Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietwohngrundstück. Verzicht. Überschuldung. Kausalitätsvermutung nicht kostendeckender Mieten. Grundpfandrecht zwecks Erbauseinandersetzung. Erhalt des Grundstücks im gebrauchsfähigen Zustand
Leitsatz (amtlich)
Für die kausale Verknüpfung bei § 1 Abs. 2 VermG zwischen Kostenunterdeckung der Mieten und Überschuldung besteht auch dann eine Vermutung, wenn die Immobilie zwar unter Geltung der DDR-Verhältnisse zur Finanzierung einer Erbauseinandersetzung beliehen, durch den geschädigten Eigentümer und seinen Erblasser danach aber noch lange Zeit im gebrauchsfähigen Zustand gehalten wurde.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 23.05.2002; Aktenzeichen 4 K 1534/97) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. Mai 2002 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt als Rechtsnachfolger seiner Mutter, die im Jahre 1978 auf das Eigentum am Grundstück F.…straße 80 in E.… zugunsten des Volkseigentums verzichtet hatte, die Zahlung des Erlöses aus der investiven Veräußerung dieses Grundstücks durch die Beigeladene, zumindest aber die Auskehr des Verkehrswertes.
Das Grundstück stand ursprünglich im Eigentum der Erbengemeinschaft, die aus dem Vater des Klägers und seiner Schwester bestand. Im Zuge der Erbauseinandersetzung bestellte der Vater zwecks Auszahlung seiner Schwester im Jahre 1955 eine mit 4,5 % verzinsliche Hypothek in Höhe von 10 000 M auf das ansonsten grundpfandrechtlich unbelastete Grundstück zugunsten Dritter. Bebaut war das Grundstück – abgesehen von den Nebengebäuden (ehemalige Schmiede, Werkstattgebäude und Garage) – mit einem 1905 errichteten zweigeschossigen Mietwohnhaus mit voll ausgebautem Dachgeschoss. Darin gab es – neben einer durch einen Verein genutzten Wohnung – sieben Mietwohnungen.
In dem Wertgutachten eines Bausachverständigen vom 24. August 1968 heißt es zum (damaligen) Zustand des Wohngebäudes u.a.: “Im Allgemeinen ist festzustellen, dass infolge der soliden Bauausführung die vorhandenen Mängel relativ gering geblieben sind”.
Mit Schreiben vom 21. September 1977 bot die Mutter des Klägers dem Rat der Stadt E.… aus gesundheitlichen Gründen das Grundstück schenkungsweise an. Zur Orientierung fügte sie die Mietabrechnung der letzten Jahre bei, die belegen würden, dass das Grundstück “jährlich immer noch einen Nutzen abgeworfen hat”. Aus diesen Überschussrechnungen ergibt sich, dass bei jährlichen Mieteinnahmen von 3 654 M bzw. 3 628,50 M ein Überschuss im Jahre 1974 von 115,31 M, im Jahre 1975 von 1 244,28 M und im Jahre 1976 von 51,94 M erwirtschaftet worden sei. Der Rat der Stadt E.… gab im Schreiben vom 1. November 1977 die durchschnittlichen Bewirtschaftungskosten mit jährlich 3 250 M, bei Mieteinnahmen in Höhe von 3 650 M, und den Einheitswert mit 19 000 M an. Nachdem er am 11. Oktober 1978 die Genehmigung des Eigentumsverzichts beschlossen hatte, wurde das Grundstück in Volkseigentum überführt und der VEB Gebäudewirtschaft E.… mit Wirkung vom 1. November 1978 zum Rechtsträger des Grundstücks bestimmt.
In ihrem Restitutionsantrag vom 20. September 1990 machte die Mutter des Klägers geltend, dass sie wegen nicht kostendeckender Mieteinnahmen als Rentnerin die Aufwendungen für die Reparaturen nicht mehr habe aufbringen können und deshalb das Hausgrundstück an die Stadt habe verschenken müssen.
Aufgrund eines Investitionsvorrangbescheides vom 27. Juli 1993 veräußerte die Beigeladene das Grundstück zu investiven Zwecken für einen Kaufpreis von 164 000 DM.
Mit notarieller Erklärung vom 15. August 1994 trat die Mutter des Klägers diesem ihre vermögensrechtlichen Ansprüche ab.
Zur Begründung des Restitutionsantrages hat der Kläger eine Aufstellung des damaligen Hausverwalters vom 1. August 1995 zum Umfang der Instandhaltungsnotwendigkeit sowie der Kosten im Verzichtszeitpunkt vorgelegt. Unter Hinweis auf seine langjährige Tätigkeit und 22-jährige Berufserfahrung kommt dieser auf Kosten von insgesamt 13 770 M. Die Summe “wäre ab November 1978 zur Eindämmung und Ausschaltung der genannten Schäden kurzfristig erforderlich gewesen, um die Bewohnbarkeit des Hauses … langfristig zu gewährleisten”.
