Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 11.12.2012; Aktenzeichen 1 L 190/11) |
VG Halle (Saale) (Urteil vom 28.09.2011) |
Nachgehend
Tenor
Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. Dezember 2012 und des Verwaltungsgerichts Halle vom 28. September 2011 werden aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I
Der Kläger rügt, die besoldungsrechtliche Ersteinstufung nach dem Lebensalter benachteilige ihn wegen seines Lebensalters. Zum Ausgleich beansprucht er eine Besoldung nach der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe A 12.
Der 1966 geborene Kläger wurde mit Wirkung vom 1. April 1995 durch die damalige Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen. Diese setzte das Besoldungsdienstalter des Klägers auf den 1. Dezember 1987 fest. Zum 30. September 2005 wurde die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt mit den Landesversicherungsanstalten Sachsen und Thüringen zu einem neuen Regionalträger, der Beklagten, vereinigt.
Am 28. Dezember 2010 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Höhe seiner Besoldung und beantragte rückwirkend ab dem 1. Januar 2007 die Zahlung seiner Bezüge nach der höchsten Dienstaltersstufe. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zurück.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger rückwirkend ab dem 1. Januar 2007 das Grundgehalt nach der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Beklagte verurteilt, den Kläger rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 so zu stellen, als hätte er im Zeitpunkt seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe bereits das 35. Lebensjahr vollendet, wobei § 28 Abs. 2 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 keine Anwendung finde.
Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die besoldungsrechtlichen Regelungen benachteiligten den Kläger ungerechtfertigt aufgrund seines Lebensalters. Zum Ausgleich dieser Diskriminierung könne der Kläger aber nicht seine Besoldung aus der höchsten Dienstaltersstufe beanspruchen. Für die Bestimmung der Vergleichsgruppe, in die der Kläger einzustufen sei, sei vielmehr entscheidend, bis zu welchem Lebensalter Einstellungen in ein Beamtenverhältnis des gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienstes im Geschäftsbereich der Beklagten hätten erfolgen können. Ansprüche für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2009 seien ausgeschlossen, weil der Kläger diese nicht zeitnah geltend gemacht habe.
Kläger und Beklagte haben die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. Dezember 2012 insoweit aufzuheben, als die Klage des Klägers auf Verurteilung der Beklagten, dem Kläger rückwirkend ab dem 1. Januar 2007 Grundgehalt nach der höchsten Stufe seiner jeweiligen Besoldungsgruppe zu zahlen und den sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbetrag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. April 2011 zu verzinsen, abgewiesen worden ist und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 28. September 2011 in vollem Umfang zurückzuweisen sowie
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. Dezember 2012 sowie des Verwaltungsgerichts Halle vom 28. September 2011 abzuändern und die Klage (vollumfänglich) abzuweisen und
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat entscheidet über die Revisionen im Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 und § 101 Abs. 2 VwGO).
Die Revision des Klägers ist unbegründet, diejenige der Beklagten begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt revisibles Recht. Für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2007 stehen dem Kläger nach Maßgabe des Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 18. Dezember 2013 (SächsGVBl S. 970) keine Ansprüche zu. Dieses für die Besoldung des Klägers maßgebliche Recht des Freistaats Sachsen (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) steht mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (– RL 2000/78/EG –, ABl L 303 S. 16) in Einklang. Mangels eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006 (– AGG –, BGBl I S. 1897) ist damit auch der Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG ausgeschlossen.
1. Für den Zeitraum ab dem 1. September 2006 richtet sich die Besoldung des Klägers nach dem Besoldungsrecht des Freistaats Sachsen in der Fassung des Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 18. Dezember 2013. Dies ergibt sich aus Folgendem:
a) Die Beklagte ist aufgrund von § 141 Abs. 1 SGB VI durch den Zusammenschluss mehrerer Landesversicherungsanstalten zu einem Regionalträger entstanden (vgl. Art. 87 Abs. 2 Satz 2 GG). Mit dem Wirksamwerden dieser Vereinigung am 30. September 2005 trat der Kläger kraft Gesetzes in den Dienst der Beklagten über (§ 128 Abs. 4 Alt. 1 i.V.m. Abs. 1 BRRG). Da die Beklagte nach § 1 Nr. 2 ihrer Satzung ihren Sitz in Leipzig hat, untersteht sie der Aufsicht des Freistaats Sachsen (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Staatsvertrages über die Bestimmung aufsichtsführender Länder nach Artikel 87 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Gesetz vom 20. Februar 1997, SächsGVBl S. 106). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 18. Dezember 2013 (– SächsBesG –, SächsGVBl S. 970 ≪1005≫) regelt dieses Gesetz auch die Besoldung der Beamten der der Aufsicht des Freistaats unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.
