1.2.3.1 Verfahrensarten
Die WertV stellt drei Verfahren zur Disposition, anhand derer die Wertermittlung anhand der vorstehenden Kriterien durchgeführt werden kann:
In § 7 Abs. 2 WertV ist nur vage erläutert, nach welchem Verfahren im Einzelfall eine Bewertung zu erfolgen hat. Dennoch hat sich ein Standard entwickelt.
Beim Vergleichswertverfahren werden andere Objekte mit bekanntem Wert herangezogen, das zu bewertende Objekt wird ins Verhältnis dazu gestellt. Es kann also umso weniger angewendet werden, je einzigartiger das zu bewertende Objekt ist bzw. je weniger Vergleichswerte bekannt sind.
Beim Ertragswertverfahren wird der Bodenwert anhand des Vergleichswertverfahrens ermittelt, § 15 Abs. 2 WertV. Die bauliche Anlage auf dem Grund wird nach Maßgabe des Rohertrages abzüglich der Bewirtschaftungskosten bewertet, § 16 Abs. 1 WertV. Rohertrag sind die eingehenden Mieten (Kaltmieten) und Pachten und sonstigen Einnahmen, die Folge der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung sind, § 17 Abs. 1 WertV. Gegebenenfalls sind statt der erzielten die erzielbaren Einnahmen zu ermitteln. Die abziehbaren Bewirtschaftungskosten sind:
- Abschreibung
- Verwaltungskosten (Personalkosten, Aufsichtskosten und Kosten des Jahresabschlusses sowie der Geschäftsführung)
- Betriebskosten (soweit keine Möglichkeit der Umlage über die Nebenkosten möglich ist)
- Instandhaltungskosten (d.h. die notwendigen Kosten, um den bestimmungsgemäßen Gebrauch weiter zu ermöglichen, soweit er durch Abnutzung, Alterung oder Witterung beeinträchtigt wird)
- Mietausfallwagnis (d.h. Rückstellung für etwaige Mietausfälle inklusive der Kosten eines Räumungsrechtsstreits)
Der sich ergebende Ertrag (Rohertrag abzüglich Bewirtschaftungskosten) ist ein Jahresbetrag, der zu kapitalisieren ist. Der Kapitalisierungsfaktor ist abhängig vom Bodenzinssatz einerseits (als Abzugsposten) und der Restnutzungsdauer des Objektes andererseits, abzulesen aus der Anlage zu § 16 Abs. 3 WertV.
Die Summe aus Bodenwert und Wert der baulichen Anlage ergibt den Ertragswert des Objektes, § 13 Abs. 3 WertV.
Das Ertragswertverfahren findet Anwendung bei Renditeobjekten (OLG Düsseldorf, FamRZ 1989, 280) wie Mietwohngrundstücken.
Das Sachwertverfahren legt wie das Ertragswertverfahren bereits den Bodenwert nach dem Vergleichswertverfahren fest, § 21 Abs. 2 WertV. Der Wert der baulichen Anlage wird aber anders als beim Ertragswertverfahren bestimmt. Maßgeblich ist auf den Herstellungswert abzuheben. Dieser setzt sich zusammen aus
- Herstellungskosten (gewöhnliche Kosten je Raum- und Flächeneinheit)
- Alter des Objektes
- Baumängel und Bauschäden
sonstige Faktoren
- wirtschaftliche Überalterung
- überdurchschnittlicher Erhaltungszustand
- erhebliches Abweichen der tatsächlichen von der rechtlich zulässigen Nutzung.
Gerechnet wird mit Erfahrungswerten. Die Summe aus Bodenwert und Wert der baulichen Anlage ergibt den Sachwert, § 21 Abs. 5 WertV.
Am Ende eines Gutachtens erfolgt regelmäßig ein prozentualer Abschlag auf das rechnerisch gewonnene Ergebnis unter der Stichwort "Marktanpassung". Es lässt sich fast immer darum streiten, ob der angegebene Satz angemessen ist.
1.2.3.2 Verfahrensauswahl
Die Wertbestimmung nach dem Vergleichs-, dem Ertrags- oder dem Sachwertverfahren führt zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.
Abgesehen vom Sonderfall nach § 1376 Abs. 4 BGB gibt es keine gesetzliche Bindung, welches Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist. Das hat auch der BGH betont (BGH, FamRZ 1986, 37).
Für Eigentumswohnungen hat es der BGH deshalb für zulässig erklärt, den Verkehrswert anhand des Mittelwertes zwischen Ertrags- und Sachwert anzusetzen (BGH, FamRZ 1986, 37).
Für eigengenutzte Ein- und Zweifamilienhäuser ist dagegen eher bzw. zumeist das Sachwertverfahren anzusetzen (BGH, FamRZ 1992, 918).
Bei einem Objekt, das teilweise selbst genutzt und teilweise vermietet ist, ist zu differenzieren. Der selbstgenutzte Teil ist nach dem Sachwertverfahren, der vermietete nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten.
Es kann von Vorteil sein, zu der Frage, nach welchem Verfahren zu bewerten ist, bereits vor der Einschaltung des Sachverständigen Stellung zu nehmen.
Fazit: Der reine Bodenwert wird auch bei Sach- und Ertragswertverfahren nach dem Vergleichswertverfahren ermittelt. Deshalb macht den Wert einer Immobilie in erster Hinsicht die Lage aus. Im Übrigen ist der Wert einer Immobilie primär abhängig von der Kubikmeterzahl der geschaffenen Fläche. Ob dagegen im Objekt statt Obi-Wasserhähnen solche aus Gold zu finden sind, ist für die Wertbestimmung von weit geringerer Bedeutung als so mancher Mandant annimmt.
1.2.3.3 Wahl des Sachverständigen
Trotz vieler klarer Vorgaben durch die WertV sind die Wertfeststellungen ungenau. Dies liegt schon daran, dass nach dem Gesetz bei allen Wertermittlungsverfahren "sonstige, den Verkehrswert beeinflussende Umstände" zu berücksichtigen sind "durch Zu- und Abschläge oder in anderer geeigneter Weise". Deshalb hat sich der Anwalt mit der Frage zu beschäftigen, wer die Wer...