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Rückübertragung mit Bescheid vom 18. Oktober 1995 ab. Zur Begründung führte er insbesondere aus, dass der behauptete Bedarf zu hoch angesetzt sei und allein aus den Mieteinnahmen habe bestritten werden können.
Den Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss I beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 20. Juni 1997 zurück. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dass unaufschiebbare notwendige Instandsetzungsarbeiten, wenn nicht schon aus den laufenden Mieteinnahmen, so doch jedenfalls durch Kreditaufnahme abzudecken gewesen seien.
Mit seiner Klage hat der Kläger u.a. geltend gemacht: Der Beklagte gehe von einem falschen Verständnis des Begriffs “unaufschiebbare notwendige Instandsetzungsmaßnahmen” aus, wenn er allein aus dem Unterbleiben größerer Instandsetzungsmaßnahmen nach der Übernahme in Volkseigentum auf deren damals fehlende Notwendigkeit schließe. Hinsichtlich ihres Umfangs und der Höhe berufe er sich auf das sachverständige Zeugnis des damaligen Verwalters.
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 23. Mai 2002 die Klage abgewiesen. Nach seiner Ansicht hat eine (unterstellte) Überschuldung nicht kausal auf nicht kostendeckenden Mieten beruht. Da das Grundstück unter Geltung der damaligen Verhältnisse zu anderen Zwecken als zum Erhalt des vertragsgemäßen Gebrauchs beliehen worden sei, habe diese Hypothekenaufnahme nicht berücksichtigt werden können, so dass ein Finanzierungsrahmen von 19 000 M zur Verfügung gestanden und ausgereicht habe.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision trägt der Kläger vor, das angegriffene Urteil verletze Bundesrecht und beruhe auf Verfahrensfehlern.
Er beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. Mai 2002 sowie den Bescheid des Beklagten vom 18. Oktober 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses I beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen des Landes Brandenburg vom 20. Juni 1997 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, gegenüber der Beigeladenen die Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung des Grundstücks F.…straße 80 in E.… gemäß Investitionsvorrangbescheid vom 27. Juli 1993, mindestens jedoch die Auskehr des Verkehrswertes, anzuordnen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er und die Beigeladene treten der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist mit der Maßgabe der Zurückverweisung der Sache begründet. Das angegriffene Urteil verletzt Bundesrecht. Es beruht auf der fehlerhaften Anwendung von § 1 Abs. 2 VermG.
- Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung die Ansicht zugrunde gelegt, dass der Schutzbereich dieser Norm eine Beschränkung der Kausalitätsvermutung für nicht kostendeckende Mieten auf die Fälle fordere, in denen die Überschuldung neben vorhandenen Altbelastungen ausschließlich auf Verbindlichkeiten beruhte, die dazu dienten, das Grundstück im vertragsgemäßen Gebrauch zu halten. Diese Auffassung ist in dieser Allgemeinheit unzutreffend. Wird sie dahingehend verstanden, dass allein schon eine dem Grundstück nicht zugute kommende Beleihung die kausale Verknüpfung ausschließe, verhindert sie zu Unrecht die Feststellung, dass unabhängig von solchen Grundpfandrechten andere der Immobilie zuzuordnende Verbindlichkeiten eine restitutionsrelevante Überschuldung ergeben könnten. Vor allem aber liegt darin ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Nach dem Urteil vom 11. Februar 1999 (BVerwG 7 C 4.98 – BVerwGE 108, 281 ≪288≫ = Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 1 S. 3 ≪6 f.≫) braucht in Ansehung solcher Fremdbelastungen der Wesentlichkeit des Ursachenbeitrages der Niedrigmietenpolitik nicht näher nachgegangen zu werden, wenn der Eigentümer das Grundstück unter den Verhältnissen der DDR noch lange Zeit nach der Beleihung im gebrauchsfähigen Zustand gehalten hat, weil er dann zwangsläufig erhebliche sonstige Mittel investiert haben muss, da die Mieten die Kosten nicht gedeckt hatten. An dieser Rechtssprechung ist festzuhalten (dazu unten das Weitere).