Nach Art. 28 Abs. 3 des Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes sind die Bestimmungen der §§ 27 bis 29 sowie § 80 SächsBesG, die die Besoldung des Klägers als eines Beamten der Besoldungsordnung A regeln, mit Wirkung vom 1. September 2006 in Kraft getreten. Obwohl diese Vorschriften danach erst nach Erlass des Berufungsurteils in Kraft getreten sind, sind sie der Prüfung im Revisionsverfahren zugrunde zu legen. Denn Änderungen der Rechtslage im Revisionsverfahren, die sich nach Erlass des Berufungsurteils ergeben haben, sind für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beachtlich, wenn das Berufungsgericht, entschiede es nunmehr anstelle des Bundesverwaltungsgerichts, die Rechtsänderung zu beachten hätte (stRspr, Urteile vom 1. November 2005 – BVerwG 1 C 21.04 – BVerwGE 124, 276 ≪279 f.≫ = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 15 S. 32, vom 23. Oktober 2007 – BVerwG 1 C 10.07 – BVerwGE 129, 367 = Buchholz 402.242 § 54 AufenthG Nr. 4, jeweils Rn. 40 und vom 24. Juni 2010 – BVerwG 2 C 14.09 – Buchholz 239.1 § 52 BeamtVG Nr. 1 Rn. 8). Hätte das Berufungsgericht nunmehr zu entscheiden, müsste es seinen rechtlichen Erwägungen zu einem Anspruch des Klägers auf eine höhere Besoldung für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2007 die Vorschriften des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 18. Dezember 2013 zugrunde legen.
b) Die ursprünglich für die Besoldung des Klägers im Zeitraum ab dem 1. September 2006 maßgeblichen §§ 27 und 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (– §§ 27 und 28 BBesG a.F. –, BGBl I S. 3020) führten zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a der RL 2000/78/EG. Denn die Regelung hatte zur Folge, dass auch ein älterer Beamter ohne jede Berufserfahrung bei seiner erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis allein aufgrund seines höheren Lebensalters höher eingestuft wird (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 – Rs. C-501/12, Specht – NVwZ 2014, 1294 Rn. 50 f.; vgl. dazu ausführlich die zur Veröffentlichung bestimmten Urteile vom 30. Oktober 2014 – BVerwG 2 C 3.13 – Rn. 15 und – BVerwG 2 C 6.13 – Rn. 16).
c) Demgegenüber ist das durch das Sächsische Besoldungsgesetz vom 18. Dezember 2013 eingeführte Besoldungssystem mit den Vorgaben der RL 2000/78/EG vereinbar. Denn die Ersteinstufung des Beamten orientiert sich nicht mehr am Lebensalter und der Aufstieg nach Stufen knüpft an die bisher erlangte Berufserfahrung des Arbeitnehmers an (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2006 – Rs. C-17/05, Cadman – Slg. 2006, I-9583 Rn. 34 ff.).
