträger, soweit man diese unterstellt, nicht dessen Unredlichkeit beim Erwerb. Es bedarf vielmehr der einzelfallbezogenen Feststellung des gesetzlich geforderten manipulativen Elements beim Erwerbsvorgang (vgl. Beschluss vom 2. April 1993 – BVerwG 7 B 22.93 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 1). Dafür fehlt im vorliegenden Fall jedoch jeder Anhaltspunkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Golze, Dr. von Heimburg, Postier
Fundstellen
NWB 2003, 3190 |
VIZ 2003, 575 |
ZfIR 2004, 444 |