Ergeben die Entscheidungsgründe eine Verletzung des bestehenden Rechts, so lassen die bisher festgestellten Tatsachen eine abschließende Entscheidung des Senats über die Klage nicht zu. Daher ist das Urteil des Verwaltungsgerichts nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufzuheben und der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Hierbei wird das Folgende zu berücksichtigen sein:
Der Schädigungstatbestand von § 1 Abs. 2 VermG setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dreierlei voraus: Erstens müssen für das bebaute Grundstück oder Gebäude in der Zeit vor dem Eigentumsverlust nicht kostendeckende Mieten erzielt worden sein. Diese Kostenunterdeckung muss zweitens zu einer bereits eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Überschuldung geführt haben. Drittens muss die Überschuldung wesentliche Ursache für den Eigentumsverlust gewesen sein (vgl. u.a. Urteil vom 26. Juni 2002 – BVerwG 8 C 27.01 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 24 S. 97 ≪98 f.≫).
a) Allgemein kann davon ausgegangen werden, dass die vor dem Eigentumsverlust erzielten Mieten nicht kostendeckend waren. Insofern besteht eine Vermutung, die an die allgemein anerkannte Erfahrung anknüpft, dass die Mieten in der DDR im Regelfall nicht die für den Erhalt des Vermögenswertes erforderlichen Aufwendungen unabhängig davon decken konnten, ob dies im Einzelfall zur Überschuldung geführt hatte oder nicht (vgl. u.a. Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 7 C 4.98 – a.a.O. S. 283 bzw. S. 3). Im vorliegenden Fall ist nichts dafür ersichtlich, dass die seinerzeitigen Mieteinnahmen – z.B. wegen ungewöhnlich guter Ertragslage oder aus dem Rahmen fallenden geringen Reparaturbedarfs – entgegen den generellen Verhältnissen kostendeckend gewesen sein könnten.
b) Die Prüfung der Überschuldung erfordert eine Gegenüberstellung des Zeitwertes der Immobilie mit den ihr zuzuordnenden Verbindlichkeiten. Danach sind zunächst die dinglichen Belastungen einzustellen, soweit sie noch valutierten. Wegen ihrer Objektbezogenheit werden alle auf dem Grundstück lastenden Grundpfandrechte erfasst, weil die Immobilie die Zahlung dieser Schulden sicherte (Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 7 C 4.98 – a.a.O. S. 284 bzw. S. 4). Daher gehört hier die Hypothek in die Schuldenbilanz, auch wenn sie nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht dem Erhalt des vertragsgemäßen Gebrauchs des Miethauses, sondern für eine Erbauseinandersetzung diente.
Ferner sind dinglich nicht gesicherte Darlehen und Geldmittel aus dem sonstigen Vermögen zu berücksichtigen, die der Eigentümer für den Grundbesitz verwandt hat, sofern der Einsatz der Aufnahme eines Immobilienkredits vergleichbar war (Urteil vom 26. September 2001 – BVerwG 8 C 24.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 19 S. 68 ≪73≫). Hier jedoch kommt nach dem bisher unterbreiteten Sachverhalt weder ein solches Darlehen noch ein derartiger Mitteleinsatz mit nach Art und Umfang darlehensersetzendem Charakter in Betracht.
In die Schuldenbilanz gehören ferner die Aufwendungen, die im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts für Instandsetzungsmaßnahmen zur Sicherung der bestimmungsmäßigen Nutzbarkeit der Immobilie unaufschiebbar notwendig gewesen waren, aber vom Eigentümer aufgrund der ökonomischen Zwangslage unterlassen wurden, weil sie nicht innerhalb zumutbarer Zeit durch den zu erwartenden Mietertrag gedeckt werden konnten (stRspr; u.a. Urteil vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – BVerwGE 98, 87 ≪90≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 39 S. 86 ≪89≫). Der Instandsetzungsbedarf soll nach Auffassung des Klägers der Aufstellung des damaligen Hausverwalters vom 1. August 1995 entnommen werden können. Hierzu hat das Verwaltungsgericht jedoch keine abschließenden Feststellungen getroffen.
Vom Umfang der in Betracht kommenden Belastungen hängt ferner ab, ob für die Wertbestimmung des streitbefangenen Grundstücks vereinfachend auf den Einheitswert zurückgegriffen werden kann. Verbindlichkeiten, die den Einheitswert erheblich übersteigen, begründen mangels anderer Anhaltspunkte die Annahme der Überschuldung, weil damit die generell übliche Beleihungsgrenze in jedem Fall überschritten war (stRsp; vgl. Urteil vom 25. Oktober 2001 – BVerwG 7 C 3.01 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 20 S. 77 ≪82≫). Verbindlichkeiten deutlich unterhalb des Einheitswertes können hingegen die Frage aufwerfen, ob der Einheitswert dem Zeitwert der Immobilie entsprochen hatte (zur Berechnung des Zeitwertes: Urteil vom 30. Mai 1996 – BVerwG 7 C 47.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 78 S. 225 ≪228 f.≫).