Wird ein Beamtenverhältnis mit Anspruch auf Dienstbezüge begründet, so wird der neu ernannte Beamte nach § 27 Abs. 1 SächsBesG der ersten mit einem Grundgehaltssatz ausgewiesenen Stufe der maßgeblichen Besoldungsgruppe (Anfangsstufe) zugeordnet. Liegen berücksichtigungsfähige Zeiten nach § 28 Abs. 1 bis 3 SächsBesG vor (z.B. Zeiten einer hauptberuflichen Tätigkeit im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn; Zeiten des Wehrdienstes oder des Zivildienstes), wird dieser Beamte einer höheren Stufe als der Anfangsstufe zugeordnet. Bestimmte Zeiten (z.B. Zeiten einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik) sind von vornherein nicht berücksichtigungsfähig (§ 29 SächsBesG). Gemäß § 27 Abs. 2 SächsBesG erfolgt der Aufstieg in eine nächsthöhere Stufe nach bestimmten Dienstzeiten (zwei, drei und schließlich vier Jahre). Für Beamte der Besoldungsordnung A, denen im Zeitraum vom 1. September 2006 bis zum 31. März 2014 wegen dauerhaft herausragender Leistungen die nächsthöhere Stufe als Grundgehalt vorweg festgesetzt worden war (Leistungsstufe), bestimmt § 80 Abs. 7 Satz 1 SächsBesG durch den Verweis auf § 27 Abs. 3 Satz 1 BBesG a.F., dass ihnen diese Vorteile aus Vertrauensschutzgründen verbleiben. Das Entsprechende gilt für eine in diesem Zeitraum gegenüber einem Beamten ausgesprochene Hemmung des Aufstiegs in den Stufen des Grundgehalts. Damit knüpft das neue Besoldungssystem anstelle des überkommenen Besoldungsdienstalters an die tatsächlich geleisteten Dienstzeiten und die erbrachte Leistung an (Gesetzentwurf der Landesregierung zum Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetz, LTDrucks 5/12230 S. 338 zu § 27).
Zwar perpetuiert die Überleitungsregelung des § 80 SächsBesG für Beamte der Besoldungsordnung A, die wie der Kläger am 31. August 2006 in einem Dienstverhältnis zum Freistaat Sachsen oder zu einer der Aufsicht des Freistaats unterstehenden Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts standen, die unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters. Denn die Neuzuordnung der Stufe des Grundgehalts orientiert sich an der Grundgehaltsstufe, die dem Beamten am 1. September 2006 nach dem früheren diskriminierenden System nach Maßgabe der §§ 27 und 28 BBesG a.F. zugestanden hätte. Diese Überleitungsregelung ist jedoch zur Wahrung des Besitzstands und zur Vermeidung eines übermäßigen Verwaltungsaufwands für die Regulierung der in der Vergangenheit liegenden Zeiten nach der Rechtsprechung des EuGH gerechtfertigt (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 a.a.O. Rn. 64 ff. und 78 ff.).
Die Neuzuordnung zu den Stufen des Grundgehalts erfolgt nach § 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 SächsBesG bei Beamten der Besoldungsordnung A zu der Stufe, die der Stufe entspricht, die dem Beamten am 1. September 2006 nach § 27 Abs. 1 und 2 BBesG a.F. zugestanden hätte. Diese Einstufung hängt aber vom Besoldungsdienstalter, d.h. dem Lebensalter des betreffenden Beamten ab und benachteiligt diesen deshalb unmittelbar wegen seines Lebensalters. Ist der Beamte zu einer Stufe des Grundgehalts nach § 80 Abs. 1 SächsBesG zugeordnet, bestimmt sich das weitere Aufsteigen nach § 27 Abs. 2 und 5 Sächs-BesG (§ 80 Abs. 2 Satz 1 SächsBesG). Zeiten, die der Bestandsbeamte vor dem 1. September 2006 in dieser Stufe verbracht hat, werden bei dem Aufsteigen nach Maßgabe des § 27 Abs. 2 SächsBesG angerechnet (§ 80 Abs. 2 Satz 2 SächsBesG).
Die mit dieser Neuzuordnung der Grundgehaltsstufe verbundene Ungleichbehandlung wegen des Lebensalters ist aber nach der Rechtsprechung des EuGH gemäß Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG gerechtfertigt. Die Neuregelung wird durch die Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Wahrung des am 1. September 2006 erreichten Status quo bestimmt. Denn die Zuordnung zu den Stufen der neuen Grundgehaltstabelle orientiert sich an der bis zum 31. August 2006 erreichten Stufe (Gesetzentwurf der Landesregierung, LTDrucks 5/12230 S. 386 f. zu § 80). Die Ablösung der bisherigen, am Besoldungsdienstalter orientierten Stufenzuordnung hat auch weder zu Änderungen an der Struktur der Besoldungstabelle der Besoldungsordnung A geführt noch die leistungsbezogenen Elemente des Stufenaufstiegs (Stufenhemmung und Leistungsstufe) substanziell geänderten materiellen Kriterien unterworfen (Gesetzentwurf der Landesregierung, LTDrucks 5/12230 S. 478 zu Art. 31 des Entwurfs). Die Wahrung des Besitzstands einer Personengruppe ist ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, sodass mit dieser Regelung ein legitimes Ziel verfolgt wird (EuGH, Urteile vom 6. Dezember 2007 – Rs. C-456/05, Kommission/Deutschland – Slg. 2007, I-10517 Rn. 63 und vom 8. September 2011 – Rs. C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai – Slg. 2011, I-7965 Rn. 90).
Die Neuregelung durch das Sächsische Dienstrechtsneuordnungsgesetz geht auch nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinaus. Die mit der Anknüpfung an das bisherige Grundgehalt tatsächlich verbundenen Nachteile sind begrenzt. Infolge der früher für den Kläger maßgeblichen Altersgrenzen für die erstmalige Begründung eines Beamtenverhältnisses war sichergestellt, dass der Unterschied in der Besoldung nicht die Differenz zwischen der ersten und der letzten Stufe einer Besoldungsgruppe erreichen konnte.
Zwar wäre es auch möglich gewesen, das neue Einstufungssystem im Interesse einer materiellen Beseitigung der Alterdiskriminierung rückwirkend auf sämtliche Bestandsbeamten anzuwenden oder hierfür eine Übergangsregelung zu schaffen, die den bevorzugten Bestandsbeamten die Besoldung in der vorherigen Höhe solange garantiert hätte, bis sie die nach dem neuen Besoldungssystem für die Erreichung einer höheren Besoldungsstufe erforderliche Erfahrung erworben hätten. Die vom Freistaat Sachsen gewählte Lösung ist nach der Rechtsprechung des EuGH aber in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Denn die nachträgliche individuelle Feststellung von Vordienstzeiten wäre in Anbetracht der hohen Zahl von Beamten (ca. 27 000), der Länge des betroffenen Zeitraums, der Verschiedenheit der jeweiligen Laufbahnen und der Schwierigkeiten, die sich bei der Bestimmung der Vordienstzeiten ergeben könnten, übermäßig kompliziert und in erhöhtem Maß fehleranfällig gewesen (Gesetzentwurf der Landesregierung, LTDrucks 5/12230 S. 478 zu Art. 31 des Entwurfs). Der EuGH hat diese besonderen administrativen Schwierigkeiten hier ausnahmsweise für einen Übergangszeitraum als ausreichend gewichtig angesehen (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 a.a.O. Rn. 78 ff.). Entgegen dem Vorbringen des Klägers setzt die Rechtmäßigkeit der Übergangsregelung nach Auffassung des EuGH auch nicht voraus, dass die Besoldungsdifferenz zwischen den diskriminierten und den nicht diskriminierten Beamtengruppen schrittweise verkleinert wird.
2. Die rückwirkende Inkraftsetzung der hier maßgeblichen Vorschriften der §§ 27 bis 29 sowie § 80 SächsBesG zum 1. September 2006 durch Art. 28 Abs. 3 des Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes ist nicht zu beanstanden.
a) Diese Rückwirkung ist verfassungsrechtlich selbst dann zulässig, wenn zu Gunsten des Klägers angenommen wird, dass hier der Fall einer echten Rückwirkung vorliegt.
Die verfassungsrechtliche Problematik der echten Rückwirkung folgt aus den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Bis zur Verkündung einer rechtlichen Norm muss der Bürger grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf das bisherige Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1997 – 2 BvR 882/97 – BVerfGE 97, 67 ≪78 f.≫ und Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 – BVerfGE 114, 258 ≪300≫). Verfassungsrechtlich unzulässig ist danach die belastende Tendenz eines rückwirkenden Gesetzes (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 1 BvR 446/77, 1 BvR 1174/77 – BVerfGE 50, 177 ≪193≫ m.w.N.). An einer solchen belastenden Wirkung für bereits am 31. August 2006 ernannte Beamte der Besoldungsordnung A fehlt es hier aber, weil die zum 1. September 2006 in Kraft gesetzte landesrechtliche Regelung weder nach dem früheren Recht begründete Besoldungsansprüche beseitigt noch ihre Geltendmachung erschwert.