c) Sollte die ausstehende Prüfung eine Überschuldung ergeben, so kann auf der nächsten Rechtsanwendungsebene im Regelfall auf deren Verursachung durch die Kostenunterdeckung geschlossen werden. Allerdings gebieten Sinn und Zweck des Schädigungstatbestandes von § 1 Abs. 2 VermG eine wertende Eingrenzung der in die Kausalitätsbetrachtung einzubeziehenden Verbindlichkeiten. Geschützt werden soll der Eigentümer, bei dem sich die infolge der niedrigen Mieten vorhandene Gefahr der Überschuldung zu einer konkreten ökonomischen Zwangslage verdichtet hatte, die ein Festhalten am Eigentum wirtschaftlich sinnlos erscheinen ließ. Eine solche Zwangslage hat jedoch der Eigentümer, der die Immobilie selbst noch unter Geltung der DDR-Verhältnisse zu anderen Zwecken als zum Erhalt ihres vertragsgemäßen Gebrauchs beliehen hat, sehenden Auges und ohne Not selbst mit herbeigeführt (Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 7 C 4.98 – a.a.O. S. 287 bzw. S. 6 ). Das gilt auch bei Beleihungen aus Anlass einer Erbauseinandersetzung. Zwar ging es dabei um den Erhalt des Eigentums am Grundstück. Aber § 1 Abs. 2 VermG hat nur frühere Eigentümer im Auge, die durch die verordneten Niedrigmieten gezwungen waren, die Substanz der Mietsache einzusetzen, um deren mietvertragsgemäßen Gebrauch zu erhalten. Deshalb können an dieser Stelle nur Finanzierungsmittel Berücksichtigung finden, die diesem Erhalt dienten, andernfalls würde keine Kausalität zwischen den nicht die Kosten des Objekts dienenden Mieten und der Überschuldung der Immobilie bestehen können.
Allerdings kann der fehlende Objektbezug des dinglich gesicherten Darlehens im Rahmen wertender Betrachtung unbeachtlich bleiben, wenn das Grundstück – wie vorliegend – trotz solcher Belastung noch längere Zeit unter den Verhältnissen der DDR in gebrauchsfähigem Zustand gehalten wurde. Wenn die Mieten die Kosten nicht deckten, mussten zwangsläufig erhebliche sonstige private Mittel investiert worden sein (vgl. Urteile des Senats vom 2. Februar 2000 – BVerwG 8 C 25.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 7 S. 14 ≪21≫; vom 24. Oktober 2001 – BVerwG 8 C 31.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 22 S. 90 ≪95≫ und vom 26. Juni 2002 – BVerwG 8 C 27.01 – a.a.O. S. 98 f.). § 1 Abs. 2 VermG bezweckt den Schutz des Eigentümers, dem ein Festhalten an seinem Eigentum nicht länger wirtschaftlich sinnvoll erscheinen musste, weil ihn die Niedrigmieten in eine konkrete ökonomische Zwangslage gebracht hatten. Ein Eigentümer, der trotz nicht kostendeckender Mieten die Nutzbarkeit der Wohnungen selbst oder durch seine Familie lange Zeit aufrecht erhalten konnte, was erfahrungsgemäß den Einsatz privater Mittel erforderte, lässt keine berechtigten Zweifel an der Vermutung aufkommen, dass zwischen der konkreten Verschuldung und der Niedrigmietenpolitik der DDR ein ursächlicher Zusammenhang mit bestanden hat. Derart verzehrte Privatmittel standen zur Verbesserung der Kreditgrundlage durch Minderung der Schuldenlast nicht zur Verfügung. Dieser Umstand kann dem Eigentümer bei der hier gebotenen wertenden Betrachtungsweise nicht zum Nachteil gereichen.
Der Einwand des Beklagten, im vorliegenden Falle habe die Mutter des Klägers das Mietwohnhaus nicht selbst lange Zeit genug in gebrauchsfähigem Zustand gehalten, übersieht bereits, dass schon deren Ehemann seit der Erbauseinandersetzung mit seiner Schwester die Vermietung betrieben hatte und der damit verbundene Aufwand der Mutter des Klägers als Erbin zuzurechnen ist.
Kann danach der ursächliche Zusammenhang von nicht kostendeckenden Mieten und Überschuldung vermutet werden, so heißt das nicht, dass diese Vermutung nicht erschüttert sein könnte. Aber hierfür müssen greifbare Anhaltspunkte bestehen (vgl. Urteil vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – BVerwGE 98, 87 ≪99≫).
d) Schließlich wird die vorgetragene Verzichtsmotivation der Mutter des Klägers nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen sein.
Unterschriften
Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze, Dr. von Heimburg, Postier
Fundstellen