Die Zuordnung dieser Bestandsbeamten zu den neuen Stufen des Grundgehalts zum 1. September 2006 orientiert sich nach § 80 Abs. 1 SächsBesG an den nach dem bisherigen Recht erreichten Stufen. Der anschließende Stufenaufstieg nach § 80 Abs. 2 und § 27 Abs. 2 SächsBesG entspricht hinsichtlich der Zahl der Stufen sowie des Rhythmus des Aufstiegs der früher maßgeblichen Vorschrift des Bundesrechts. Die Gewährung von Leistungsstufen oder der Ausspruch einer Hemmung des Aufstiegs in den Stufen des Grundgehalts im Zeitraum bis zum 31. März 2014 bleiben nach § 80 Abs. 7 SächsBesG wirksam. Auch sind die Grundgehaltssätze für Besoldungsempfänger der Besoldungsordnung A für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis Ende März 2014 nachträglich nicht abgeändert worden. Eine belastende Wirkung der rückwirkenden Regelung durch das Sächsische Dienstrechtsneuordnungsgesetz ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Kläger rückwirkend ein etwa zuvor bestehender Anspruch auf höhere Besoldung entzogen worden sei. Denn mangels eines gültigen Bezugssystems hatte der Kläger aufgrund der RL 2000/78/EG zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf eine höhere als die gesetzliche Besoldung (vgl. dazu ausführlich die zur Veröffentlichung bestimmten Urteile vom 30. Oktober 2014 – BVerwG 2 C 3.13 – Rn. 17 bis 20 sowie 77 und – BVerwG 2 C 6.13 – Rn. 18 bis 21).
b) Selbst wenn man von einer belastenden Wirkung der rückwirkenden Inkraftsetzung der Neuregelung ausginge, ergäbe sich daraus für deren verfassungsrechtliche Beurteilung nichts anderes.
Hat eine rückwirkende Norm eine belastende Wirkung, so ist diese nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht in jedem Fall unzulässig. Denn das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 – BVerfGE 95, 64 ≪86 f.≫ und vom 18. Februar 2009 – 1 BvR 3076/08 – BVerfGE 122, 374 ≪394≫) oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 a.a.O. S. 193 f.). Bei den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten, nicht abschließend definierten Fallgruppen handelt es sich um Typisierungen ausnahmsweise fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage. Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen (BVerfG, Beschlüsse vom 20. Oktober 1971 – 1 BvR 757/66 – BVerfGE 32, 111 ≪123≫ und vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 5/08 – NVwZ 2014, 577 Rn. 65).
Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit einer echten Rückwirkung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegeben, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten (Beschlüsse vom 18. Februar 2009 a.a.O. und vom 17. Dezember 2013 a.a.O.).
An der Schutzwürdigkeit des Vertrauens eines Betroffenen in den Fortbestand der bisherigen Vorschriften fehlt es auch im hier vorliegenden Fall, in der ein kompetenz- und unionsrechtskonformes Landesgesetz rückwirkend an die Stelle eines unionsrechtswidrigen Bundesgesetzes getreten ist. Der Kläger ist nicht schutzwürdig, weil er selbst zutreffend geltend gemacht hatte, die Bestimmungen der §§ 27 und 28 BBesG a.F. diskriminierten ihn ungerechtfertigt wegen seines Lebensalters. Er musste dementsprechend damit rechnen, dass der hierfür zuständige Gesetzgeber die mit Ablauf der Umsetzungsfrist wegen des Verstoßes gegen das Unionsrecht unanwendbaren Bestimmungen der §§ 27 und 28 BBesG a.F. durch solche Vorschriften ersetzen wird, die den Vorgaben der RL 2000/78/EG genügen.
Das Urteil des EuGH vom 19. Juni 2014 (Rs. C-501/12, Specht – NVwZ 2014, 1294) hat die vom Kläger bereits in seinem Widerspruch vom 28. Dezember 2010 geäußerte Rechtsansicht bestätigt, dass die §§ 27 und 28 BBesG a.F. zu einer nicht gerechtfertigten unmittelbaren Diskriminierung wegen des Lebensalters führen. Damit waren diese für die Besoldung des Klägers maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht unanwendbar. Diese Anknüpfung an das Lebensalter eines Beamten erfasste potenziell sämtliche Beamte und damit die gesamte Tabelle der Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung A. Da auch keine Kategorie bevorzugter Beamter benannt werden kann, ist es nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere auch nicht möglich, Beamte in die höchste Dienstaltersstufe einzuordnen und danach zu besolden (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 a.a.O. Rn. 95 bis 97). Durch die rückwirkende Regelung zum 1. September 2006 hat der Gesetzgeber des Freistaats Sachsen, soweit ihm dies aus kompetenzrechtlichen Gründen möglich war, d.h. für den Zeitraum ab dem 1. September 2006, für die Besoldung des Klägers eine unionsrechtskonforme gesetzliche Regelung geschaffen.
c) Die Rückwirkung scheitert auch nicht daran, dass hierdurch dem Kläger der zumindest ab dem 8. September 2011 bestehende unionsrechtliche Haftungsanspruch (vgl. dazu ausführlich die zur Veröffentlichung bestimmten Urteile vom 30. Oktober 2014 – BVerwG 2 C 3.13 – Rn. 25 bis 30 und – BVerwG 2 C 6.13 – Rn. 25 bis 30) entzogen worden ist.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ermöglicht die rückwirkende Anwendung von Maßnahmen des Mitgliedstaates zur vollständigen Durchführung einer Richtlinie die Behebung des Schadens, der durch die unzureichende Umsetzung der Richtlinie entstanden ist. Denn hierdurch werden den von der Richtlinie Begünstigten diejenigen Rechte garantiert, die ihnen zugestanden hätten, wenn die Richtlinie fristgerecht umgesetzt worden wäre. Danach ist die rückwirkende Inkraftsetzung unionsrechtskonformer Gesetze eine zulässige Form der Wiedergutmachung und lässt einen etwaigen unionsrechtlichen Haftungsanspruch entfallen (EuGH, Urteile vom 10. Juli 1997 – Rs. C-94/95 und C-95/95, Bonifaci u.a. – Slg. 1997, I-3969 Rn. 51 ff. und – Rs. C-373/95, Maso – Slg. 1997, I-4051 Rn. 39 ff.).
Für den ursprünglich ab dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes am 18. August 2006 bestehenden Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG (vgl. auch hierzu die Urteile vom 30. Oktober 2014 – BVerwG 2 C 3.13 – Rn. 31 bis 39 und Rn. 44 bis 62 und – BVerwG 2 C 6.13 – Rn. 31 bis 39 und Rn. 44 bis 62) gilt dies entsprechend. Auch insoweit steht im Vordergrund, dass erst durch das rückwirkend in Kraft gesetzte Landesgesetz die für die Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A erforderliche unionsrechtskonforme gesetzliche Grundlage geschaffen worden ist. Auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Amtshaftungsanspruch ist anerkannt, dass eine rückwirkende Rechtsänderung einen ursprünglich bestehenden Haftungsanspruch wieder beseitigen kann (BGH, Urteil vom 13. Oktober 1994 – III ZR 24/94 – BGHZ 127, 223 ≪227 f.≫ und Beschluss vom 19. März 2008 – III ZR 49/07 – NVwZ 2008, 815 f.).
3. Ergänzend und vorsorglich merkt der Senat an, dass das Urteil des EuGH vom 11. November 2014 (Rs. C-530/13, Schmitzer – NVwZ-RR 2015, 43, ergangen in einem Fall aus Österreich) an der vorstehenden Beurteilung nichts ändert. Diese Entscheidung betrifft eine andere, mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbare Fallkonstellation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die dort Betroffenen durch eine Verlängerung des für eine „Vorrückung” erforderlichen Zeitraums zusätzlich benachteiligt wurden (EuGH, Urteil vom 11. November 2014 a.a.O. Rn. 31 und Ziff. 1 des Tenors). Letzteres hat der EuGH als nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung beanstandet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger
Fundstellen